Der herrlich süße Duft von frischgebackenen Pancakes erfüllte die Küche und zog langsam in den Flur. Geschirr klapperte und eine weitere Pfanne wurde auf den Herd gestellt. Dann hörte man die Tür des Kühlschranks. Wenig später erklangen zwei vertraute Stimmen. "So, und jetzt vorsichtig rühren." "Vorsichtig?" "Ja vorsichtig, sonst haben wir die ganze Bescherung gleich auf der Arbeitsplatte." "Ok." Jamie gab sich alle Mühe die Eier behutsam in der Schüssel zu verquirlen, aber irgendwie schwappten sie trotz aller Anstrengungen immer wieder über den Rand. "Vorsichtig, vorsichtig", murmelte er immer wieder vor sich hin. Peter beobachtete den kleinen Knirps eine Weile und konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. Vor lauter Konzentration bewegte sich die Spitze von Jamies Zunge immer hin und her, im genau gleichen Rhythmus, in dem er die Gabel bewegte. Seine Wangen hatten schon einen leichten Rotschimmer und er war stets darauf bedacht die Eimasse nicht in allzu große Schwingungen zu versetzen. Wenig später öffnete Peter einen der Küchenschränke. "Irgendwo müssten wir noch eine größere Schüssel haben. Wir haben doch zum Einzug von Annie extra ganz neue bekommen." Drei Türen später hatte der junge Mann gefunden, was er suchte. "Habe ich es doch gewusst." Freudestrahlend beförderte er einen Stapel glänzend roter Rührschüsseln aus einem der Hängeschränke und stellte sie neben den Herd. Mittlerweile hatten sich neben Jamies Schüssel mehrere kleine, gelbe Seen gebildet und auch seine blaukarierte Schürze hatte ein paar Flecken abbekommen. "Was hältst du davon?" Peter hielt dem Blondschopf eine große Schüssel unter die Nase. "Viel", antwortete dieser mit einem Grinsen. Wenig später rührte Jamie zufrieden weiter und dieses Mal ging nichts mehr daneben. Dann erklang das Läuten der Türglocke. "Ich mach auf, ich mach auf." Und schon war Jamie von seinem kleinen Fußhocker gesprungen und flitzte Richtung Tür. "Langsam", rief Peter ihm noch hinterher und Augenblicke später hörte man, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. "Wir haben schon Pancakes gebacken, und Speck und Toast und Obstsalat", hörte man Jamies aufgeregte Stimme, die sich fast zu überschlagen drohte. "Da ward ihr aber sehr fleißig. Und das sollen wir drei alles essen?" Mit diesen Worten betrat der stattliche, grauhaarige Mann lächelnd die Küche. "Ja, ich glaube wir werden satt", bemerkte Peter lachend. "Hi Dad." "Guten Morgen, mein Sohn." Dann umarmten sich die beiden Männer herzlich. "Es duftet wirklich herrlich bei euch." Paul blickte von Peter zu Jamie, der ihn mit strahlenden Augen ansah. Er hatte den keine Jungen erst vor ein paar Wochen
zum ersten Mal getroffen. Er hatte erfahren was ihn und seinen Pflegesohn
verband und es hatte ihm die Tränen der Rührung in die Augen
getrieben. Peter hatte ihm ihre ganze Geschichte erzählt. Angefangen
bei jener Nacht, in der er den kleinen, hilflosen Knirps vor dem Revier
gefunden hatte, über den Tag an dem er sein Patenonkel geworden war,
bis heute, wo sich der junge Sozialarbeiter sein Leben nicht mehr ohne
