Autor: Shella LaRoche

 

Nicht weit vom belebten Zentrum Chinatowns entfernt sahen in einem kleinen Park Augen in die Welt. Augen, die geöffnet waren, aber nichts um sie herum wahrnahmen, denn der Mann, dem sie gehörten, war tief in Gedanken versunken.

Er dachte darüber nach, wie es wohl wäre trotz all dieses Lärmes in dieser lauten Stadt zu seinen Füßen einen Grashüpfer hören zu können. Wie lange es wohl dauern würde bis er, Peter Caine, die kleinen Wunder der Welt ebenso intensiv erleben würde wie sein Vater - oder seine Ahnen vor ihm.

Seit einem Jahr war Kwai Chang Caine in Europa und suchte nach Peters Mutter. Seit einem Jahr versuchte Peter in die Fußstapfen seines Vaters zu treten die, wie es ihm manchmal vorkam, für ihn viel zu groß waren. "Paps...", sagte er leise und sah seinen Vater bei ihrem Abschied in Chinatown vor sich. "Wenn Sie Hilfe brauchen, kommen Sie nach Chinatown", hatte er zu Peter gesagt. "Fragen Sie nach Caine, er wird ihnen helfen!"

Peter fuhr leicht mit den Fingerspitzen über die Narben die, jetzt deutlich sichtbar, die Innenseiten seiner Arme zierten: Tiger und Drachen. Er war ein Shaolin, wie sein Vater und dessen Vorväter vor ihm, aber er suchte immer noch seinen Weg.

Er hatte angefangen beim Alten die Kunst des Apothekers zu lernen, hatte manchmal für die Polizei als Berater gearbeitet, oder Kung-Fu Kurse gegeben. Auch Shaolin-Mönche müssen von irgend etwas leben...

Peter hatte seine Wohnung aufgegeben und war in die Wohnung seines Vaters gezogen. Nicht nur, dass zwei Wohnungen für einen Mann zu viel waren, irgendwie hoffte er auch dort Inspiration zu finden. Für ihn verwertbare Inspirationen hatte er zwar nicht allzuviel gefunden, aber ein uraltes Sparbuch, das von seinem Urgroßvater angelegt worden war. Peter stellte fest, dass er nicht ganz Mittellos war. Allerdings sah er es als Ehrensache an, diesen Notgroschen nicht anzutasten.


Aus diesem Grund saß er auch im Park und wartete auf Kermit. Er sollte Peter seinen neuen Beratervertrag bringen. Kermit war spät dran und Peter begann sich im Park umzusehen. In einiger Entfernung setzte eine Gruppe junger Rowdies einer alten Dame zu. Peter lief hinüber, bevor er merkte, daß er aufgestanden war.

Dann überschlugen sich die Ereignisse: eine der Frauen der Gang, eine unscheinbare, mittelgroße und ungepflegte Frau zog eine Kanone und hielt sie dem Anführer unter die Nase. "Stehen bleiben, Polizei!", brüllte sie. "Wenn du dich nur einen Millimeter bewegst, verpasse ich Dir ein drittes Nasenloch!"

Peter gelang es zwei der Rowdies aufzuhalten, die plötzlich in seine Richtung davonliefen. Es reichte, um die Polizistin einen Sekundenbruchteil abzulenken. Diese Zeit nutzte der Ganove: er schlug ihr den Arm weg, warf sie nieder und lief davon. Weit kam er nicht: eine zielsicher hinter einem Baum hervorschnellende Hand schickte ihn zu Boden. Kermit war gerade rechtzeitig eingetroffen. Er nickte Peter zu, der mit seinen zwei Unruhestiftern am Kragen zu ihnen herüberkam.

Peter war nicht auf die Wut gefaßt, mit der die Frau, die Waffe in der Faust auf ihn gerichtet, auf ihn zu kam. "Nennen Sie mir einen guten Grund, Mister, warum ich Sie nicht wegen Behinderung der Staatsgewalt festnehmen soll!"-"Hey!" protestierte er. "Ich bin auf Ihrer Seite!" Ihre Augen blitzten. "Ach ja? Ihretwegen ist mir fast dieser Dealer hier durch die Lappen gegangen! Was sollte das eigentlich, hier diese Show abzuziehen?" Eine ruhige Hand drückte auf ihren Arm und veranlaßte sie dazu, die Waffe zu senken.

