Autor: Kira
 

Es ist immer der gleiche Traum, all die Jahre.

Feuer, das mich einschließt. Gebäudeteile, die unbarmherzig auf mich einstürzen. Qualm und Hitze, die die Sicht und die Luft zum Atmen nehmen.

Ich kann nichts tun.

Dann wache ich auf. Mein Herz jagt und ich weiß, daß das Feuer immer da sein wird. Es brennt in mir und wird mich niemals vergessen lassen, was ich verloren habe.

***


Langsam komme ich zu mir, bin im ersten Moment irritiert. Doch dann spüre ich das weiche Bett, sehe die Einrichtung und weiß es. Es ist ein Krankenhaus.

Ich erinnere mich an das Feuer, doch dieses Mal ist es anders. Es war kein Traum. Ich weiß, daß ich es geschafft habe, den alten Mann aus dem brennenden Haus zu bringen. Danach wurden meine Beine schwach und alles um mich herum verschwamm.


---


Dann sehe ich den jungen Mann vor meinem Bett. Er sagt nichts, schaut mich nur an. Mit Augen, die so aussehen, als ob sie weinen möchten, aber einfach nicht können. Ich sehe Traurigkeit und auch Schmerz in ihnen, der mich an meinen eigenen erinnert. Auch eine Spur von Fassungslosigkeit ist zu erkennen, die ich nicht deuten kann.

Er steht einfach da und schaut mich an. So, als ob er auf etwas wartet. Eine Reaktion … von mir? Ich kann ihm nichts sagen, denn ich kenne ihn nicht.

Er erzählt, er suche Informationen über seinen Vater und dachte, ich könnte mehr wissen.

Eigentlich möchte ich nicht reden. Ich bin erschöpft, und meine Worte lösen sich nur mühsam von meinen Lippen. Ich werde ihm nicht helfen können, denn meine eigene Suche treibt mich seit Jahren rastlos umher. Vielleicht, um etwas zu finden. Vielleicht, um einfach nur zu vergessen. Doch das letzte Ereignis hat mir wieder einmal gnadenlos gezeigt, daß das niemals der Fall sein wird.

"Zuerst dachte ich, Du wüßtest etwas von meinen Vater, könntest mir etwas über ihn sagen. Aber das ist jetzt nicht mehr nötig. Das einzige, was sich in 15 Jahren an Dir verändert hat, sind Deine Augen."

Was sich in 15 Jahren an Dir verändert hat …

sind Deine Augen ...

Die Worte dringen nur langsam zu mir vor.

Ungläubig schaue ich ihn an. Das ist nicht möglich. Das kann nicht möglich sein. Ich habe doch an seinem Grab gekniet und verzweifelte Tränen geweint. Habe die feuchte Erde gespürt, die ich durch meine Finger rinnen ließ, um zu begreifen, das dies die Realität ist und ich mich für immer verabschieden mußte.

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"Peter"?

Ich wage es kaum, seinen Namen laut auszusprechen. Soll es wirklich wahr sein oder verhöhnen mich doch nur wieder diese grausamen Träume, die mich niemals jenen Moment vergessen lassen, an dem ich mit ihm auch mein eigenes Leben begraben habe?

Er schaut mich an und sein Versuch, die richtigen Worte zu finden, scheitert an den Tränen, die aus ihm herausbrechen. Er beugt sich weinend zu mir herunter, legt seinen Kopf an meine Schulter und läßt seinen Gefühlen freien Lauf.

Ich fasse es noch immer nicht.

Jahrelang trug ich das Bild meines kleinen Jungen in mir und jetzt … Der junge Mann, durch dessen Haar meine Hand vorsichtig und noch immer ungläubig streicht … ist mein Sohn! Ich kann fühlen, wie er zittert, als er sich an mich lehnt. Ich wünschte, ich könnte ihn richtig in meine Arme schließen, doch ich schaffe es nicht, mich aufzurichten. Das Feuer hat mir all meine Reserven geraubt.

Doch das spielt keine Rolle. Mein Sohn lebt !

Überwältigt von meinen Gefühlen genieße ich diesen Augenblick, auf den ich nie mehr zu hoffen gewagt hatte.

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Mit einem Mal löst sich Peter von mir. Ich spüre seine Zerrissenheit. Die Erinnerung an unsere Trennung, die langen Jahre ohne einander, lassen ihn wütend werden. Wie soll man verzeihen, wenn man so viel verloren hat ? Es ist schwer, all das anzunehmen.

Wir werden viel Zeit brauchen, um alles zu verstehen – um uns zu verstehen.

"Aber nicht heute Abend, Paps."

Paps … So lange habe ich dieses Wort nicht mehr gehört, aber ich mag es noch immer nicht. Abrupt greife ich nach meinem Sohn und ziehe ihn zu mir heran. "Du darfst mich nie wieder Paps nennen!"

Peters Reaktion ist ein befreiendes Lachen. "Ich wollte nur sicher sein, daß ich den richtigen Vater habe!"

Ich lächle, als er sich über mich beugt und mich auf die Stirn küßt. Kurz, bevor ich einschlafe, durchfährt mich ein Gefühl, daß ich lange nicht mehr gespürt habe.

Ich bin glücklich.

ENDE

 

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