den Wirbelwind vorstellen konnte. Ein zischendes Geräusch riss Paul aus seinen Gedanken. Mit Peters Hilfe schüttete Jamie, die von ihm mühevoll geschlagene Eimasse in die heiße Pfanne. "Mhhhmmm, riecht gut", stellte der kleine Mann zufrieden fest. Nur wenige Minuten später saßen alle drei am reich gedeckten Tisch und Peter betrachtete die Leckereien. "Das haben wir uns jetzt aber wirklich verdient. Guten Appetit." "Guten Appetit", erwiderten Paul und Jamie im Chor. Alle griffen tüchtig zu und nach einer Weile, lehnte Jamie sich zurück und strich über seinen Bauch, der sich unter seinem Pullover leicht wölbte. "Ich bin satt", stellte er mit einem Seufzen fest. Peter grinste. "Na ein Glück, ich habe mich schon gewundert wie so viele Pancakes in so einen kleinen Mann passen." Der Vierjährige sah seinen Patenonkel an. "Ich will doch so groß und stark werden wie du." "Dafür hast du aber noch ein paar Jahre Zeit, mein Schatz." Jamie grinste nur, stand dann auf und kletterte auf Peters Schoß. "Oh, ich glaube du hast innerhalb der letzten halben Stunde ein paar Kilo zugenommen", stöhnte dieser und strich dem Knirps über seinen blonden Schopf. "Dann machen wir Kung Fu." "Kung Fu? Jetzt? Ich glaube, ich kann mich gerade nicht wirklich bewegen. Mein Bauch ist so voll." Der kleine Mann legte seine Hand auf Peters Bauch und nickte. "Ja, ist voll." Paul beobachtete die Szene still und mit einem zufriedenen Lächeln. Würde er es nicht besser wissen, hätte er die Beiden sofort für Vater und Sohn gehalten. Ja, und es machte ihn glücklich Peter so zu sehen. Und nicht nur das, es erfüllte ihn mit Stolz. "Fühlt sich an, wie der Bärbauch." Bei Jamies Bemerkung fing Peter an zu lachen. "Oh wunderbar, jetzt fühle ich mich schon an, wie ein Kuscheltier. Was Kendra wohl dazu sagen würde?" "Da fällt mir was ein." Mit diesen Worten stand Paul auf und ging in den Flur. Nur Augenblicke später kam er zurück und stellte sich vor Jamie. Dann hielt er ihm ein Geschenk unter die Nase. "Ich hoffe du hast es noch nicht." Der Zwerg fing an zu strahlen, rutschte von Peters Schoß und schlang seine Arme um Paul. "Daaaaaaanke." "Bitteschön. Aber du hast es doch noch gar nicht aufgemacht." "Von dir ist alles toll." Paul musste schlucken und blickte sichtlich gerührt zu seinem Pflegesohn. Dieser lächelte nur. Nur Momente später wickelte Jamie das Geschenk aus dem bunten Papier. "Bäääääär", bemerkte er freudestrahlend. "Da hast du ja voll ins Schwarze getroffen. Er liebt den kleinen Eisbär und die CD hat er noch nicht." "Na da bin ich ja froh", sagte Paul erleichtert. Dann nahm Jamie seine Hand. "Komm mit." Peter grinste. "Er kann sie sich in unserem Schlafzimmer anhören. Da steht ein CD-Player… Du weißt doch wie das funktioniert?" fragte Peter mit einem Zwinkern. Paul versuchte böse zu gucken. "Jetzt werd mal nicht frech. Ich weiß noch ganz andere Sachen." Doch dann musste auch er lachen. "Kommst du jetzt?" Jamie zog ungeduldig an Pauls Hand. Warum waren Erwachsene nur manchmal so langsam? "Bis gleich", rief Peter ihnen nach und goss sich dann einen dampfenden Kaffee ein. Er nahm einen Schluck und blickte aus dem Fenster. Im Hintergrund hörte er die Stimmen und das Lachen von Jamie und Paul. Nun war sein lang gehegter Wunsch wirklich wahr geworden. Sein Pflegevater hatte sein Patenkind kennen gelernt. Und mehr als das, er hatte ihn bereits ins Herz geschlossen und behandelt ihn, als wäre er sein eigener Enkelsohn. Wenig später betrat auch Paul wieder die Küche. "Ich glaube, da ist jetzt jemand glücklich." Peter lächelte. "Magst du auch noch einen Kaffee?" "Ja, gerne." Mit einem Seufzen ließ sich Paul auf den Stuhl sinken. "Ist wirklich ein toller Junge." "Ja, das ist er." Eine Weile saßen beide Männer schweigend
