Autor: Lost-Sheep
 

"Paps? Paps, bist du da?"

Mit einem Lächeln im Gesicht vernahm Kwai Chang Caine die allzu vertrauten Worte.

"Ich bin hier, mein Sohn."

Augenblicke später betrat Peter die Wohnung seines Vaters. Aber er war nicht allein.
Wie ein Wirbelwind rannte ein kleiner, blonder Knirps lachend auf den Shaolinpriester zu und begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung.

"Hallo Caine."

"Hallo Jamie." Auch er hatte das Patenkind seines Sohnes schon lange in sein Herz geschlossen. Er brauchte nur in die strahlenden Augen des kleinen Jungen zu blicken und schon war es um ihn geschehen.

"Paps, du musst mir helfen", erklang die Stimme des jungen Cops, der immer noch im Türrahmen stand. "Wir haben eine Sonderbesprechung auf dem Revier und ich habe Mary schon letzte Woche versprochen auf den Zwerg aufzupassen." Peter grinste seinen Vater schief an. "Könntest du vielleicht einspringen? Ich versuche auch so schnell wie möglich wieder hier zu sein." Und mit einem Blick zu seinem Schützling fügte er hinzu. "Und ich glaube, du hast einen neuen Schüler gefunden."

Fasziniert betrachtete Jamie all die kleinen und großen Fläschchen, die getrockneten Kräuter und Pflanzen und all die anderen Dinge, von denen er mit seinen zwei Jahren noch gar nicht ahnen konnte, wo sie herkamen und wozu sie gebraucht wurden. All die Heilmittel, die sich in den vergangenen Jahren in der Wohnung des Priesters angesammelt hatten und mit deren Unterstützung er schon unzähligen Menschen geholfen hatte.

Wohlwollend beobachtete Caine das kleine Wesen. Auch sein Sohn war nicht älter gewesen, als sie vor knapp dreißig Jahren in den Tempel in Nordkalifornien gekommen waren. Damals hatten sie gerade ihre geliebte Ehefrau und Mutter Laura verloren und er hatte nicht gewusst, was die Zukunft für ihn und den kleinen Peter bringen würde. So waren sie von den Mönchen in ihr Zuhause aufgenommen worden und hatten dort die nächsten zehn Jahre glücklich verbracht. Zehn Jahre, in denen sie Beide eine Menge gelernt hatten über Heilkunde, über Kung Fu und über das Leben.

"Hatschi", riss ihn ein Geräusch aus seinen Gedanken.

"Gesundheit."

Jamie grinste ihn an und zeigte auf ein Bündel getrockneter Kräuter, das im Regal lag. "Kitzelt in der Nase."

Der Priester musste lachen. "Daraus mache ich einen Tee gegen Halsschmerzen."

"Da ich hier ja anscheinend nicht mehr gebraucht werde, mache ich mich mal lieber auf dem Weg, bevor Captain Simms mir wieder eine Nachtschicht aufbrummt, weil ich zu spät gekommen bin." Mit diesen Worten drehte sich der junge Cop um.

"Na, wer weiß, was dir die Nachtschicht dieses Mal bescheren würde", rief sein Vater ihm hinter her.

Bei diesen Worten blieb Peter kurz stehen und hielt inne. Für einige Augenblicke durchströmte ein unbeschreibliches Glücksgefühl seinen Körper. Und das glockenhelle Lachen von Jamie, das wenig später an sein Ohr drang, zauberte ihm ein Lächeln ins Gesicht. Er war sich ganz sicher, so etwas würde ihm in seinem Leben nur ein einziges Mal passieren.

So schnell ihn seine Füße tragen konnten, eilte er zu seinem Stealth. Denn den Dienst zur Geisterstunde, durfte gerne einer seiner Kollegen übernehmen.

"Jetzt hat er es aber eilig gehabt, dein Patenonkel."

Jamie rannte auf die Dachterrasse und sah nur noch die roten Rückleuchten des blauen Autos. "Kommt ja später wieder."

Mittlerweile wusste der kleine Mann, dass er sich immer auf Peter verlassen konnte. Jeder, der sie zusammen erlebt hatte, spürte, dass es ein unsichtbares Band des Vertrauens zwischen den Beiden gab.

Caine blickte Jamie nachdenklich an. Auch zwischen ihm und seinem Sohn gab es dieses Band heute wieder und er war unendlich dankbar dafür. Es hatte einige Mühen gekostet das Vertrauen von Peter wieder zu erlangen. Nach ihrer Trennung, der Zeit im Waisenhaus und bei den Blaisdells. Es hatte immer wieder Situationen gegeben, in denen er deutlich gespürt hatte, dass es da Zweifel und Unsicherheit bei seinem Sohn gegeben hatte. Aber er hatte niemals aufgegeben, denn er wollte ihn kein zweites Mal verlieren.

Er wünschte sich, dass Peter niemals den Kontakt zu seinem Patenkind verlieren würde, denn er hatte am eigenen Leib erfahren, wie schmerzvoll ein solcher Verlust sein konnte. Andererseits hatte der Priester auch genug Lebenserfahrung, um zu wissen, dass es manchmal Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die nicht zu beeinflussen waren.

Auf einmal spürte er, wie sich zwei kleine Ärmchen um seine Beine schlangen und ihn zwei strahlend blaue Augen erwartungsvoll ansahen. "Alles ok?"

"Ja, ich habe nur über etwas nachgedacht." Behutsam strich er über Jamies blonden Schopf.

"Was meinst du, sollen wir mal nachsehen, was es noch so alles Interessantes in meiner Apotheke zu entdecken gibt?"

"Jajaja." Und schon flitzte der Knirps in Richtung Terrassentür.

Mit einem Lächeln folgte Kwai Chang Caine ihm. Nicht nur sein Sohn war über alle Maßen dankbar, dass dieses einzigartige, kleine Wesen in sein Leben getreten war.

Ende

 

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