"Das ist Peter Caine, ihr Vorgänger auf dem 101. Revier. Ich nehme an, Peter hat uns gesehen und wollte helfen." Sie schnaubte ironisch: "Uns? Dann ist es mit ihrer Tarnkunst wohl doch nicht so weit her!" Kermit ließ sich nicht provozieren. "Peter ist Shaolin und mein Freund. Er weiß, wenn ich in der Nähe bin. Außerdem haben wir jetzt auch die Mittelsmänner dieses Schweines!" Sie kochte immer noch vor Wut: "Okay, heiliger Caine. Aber kommen Sie mir nicht noch einmal in die Quere!" Sie schnappte sich den Dealer und schleifte ihn zum Auto, während sie seine Rechte hinunterleierte.

"Danke, Pete!" sagte Kermit. "Sie ist neu bei uns und noch etwas nervös."-"Ist schon okay. Wo kommt sie her?"-"Jeanette Carson, Drogenfahndung, 'ne harte Lady. Etwas zu viel Temperament für meinen Geschmack!" Peter grinste breit: "Ist auch gut so. Schöne Grüße an den Captain!" Kermit lächelte, wie immer, wenn er an Karen Simms dachte. "Werde ich ihr Ausrichten!" Er zog ein Bündel Papiere aus der Tasche und reichte sie Peter, der sie einsteckte. Er nickte kurz zum Abschied und folgte seiner Kollegin.

Dann ging Peter zu der alten Dame hinüber. "Kann ich ihnen helfen, Madame?" fragte er sie fürsorglich. Sie war immer noch außer Fassung. "Ich denke, ich war zur falschen Zeit am falschen Ort!" meinte sie bekümmert. "Würden Sie mich zum nächsten Taxi begleiten?" Peter lächelte und bot ihr galant den Arm. Er bemerkte nicht, daß Jeanette Carson mit eisigem Blick zu ihm hinüberstarrte.


Eine Woche später besuchte Peter das 101. Revier. Eine Geiselnahme erforderte seine Anwesenheit als Berater. Ein chinesischer Familienvater, der ausgewiesen werden sollte, drohte sich und seine Familie in die Luft zu sprengen. Er weigerte sich mit Polizisten zu sprechen. Peter sollte in die Wohnung gehen, mit ihm verhandeln und notfalls eingreifen.

Kermit, Blake, Carson und der Captain befanden sich schon in Captain Simms Büro, als Peter eintraf. Sie begrüßte Peter erfreut, Kermit und Blake gaben ihm die Hand, doch Carson saß brütend in der hinteren Ecke des Büros. Peter war einen Augenblick unsicher, was er mit ihr machen sollte, entschied sich dann aber für ein kurzes Nicken und wandte sich den anderen zu.

Captain Simms erklärte die Lage: "Die Familie soll ausgewiesen werden. Der Mann wird in China politisch verfolgt und seine Frau ist mit dem zweiten Kind schwanger. Sie wissen, was das heißt?" Peter nickte:"Daß das Kind die Geburt in China nicht überleben würde. Wenn er politisch verfolgt wird, warum bekommt er dann kein Asyl?"-"Er behauptet, die Dolmetscherin wollte ihn erpressen. Als er sich weigerte zu zahlen, hat sie die Angaben, die er gemacht hat, verfälscht. Jetzt weigert er sich mit ‚Leuten vom Staat' zu reden."-"Mist!" Peter schlug mit seiner Faust an einen der Schränke. "Deswegen brauchen wir sie!" erklärte Captain Simms. "Als Shaolin wird er ihnen vertrauen. Wir können ihm noch keine endgültige Zusage geben, daß er bleiben darf, aber andererseits brauchen wir seine Aussage gegen die Dolmetscherin!"

Eine ätzende Stimme meldete sich aus dem Hintergrund: "Und da kommt der heilige Caine wie gerufen!" Peter riß sich zusammen und entgegnete ruhig. "Sie verwechseln mich. Der ‚heilige' Caine ist mein Vater. Er ist Shambala-Meister. Ich bin nur ein normaler Shaolin-Mönch."-"Klar!" entgegnete Carson. "Ist ja auch einfacher sich im Vaters Abglanz zu sonnen, als selbst etwas darzustellen!"

