Autor: KungFu Kitten
 

Der dritte Tag nach Paddys Aufbruch Richtung Irland bescherte Caines zukünftiger Schwiegertochter noch einmal große Traurigkeit; allerdings belasteten diese Emotionen sie diesmal nur solange, bis sie sich entschloss, etwas gänzlich Unerwartetes zu tun. Nach Stunden voll Weinkrämpfen und Versagensängsten wollte sie ihr Wissen über Heilkräuter erneuern, indem sie einen der ehrfurchtgebietenden Folianten des Shaolinpriesters durchackerte.

Sie überflog einige der Manuskripte, aber die Erinnerung daran, wie ihr bester Freund sich von ihr abgewandt hatte, nachdem sie ihm F.A.s Verse über das Drachenkind zum Geschenk gemacht hatte, glitt immer wieder durch ihr Bewusstsein wie eine Welle, vor und zurück.

Als sie schließlich wieder ihre Finger über die Buchrücken im Regal gleiten ließ, bemerkte sie etwas Ungewöhnliches. Eine alte, ledergebundene Sammlung Reispapierseiten schien auf nahezu unmissdeutbare Weise Wärme zu verströmen.

Oh, bitte, seufzte sie innerlich, obwohl sie dabei lächelte, warum kann das Universum mir nicht ein einziges Mal wundersame Ereignisse ersparen?

Natürlich nahm sie das Buch schließlich trotzdem vom Regal und öffnete den Einband. Es handelte sich um ein Buch über Orchideen.

Obwohl Ti bekannt war, dass Orchideen irgendwie mit der Kunst des Heilens verknüpft waren, hatte sie doch niemals etwas wirklich Detailliertes darüber gehört. Sicherlich handelte es sich dabei nicht um ihre Lieblingsblumen, aber sie war gern bereit zuzugeben, dass deren zerbrechliches Äußeres Gestalt fand in einer immens starken Ausstrahlung.

Paddy, dachte sie, Paddy ist wieder nach Irland gegangen.

Sie rang nach Luft und musste sich hinsetzen, das Buch noch immer auf dem Schoß. Es stellte sich als schwierig heraus, sich rückwärts in den Stuhl hinter Caines riesigem lackierten Schreibtisch sinken zu lassen, und sie musste sich sehr konzentrieren, um langsam genug vorzugehen.

Sie seufzte und setzte ihre Lektüre fort.

Orchideen waren seit ungefähr 2500 Jahren angepflanzt worden. Man hatte sie in Heilmitteln verwendet, aber auch dekorativen Zwecken zugeführt.

Klar, das wusste sie bereits...

Ti überflog die wichtigsten Informationen über die Heilkräfte der Pflanze und wurde auf diese Weise zumindest einige Minuten lang von ihren depressiven Gedanken abgelenkt. Dann rissen sie eher unangenehme Geräusche zurück ins Hier und Jetzt.

Etwas Schweres war im angrenzenden TaiChi-Zimmer auf den Boden gefallen. Jemand stöhnte. Dann sagte eine zweite Stimme: 'Dir liegt etwas auf der Seele, mein Sohn. Ich kann es fühlen.'

Peters Freundin grinste schadenfroh. Der Starpolizist, selbst ein Shaolin, war wieder in den Status eines KungFu-Anfängers zurückgefallen. Zwar würde, wenn jemand sie fragte, selbstverständlich Caine immer der bessere Kämpfer bleiben, wenn es um waffenlosen Kampf ging, aber Peters Mangel an Konzentration – sie lächelte wieder, nur dieses Mal mit tiefer Zuneigung und einem gerüttelten Maß an Verliebtheit – hatte seine Ursache in der Sorge und Verantwortung, die er für sie und für sein Kind empfand.

Orchideen waren immer schon als Aphrodisiaka verwendet worden.

Okay, dachte sie, Peter... kommt... hier rüber – stopp mal...

Ihr Atemrhythmus hatte sich verändert, war jetzt unregelmäßig und schwer. Etwas ging in ihr vor, etwas, das sie mit ziemlicher Sicherheit aufhalten musste... falls sie es vermochte... jedenfalls für den Fall, dass sie den Nachmittag mit ihren Freunden verbringen wollte, wie sie es geplant hatten.