beisammen. Dann räusperte Peter sich. Paul merkte, dass es etwas wichtig sein musste, denn er hörte das leichte Zittern in der Stimme seines Ziehsohnes. Er blickte ihm direkt in seine haselnussbraunen Augen und wartete ab. "Erstmal möchte ich mich dafür bedanken, dass ihr mich damals bei euch aufgenommen habt und für all das, was ihr für mich getan habt." Peter schluckte. "Ich weiß, dass ich es euch nicht immer leicht gemach habe. Ich habe lange daran gezweifelt, ob ihr mich wirklich liebt, wie euren eigenen Sohn und daran, dass ich wirklich zur Familie gehöre… Auch wenn ihr es immer gesagt habt… Damals habe ich es einfach nicht verstanden, ich habe es nicht besser gewusst… Es war unvorstellbar für mich, wie ihr ein Kind, das nicht euer eigen Fleisch und Blut war so lieben konntet." Peter spürte wie seine Augen feucht wurden, er blickte zu Paul und auch er schien sichtlich gerührt zu sein. "Das hat etwas mit Jamie zu tun, habe ich Recht?" "Ja… Durch ihn habe ich gelernt, dass es möglich ist. Dass Familie nicht immer etwas mit Blutsverwandtschaft zu tun haben muss. Dass es Gefühle gibt, die weit darüber hinausgehen… Ich weiß jetzt, was du für mich damals empfunden hast." "Das tue ich bis heute, mein Sohn." Langsam und lautlos rollte eine einzelne Träne über Peters Wange und auch Pauls Augen begannen zu glitzern. "Danke", flüsterte der junge Mann. Paul legte seine Hand auf Peters und drückte sie sanft. "Die kleinen Knirpse können einen ganz schön aus der Fassung bringen, nicht wahr?" Peter nickte. "Ja, und wie soll das erst werden, wenn unser Nachwuchs da ist." Paul lachte leise. "Das wirst du schon hinbekommen. Die Beiden werden dich so auf Trab halten, dass keine Zeit mehr für Gefühlsduseleien bleibt." Der junge Sozialarbeiter grinste kurz und wurde dann wieder ernst. "Ich habe mir lange gewünscht, dir das sagen zu können. Immer wenn ich gespürt habe, wie sehr ich Jamie liebe. Es tut mir leid, dass ich eure Gefühle jemals angezweifelt habe." "Das muss dir nicht Leid tun… Wie du schon gesagt hast, du hast es damals einfach nicht besser gewusst. Du warst zutiefst erschüttert und verunsichert durch die Ereignisse im Tempel deines Vaters. Du warst wütend und traurig. Nicht selten hatte ich den Eindruck, dass du einfach nicht wusstest, wo du hinsollst mit deinen Gefühlen, die soviel stärker waren als du. Es brauchte einfach Zeit und es war jede Sekunde wert." Dann zog Paul ein Taschentuch hervor und reichte es seinem Pflegesohn, der in diesem Moment einfach sprachlos war. Sprachlos und überwältigt von den Worten und Gefühlen, die den ganzen Raum zu erfüllen schienen. Irgendwann griff der ältere Mann nach seinem Kaffeebecher und nahm einen Schluck. Dann verzog er das Gesicht. "Kalt." "Ich mache uns einen frischen." Peter wischte sich noch die letzten Tränen aus dem Gesicht uns stand dann auf. In diesem Moment kam ein kleiner, blonder Wirbelwind um die Ecke gebogen. "Der Bär hat seine Freunde gerettet. Er ist jetzt ein Held." Dann blickte er zu Peter und Paul. "Bin ich auch ein Held?" "Aber natürlich bist du das und was für einer", kam die prompte Antwort von seinem Patenonkel. "Wisst ihr was, Männer?" Paul sah von einem zum anderen. "Ich glaube, wir sollten dieses Frühstück unbedingt mal wiederholen." "Du meinst unser Frühstück für Helden?" fragte Peter. Bei dieser Bemerkung fingen alle drei an zu lachen. Es schien fast, als seien hier wirklich Großvater, Vater und Enkelsohn zusammen, drei Generationen einer Familie, die in Wahrheit jedoch weit mehr als das verband. Ja, so ein Frühstück für Helden war wirklich etwas ganz Besonderes. Ende
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