Triva: Kermit Griffins Vorliebe für Gummibärchen ist Serien-canon. Ryan Malloy ist ein Charakter aus der Serie „Auf schlimmer und ewig / Unhappily Ever After“
Peter zog den Kopf ein und grinste schief, als ob er sich wirklich vor der Rache des Ex-Söldners fürchtete. „Aber Captain Simms musste zu einer überraschend angesetzten Besprechung mit Commissionar Kincaid und keiner weiß, wie lange das dauern wird. Außerdem sagt mein Vater immer, dass es nicht gut ist, Fleisch zu essen. So gesehen habe ich deinen Abend sogar gerettet.“
„Trampel nicht auf meinen Nerven herum, Peter!“ Kermit blickte drohend über den Rand seiner Sonnenbrille. „Vergiss nicht, dass ich nicht die Beherrschung eines Shaolinpriesters habe.“
Peter verzog das Gesicht, schluckte aber klugerweise die Bemerkung hinunter, die ihm in den Sinn gekommen war. Nämlich dass sich sein alter Herr und der Ex-Söldner trotz Kermits Behauptung in Bezug auf Selbstbeherrschung in nichts nachstanden. „Außerdem ist es nur eine simple Überwachung. Wir sollen denen vom 52sten Revier sagen, wer sich von den hiesigen Dealern so alles hier herumtreibt. Ich identifizier sie und du bist meine Rückendeckung.“ Er deutete auf eine rostige Eisentür. „Da müssen wir rein. Auf dem Gelände gibt es massig Möglichkeiten, sich zu verstecken.“
Kermit sah sich um. „Nur eine simple Überwachung, ja?“, wiederholte er. „Das wäre das erste Mal. Immer wenn ich mit dir zusammen bin, passiert irgendetwas seltsames.“ Er schnupperte hörbar. „Wo sind wir hier überhaupt? Es riecht merkwürdig.“
„Was ist los? Hat ein Computervirus sämtliche Stadtpläne von deiner Festplatte gelöscht?“, spottete Peter. „Das ist die Ryan Malloy Süßwarenfabrik. Sie ist vor einem halben Jahr von den Gesundheitsbehörden geschlossen worden. Der Besitzer war so gut wie pleite und hat irgendwelchen Müll in die Süßigkeiten gerührt um Geld zu sparen, und das Zeug hat Allergien ausgelöst. Eine ganze Reihe von Kindern und Erwachsenen sind krank geworden, bevor man ihm dahinter kam und der Laden dichtgemacht wurde. In den Lagern müssen noch Tonnen von Süßwaren liegen. Auf dem 52sten haben sie jetzt einen kleinen Dealer geschnappt, der behauptet, hier würde jemand Ecstasy-Pillen herstellen.“
„Na wenn das nicht der passende Ort dafür ist“, meinte Kermit sarkastisch und schob seine Sonnenbrille zurecht.
Peter öffnete die Tür, die ein schrilles, metallisches Quietschen von sich gab. Er zuckte zusammen und hoffte, dass es im allgemeinen Straßenlärm untergegangen war. Außerdem waren sich die Kollegen sicher gewesen, dass die Dealer einen Eingang in einer weniger befahrenen Seitenstraße am südlichen Ende des Fabrikgeländes benutzten. „Hör mal, Kermit – du kannst auch hier im Wagen auf mich warten, während ich es mir da drin bequem mache und Schäfchen zähle.“ Er wusste genau, dass ihn Kermit die Fabrik niemals ohne Rückendeckung würde betreten lassen.
„Hast du den Verstand verloren, Caine?“ Und Kermit reagierte erwartungsgemäß. „Ich sitze doch nicht hier herum und drehe Däumchen.“
„Zusammen oder gar nicht?“, fragte Peter mit einem Grinsen.
„Zusammen oder gar nicht,“ bestätigte Kermit. „Außerdem habe ich meinen Laptop nicht dabei, was sollte ich die halbe Nacht in deinem Wagen anfangen...“ Er folgte Peter auf das Gelände der Süßwarenfabrik.
* * *
Etwa drei Stunden später hatte sich noch immer niemand blicken lassen. Kermit stand auf. „Ich gehe mir mal ein wenig die Beine vertreten und sehe mich um.“
Peter, der die letzte halbe Stunde damit verbracht hatte, mit einem Kugelschreiber ein dekoratives Muster in die Oberfläche eines alten Bürotisches zu stanzen, sah auf. „Sei’ vorsichtig“, meinte er. „Wenn dich jemand sieht...“
„Ja, Mami. Peter, ich bin ein Profi“, seufzte Kermit. „Und ich bin schon wesentlich länger in dem Geschäft als du.“
Mit einem entschuldigenden Grinsen hob der Jüngere beide Hände in einer entwaffnenden Geste.