Vielleicht hörte das Buch ja auf, ihr erotische Anspielungen unter die Nase zu reiben, wie unbeabsichtigt diese auch gewesen sein mochten. Sie konnte spüren, wie der Spiegel spezifischer Hormone in ihrem Körper anstieg.

Die ältesten Dokumente über Orchideen waren in China überliefert worden, selbst Konfuzius erwähnte ihren Duft und verwendete sie im Zeichen 'lán' in der Bedeutung von Anmut, Liebe, Reinheit, Eleganz und Schönheit.

Peter stand jetzt vor dem Schreibtisch, noch immer schwitzend, und lehnte sich zu ihr hinüber.

... als Aphrodisiaka.

„Entschuldige, Liebes, Ich sollte besser zuerst duschen“, sagte er, offensichtlich in Kenntnis ihres Errötens.

Was allerdings eine Fehlinterpretation seinerseits war. Bilder dessen, was durch den Einsatz gewisser Pflanzen hervorgelockt werden sollte, tanzten in ihrem Kopf.

„Auf keinen Fall“, sagte sie und ignorierte absichtlich ihren zukünftigen Schwiegervater, der gerade mit etwas beschäftigt war, das in einem irdenen Topf auf einem Tisch am anderen Ende des Raumes köchelte. „Küss mich vorher.“

In der chinesischen Gartenbaukunst galten Orchideen als Symbole der Liebe und Schönheit.

Sie küssten sich. Wie immer in den letzten Monaten fand sie den Duft seines frisch schweißgebadeten Körpers eher angenehm als abstoßend.

Pheromone, dachte sie.

Einige Unterarten der Orchideen pflanzen sich geschlechtslos fort...

Peter nahm ihren Kopf in seine Hände und liebkoste sie.

... Sie bringen durch die Akkumulation von Wachstumshormonen an diesem Punkt Schößlinge oder Pflänzchen hervor...

Etwas bewegte sich in ihr. Schon wieder diese seltsame, wenn auch mittlerweile wohlbekannte Empfindung. Sie konnte nicht anders, sie musste sich erheben, zu seiner verführerischen Gestalt hinauf.

Diese Ableger sind bekannt als...

... Ach, was soll's. Küssen! Orchideen in Vasen stehen für Harmonie.

Caine räusperte sich am anderen Ende des Raumes.

Woraufhin Peter seinem Vater den Rücken zukehrte – vermutlich, dachte Ti mit dem winzigen Rest an Klarheit, der ihrem Bewusstsein noch zugänglich war, vermutlich um ihn zumindest nicht dazu zu zwingen, zu sehen, was sie gerade taten. Offensichtlich waren die Hormone ihres Freundes ebenfalls außer Kontrolle...

In der chinesischen Gartenbaukunst stehen Orchideen außerdem für kleine Mädchen.

Dieser Gedanke traf sie mit der Wucht eines Tornados. War dies der Grund dafür, dass sie das starke Gefühl gehabt hatte, das Buch lesen zu müssen? War das jetzt endlich die hundertprozentige Versicherung, dass ihr kleines Mädchen eines Tages einer wenn auch verletzlichen und seltenen, so doch im Kern starken Art kostbarer Blumen ähneln würde?

Furcht erhob sich von ihrem Magen aus in ihren Kopf und ließ sie noch mehr erröten.

Peter versteifte sich und half ihr, sich wieder zu setzen.

„Bist du in Ordnung?“

„Ja, es ist nichts. Sind wohl die Hormone. Du weißt doch, schwangere Frauen sind manchmal merkwürdig.“

Immerhin gab es eine Orchideen-Unterart mit halluzinogenem Effekt.

Sie kicherte. „Ach, übrigens, wo wir gerade von meiner schrulligen Seite sprechen...“

„Ich weiß. Ich habe dir die Blaubeerkuchen besorgt, die du für die Party haben wolltest, und völlig milchfreie Sojasahne für unsere laktoseintolerante F.A., außerdem dieses besondere Katzenfutter...“

Er hielt inne und sah so ratlos aus, dass sie ihn einfach auf die Nase küssen musste.

„Danke, Pete. Obwohl ich eigentlich an etwas anderes gedacht habe.“

„Und das wäre...?“ Er griff nach der Lehne des riesigen Stuhls, um sich festzuhalten. Seine Freundin war manchmal ganz schön dickköpfig.

