Leichter Schneefall hatte eingesetzt, überpuderte die Grabsteine und den teilweise kitschigen Grabschmuck. Henry Blake rückte die Kerze zurecht, die er mitgebracht hatte, dann zündete er sie an. Das kleine Ilexgebinde mit der leuchtendroten Schleife, das er schon ein paar Tage zuvor auf das Grab seiner Frau gelegt hatte, bildete einen hübschen Farbtupfer inmitten des winterlichen grau und weiß. Blake wischte sich die Hände an seinem Mantel ab und zog die Handschuhe wieder über. Sein Atem bildete eine weiße Wolke vor seinem Gesicht; die morgendliche Luft noch frostig. "Frohe Weihnachten, Mary", sagte er mit einem kleinen Lächeln. Leise ächzend stand er auf, sah auf das Grab nieder, auf die Schneeflocken, die auf der sich erwärmenden Abdeckung der Kerze schmolzen. Ein Räuspern schreckte ihn auf. Blake drehte sich um. Mary-Margaret Skalany stand da, die Hände in den Taschen ihres Mantels, das Haar unter einer Kapuze verborgen. Ihr Lächeln war leicht verlegen. "Hallo, Blake", sagte sie und schob die Kapuze etwas zurück. Die Schneeflocken auf ihren Schultern zeigten, dass sie sich schon länger draußen aufhielt. "Ich wollte dich nicht stören." "Skalany? Wie hast du mich gefunden?", fragte Blake verblüfft. Sie lachte und zuckte mit den Schultern. "Ich bin ein Detective, schon vergessen?", neckte sie ihn. Dann wurde Mary-Margaret wieder ernst. "Weißt du, mir ging einfach nicht aus dem Kopf, was du gestern erzählt hast. Über deine Frau und warum du Weihnachten nicht magst. Und darüber, dass du dachtest, niemand würde sich dafür interessieren. Und jetzt bin ich hier, um dich zu einem Weihnachtsfrühstück einzuladen. Gemeinsam mit mir." "Ich weiß jetzt, dass es dumm war, das zu glauben." Henry zeichnete mit der Schuhspitze ein Muster in die dünne Schneeschicht. "Aber ich bin... na ja... nicht gerade ein besonders aufregender Typ." Mary-Margaret lachte erneut. "Wenn ich mit einem aufregenden Typen frühstücken wollte, dann hätte ich Peter eingeladen", erwiderte sie und hakte sich bei Blake ein. "Nun, was hältst du von meinem Vorschlag?" "Ich freue mich", erklärte Blake und legte eine Hand über ihre, während sie langsam in Richtung des Ausgangs gingen. "Weißt du, Mary- Margaret, ich habe mich schon immer gefragt, was du wohl gerne zum Frühstück isst?" "Warum hast du nie gefragt?" Blake zuckte mit den Schultern. "Ich war mir nicht sicher, wie du so eine Frage auffassen würdest. Du hättest denken können, es wäre ein... ein Annäherungsversuch." "Und wäre es ein Annäherungsversuch gewesen?", erkundigte sich Mary- Margaret nach einem Moment. "Ich mag dich sehr, Mary-Margaret." Blake spürte eine leichte Röte in seine Wangen kriechen und hoffte, sie würde es auf die Kälte schieben. Immerhin wusste jeder auf dem Revier, das Mary-Margaret in Peters Vater verliebt war. "Ich finde, wir sollten das an einem wärmeren
Ort besprechen", erwiderte Mary-Margaret mit einem Lächeln.
"Ich kenne da ein entzückendes, kleines Café, die haben
wirklich tollen Kaffee, mit Zimtgeschmack und erst die Weihnachtsmuffins,
die sie da servieren. Lachend ließ sich Blake von Skalany zu ihrem Wagen führen. Wie seine Frau gesagt hatte, war Weihnachten nun einmal die Zeit der unerwarteten Geschenke. Und eine Freundin wie Mary-Margaret zu haben, war sicher eines davon... Ende
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