Cremiger Vanillepudding. Frisch gekocht. Ein herrlicher Duft, der den gesamten Flur erfüllte. Peter spürte, wie ihm das süßliche Aroma in die Nase stieg. Vorfreude machte sich breit und langsam lief dem Cop das Wasser im Mund zusammen. Der junge Mann schloss die Augen und sofort tauchten vor seinem geistigen Auge Bilder auf. Bilder von einem ganz besonderen Abend. Bilder, die er niemals vergessen würde. ------------------------------------------------------------------- "Peter, setz dich doch bitte. Das Essen ist gleich fertig." Die zierliche, blonde Frau lächelte ihn an und verschwand kurz darauf in der Küche. Sie trug eine dunkle Sonnebrille. Durch eine Infektion, die sie als Kind erlitten hatte, war ihr unwiederbringlich das Augenlicht genommen worden. "Und gefällt dir dein neues Zimmer?" erklang eine sonore Stimme neben ihm. "Falls du noch irgendetwas brauchst, lass es uns wissen, ja?" Der stattliche, grauhaarige Mann sah ihn voller Vertrauen an. "Ich hoffe, du hast großen Appetit mitgebracht. Annie hat sich in der Küche mal wieder selber übertroffen." Dann erklang ein leises Lachen aus der Küche und man hörte man das entfernte Klappern von Geschirr. "Ja, ich glaube schon. Das letzte, was ich gegessen habe, war das Frühstück im Waisenhaus", antwortete er nachdenklich. "So meine Lieben, ich hoffe es wird euch schmecken." Mit diesen Worten kam Annie aus der Küche. Vor sich trug sie ein Tablett mit diversen Schüsseln, deren Inhalt verführerisch duftete. Peter sprang auf, um ihr zu helfen. "Bleib ruhig sitzen, ich mache das schon." Mit Erstaunen beobachtete der 15-jährige, wie sie die Schüsseln gekonnt auf dem Tisch verteilte ohne auch nur einen einzigen Fleck auf die strahlend weiße Tischdecke zu machen. *Das hätte ja noch nicht einmal ich geschafft und meine Augen funktionieren noch einwandfrei.* "Dann lasst uns erst einmal anstoßen." Paul hob sein Glas. "Auf dich Peter und darauf, dass du dich bei uns bald wie zu Hause fühlen wirst." "Danke", war alles, was der dunkelhaarige Junge hervor brachte. Es kam ihm immer noch wie in einem Traum vor und ehrlich gesagt konnte er nicht verstehen, warum Paul gerade ihn bei sich aufgenommen hatte. Schließlich war im Waisenhaus bekannt, dass er nicht einfach und ein Sturkopf war. Also warum er? Warum Peter Caine? Das Essen schmeckte einfach vorzüglich. Peter konnte sich nicht erinnern in seinem Leben jemals etwas so leckeres gegessen zu haben. Im Tempel hatte es fast ausschließlich Reis gegeben und er war sich sicher, dass er dir Körner für den Rest seines Lebens satt hatte. Und im Waisenhaus… Da wollte er gar nicht dran denken. "Annie.." Noch kam der Name zögerlich über seine Lippen. Aber das Ehepaar Blaisdell hatte beschlossen, dass er sie, sobald er bei ihnen war, mit den Vornamen anreden sollte. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht ahnen, dass er sie eines Tages sogar Mom und Dad nennen würde. "… es hat wirklich sehr gut geschmeckt. Danke für das leckere Essen." Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er dies sagte und er spürte, wie er langsam begann, sich in diesem Haus wohl zu fühlen. "Das habe ich doch gerne gemacht. Und jetzt gibt es noch eine süße Überraschung." "Ohhh, das höre ich doch gerne", sagte Paul grinsend. "Kann ich dir helfen?" "Nein, viele Köche verderben den Brei." "Stimmt. So wie damals, als ich beim Pfannkuchenteig das Salz mit dem Zucker verwechselt habe", bemerkte Paul lachend. Dann stand Annie auf und gab ihrem Mann einen Kuss auf die Wange. "Genau Schatz. Und deshalb tut jeder