„Das wäre dann Vanillepudding. So einfach ist das.“ Ti war so zufrieden, dass jeder Gedanke an MacDermot verschwand.

Peter sah verwirrt drein. „Vanillepudding?“, erkundigte er sich. Und fragte sich im Stillen: 'Für die Katze?'...

„Jawohl, Sir. Vanillepudding. Hausgemacht.“

„Boah!“

„Keine Sorge, ich mach das schon. Besorg mir einfach die Zutaten, okay?“

*

Natürlich würde Peter genau das tun, denn er hatte keine andere Wahl. Das wusste er nur zu gut.

Eine halbe Stunde später war der Schweißdunst durch den Duft von Deodorant ersetzt worden, bei dessen Anwendung Ti ihrem Freund einen Vortrag gehalten hatte (einige Orchideen werden in der Parfümproduktion eingesetzt), und der Raum war erfüllt von den Aromen exotischer Kräutermischungen, Bienenwachskerzen, Kuchen und Vanillepudding.

Hinter all diesen inspirierenden Gerüchen allerdings war noch immer das charmante Bukett eines hochverarbeiteten Katzenfutters wahrnehmbar, dessen Name vom englischen Wort whiskers für 'Schnurrhaare' abgeleitet war. Ti hatte den Versuch unternommen, ihre Katzenfreundin mit frisch zubereitetem Fleisch, Getreide und Gemüse zu füttern, aber die Katze hatte – wie immer – ihre eigenen Vorstellungen gehabt. Peter lächelte.

Immerhin war das hier kein normaler Haushalt. Sie erwarteten nicht einmal ein gewöhnliches Kind.

Er war froh, dass es momentan genug Ablenkung gab, sowohl in der Form komplizierter Fälle auf dem Revier als auch in der privater Parties, um ihn davon abzuhalten, sich wegen der legendären Züge seiner ungeborenen Tochter zu fürchten, und ihm Zeit zu geben, sich darauf zu freuen, sie in den Armen zu halten. Was trotz des - wie vorausgesagt - unberechenbaren Geburtstermins noch ein Weilchen dauern würde.

Er begann, sich ein wenig besser zu fühlen. Bis ihm einfiel, dass er mit der Tatsache, dass er die Prophezeiung anerkannte, auch einer Lebensweise die Hand reichte, die sich scheinbar jeder Kontrolle entzog.

Nur um die ganze Sache noch ein bisschen ungewöhnlicher zu machen, hatte Ti ihre Freunde eingeladen, den Tag zu feiern, den sie als den anzunehmenden Geburtstag der streunenden Katze, die regelmäßig das Loft besuchte, ausgewählt hatte.

Und überraschenderweise hatten alle, mit Ausnahme von Kermit, zugesagt zu kommen, und zwar um halb sechs: Skalany, F.A. und ihre Mutter, T.J., Ming Li und schließlich Marylin und ihre drei Kinder.

Um fünf Uhr achtundzwanzig erreichte die frohe Erwartung ihren Höhepunkt. Jedenfalls von Tis Seite aus, und danach zu urteilen, was Caines Sohn wahrnehmen konnte.

Um fünf Uhr dreiundvierzig fand ein vor den Kopf gestoßener Peter seine Braut in eine leidenschaftliche Kissenschlacht verwickelt, mit T.J. und Marylins kleinem Sohn. Und der Katze.

Ti hatte vermutlich Recht, Hormone machten aus schwangeren Frauen Tiger, Kleinkinder und Clowns zugleich. Trotzdem ging heute etwas Außergewöhnliches mit ihr vor, das spürte er, und der Sohn des Shaolin führte diese Beobachtung auf die Tatsache zurück, dass Paddy sich wieder in Irland befand und sie bislang noch nicht angerufen hatte.

Glücklicherweise allerdings sah sie in diesem Moment nicht besonders traurig aus. Um ehrlich zu sein, hatte sie sogar ein ziemlich verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht...

... als das vanillepuddingbefleckte Kissen, auf dem Marylin ihr Kleinkind gefüttert hatte, auf dem Kopf des Starpolizisten landete.