Kermit begann wütend: "Peter ist ein Ehrenmann und...", als die Stimme des Captain ihn harsch unterbrach. "Carson, es reicht jetzt! Entweder sie sagen Peter hier und jetzt, was sie gegen ihn haben oder es werden sich für sie Konsequenzen ergeben, denn mit ihrem unkooperativen Verhalten behindern sie die effiziente Arbeit meiner Abteilung!" Carson warf trotzig den Kopf zurück. "Ich habe es so satt! Überall heißt es: mit Peter klappt es, Peter hätte es so gemacht, Peter steht zu seinem Wort. Wie haben sie es geschafft, die alle glauben zu lassen, daß sie immer meinen, was sie sagen?" Sie schaute ihn mit einem eisigen Blick an, die braunen Augen mit stählernem Blick auf ihn fixiert. Das rote Stirnband und die darüber abstehenden kurzen Haare unterstrichen die Kraft dieses Blickes. Peter hielt diesem Blick stand. "Weil ich immer das tue, was ich sage!"-"Immer?", die Skepsis war in ihren Augen nicht verborgen. "Hat es nicht eine Zeit gegeben, wo sie etwas gesagt und etwas anderes getan haben?"-"Hören Sie, ich bin nicht perfekt auf die Welt gekommen. Wenn sie mir etwas vorzuwerfen haben, dann heraus damit! Ich bin es leid Rätsel zu raten!"

Carson senkte den Blick, als ob sie in ihrem Inneren einen Text lesen oder ein Bild wiederentstehen lassen würde: "Ich werde dich begleiten, wie der Mond die Erde und wie die Atmosphäre wird meine Liebe dich umhüllen... sagen Ihnen diese Worte etwas?" Peter war käseweiß geworden. Er tastete mit seinen Händen nach einem Stuhl. "Woher kennen sie sie?" brachte er keuchend hervor. "Unwichtig", erwiderte Carson. "Ich will nur wissen, wie diese Worte mit ihrem plötzlichen Verschwinden zusammenhängen..."-"Meinem plötzlichen Verschwinden..."

Kermit und Simms schauten Peter fragend an, der sich an Carson wandte: "Versprechen Sie mir nachher zu sagen, woher sie diese Worte kennen?"-"Ich verspreche es mir zu überlegen."-"Nein! Ich will es wissen!" Sie dachte einen Moment lang nach. "In Ordnung!", sagte sie.

Peters Augen blickten in die Vergangenheit: "Es war vor fast fünf Jahren. Ich war noch relativ neu bei der Polizei, da wurde eine Ringfahndung ausgelöst. Weißt du noch, Blake? Das kleine Mädchen, Sylvia Hawn? Sie war von einem Sittenstrolch in die Berge verschleppt worden und wir bezogen Posten in den Wäldern. Ich wurde Settlers Hotel zugeteilt."

Die älteren Anwesenden nickten. Der alte Settler war einmal selbst Polizist gewesen, hatte sich auf das Land zurückgezogen und hielt immer ein Bett für Polizisten "auf Posten" frei.

"Es war ziemlich voll", fuhr Peter fort. "Ein Bus mit Touristen und etliche Einzelreisende, die auf dem Weg in die Berge waren, übernachteten dort. Ich war gerade dabei die Akten bei einer Tasse Kaffee durchzusehen, als mich eine melodische Stimme fragte, ob der Platz neben mir frei war. Ich schaute hoch und hatte das Gefühl ich würde in zwei blauen Seen ertrinken. Ich hatte noch nie solche lapislazuli-blauen Augen gesehen. Meine zukünftige Frau stand mir gegenüber, das wußte ich. Stotternd bat ich sie Platz zu nehmen und sie setzte sich zu mir." Kermit, Blake und der Captain warfen sich amüsierte Blicke zu: daß eine Frau Peter zum Stottern brachte, war in der Tat ungewöhnlich.

Peter fuhr leise fort: "Wir redeten in der Bar, dann in ihrem Zimmer. Es waren zauberhafte Stunden. Wir liebten uns. Ich wollte sie nie wieder gehen lassen."