von uns hier, was er am Besten kann." Peter beobachtete seine Pflegeeltern. Genauso hatte er sich immer Familie vorgestellt und jetzt sollte er tatsächlich ein Teil davon sein? Dann ertönte das Klingeln des Telefons. "Blaisdell…. Hallo Carolyn. Wie geht es dir und deiner Schwester… Freut mich… Ja, Peter ist endlich bei uns… Eure Mutter ist gerade in der Küche… Danke und schöne Grüße an Kelly. Ich hab euch lieb." "Das waren deine Schwestern. Sie sind gerade auf einer Freizeit mit dem Schulchor und kommen übermorgen wieder. Sie freuen sich auch sehr, dass du jetzt bei uns bist und sie endlich einen großen, starken Bruder haben mit dem sie ausgiebigen Kissenschlachten veranstalten können." Peter spürte wie sein Körper von einem unbeschreiblich schönen Glücksgefühl durchströmt wurde. Schwestern? Großer Bruder? Sollte er in ihren Köpfen tatsächlich schon zur Familie gehören? "Ich bin auch sehr froh hier zu sein." Der 15-jährige hoffte inständig, dass er Paul und Annie bald sagen konnte, wie dankbar und glücklich er war, dass sie ihn aus der Enge des Waisenhauses befreit hatten. Zum jetzigen Zeitpunkt war er einfach nur überwältigt von der Liebe, die ihm mit jedem Augenblick hier entgegenschlug Er konnte noch gar nicht begreifen, dass sie wirklich ihm galt und aus tiefstem Herzen kam. Langsam zog der Duft von warmem Vanillepudding ins Wohnzimmer. Ein Duft, den Peter sein Leben lang nicht mehr vergessen würde. "Heute muss wirklich ein außergewöhnlicher Abend sein. Vanillepudding gibt es nur zu besonderen Anlässen", bemerkte Paul mit einem Lächeln. --------------------------------------------------------------------------- "Peter, bist du das?" Plötzlich erklang die vertraute Stimme seiner Pflegemutter und riss den jungen Cop aus seinen Erinnerungen. "Ja, Mom, ich bin’s" Dann betrat er das Wohnzimmer, in dem alle versammelt waren. Paul, Carolyn mit ihrem Ehemann Todd, Kelly und natürlich die Hauptperson des heutigen Tages. Peter stellte die mitgebrachte Duft-Orchidee auf den Wohnzimmertisch und zog Annie dann in eine herzliche Umarmung. "Happy Birthday Mom und alles Liebe." "Danke, mein Sohn. Schön, dass du da bist… Dann können wir ja mit dem Essen anfangen." "Mom, es gibt nicht zufällig Vanillepudding, oder?" Peter grinste sie schief an. "Doch, mein Schatz, den gibt es. Und ich bitte dich, dieses Mal nicht soviel davon zu essen, bis dir schlecht ist." "Genau Bruderherz, ich bringe dir dieses Mal keine Wärmflasche ans Bett." Bei dieser Bemerkung von Kelly mussten alle lachen. "Ok, ich gebe mich geschlagen. Aber ich befürchte, da müsst ihr mir schon die Schüssel wegnehmen." "Das werde ich höchstpersönlich übernehme, mein Lieber. Mach dir da mal keine Sorgen." Mit diesen Worten klopfte ihm Paul freundschaftlich auf die Schulter. "Denn auf dein Gejammer wie beim letzten Mal, kann ich gut und gerne verzichten." Verlegen lächelte Peter in die Runde. Er erinnerte sich genau. Damals hatte er geglaubt, er könne niemals mehr in seinem Leben irgendetwas essen. So elend war es ihm ergangen. Und natürlich hatte er jeden an seinem selbstverschuldeten Elend teilhaben lassen. In den folgenden Stunden genoss die Familie einen ausgelassenen Abend mit viel Gelächter und schönen Erinnerungen an die gemeinsamen, vergangenen Jahre. Und Peter verspeiste tatsächlich lediglich zwei Portionen des cremigen Nachtischs. Allerdings nur, weil Paul ihm unter Protest und Androhung einer Sonderschicht auf dem Revier, erfolgreich die Schüssel entzogen hatte. Ende
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