Schade aber auch - er hätte sich eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten vorstellen können, wie man die gelbliche Masse erfreulicherem Gebrauch hätte zuführen können... Köstliche Gedanken rauschten durch sein Bewusstsein wie Wasser, das durch Gebirgsschluchten strömte...

Wumms! Ein weiteres Kissen wurde in seinen Mund gestopft. Mitch hatte dem Quengeln ihres kleinen Bruders nachgegeben und sich dem Versuch, den Polizisten zu ersticken, angeschlossen.

Skalany und T.J. boten ebenfalls ihre Hilfe an.

Diese Art von emotionalem Blitzableiter ging definitiv über das Behehmen hinaus, das ein Polizist an den Tag legen sollte. Sie alle benahmen sich wie Kleinkinder, und sie schienen das auch noch zu genießen!

Das galt für alle, auch für ihn selbst, Peter Caine.

Der Sohn des Shaolin musste dringend handeln. Sofort.

Seine Augen flogen durch den Raum.

Unerwarteterweise entdeckte er Kermit an der Tür. Die Kavallerie, endlich!

„Hol mir den roten Gegenstand vom mittleren Regal im Badezimmer, und füll ihn mit dem Zeug aus dem Krug auf der Fensterbank“, keuchte Peter lachend, nur um einen weiteren Schlag mit einem Kissen einzustecken.

Er begann sich zu fragen, wo all die Kissen hergekommen waren.

Außerdem begann er sich zu fragen, wie sein Vater so viele von ihnen hatte besorgen können, und vor allem, warum.

Sekunden später, als Mitch mit T.J.s Hilfe den Shaolincop mit dem Kopf zur Seite auf den Rücken gedreht hatte, was ihn zwang, seinen Blick auf das Podest an der Wand zu richten, bemerkte der Polizist, dass sich sogar noch mehr dieser flauschigen Gegenstände im Raum befanden: Caine hatte den hölzernen Behandlungstisch mit jeder nur erdenklichen Art von Stoff, Kissen und sonstigen Textilien ausgestattet.

Peter begann sich zu fragen, ob sein Vater das aus einem bestimmten Grund getan hatte.

Der Apotheker hielt das doch nicht etwa für notwendig, weil jemand in Bälde eine stabile, aber gepolsterte Stütze für ihren Rücken benötigen würde... Oder doch?

Glücklicherweise kam während dieses Gedankenganges Kermit zurück in den Raum und warf seinem Freund das rote Objekt, um das Peter gebeten hatte, in die Hände. Der Sohn des Shaolin wischte ein paar Daunen, die seine Nase kitzelten, beiseite und schaffte es, den Stopfen aufzudrehen.

In den folgenden Minuten gab es wenig anderes zu tun, als über die prustenden und schnaubenden Gesichter um ihn herum zu kichern, die mit kaltem Wasser aus einer ansonsten unschuldigen Wärmflasche besprüht worden waren, die man einer kreativeren Verwendung zugeführt hatte.

*

Ursprünglich hatte Kermit Griffin nicht beabsichtigt, an der Party teilzunehmen. Diese Art sozialen Vergnügens gehörte nicht zu den Veranstaltungen, an denen er üblicherweise teilnahm. Nachdem er jetzt allerdings hatte beobachten können, wie sich einige seiner Kollegen wie Verrückte benahmen, fing er an, sich zu amüsieren.

Für die anderen legte er natürlich weiterhin sein 'Der König ist nicht begeistert'-Gesicht an den Tag.

Seine durch die einstige Söldnertätigkeit geschärften Sinne hatten augenblicklich das mit Kissen übersäte Podest registriert und ihn eine Anzahl möglicher Gründe für diese seltsame Tatsache ersinnen lassen.

Außerdem hatte er bemerkt, dass Peter drei- oder viermal zur Puddingschüssel hinübergesehen hatte, allerdings jedesmal ohne sich etwas zu nehmen.

Kermit kamen mehrere mögliche Ursachen für dieses Verhalten in den Sinn, aber keine davon fand er besonders vergnüglich. Äußerst entschieden nahm er den Schöpflöffel zur Hand, füllte eine Schale und reichte sie dem Shaolincop hinüber, um seinen Freund auf – vermutlich – weniger dramatische Gedanken zu bringen.

