Autor: Lost-Sheep
 

Schwungvoll öffnete Mary die Wohnungstür und blickte direkt in das müde und blasse Gesicht von Peter. Seine Nase war gerötet und sein Atem ging schneller als sonst.

"Hallo Peter. Alles in Ordnung?" Sie sah ihn besorgt an.

"Ja, mach dir keine Sorgen. Ich wollte nur schnell Jamies Teddy vorbeibringen. Den hat er…" Hatschi."… gestern bei mir vergessen", antwortete er heiser und zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche.

"Gesundheit. Und danke… Aber jetzt kommst du erstmal rein. Ich hab da so eine Vermutung."

Bevor Peter irgendetwas erwidern konnte, griff Mary nach seinem Arm und schob ihn in die Wohnung. Im Hintergrund erklang ein lautes Niesen gefolgt von einem krächzenden "Maaaaamaaaa!"

"Ich komm gleich, mein Schatz."

Peter sah sie verwundert an.

"Kann es sein, dass ihr Zwei gestern irgendwie ein paar Viren in die Quere gekommen seid, die sich nicht von gezielten Kung Fu Tritten in die Flucht schlagen ließen?", fragte Mary den jungen Cop mit einem leichten Grinsen.

"Jamie hat es auch erwischt?"

"Ja, seit heute morgen. Aber er erträgt sein Schicksal tapfer."

Und schon kam ihm sein Patenkind entgegen. Seine kleine Nase war genauso rot wie Peters und er sah ebenfalls müde aus.

"Hallo, mein Kleiner. Was machst du denn für Sachen?"

Der junge Cop nahm ihn auf den Arm.

"Jamie rank."

Hatschi. Peter nieste erneut.

"Auch rank?", fragte Jamie seinen Patenonkel mit großen Augen, während Mary ihm kommentarlos ein weiteres Taschentuch reichte.

"Sieht ganz so aus", entgegnete er seufzend.

Der Knirps legte ihm seine kleine, warme Hand auf die Wange und streichelte sie behutsam.

"Bald wieder sund. Alles gut."

Peter musste lächeln und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn.

"Danke, wenn das nicht hilft."

Jamie grinste und legte seinen Kopf auf Peters Schulter. "Heia." Dann gähnte er ausgiebig.

"Was hältst du davon, wenn du hier bleibst? Dann kann ich mich gleich um meine beiden kranken Jungs kümmern."

Mary sah Peter fragend an und es lag etwas in ihrem Blick, was er mittlerweile ganz genau kannte und ihm war sofort klar, dass jede Widerrede in diesem Fall zwecklos wäre.

Trotzdem konnte er sich nicht verkneifen, es zu versuchen. Denn er hasste nichts mehr, als zuzugeben, dass er sich gerade wirklich nicht besonders fühlte.

"Aber nur wenn es keine Umstände macht… Und so krank bin ich auch nicht."

"Red doch bitte keinen Unsinn. Ihr Zwei schlaft euch jetzt erstmal gesund und ich flitze nochmal schnell in die Apotheke." Dann sah sie ihn noch einmal eindringlich an. "Und jetzt möchte ich kein Wort mehr hören."

"Jawohl Chef", entgegnete Peter mit einem spitzbübischen Grinsen.

Nun musste auch Mary lachen.

Dann holte sie eine Decke und ein Kissen aus dem Schlafzimmer und legte beides auf die Couch.

"Macht es euch bequem, ich beeil mich."

Und schon war sie verschwunden.

Hatschi.

"Gesundheit."

"Rank sein doof", stellte Jamie fest.

"Stimmt. Aber damit wir schnell wieder gesund werden, hören wir jetzt besser auf deine Mama und ruhen uns aus."

Der junge Cop trug den kleinen Mann zum Sofa und legte ihn vorsichtig hin. Dann zog er sich die Schuhe aus und machte es sich ebenfalls bequem.

Gähnend zog er die Decke hoch und Minuten später waren Beide eingeschlafen.

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Eine halbe Stunde später schloss Mary leise die Wohnungstür auf und trat ein.

"Sie sind im Wohnzimmer", flüsterte sie Peters Vater zu, den sie zufällig unterwegs getroffen hatte und der natürlich sofort mitgekommen war, als er hörte, dass sein Sohn krank war.

Vorsichtig betraten sie den Raum und der Anblick, der sich ihnen bot, zauberte Beiden ein Lächeln ins Gesicht.

Jamie hatte seinen Kopf auf die Brust seines Patenonkels gelegt und ihr gleichmäßiger Atem erfüllte den Raum.

Mary und Kwai Chang Caine zogen sich in die Küche zurück, um die Beiden nicht zu stören.

"Möchtest du auch einen Tee?"

"Ja gerne… Wie lange ist Peter schon hier?"

"Er kam heute Mittag, um Jamie seinen Teddy vorbeizubringen. Er sah wirklich fertig aus und wollte mir noch erzählen, ich solle mir keine Sorgen machen und er wäre ja gar nicht so krank." Mary lachte.

