Autor: Kira

 

Es klingelte - schon wieder! Nicht zum ersten Mal heute Abend läutete jemand an Peters Tür Sturm.

Nein, jetzt würde er sich erst einmal die Hose seines Kostüms anziehen. Zuvor hatte der junge Detective nämlich den Fehler begangen und hastig - wie sich dann herausstellte, auch ohne all zu großes Nachdenken - geöffnet. Die Schar kleiner Elfen, die ihm gegenüber stand, konnte gar nicht mehr aufhören zu kichern. Erst da bemerkte Peter, daß er nur mit Boxershorts bekleidet war, dafür aber einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf trug, der mit einer großen Feder geschmückt war.

Ein entschuldigendes Lächeln in Richtung der leicht fassungslosen Begleitungs-Elfe aufsetzend, verteilte er rasch Süßigkeiten, um dann hektisch wieder die Tür zu schließen.

***

Noch an der schwarzen Hose nestelnd, drückte Peter die Klinke herunter, fand aber niemanden mehr vor. Er tat einen Schritt hinaus, um zu schauen, ob sich nicht vielleicht doch noch ein Halloween-Geist irgendwo versteckt hatte. Der Flur war leer, aber augenscheinlich mußte wohl doch jemand da gewesen sein, wie ein riesiger Berg Herbstlaub vor seiner Wohnung bewies. Bunte zu Geistern und Kürbissen ausgeschnittene Papierschnipsel, zusätzlich zwischen den Blättern liegend, ließen erahnen, daß hier wohl jemand mit reiner Absicht und sehr viel Spaß am Werk gewesen sein mußte. Für die Beseitigung würde er wahrscheinlich die Stadtreinigung benötigen - oder doch einen Förster?

Er schüttelte den Kopf und schloß die Tür wieder. Die kreativen Ideen gingen den nächtlichen Gästen heute anscheinend nie aus. Erst Knallerbsen unter der Fußmatte, Zahnpasta an Klingelknopf und Türklinke, und jetzt das. Nur weil er eben zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Hause gewesen war oder nicht schnell genug geöffnet hatte.

Und die Klingelschar nahm kein Ende. Nach den Elfen kamen ein paar Gespenster, dann ungefähr 15 kleine Zorros, in Begleitung eines Tütenbepackten großen Zorros. Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Vorrat an Süßigkeiten schon dermaßen drastisch abgenommen, daß er in der Küche nachfüllen mußte. Hoffend, daß die störenden Besucher so lange Geduld hätten, und ihm nicht wieder die Palette ihrer Halloween-Scherze vorführen würden. Sie hatten, bedanken sich sogar artig, tauschten bei ihrem Weggang aber gleichzeitig mit der Adams-Family, die zur besseren Auswahl gleich von jedem Mitglied 5 Stück vorführte und auch ebenfalls erwartungsfroh die Hände aufhielt.

***

Abgesehen davon verschwanden heute permanent Dinge, von denen er sicher war, sie gestern noch gesehen zu haben.

Zuerst konnte er sein Hemd nicht finden. Nicht, daß er es unbedingt sehr spannend fand, mit diesem langärmligen, gerüschten Ding durch die Gegend zu laufen, aber es war nun einmal Teil des Kostüms. Dann war einer der schwarzen Stiefel weg, danach seine Geldbörse.

Wenn das so weiter ginge, würde er niemals fertig werden. Stöhnend ließ sich Peter im Sessel nieder, den Blick nach der Geldbörse schweifen lassend. Er entdeckte sie schließlich im Bücherregal, dabei hatte er sie doch auf dem Tisch ablegt. Oder? Allmählich begann er, an seinem Verstand zu zweifeln.

Halloween, schön und gut, aber Geister, die seine Wohnung durcheinander brachten, existierten nicht. Oder doch ?

Was war denn heute Abend nur los ? Vielleicht hätte er doch nicht so vorschnell seine Zusage zu dieser Party geben sollen. Wenn die Vorbereitungen schon so chaotisch abliefen, was würde dann erst passieren, wenn er einmal da war ?

***

Leise seufzend dachte er an seinen Vater. Caine hatte es richtig gemacht und war vor all dem Rummel ein paar Tage aus der Stadt geflohen. Dieses Mal konnte es Peter sogar verstehen. Bedauerlichweise hatte er dessen Einladung, ihn zu begleiten, nicht mehr folgen können, denn sein Kommen zu der Party stand schon seit Wochen fest. Er hatte es versprochen.

"Paps, gegen ein bißchen Ruhe und Meditation hätte ich jetzt wirklich nichts. Die machen mich alle wahnsinnig mit diesem Gespenster-Treiben, und das alles nur für eine Nacht!"

***

Peter stemmte sich aus dem Sessel empor. Es nützte alles nichts, er mußte sich fertig machen. Eine Ausrede fiel ihm auch nicht mehr ein, und der Gedanke, sich auf die Schnelle ein Bein zu brechen, wurde auch wieder verworfen.

