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Er war wieder da. Der Mann, von dem sie alle geglaubt hatte, er sei tot. Gestorben in den Flammen des Tempels vor mehr als fünfzehn Jahren. Der Mann, an dessen vermeintlichem Grab Peter Rache geschworen hatte. Rache an denen, die ihm seinen geliebten Vater für immer genommen hatten. Der Mann, der in Peters Erinnerungen niemals aufgehört hatte zu leben. In Erinnerungen, die den jungen Cop nicht selten schmerzlich gequält hatten und die ihn für immer prägen sollten. Wie oft hatte er ihn tröstend in den Arm genommen, wenn die Gedanken an seinen tot geglaubten Vater Besitz von ihm ergriffen hatten? Stundenlang hatte er an seinem Bett gesessen und beruhigend auf in eingeredet, oder er war einfach nur da gewesen. Das alles sollte jetzt ein Irrtum gewesen sein? Er war die ganze Zeit quicklebendig gewesen? Warum hatte er seinen Sohn nicht gesucht? Weil er ihn auch tot geglaubt hatte, wie er sagte. Aber hatte er nicht als sein Vater spüren können, dass er noch am Leben war? Fühlte man so etwas nicht tief im Innern? Er selber hatte in den vergangenen zwölf Jahren oft ein ungutes Gefühl gehabt, wenn Peter in Schwierigkeiten war, denn er liebte ihn zutiefst, auch wenn er nicht sein eigen Fleisch und Blut war. Und er? Er war sein leiblicher Vater. Und er hatte nichts gespürt? Oder hatte das vermeintliche Wissen um den Tod seines Sohnes seine Gefühle betäubt? … Jetzt war Kwai Chang Caine wieder da. Was würde dies für seine eigene Beziehung zu Peter bedeuten? War jetzt noch Platz für ihn? Gab es Raum für zwei Väter an Peters Leben? Er war seit zwölf Jahren sein Sohn gewesen. Ein unersetzlicher Teil seiner Familie. Würde er dies auch bleiben? Oder würde sich nun alles ändern? Er konnte sich nicht vorstellen, ihn als Sohn zu verlieren. Er würde immer für ihn da sein. Auch jetzt. Aber Peter… Wie würde er ihn nun sehen? Jetzt wo sein leiblicher Vater wieder da war. Am liebsten würde er jetzt gleich mit ihm reden, um sich Gewissheit zu verschaffen. Aber er wusste genau, dass der junge Cop erst einmal Zeit brauchte. Zeit, um das Wiedersehen zu verkraften und Zeit, um seinen Vater neu kennen zu lernen. Er liebte ihn und deshalb würde er ihn nicht drängen, auch wenn die Gedanken um sein Verhältnis zu ihm in seinem Kopf Karussell fuhren. Peter würde auf ihn zählen können, wenn er Hilfe oder ein offenes Ohr brauchte. Denn er wusste, wie viel ihm sein Vater bedeutet hatte und dass er nie aufgehört hatte ihn zu lieben. Was würde der Shaolin-Priester wohl dazu sagen, dass sein Sohn nach all dem, was er im Tempel gelernt hatte, ein Polizist geworden war? Er selbst war es gewesen, der ihn auf diesen Weg gebracht hatte. Und darauf war er unglaublich stolz. Auch wenn der junge Cop manchmal zu impulsiven Handlungen neigte, war er einer der besten Ermittler auf dem 101. Und wenn sein Vater das nun nicht gutheißen würde? Wenn er ihn lieber wieder als Shaolin-Mönch in einem Kloster sehen würde? Wie würde Peter sich dann entscheiden? Er war Polizist mit Leib und Seele. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass er all das aufgeben würde. Aber welchen Einfluss würde sein wiedergekehrter Vater auf ihn haben? … Paul rieb sich die Augen und blickte aus dem Fenster. Er wusste, dass er nur abwarten konnte. Und er wusste, dass er Peter wie seinen eigenen Sohn liebte und er immer einen Platz in seinem Herzen haben würde. Er würde alles dafür tun, damit er sein Glück fand mit einem oder mit zwei Vätern. In seinem Leben hatte er gelernt, dass Lieben auch manchmal Loslassen bedeutete. Aber er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser Moment der Trennung niemals kommen würde. Ende
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