"Willkommen Dämmerung. Willkommen Dunkelheit. Willkommen tiefschwarze Nacht. Nur in der Lichtlosigkeit kann ich deine Seele sehen." (Verlorene Verse, Krrendar, n.C. 9452 )
Die Hand fest um seine Waffe gelegt, spürte er die angenehme Kühle des Metalls. Professionelle Anspannung durchzog seinen Körper, aber sein Herz klopfte schon lange nicht mehr vor Aufregung. Abgedämmt durch einen dunklen Schleier, der sich vor langer Zeit darüber gelegt hatte, fand nur noch selten ein Lichtstrahl den Weg hinein. Etwas in ihm war immer Söldner geblieben, auch wenn er sich schon lange von diesem Teil seines Lebens getrennt hatte. Auf die Schatten seiner Vergangenheit wartend, zogen Erinnerungen durch seinen Kopf, die ihn an der Entscheidung zweifeln ließen, jetzt hier zu sein. Dieser winzige Strahl drängte sich mit einem Mal energisch zu ihm durch, legte tief vergrabene Gefühle frei, umhüllte ihn wie eine wärmende Decke. Er gestattete sich einen kurzen Moment des Fallenlassens, atmete tief aus. Es tat so unwahrscheinlich gut. Bilder zogen sich durch seinen Geist, deren Intensität den Schleier zu durchdringen schienen. ****** Auch Einzelgänger brauchten dann und wann Gesellschaft, das hatte er in letzter Zeit zu schätzen gelernt. Es gab Menschen, die ihn so nahmen, wie er war. Niemand versuchte ihn zu ändern, aber sie würden immer an seiner Seite sein, wenn er es wünschte. Er erinnerte sich an das Gefühl, das damals in ihm aufstieg. Es formierte sich zu einem Wort, das er selten wählte. Freunde. Da war dieser Shaolin-Priester, der so mühelos wie in einem Buch in ihm lesen konnte und von Geheimnissen zu wissen schien, die er nie jemanden erzählte hatte - mit Augen, die bis auf die Seele schauen konnten. Dann dessen Sohn - der junge Cop - quirlig und temperamentvoll, aber mit einer Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit ausgestattet, wie man es heutzutage nur selten finden konnte. Der Captain. Sie verstanden sich, ohne viele Worte auszutauschen. Vertrauen ... Sie stellte nur die Fragen, die wichtig waren. Nicht mehr. Die anderen Kollegen auf dem Revier. Sie schätzten sein Wissen, bezogen ihn ein in ihren Kreis, obwohl er sich ständig absonderte. Wie selbstverständlich gehörte er zu ihnen. Der Mann, der ihm die Polizeimarke gegeben hatte. Der anscheinend genau wußte, warum gerade er sie annehmen würde. ****** Vielleicht hatte er noch dieses andere Leben, wenn er die Düsternis jetzt verließe. Noch konnte er es ändern. ****** Hallende Schritte weckten seine Aufmerksamkeit. Dann eine Stimme, die leise fordernd seinen Namen rief. Wenn er jetzt ginge, wäre es noch nicht zu spät. Noch konnte er es tun, aber er war sich nicht sicher, ob er es auch wirklich wollte. Die Vergangenheit ruhen zu lassen, würde bedeuten, auch die Geister für immer ziehen zu lassen, die seine Seele über all die Zeit gefangen hielten. Es hieß auch, keine Vergeltung zu erfahren für die Verluste, die er so schmerzhaft annehmen musste, aber bis heute nicht akzeptieren konnte, und die sein Leben auf diesen Weg geführt hatten. Sich aus dem Schutz der Dunkelheit lösend, trat er langsam nach vorne. Zuviel in ihm war Söldner geblieben. ENDE
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