Ein paar Augenblicke später war er vollständig kostümiert. Zu der schwarzen Hose und den dunklen, hohen Stiefeln - der zweite hatte sich nach intensiver Suche unter dem Bett wiedergefunden, wie er dahin kam, war Peter ein Rätsel... - trug er besagtes weißes Hemd. Darüber einen ärmellosen, dunkelblauen Umhang, der an den Rändern weiß eingefaßt war und bis über die Hüfte fiel. Damit wurde ein Stück des Degens verdeckt, der Peter von der rechten Seite hinab baumelte. Auf der Vorder- und Rückseite des Umhanges war ein großes, weißes Kreuz gestickt. Wichtigster Teil des Hemdes war ein überdimensional großer Kragen, der unübersehbar auf seinen Schultern lag. Absoluter Hingucker war jedoch der große, schwarze Hut mit der riesigen, weißen Feder, der ja heute schon einmal unbeabsichtigt zur Begutachtung freigegeben wurde.

Bevor er jedoch ging, überprüfte er noch einmal schnell im Spiegel den Sitz des kleinen Lippenbärtchens, das er kurz zuvor noch aufgeklebt hatte.

Kritisch schaute Peter auf sein Spiegelbild. Ein bißchen lächerlich kam er sich schon vor, aber wenn er daran dachte, daß die Alternative - wegen Zeitmangels von Mary-Margaret ausgesucht - ein Robin-Hood-Kostüm war ( und das bedeutete Strumpfhosen!) , konnte man es durchaus gelten lassen.

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Laute Stimmen und Musik wiesen ihm den Weg. Eine als Engel verkleidete Skalany kam ihm tänzelnd entgegen. Der Heiligenschein auf ihrem Kopf hüpfte bei jeder ihrer Bewegungen auf und ab, und die großen Flügel an ihrem Rücken wiesen schon leichte Knicke auf. Sie gab einen ziemlich eindeutigen Pfiff ab, als sie seine Kostümierung sah, drückte ihm lachend ein Glas in die Hand und verschwand in der Menge. Nach und nach entdeckte Peter alle anderen Kollegen aus dem Revier, teilweise in sehr abenteuerliche Verkleidungen gehüllt.

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Eine tiefe Stimme aus dem Hintergrund weckte seine Aufmerksamkeit. "Kommst Du mit dem Hut auch nur ansatzweise in die Nähe meines Kopfes, muß ich Dich töten! Und es ist mir egal, ob Du ihn extra für mich gekauft hast..."

Peter verkniff sich mit Mühe ein Lachen. Kermit war also auch hier. Es verwunderte ihn ein bißchen, aber auch bei Kermit war man nicht vor Überraschungen gefeit. Wahrscheinlich war er der einzige hier, der kein Kostüm trug.

***

"Gefällt Dir die Party, mein Sohn?" Für einen Moment stand Peter still, glaubte er doch, zusätzlich zu seiner Vergeßlichkeit jetzt auch noch unter Halluzinationen zu leiden. Dann drehte er sich langsam um und sah sich dem zweiten Menschen gegenüber, der heute Abend nicht kostümiert war.

"Paps!" Überrascht ging er auf Caine zu, zog ihn in eine kurze Umarmung.

"Was tust Du denn hier?" fragte er mit freudiger Stimme. Es paßte zwar überhaupt nicht zu seinem Vater - beziehungsweise hatte er ihn noch nie auf einer solchen Party gesehen - aber ihn hier zu wissen, bedeutete, daß es vielleicht doch noch ein netter Abend werden könnte.

Caine zuckte in typischer Manier mit den Schultern. "Mary-Margaret hat mich eingeladen, und ich war neugierig zu sehen, wie Du Dich kostümiert hast!" Lächelnd schaute er Peter von oben bis unten an, der sich grinsend und mit ausgebreiteten Armen im Kreis drehte.

"Schick, nicht wahr? Falls die Handlanger des Kardinals vorbeikommen sollten, bin ich vorbereitet!" lachte er.

"Kein Robin Hood?" fragte Caine. Peter schüttelte den Kopf und tat entsetzt. "Um Gottes Willen! Niemals Strumpfhosen...! " Dann fragte er sich, woher sein Vater von dem zweiten Kostüm wußte, aber bestimmt hatte es Skalany erzählt.

Er nippte an seinem Glas und begann, sich allmählich zu entspannen. Das ganze Chaos der Vorbereitung war vergessen. Für all die Dinge, die auf so unerklärliche Weise verschwunden und wieder aufgetaucht waren, würde sich bestimmt auch noch ein logischer Grund finden. Wahrscheinlich mußte er einfach mal wieder ordentlich aufräumen.

***

"Konntest Du denn Deine Brieftasche wieder entdecken?" flüsterte ihm auf einmal eine amüsierte Stimme ins Ohr.

Wie in Zeitlupe setzte Peter sein Glas ab und schaute seinen Vater an, der ein verräterisches Funkeln in den Augen hatte.

"Gut, daß Du den anderen Stiefel gefunden hast und auch das Hemd. Sonst würde dieses Kostüm bestimmt nicht so gut wirken! Du mußt morgen aber noch daran denken, das Laub wieder zu entfernen, bevor noch jemand darauf ausrutscht! "

Peter starrte Caine mit offenem Mund an. Das konnte doch nicht sein... Aber wie ... ? Das war doch nicht möglich ... Oder doch ?

Sein Vater schmunzelte, zog hinter seinem Rücken eine Maske hervor und hielt sie sich vor die Augen.

Es war eine Zorro-Maske.

ENDE

 

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