Kermit betrat durch eine weitere Eisentür, deren quietschende Angeln nach einer guten Portion Öl schrieen, einen weiteren Lagerraum, in dem es nach Staub und fast schon unerträglich süß roch. Im Schein seiner kleinen Taschenlampe entdeckte er keine Spuren, dass sich hier seit Monaten jemand aufgehalten hatte. Weiter hinten in dem Raum standen unter dicken Abfüllrohren eine Reihe von riesigen, schmutzigweißen Plastikcontainern, die jeweils in einem Metallkorsett steckten, damit sie auch schwere Lasten aushielten. Von einem dieser Container war die Abdeckung entfernt worden. Kermit klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne und kletterte daran hoch. Das war ein Kinderspiel und sein Anzug bekam nicht mal ein Staubfädchen ab. Oben angekommen, leuchtete Kermit in die Tiefe des Containers. Es schimmerte gelb, grün, rot, orange zurück. Gummibärchen. Der Container war zu Zweidrittel mit Gummibärchen gefüllt. Hinter der dunklen Brille weiteten sich Kermits Augen.
Nun wusste zwar jeder, der es gewagt hatte, Kermits Allerheiligstes – und abgesehen von wenigen, besonders tollkühnen Wesen betrat niemand das Büro des Ex-Söldners uneingeladen – zu betreten, dass der Detective immer Gummibärchen zur Hand hatte. Aber niemand wusste, vielleicht mit Ausnahme seiner Schwester Marilyn, dass Kermit regelrecht nach Gummibärchen süchtig war. Wie andere Menschen in Stresssituationen nach Zigaretten griffen, so griff Kermit in die Gummibärchen. Und an arbeitsreichen Tagen kam er schon auf drei bis fünf Tüten.
Kermit starrte in den Container. Die Gummibärchen starrten verlockend zurück. Hinter den grünen Gläsern formte sich in Kermits sonst wenig der Schwärmerei zugeneigtem Verstand eine fast unwiderstehliche Fantasie... einmal in einen Berg von Gummibärchen eintauchen wie Dagobert Duck in die Münzen in seinen Geldspeicher. Ja, auch Kermit Griffin hatte als Junge Comics gelesen...
Er schüttelte den Kopf. „Das ist völlig schwachsinnig, Griffin“, sagte er zu sich selbst. „Du verlierst den Verstand, Griffin. Es ist endlich soweit mit dir gekommen, wie Paul dir immer prophezeit hat. Plem-plem, balla-balla, durchgeknallt, reif für die Zwangsjacke.“
Trotzdem kletterte er weiter hoch, bis er auf dem Rand des Containers saß. Und führte dort die Diskussion mit sich selbst fort.
„Andererseits ist niemand hier, der mich sehen könnte. Peter wird mich nicht so rasch zurück erwarten und er kann ohnehin nicht weg. Es ist eine einmalige Chance.“
Kermit nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Tasche seiner Jacke. Dann schwang er die Beine über den Rand des Containers, so dass er nun ins Innere blickte.
„Du bist komplett wahnsinnig, Griffin“, sagte er zu sich selbst – und ließ sich in den Container fallen.
Doch leider kam er nicht ganz in den erhofften Genuss. Denn unter ihm gaben die Gummibärchen nach und bevor er sich versah, stak er bis zur Taille in einem weißen Pulver. Unter den süßlichen Geruch der Gummibärchen mischte sich nun ein stechendes Aroma nach Chemikalien.
Kermit fluchte. Womöglich saß er mitten im Rohstoff für die nächste Charge Pillen. Und wer würde die schon unter den Gummibärchen suchen? Nur ein völlig schwachsinniger Ex-Söldner, der sich einbildete... Kermit versuchte, sich aus dem Pulver zu befreien, doch ähnlich wie bei Treibsand brachte ihm das nur ein, dass er noch ein wenig tiefer reinrutschte.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Peter anzurufen. Dummerweise hatte er das Handy bei Peter gelassen. Aber da war immer noch die Desert Eagle...