Er schaute in die skeptischen Augen Carsons. Die Haut auf ihrer windschiefen Nase kräuselte sich. Sie mußte wohl im Drogendezernat einmal was auf die Nase bekommen haben.

"Dann", fuhr er fort, "kam der Alarm. Mein Pieper rief mich fort. Sie hatten eine heiße Spur und ich mußte sofort los. Ich hatte keine andere Wahl. Ich ging zur Rezeption. Der alte Settler war im Bett. Nur ein Freund von ihm, Toby, paßte an der Bar auf. Ich gab ihm einen Zettel mit meiner Telefonnummer und Adresse und fuhr los. Was ich nicht ahnen konnte war, daß Toby, ein recht resistenter Trinker, schon angetrunken war. Im Laufe der Nacht kippte er noch einen drauf, schlief an der Bar ein und kotzte im Traum die Notizzettel voll. Die Putzfrau kehrte sie am Morgen ohne weiteres Federlesen mit dem Erbrochenen zusammen auf. Meine Nachricht hat Francis nie erreicht." Peter schaute auf seine Hände und machte eine kleine Pause.

"Sofort nach dem Ende des Einsatzes nahm ich mir frei und suchte nach ihr. Ich kannte doch nur ihren Vornamen: Francis aus New York. Wißt ihr, wie viele Francis es in New York gibt?" Sie schüttelten die Köpfe. "2478! Und ich habe sie alle überprüft."

Er schaute Jeanette Carson an. "Du weißt, was ein Code Alpha Alarm ist. Ich hatte keine andere Wahl. Als ich keine Spur von ihr fand, versuchte ich sie über die Jahre hinweg zu vergessen, doch ich trage sie immer noch in meinem Herzen. Deswegen hielt wohl auch keine meiner Beziehungen lange. Ich hoffe immer noch, sie zu finden."

In Jeanette Carsons Gesich arbeitete es. Sie stand langsam auf und fuhr sich mit den Händen über die speckige Jeans. Dann ging sie hinüber zu Peter und legte im Vorbeigehen kurz eine Hand auf seine Schulter. "Du konntest sie nicht finden. Ihr richtiger Vorname lautet Francesca. Wenn du sie finden möchtest, komm am Samstag vormittag in den Park der alten Dame!" Sie schaute ihn mit eisernem Blick an. "Wenn du ihr noch einmal weh tust, werde ich dich töten!" Dann ging sie hinaus.

Captain Simms ließ die Drohung im Raum stehen und räusperte sich. "Okay, an die Arbeit!" Und dann fuhren sie fort, ihren Einsatz zu planen. Nach einiger Zeit kam Jeanette Carson zurück. Sie beobachtete Peter. Sie legte jedes Wort, jede Geste auf eine innere Waagschale. Eine Seite der Geschichte kannte sie und wußte, wie sehr Francis sich in ihn verliebt hatte. Und wie sehr sie unter der Trennung gelitten hatte, so sehr, daß sie beinahe zerbrach. Francis hatte ihr Leben ganz neu aufbauen müssen. War Peters Geschichte wahr gewesen?


Sie gingen zu der Wohnung des Geiselnehmers. Jeanette sollte Peter in Zivil begleiten. Als Frau sollte sie weniger bedrohlich wirken und helfen die Lage zu entspannen. In ihrem alten Mantel sah sie jetzt weniger wie eine Schlägerin sondern mehr wie Columbo aus. Captain Simms hatte innerlich den Kopf geschüttelt, aber sie dann ziehen lassen.

Wie der Captain vorhergesagt hatte, öffneten Peters Shaolin-Brandmale und der Name Caine ihnen die Tür. Jeanette sah, wie er die Familie beruhigte, wie er lange mit dem Mann redete und die Beweise prüfte. Ein laienhaftes Videoband, das mit einer uralten Kamera aus einem Schrank heraus gedreht worden war, zeigte die Dolmetscherin. Peter übersetzte alle für sie. Jeanette sah, wie sich unter seinen Worten der Mann merklich beruhigte. Dann ging Peter hinüber zu der Frau und steckte ihr ein Päckchen zu. Auch was er zu ihr sagte, übersetzte er. Für das Protokoll. "Ich hoffe, es kommt nicht zu Komplikationen. Selbst leichte Komplikationen würden bedeuten, dass sie die lange Reise nicht antreten könnten." Er schaute die Frau aufmerksam an. Sie nickte und ihr Blick wanderte zu ihrem Mann. Er zog ein Kabel aus der Bombe und wandte sich mit hängenden Schultern an Peter: "Unser Schicksal liegt jetzt in ihren Händen, Caine!"