"So ist Peter. Er hat es schon als Kind gehasst, krank zu sein und das Gesundwerden konnte gar nicht schnell genug gehen."

"Damals im Tempel?", fragte Mary während sie zwei Tassen mit dampfendem Tee auf den Tisch stellte. "Er hat es mir mal vor einiger Zeit erzählt. Aber ich hatte das Gefühl er spricht nicht so gerne über seine Vergangenheit."

"Für meinen Sohn sind damit viele schmerzliche Erinnerungen verbunden."

"An seine Mutter?" Mary errötete und wünschte sich, sie hätte diese Frage nicht gestellt. Peter würde mit ihr darüber sprechen, wenn ihm danach war. "Tut mir leid. Du musst dazu nichts sagen." Sie senkte den Blick.

Caine nahm ihre Hand. "Es muss dir nicht Leid tun. Du bist selber Mutter. Da ist es doch verständlich, dass dich das interessiert. Zumal Du und Jamie wie eine Familie für Peter seid."

Ein unbeschreiblich warmes Glücksgefühl durchströmte Marys Körper. Sie wusste, dass sie dem jungen Cop sehr viel bedeuteten, aber dass er auch anderen seine Gefühle für sie mitteilte, war einfach nur wunderschön.

"Peter war so alt wie Jamie, als seine Mutter starb. Sie war sehr krank. Er hat es lange verweigert ihr Grab zu besuchen. Erst als wir vor noch nicht einmal zwei Jahren erneut die Ruinen des Tempels besuchten, war er stark genug sich dem zu stellen."

Mary musste schlucken. Das hatte sie nicht gewusst.

Auch wenn Caine ihr versichert hatte, dass es in Ordnung war, fühlte Mary sich unwohl bei dem Gedanken, dass sie Peters Vater über seine Vergangenheit ausfragte. Der junge Cop sollte selber entscheiden können, welche Erinnerungen er mit ihr teilte und welche nicht.

Erleichtert vernahm sie ein Husten aus dem Wohnzimmer.

"Oh, hört sich an, als wäre Jamie aufgewacht."

Hatschi.

"Und Peter auch."

Gemeinsam gingen Caine und Mary ins Wohnzimmer.

"Paps? Was machst du denn hier?", fragte Peter verschlafen.

"Ich wollte nur sehen, wie es meinem Sohn geht. Aber so wie es aussieht, bist du bestens versorgt", stellte er zufrieden fest.

Dann verschwand er in der Küche.

Mary setzte sich auf die Kante des Sofas und nahm ihren kleinen Sohn auf den Schoß. Dieser kuschelte sich sofort an seine Mutter.

"Mama lieb. Jamie rank."

"Ja, mein armer Schatz. Aber Peters Vater hat euch was mitgebracht, damit es euch ganz schnell wieder besser geht."

"Schafi?"

Peter und Mary fingen an zu lachen. Die Begegnung mit einem Schaf hatte Jamie nachhaltig beeindruckt. Obwohl sie ihn davon überzeugen konnte, dass er das wollige Tier nicht mit nach Hause nehmen könne, fragte er immer wieder danach.

"Wenn ihr Zwei wieder gesund seid, werden wir das Schaf besuchen. Einverstanden?"

Der kleine Mann bekam strahlende Augen. "Schafi." Hatschi.

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Drei Stunden später war es dunkel geworden. Caine war nach Hause gegangen und hatte für Jamie und Peter Tee da gelassen. Mary hatte den jungen Cop davon überzeugen können, auch die Nacht bei ihnen zu verbringen.

"Brauchst du noch irgendetwas?"

"Nein, ich glaube, ich bin wunschlos glücklich", entgegnete Peter und strecke sich auf dem Sofa aus.

Dann blickte er in Marys Gesicht. "Hast du was?"

Die junge Frau blickte ihn überrascht an. *Wie hat er das nun wieder gemerkt?*

Da sie wusste, dass er sowieso keine Ruhe geben würde, bis sie ihm sagte, was los war, setzte sie sich in den Sessel und sah ihn an.

"Dein Vater hat mir heute etwas erzählt… Über deine Mutter… Peter, ich wollte das nicht. Es ist so aus mir raus geplatzt. Ich weiß, das ich kein Recht dazu hatte. Es ist deine Vergangenheit und du alleine solltest entscheiden mit wem du sie teilst."

"Und du gehörst ganz bestimmt dazu."

"Dann bist du nicht böse?"

"Nein."

Erleichtert stand die junge Frau auf und beugte sich vorsichtig zu Peter runter.

Er nahm sie fest in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

"Meine Vergangenheit ist ein Teil meines Lebens, genau wie ihr es seid. Auch wenn die Erinnerungen manchmal schmerzlich sind, kannst du mich jederzeit danach fragen."

"Das werde ich in Zukunft auch tun." Mary löste sich aus Peters Umarmung. "Gute Nacht."

"Gute Nacht."

Dann verschwand sie im Schlafzimmer.

Hatschi.

"Gesundheit Peter", flüsterte sie mit einem Lächeln.

Ende

 

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