Es schien Stunden zu dauern, aber schließlich hatte er soviel von dem Pulver beiseite geschaufelt, dass an seine Waffe kam. Er zog sie hervor, blies sie sauber und richtete die Mündung gegen die Decke. Der Schuss hallte wie Donner durch den Lagerraum und das Geräusch von Metall gegen Metall zeigte an, dass seine Kugel irgendetwas getroffen hatte – und davon abgeprallt war. Der Rückstoß beförderte ihn tiefer in das Schlamassel, in dem er steckte. Und über ihm begannen aus dem angeschossenen Abfüllrohr Gummibärchen zu rieseln...
* * *
Kurze Zeit darauf wurde Kermit mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtete und er verfluchte den Gedanken, seine Sonnenbrille abgenommen zu haben. Vom oberen Rand des Containers aus starrte ihn Peter ungläubig an.
„Verschwinde und geh mir nicht auf die Nerven, Peter. Ich und der Rest meiner Würde wollen genau hier drin sterben. Und zwar allein.“
Beruhigt über den gewohnt knurrigen Ton von Kermit Stimme beruhigte sich der Detective etwas. Im gleichen Moment wurde im die Absurdität der Lage klar, in der sich Kermit befand – bis zu den Schultern in Gummibärchen begraben, die freie Hand mit der Waffe krampfhaft in die Luft gereckt. Er sprang von dem Container herunter und lehnte sich hilflos lachend dagegen.
„Wenn es deine Heiterkeit zu lässt, würde ich es sehr begrüßen, wenn du mich hier herausholst, Peter“, kam es wütend aus dem Container. „Und wenn du auch nur ein Wort... nur ein einziges Wort... irgendjemand von dem erzählst, was hier passiert ist, wirst du eines sehr langsamen und sehr schmerzvollen Todes sterben.“
Peter wischte sich die Lachtränen ab und kletterte wieder auf den Container. Er versuchte das Grinsen zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht. „Vielleicht... vielleicht sollte ich Hilfe holen“, schlug er lachend vor.
„Damit ich hier einen ganzen Zoo kichernder und gackernder Polizisten ausgesetzt bin und mich nirgends wo mehr blicken lassen kann?“, fuhr ihn Kermit an. „Damit es eine offizielle Akte darüber geben wird, dass ich von einem Berg Gummibärchen begraben wurde? Wage es, Peter – und du bist ein toter Mann.“
„Schon gut. War nur ein Vorschlag.“ Peter klemmte sich die Taschenlampe unter den Arm und streckte eine Hand nach Kermit aus. „Gib mir deine Waffe.“
Kermit zeigte ihm die Zähne. „Nur über meine Leiche.“
„Ich will nur sicher sein, dass du mich nicht erschießt.“ Peter griff vorsichtig nach dem Lauf. „Na, los, gib sie her.“
Schließlich gab Kermit nach. Peter klemmte die Waffe hinter eine der Metallstangen des Container-Korsetts und ergriff die Hand seines Kollegen. Mit viel Gezerre von Peters Seite – der sich immer wieder beherrschen musste, um nicht loszulachen (was womöglich dazu geführt hätte, dass er sich zu seinem Freund gesellt hätte) und heftigem Fluchen von Kermit gelang es den beiden schließlich, Kermit aus seinem Dilemma zu befreien.
Kaum hatte der Ex-Söldner wieder festen Boden unter den Füßen, holte er sich seine Waffe zurück und setzte die Sonnenbrille auf die Nase. Dann machte er den vergeblichen Versuch, seinen Anzug notdürftig zu reinigen.
Peter lehnte grinsend an dem Container und sah ihm zu. „Hast du schon einmal daran gedacht, einen Spezialisten aufzusuchen, um dein... hm... Problem... zu lösen?“
„Welches Problem?“, knurrte Kermit drohend.
„Du bist nach Gummibärchen süchtig!“
„Du übertreibst“, erklärte Kermit mit aller Würde, die er um sich raffen konnte.
„Du bist in einen Container gefallen, weil der mit Gummibärchen gefüllt war!“
„Ich bin nicht gefallen, ich bin gesp...“ Kermit stoppte sich gerade noch rechtzeitig selbst, bevor er etwas sagen konnte, das die Situation noch verschlimmerte. „Auf jeden Fall bin ich kein Fall für einen Psychiater, falls es das ist, was du sagen wolltest.“
Peter grinste. „Ich dachte nicht an einen Psychiater.“
Kermit stemmte die Hände in die Hüften. „An was dann?“, fragte er misstrauisch.
„An einen Exorzisten.“ Peter begann wieder zu lachen.
Und Kermit verfluchte den Impuls, der ihn dazu getrieben hatte, ein einziges Mal in seinem Leben einer Schwäche nachzugeben...
Ende
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