Peter legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Fassen sie Mut! Ihre Frau wird sie nicht anzeigen und wir haben ihre Beweise gegen die Dolmetscherin. Ich gebe ihnen ein Quittungsprotokoll und Carson wird es gegenzeichnen. Es besagt, dass wir das Band gesehen haben und beschreibt, was darauf aufgezeichnet war. Ich werde mit ihnen in Verbindung bleiben."

Peter erledigte den Papierkram, dann ging er hinaus und sagte leise im Vorbeigehen: "Übrigens habe ich gehört, dass der Alte hervorragende chinesische Teesorten im Sortiment hat, falls sie Nachschub brauchen..." Peters Blick wanderte zu dem Päckchen, dann nickte er ihnen kurz zu und ging.


Kermit kam ihnen entgegen: "Gut gemacht! Jetzt müssen wir nur noch die Dolmetscherin dran kriegen!"-"Die hängt nicht allein drin!" meinte Peter. "Es würde mich wundern, wenn das Ganze nicht organisiert wäre!" Kermit nickte.

Sie lieferten die Mikros bei Blake ab und fuhren in Carsons Wagen zum Bezirksgericht, um das Beweismaterial vorzulegen und mit der Staatsanwältin zu sprechen.

Als sie allein waren fragte Carson: "Und was haben sie der Frau gegeben?" Peter lächelte: "Einen leichten Tee zur Förderung der Verdauung." Er wandte sich ihr kurz zu. "Ich habe gehört, schwangere Frauen brauchen soetwas."-"Und ?!?"-""Wie und?"-"Oh, kommen sie, Caine! Wir haben die Mikros abgegeben..." Peter seufzte. "Man muß die Dosierung genau einhalten, sonst kann es zu Schwindelgefühlen und Herzklopfen kommen." Carson schaute ihn misstrauisch an. "Ich hoffe, sie wissen, was sie tun. Mit dem Leben schwangerer Frauen spielt man nicht!" Sie hielt vor dem Gerichtsgebäude und Peter schaute sie ernst an. "Diese Medizin hat ein weiser und erfahrener chinesischer Apotheker gemischt, der als Meister seines Kunst anerkannt ist. Er bewirkt, dass die Mutter sich zwar nicht wohl fühlt, dem Kind es aber gut gehen wird. Auch wenn ich zuversichtlich bin, dass wir Asyl für sie erhalten werden, wird es ihnen auf jeden Fall zusätzliche Zeit verschaffen. Schwangere Frauen, bei den Komplikationen auftreten, dürfen nicht in die Asylantenheime zur Abschiebung gebracht werden!"-"Dann hoffe ich sie nimmt den Tee!" knurrte Carson. "Das wird sie!" meinte Peter zuversichtlich. "Ich würde es tun, um mein Kind zu schützen. Ich kann den Mann gut verstehen. Ich würde alles tun, um mein Kind vor dem Schicksal zu bewahren, bei der Geburt vergiftet zu werden!" Carson schüttelte den Kopf. "Selbst die Familie mit einer Bombe umbringen?" Peter schnaubte trocken. "Was für eine Bombe? Diese Eieruhr mit Sylvesterknaller dran hätte vielleicht die Tapete versengt, aber das wäre es dann auch gewesen. Er wäre für sein Kind ins Gefängnis gegangen, wenn andere Polizisten ihn überwältigt hätten. Er hätte es vielleicht jahrelang nicht gesehen, aber durch die Dauer des Gerichtsverfahrens wäre es auf jeden Fall hier geboren worden!"

Carson wollte die Tür öffnen und aussteigen. Aus Peter sprudelte es heraus: "Jeanette, bitte, bevor wir hineingehen, was ist mir Francis?"-"Samstag!" knurrte sie nur knapp und schwang ein Bein heraus. Peter hielt sie am Arm zurück. "Geht es ihr gut?"-"Besser als ihnen, wenn sie nicht sofort ihre Hand dort wegnehmen!" Sie schüttelte die Hand ab und schlug die Tür zu.


