Autor: immertreu

Peter Caine hasste Ringelsocken. Leider hatte er vor Jahren die Chance verpasst, seinen Kollegen seine Abneigung gegen die meist quietschbunt gemusterten Baumwollstrümpfe mitzuteilen, sodass er nun regelmäßig zu Weihnachten von mindestens zwei Damen des 101. Reviers mit diversen Exemplaren des ungeliebten Kleidungsstücks bedacht wurde. Ob sie ihn damit unbewusst für seine Jugendlichkeit belohnen wollten?

Es war der 25. Dezember, und als Peter am frühen Morgen das Revier betrat und auf seinen Schreibtisch zusteuerte, schwante ihm Fürchterliches. Denn auf dem Tisch, inmitten der üblichen Aktenberge, saß ein kunstvoll in weißes Geschenkpapier gewickeltes Paket, das auf allen Seiten geschätzte 20 Zentimeter maß. Künstliche Schneeengel und Eiszapfen waren mit einer dicken Schleife am Päckchen festgebunden und glitzerten fröhlich im hellen Licht der Deckenlampen.

Peter näherte sich seinem Platz so vorsichtig und misstrauisch, als würde dort kein Geschenk, sondern eine Bombe auf ihn warten. Ein schneller Blick durch den halbleeren Raum verriet ihm nicht sofort die Herkunft des hübschen Präsents, doch es war auch ohne weiteres möglich, dass die Urheberin – es war eine Sie, daran gab es für Peter wegen der geschmackvollen Verpackung keinen Zweifel – gerade auf Streife oder zu einem Einsatz gerufen worden war. Er nahm sich vor, alle Neuankömmlinge genauestens zu beobachten. Ein unbedacht in seine Richtung geworfener Blick würde früher oder später sicherlich zur Lösung dieses Rätsels führen.

Peter schüttelte die letzten Schneeflocken, die in der Wärme des Reviers noch nicht geschmolzen waren, aus seinen Haaren, zog sorgfältig einen Handschuh nach dem anderen aus und steckte beide Wollungetüme ordentlich in seine Manteltaschen. Carolyn würde ihm nie verzeihen, wenn er die nagelneuen, von ihr gestrickten Handschuhe, verlieren würde. Der Gedanke an den schönen Weihnachtsabend, den Peter mit seinem Vater bei den Blaisdells verbracht hatte, zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht und ließ ihn den feuchten und daher schweren Mantel mit so viel Schwung über die Rückenlehne seine Schreibtischstuhls werfen, dass er fast Skalanys Telefon vom Tisch hinter sich wedelte. Gerade noch mal gut gegangen...

Blake, der gerade auf dem Weg zu Kermits Büro war und sein übermütiges Manöver beobachtet hatte, grüßte schmunzelnd. "Neue Verehrerin, Peter?", und verschwand schnell um die Ecke, bevor Peter auch nur etwas erwidern konnte.

Innerlich den Kopf schüttelnd nahm dieser nun endlich an seinem Tisch Platz und brachte erst einmal das geheimnisvolle Paket zwischen Telefon und Bleistiftspitzer in Sicherheit. Im Laufe des Tages würde sich das Rätsel um das anonyme Geschenk sicherlich lösen lassen. Doch nun stand erst einmal die Abarbeitung des Papierkrams an, der – wie jedes Jahr – in den letzten hektischen Wochen vor Weihnachten liegen geblieben war. Immerhin hatten sie in diesem Jahr keinen Weihnachtsmann verhaften müssen...

Peter stürzte sich mit einem tiefen Seufzer in die Arbeit und verbrachte sogar die Mittagspause an seinem Schreibtisch. Der Captain hatte angedroht, ihm sein nächstes freies Wochenende zu streichen, wenn der Aktenberg auf seinem Schreibtisch nicht bis zum nächsten Morgen verschwunden wäre, und Peter hatte nicht vor zu testen, ob Paul die Drohung wirklich wahrmachen würde. Ab und zu fiel sein Blick beim Hin- und Hersortieren der Papiere auf das glitzernde Päckchen, dass ihn erwartungsvoll anzufunkeln schien, doch bisher hatte sich keine seiner Kolleginnen auffällig verhalten, und bis auf ein paar gemurmelte Weihnachtsgrüße von allen Seiten, war es ein sehr ruhiger Tag auf dem Revier.

Draußen wurde es schon dunkel, als Peter endlich den letzten Ordner zuschlug und sich mit dem Papierstapel, der die erledigten Fälle enthielt, auf den Weg zum Büro des Captains machte, der anerkennend nickte und ihn zum wohlverdienten frühen Feierabend schickte. Immerhin war Weihnachten.

Peter war schon halb zur Tür hinaus, als er glaubte, Kermits Stimme zu hören und den Kopf noch einmal um die Ecke steckte. Und richtig, da stand doch der Ex-Söldner an seinem Schreibtisch und hielt – das geheimnisvolle Paket in der Hand! Peter schüttelte den Kopf über seine eigene Zerstreutheit und machte sich zum zweiten Mal an diesem Tag mit einem sinkenden Gefühl im Magen auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz.

"Kermit", grüßte er seinen Freund.

"Peter", nickte Kermit zurück und fügte mit falschem Engelsblick, der gerade noch hinter der dunkelgrünen Sonnenbrille zu erahnen war, hinzu: "Hast du nicht etwas vergessen?"

Der junge Cop seufzte schicksalsergeben, riss seinem Kollegen das Geschenk aus der Hand und wollte sich schon wieder dem Ausgang zuwenden, als Kermit ihn freundlich zurück hielt.

"Mach es doch hier auf", schlug er vor und Peter schoss ihm einen bitterbösen Blick zu, der den Ex-Söldner aber nicht im mindestens zu irritieren schien. Kermit war der einzige Mensch, der einmal durch Zufall von Peters Abneigung gegen Ringelsocken erfahren hatte – und vor lauter Lachen erst einmal fünf Minuten am Straßenrand hatte parken müssen.

Er wird doch wohl nicht...?, dachte Peter und setzte das Paket ungeduldig und etwas heftiger als nötig auf seinem Schreibtisch ab, um mit dem Brieföffner die Schleife zu bearbeiten.

"Ich warne dich...!", drohte er seinem Freund halb scherzend, halb ernsthaft, als er das zerschnittene Band beiseite schob und sich über die Papierverpackung hermachte. Doch kein Laut kam über Kermits Lippen als er seinem Kollegen zusah, wie dieser das abgerissene Papier zusammenknüllte und schließlich eine unscheinbare weiße Pappschachtel in der Hand hielt. Peter warf dem Ex-Söldner einen weiteren bösen Blick zu, öffnete den Deckel des Kartons – und fing laut an zu lachen. Im Inneren lag ein nun herrlich duftender Schokoladenkuchen, auf den mit quietschgrünem Zuckerguss "Merry Christmas" geschrieben stand.

Immer noch lachend, wandte Peter sich schließlich zu Kermit und suchte verzweifelt nach den passenden Worten, um seinen schnell verrauchenden Ärger Luft zu machen, doch alles, was er herausbekam, war "Du, du....", bevor ihn ein weiterer Lachanfall schüttelte.

Kermit grinste nur, zuckte mit den Schultern und erwiderte: "Bitte."

Und dann griff er nach dem Brieföffner, den Peter zuvor achtlos auf den Tisch hatte fallen lassen, schnitt das Gebäck in mundgerechte Stücke und hielt Peter den Karton unter die Nase.

"Kuchen?"

FIN