Irgendetwas ging hier vor, hundertprozentig. Er sollte besser herausfinden, was das war. Vielleicht stellte es sich jetzt als gute Idee heraus, dass er das mitgebrachte Geschenk auf einem Regal an der Tür deponiert hatte, als Peter ihn gerufen hatte. Vielleicht konnte er seinen Freund jetzt damit aufheitern.

Immerhin waren Orchideen Blumen, die seltene Schönheit symbolisierten und... Harmonie.

Muss ich wohl irgendwo gelesen haben, dachte Griffin.

Er holte den Blumentopf und stellte ihn auf den Tisch, was ihm ein warmes Dankeschön seines Copkollegen und ein Küsschen auf die Wange seitens seiner Gastgeberin einbrachte.

Mit ein bisschen Glück, dachte Kermit, würde Peter die Liebe spüren, die sein Freund und Kollege für jedes Mitglied der Familie Caine empfand, auch für das ungeborene – trotz der Tatsache, dass letzteres Kermits logischen Blick auf die Welt gehörig ins Wanken brachte. Und dass seine Mutter Geburtstagsfeiern für Katzen anleierte.

Er gestattete sich, Ti einen zärtlichen Blick zuzuwerfen. Sie lächelte ihm zu, wenn auch jetzt mit einem deutlich angestrengten Gesichtsausdruck.

Und in diesem Augenblick geschah etwas, das den ehemaligen Söldner bis ins Mark erschreckte.

Er hörte die Stimme der Freundin seines besten Freundes in seinem Kopf. Audition, dachte er, oder, wie Peter immer sagt, ein 'Link'. Ruhig bleiben, Froggie, sagte er sich in einem mehr oder weniger verzweifelten Versuch, seinen charakteristischerweise sarkastischen Tonfall beizubehalten. Aber seine Unsicherheit blieb.

Genau wie die Stimme.

Sie blieb in seinem Kopf, und sie klang ebenfalls unsicher.

Kermit, ich habe Angst.

Wie sollte er ihr eine Antwort übermitteln? Offensichtlich wollte Ti nicht, dass die anderen mithörten, sonst hätte sie das laut gesagt.

Vermutlich war der beste Weg, ihr so unauffällig wie möglich den Arm und die Schultern zu legen und einfach an das zu denken, was er ihr sagen wollte... Ja, das konnte funktionieren...

*Ich weiß. Atme einfach weiter.*

Griffin beobachtete die junge Heilerin mit höchster Aufmerksamkeit.

Das ist nicht das Problem. Ich kann damit umgehen.

Sie hatte seine Botschaft vernommen, daran bestand kein Zweifel. Die flehenden Augen der QiGong-Meisterin berührten sein Herz.

*Was ist dann das Problem?*

Hör zu, Kermit, ich kann Peter nichts davon erzählen. Er wäre zu Tode erschrocken. Also bitte, sag es ihm nicht. Ich brauche einfach einen Freund, der mir zuhört, weil ich, wie es aussieht, meinen Ängsten in den nächsten paar Stunden oder so in die Augen sehen muss.

Was ohne Zweifel bedeutete, dass er richtig geraten hatte. Das Baby war unterwegs.

Weshalb hatte Peter das nicht mitbekommen? Oh, er verschlang noch immer hochkonzentriert die wabbelige, sahnige, proteinreiche Substanz...

Sieh ihn nicht an, Kermit, bitte! Lass ihn die Party genießen und Kraft sammeln.

*Solltest denn du nicht diejenige sein, die...*

Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war wirkungsvoller als ein Schlag auf den Solarplexus.

Ich möchte, dass ihr alle noch ein Weilchen bleibt, bis... ach, du wirst schon merken, bis wann.

Nun denn - sie handelte sowieso selten so, wie andere es von ihr erwarteten.

Kermit, wie könnte ich denn jetzt den Erwartungen anderer Leute entsprechen? Ich weiß ja nicht einmal, ob ich den Erwartungen meiner eigenen Familie gerecht werden kann. Und das hat nichts mit etwas so Weitreichendem wie der Legende vom Drachenkind zu tun. Ich habe einfach Angst, dass etwas schiefgeht – was ist, wenn ich versage, was ist, wenn ich dem Druck nicht standhalten kann? Ich möchte nicht ins Krankenhaus gebracht werden, das würde mich wahrscheinlich meiner Würde und meiner Selbstbestimmung berauben, und, was noch wichtiger ist, es würde meiner Familie die Möglichkeit nehmen, der neuen Blüte an ihrem Stammbaum ein friedliches Willkommen zu bereiten...