Sie regelten das Notwendige im Gericht und trennten sich dann. Peter meditierte zuhause über den Zwischenfall und dachte an seinen Vater. Ja, Paps hatte mehr als einmal sein Leben riskiert, um seines zu retten. In Peter tobte in Sturm. Er versuchte seine Gefühle für Francis auszuloten. Es war lange her, seitdem er sie gesehen hatte. Jeanette sagte, sie wäre an ihrer Trennung fast zerbrochen. Was hatte er ihr angetan, dass es eine so tiefe Wut in Jeanette ausgelöst hatte? Wer war Jeanette? Ihre Schwester? Ihre Freundin? Diese Fragen schwirrten in seinem Kopf herum und die Zeit bis Samstag schlicht dahin.

Peter sah Jeanette noch einmal bei der Staatsanwältin, die die Sache mit der chinesischen Asylfamilie betreute. Sie ließ durchblicken, dass sie seine Geschichte über die Nacht mit Francis überprüft hatte - zumindest den dienstlichen Teil. Anscheinend sah sie in ihm jetzt nicht mehr den Erzfeind, aber mehr war auch nicht aus ihr herauszubekommen.

Der Samstag rückte näher und plötzlich fand Peter sich dabei wieder, wie er in den kleinen Park hinunterging. Er war unsicher, was ihn erwarten würde und doch voller Hoffnung. Fühlte sein Vater auf seiner Suche nach seiner Frau genauso? Er ging auf eine Bank zu und setzte sich. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Längst hatte er aufgegeben umherzulaufen und sich umzuschauen. Wenn er sich zu viel bewegte verpasste er sie vielleicht. Er hatte sich einen Stock genommen und malte nun sinnlose Zeichen in den Boden zu seinen Füßen. Er begann sich gerade zu fragen, ob sie überhaupt noch kommen würde, als plötzlich zwei Füße vor seinen Augen erschienen und eine weiche, leise Stimme "Hallo Peter!" sagte. Er schaute auf und hatte wieder dieses Gefühl, als ob er in zwei blauen Seen ertrinken würde. Dieses blau würde er überall auf der Welt erkennen! Alle seine Zweifel schwanden und er fiel vor ihr auf die Knie. "Francis!" rief er und barg sein Gesicht an ihrem Leib. "Oh, Francis!" Sie hob sein Gesicht auf und küsste ihn sanft auf den Mund. Dann zog sie ihn an ihre Seite auf die Bank.

Er schaute sie lange an. Die Schlaksigkeit des Teenagers war verschwunden. Weiche, frauliche Formen wurden umschmeichelt von einem hellen Kleid. Ihre schulterlangen, lockigen Haare spielten im Wind und ihre Augen, ihre Augen....

"Ich habe alles versucht, um dich zu finden!" Er küsste ihre Hände. "Und ich um dich zu finden. Als ich es nicht schaffte, ging Jeanette sogar in den Polizeidienst, um die Akten einsehen zu können und dich so zu finden!"-"Wer ist sie überhaupt?"-"Das erzähle ich dir später. Jetzt erzähle mir bitte, wie es dir inzwischen so ergangen ist."

Kein Zweifel, das alte Band war noch da. Sie schlenderten durch den Park, redeten, schwiegen, berührten und fühlten. Francis erzählte ihre Geschichte: wie enttäuscht sie gewesen war, ihn am Morgen nicht an ihrer Seite zu finden. Wie wütend sie gewesen war, als sie im Hotel keine Nachricht von ihm fand. Wie ausgenutzt und schmutzig sie sich vorkam und dennoch Hoffnung hatte, das alles nur ein Missverständnis gewesen war. Wie ihre Verzweiflung wuchs, als sie ihn nicht finden konnte. "Polizisten mit dem Vornamen Peter gibt es in den USA wie Sand am Meer..."

Sie beschrieb ihre Freude, als es Jeanette gelungen war, ihn zu finden und ihre Angst, als sie ihr von seinem Ruf als Frauenheld berichtete. Und dann das unbeschreibliche Gefühl, als Jeanette ihr sagte, dass er sie noch immer liebte. "Von ganzem Herzen!" bestätigte Peter.


