Autor: Kira

 

Über Nacht hatte es geschneit.

Gestern noch zeigte sich alles trüb und in Farben, die lustlos alle Grautöne dieser Welt ineinander verflochten. Doch dann waren die Temperaturen schlagartig gefallen, und die Stadt erwachte. Erstaunt fand sie sich vollkommen verändert wieder, eingehüllt in eine weiße Decke aus Schnee, auf der winzig kleine Eiskristalle um die Wette funkelten.

Die Wintersonne schickte ihre sparsamen Strahlen, die aber dennoch ausreichten, um angenehm in Gesicht und Nacken zu kitzeln.

Es schien so, als wäre jedermann auf wundersame Weise von der winterlichen Pracht verzaubert worden. Die Hektik anonym vorbei Hastender wechselte hinüber in entspannte Betriebsamkeit, und selbst der sonst so typische Lautstärkepegel schien auf unerklärliche Weise eingedämmt.

Vielleicht lag es am Schnee ... oder am Neujahrsmorgen ... vielleicht lag es auch einfach nur an der Sichtweise des Betrachters ...

*** ***

Peter stand auf der Dachterrasse seines Vaters, die Augen geschlossen, atmete er tief ein und aus. Ein kalter Nebelhauch vor seinem Mund schwebte davon, um sich dann innerhalb von Sekunden wieder aufzulösen.

Ein Gefühl von vollkommener Zufriedenheit durchzog sowohl seinen Körper als auch seinen Geist.

Alles war perfekt. Keine innere Unruhe, die ihn quälte ... schon lange keine Träume mehr, die ihn grausam aus dem Schlaf rissen ... und keine Ängste, die sein Leben so lange bestimmt hatten. Alles schien von ihm abgefallen wie eine schwere Last.

Er fühlte sich endlich befreit.

Es war ihm die ganze Zeit nicht bewußt gewesen, aber jetzt merkte es deutlicher denn je. Er hatte für sich etwas entdeckt, nach dem er die ganzen Jahre lang unbewußt auf der Suche gewesen war.

Alle Menschen, die ihm soviel bedeuteten, wußte er um sich. Den wichtigsten Menschen aber - die fehlende Verbindung zu seiner Seele - hatte er wiedergefunden, spürte von Tag zu Tag mehr, wie sich das Band zwischen ihnen festigte. Wenn sie auch noch ab und an Probleme hatten und ihr Weg lang war, das spielte keine Rolle. Sie waren beieinander, und sie würden es schaffen.

***

Mit liebevollem Blick beobachtete Caine seinen Sohn. Dieser stand still da, mit geschlossenen Augen, genoß er offenbar die wunderbaren Morgenstunden.

Ein unbeschreiblich glückliches Gefühl durchzog den Priester. Noch immer schien es ihm wie ein Wunder. Er konnte gar nicht ausdrücken, wie dankbar er war, seinen Sohn bei sich zu haben. Caine fand keine Worte für die Liebe und Wärme, die ihn durchströmten, als er diese so schmerzlich vermisste Verbindung endlich wieder spürte. Peter so glücklich zu sehen - befreit von den Alpträumen der vergangenen Zeit und mit Menschen um sich, die so wichtig für ihn waren - ließ einen Wunsch wahr werden, an dessen Erfüllung er so lange nicht mehr glauben konnte.

Sie hatten endlich wieder zueinander gefunden. Sicher, manchmal war es nicht einfach, all die Hindernisse zu überwinden, aber sie würden es schaffen. Jetzt gingen sie ihren Weg gemeinsam.

*** ***

Erneut fing es an zu schneien. Kleine Flocken schwebten vom Himmel und setzten sich mit einer watteweichen Berührung auf alles, was bis dahin mit noch keiner weißen Schicht bedeckt war. Das neue Jahr war angebrochen, und die Stadt hieß es willkommen...

ENDE

 

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