Kermits Kopf fühlte sich an wie der Monitor eines C64 mit 'Tilt'-Signal: zu viele Daten.

Nur eine einzige Information verblieb in einem hinteren Winkel seines Bewusstseins, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, dass Ti sie tatsächlich geäußert hatte: Er wusste mit Sicherheit, dass heute einer jener Tage war, an denen es sie nicht wirklich glücklich machte, die Tritte des Babys zu spüren. Im Gegenteil, die unablässige Bewegung in ihrem Inneren machte es ihr unmöglich, Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen, von einem Zugang zu ihrer eigenen Aufregung und Vorfreude ganz zu schweigen.

Kermit wusste nicht, was zu tun war, aber plötzlich schwappte Mitgefühl durch sein Herz und brachte ihn in Bewegung. Wenn er sich unsicher fühlte, obwohl er nicht einmal beteiligt war, war dann nicht Ti diejenige, die unendlich mehr Recht dazu hatte als er? Schließlich war sie diejenige, die sich anschickte, sich in eine Angelegenheit auf Leben und Tod zu begeben.

Der erfahrene Cop nahm ihre Hand so unauffällig wie möglich und führte sie durch den Schmerz, bis er nachließ.

Peter ergriff den Schöpflöffel und schaufelte den Rest des Vanillepuddings in seinen Mund. Ganz offensichtlich, dachte Griffin mit grimmigem Vergnügen, hatte der Sohn des Shaolin tatsächlich bemerkt, was vor sich ging. Der IT-Cop fragte sich, wann sein bester Freund genug Mut aufbringen würde, um ihrer kleinen Gruppe von Verschwörern beizutreten.

Bis das geschah, war Griffin allerdings bereit, Tis Wunsch zu respektieren; die Party musste weitergehen. Er griff sich die Katze und platzierte sie auf Tis Schoß – eine Handlung, die augenblicklich Mitchs kleinen Bruder und, zu Kermits Überraschung, Skalany zu einem kleinen Kätzchenkuschel-Treffen zusammentrommelte.

Die fröhliche Stimmung kehrte zu allen zurück.

Schließlich war Kermit der erste, der den leicht verkniffenen Ausdruck auf Tis Gesicht bemerkte, und er wusste, es war soweit. Er fand einen Weg, die anderen hinauszukomplimentieren, ohne ihnen wirklich zu verraten, was im Gange war, obwohl er sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass seine Schwester es ohnehin längst wusste; dann kam er zurück, um seinen Freunden alles Gute zu wünschen.

Als er schließlich die Apotheke verließ, war er glücklich beim Gedanken daran, dass es ihm gelungen war, die Wärmflasche erneut zu füllen, nur diesmal im Sinne des Erfinders, so dass Ti behagliche Wärme würde spüren können, falls sie sie brauchte – oder, wenn sie ein wenig wartete, lindernde Kühle. Schließlich wusste er, dass sie zu einer gänzlich anderen Art von Kissenschlacht unterwegs war.

Nur Peter, Caine, die ehrwürdige alte tibetische Hebamme Ming Li und natürlich die Katze würden dabei sein, um sie zu unterstützen. Und alles, was er, Kermit, tun konnte, war, für sie zu beten und sich an nützliche Gedanken zu halten.

Der abgebrühte Cop lächelte, als er plötzlich eine weitere Nachricht aus dem Loft erhielt, obwohl er wusste, dass es für ziemlich lange Zeit die letzte sein würde.

Kermit, öffne deinen Geist und teile diese Erfahrung mit mir.

Er wusste sofort, dass Ti tatsächlich wieder Kontakt gefunden hatte zu ihrem Kind und zu sich selbst, und er wünschte aus tiefstem Herzen, dass das, was sie mit Vorfreude erwartete, bald und ohne Probleme Wirklichkeit werden würde.

Ende


zurück zum Autoren Index      zurück zum Story Index