Immer wieder gingen sie die Runde durch den kleinen Park. Als sie das dritte Mal an dem kleinen Spielplatz vorbeikamen sagte Peter: "Ich spüre etwas ungewöhnliches an diesem Ort. Können wir kurz hinübergehen?" Francis nickte und Peter ging suchend über den Platz.

Unauffällig sprach Francis mit einem älteren Mann. Dieser nickte, rief einen kleinen Jungen aus der Sandkiste zu sich und wischte ihm mit einem Tuch die Hände sauber. Der Dreikäsehoch lächelte Francis an. Sie küsste ihn kurz auf die Nasenspitze und nahm ihn an die Hand.

Peters Augen waren noch immer nach innen fokussiert. "Dort ist es!" sagte er leise zu sich selbst und drehte sich um. Genau im Brennpunkt dieses Gefühls sah Francis mit einem kleinen Jungen an der Hand vor sich stehen.

"Ich hatte dir noch nicht gesagt, warum ich so verzweifelt war und was mein Leben so aus der Bahn geworfen hat. Das hier...." sie führte den Kleinen zu Peter, "ist dein Sohn Matthew." Peter kniete sich nieder und sah ihn aufmerksam an. Dann sagte er leise: "Ich weiß!", und drückte den Kleinen an sich. Zum ersten Male verstand er, was sein Vater gefühlt haben musste, als er ihn wiederfand. Er schaute den Kleinen liebevoll an. "Hallo, mein Sohn. Weißt du, dass du den selben Namen wie mein Großvater trägst?"-"Opa?" fragte der Kleine. "Nein, dein Uropa. Opa heiß Kwai Chang."-"Und Papa Peter!" Er nahm seinen Sohn auf den Arm und lächelte ihn stolz an. "Und Papa Peter!" bestätigte er ihm. Er zog Francis an sich und küsste sie. "Danke!" flüsterte er leise.

Ein Räuspern unterbrach sie und ein älterer Mann trat auf sie zu. Francis stellte ihn vor: "Peter, das ist Mr. Simpson, unser Nachbar. Er ist wie ein Großvater für Matthew und kümmert sich um ihn nach dem Kindergarten." Der alte Mann fasste ihn hart ins Auge. "Junger Mann", sagte er mit rauer Stimme, "geben sie gut auf die Beiden acht, sonst bekommen sie es mit mir zu tun!" Peter grinste. "Stellen sie sich bitte hinten an, Sir. Ich habe schon eine Drohung erhalten. Allerdings werden sie lange warten müssen, denn ich habe vor, sie glücklich zu machen!" Peter drückte ihm fest die Hand, was dieser als Versprechen nahm. Mr. Simpson nahm ihm Matthew ab und stellte ihn auf die Füße. "Ihr habt noch einiges zu besprechen. Matthew und ich haben die Sandkiste noch nicht ganz umgegraben. Wenn wir fertig sind, nehme ich ihn mit zu mir. Komm, kleiner Mann!" Der Kleine ergriff die ausgestreckte Hand. "Papa kommt mit?" fragte er. "Papa kommt nachher mit!" bestätigte Peter.

Francis schaute ihn fragend an. "Verstehst Du jetzt, warum ich so verzweifelt war?" Er nickte und schaute Matthew hinterher. "Er ist ein prachtvoller Junge!" sagte er zu Francis, die seine Hand ergriff und gemeinsam mit ihm langsam aus dem Park herausschlenderte.


Sie gingen zu dem alten Haus, in dem Francis Wohnung lag. Francis erzählte mit leiser Stimme: "Ich war gerade hergekommen, ohne Arbeit, ohne Familie und, wie ich dachte von dir verlassen, da half Jeanette mir. Die Schwangerschaft war schwer und ich hätte es fast nicht geschafft. Ich hatte psychologische Probleme." Sie schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf. "Wer ist Jeanette?", fragte Peter und hoffte nun endlich eine Antwort zu erhalten. Francis zeigte auf einen Pappkarton der Kleidung, Perücke, Kontaktlinsen, Einlagen für Schuhe und Schminke enthielt. "Das ist Jeanette. Ich hatte, wie gesagt psychologische Probleme. Ich heiße mit vollem Namen Francesca Jeanette Carson und mein Alterego Jeanette half mir dabei, Stärke zu bewahren und nicht zu verzweifeln." Peter schaute sich die Sachen an und dachte an diese ruppige, schlampige Frau auf dem Revier. "Kaum zu glauben, dass du sie bist!"-"Nein, bin ich auch nicht!" rief Francis aus und wandte sich ab. "Wie soll ich es erklären?" Peter legte ihr beschwichtigend die Hände auf die Schultern. "Das brauchst du nicht. Ich habe bei meinem Vater schon ähnliches erlebt." Francis zitterte. "Sie hat dich gehasst. Sie wollte sich rächen!"-"Aber nur solange bis sie merkte, dass alles ein Missverständnis war. Gräme dich nicht!"

Francis griff entschlossen nach dem Karton und ging damit zum Müllschlucker. "Ruhe in Frieden, Jeanette!", sagte sie und warf den Karton hinein. Peter legte von hinten die Arme um sie und spürte, wie ihr Körper bebte. Er drehte sie sanft um und sagte eindringlich zu ihr: "Du wirst Jeanette nie wieder brauchen. Du hast jetzt mich!" Francis schmiegte sich an ihn und flüsterte zitternd: "Halt mich fest!" Dann gaben ihre Beine nach und sie wurde ohnmächtig. Peter nahm sie vorsichtig auf die Arme und trug sie in ihre Wohnung hinein.


Bald darauf wurde eine kleine, stille Hochzeit in Chinatown gefeiert. Der Alte traute sie beide, Freunde aus Chinatown und Kollegen vom Revier waren anwesend. Matthew führte stolz die Braut zum Altar und stand wie eine Miniaturausgabe des Bräutigams neben seinem Vater. Peter und Francis tauschten ihre Gelübde und mit der verschmitzten Erlaubnis des Alten küsste Peter seine Frau. Die Freunde und Kollegen gratulierten ihnen und staunten immer noch über des Rätsels Auflösung. Umso erfreuter winkten sie dem Kermit-Mobil nach, das mit einem großen "Frisch verheiratet!" Schild das Paar nach Hause brachte.


Die junge Familie bezog Kwai Changs Wohnung, da Francis weiter als Polizistin arbeiten wollte und Peter hier unterrichten konnte. Matthew wurde für einige "Flittertage" Opa Simpson anvertraut und Captain Simms schaute noch einmal kurz herein, um Francis ihre neue Dienstmarke zu überreichen. "Francesca J. Caine" stand darauf zu lesen und mit einer Träne im Auge strich sie über ihren neuen Namen.

Sie küssten Matthew Caine jr., gaben Opa Simpson einen dicken Teddybären mit und fuhren zu den Niagarafällen. Peter und Francis holten vier Jahre nach. Peter liebte jeden Augenblick an ihrer Seite und Francis tastete mit ihrer Hand immer wieder nach ihm, auch im Schlaf.


Peter stand in einer kurzen Hose auf dem Balkon und beobachtete durch die geöffnete Tür des Appartements seine schlafende Frau. Leise wandte er sich um und betrachte den Himmel über den Niagarafällen. Das Abendrot hatte den Himmel überzogen und mit seinem Licht die Fälle in fließendes Gold verwandelt. Er nahm einen Anhänger ab, der an einer Kette um seinen Hals gehangen hatte und barg ihn in seinen Händen. Es war der Anhänger, der in der Familie Caine vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde. Dann schloss er die Augen und dachte an seinen Vater und seinen Großvater.

"Ich habe sie gefunden! Ich habe eine wundervolle Frau. Und ich habe einen Sohn! Er heißt Matthew! Ich liebe euch, wo immer ihr auch seid!" Von weit her hörte er zwei leise Stimmen: "Wir sehen sie in deinem Herzen. Wir sind stolz auf dich! Es wird wieder einen Caine geben; einen Caine mit den Augen eines Shaolin!"

Der Kontakt brach ab und Peter schaute mit Tränen in den Augen, das Bild seines Sohnes im Herzen, in die letzten herrlichen Strahlen des verlöschenden Sonnenunterganges.