Autor: Lost-Sheep

 

Er spürte die wärmenden Strahlen der Sonne auf seiner Haut und hörte das Knirschen des Schnees bei jedem Schritt, den er machte.

Über Nacht hatten sich unzählige der kleinen, glitzernden Kristalle, wie eine wärmende Decke, über die Stadt gelegt und funkelten jetzt im Licht der Wintersonne.

Den Kragen seines Mantels hatte er hochgeschlagen und seine Hände tief in den Taschen vergraben. Seine Wangen und seine Nasenspitzen waren von der Kälte gerötet und er beschloss sich möglichst bald ein paar warme Handschuhe zuzulegen. Ansonsten würden seine Finger wohl bald den Eiszapfen ähneln, die wie kleine Kunstwerke der Natur, an den Giebeln der Häuser hingen.

Peter genoss das bunte Treiben im Park in vollen Zügen. Es war Samstagmittag und es hatte den Anschein, als sei die halbe Stadt auf den Beinen, um den Winterzauber von Sloanville zu erleben.

Lachend rannten zwei Kinder an ihm vorbei und ließen sich nur wenig später in den Schnee fallen, um die weiße Pracht mit wunderschönen Schneeengeln zu verzieren.

Der junge Cop beobachtete sie für ein paar Momente und erinnerte sich daran, dass er so etwas in seiner Kindheit nie gemacht hatte. Die Winter im Tempel hatte er mit Spaziergängen verbracht, die für ihn aber auch immer eine lehrreiche Lektion seines Vaters beinhaltet hatten. Ausgelassene Spiele waren für ihn und die anderen Schüler eine wirkliche Seltenheit gewesen und er spürte Wehmut in sich aufsteigen.

Wie oft hatte er sich gewünscht ein ganz normales Kind in der Stadt zu sein?

Aber ihm war nun mal ein anderes Leben auferlegt worden und nicht selten hatte er das Gefühl gehabt, von den mächtigen Tempelmauern erdrückt zu werden.

Aber nicht nur die Mauern drohten ihn zu erdrücken, sondern auch die vermeintlichen Erwartungen, die sein Vater an ihn gehabt hatte. Er war der Sohn von Kwai Chang Caine und dies bedeutete ein Erbe, dass die schmalen Schultern eines Kindes kaum fähig zu tragen gewesen waren. Wie oft hatte er Angst gehabt zu versagen und den Ansprüchen an Disziplin und Willensstärke nicht zu genügen.

Noch einmal blickte er zu den vergnügten Kindern, die im nächsten Moment aufsprangen und zu einem älteren Ehepaar liefen, das sie schon mit strahlenden Gesichtern erwartete.

Die Frau sah genauso aus, wie Peter sich als Kind eine Großmutter vorgestellt hatte. Sie hatte weißes Haar, ein freundliches Gesicht und immer ein wachsames Auge auf ihre geliebten Enkelkinder.

Er selber hatte seine Großeltern nie kennen gelernt. Eigentlich waren da immer nur er und sein Vater gewesen.

Nicht selten hatte er sich in den kalten Wintern hinter Tempelmauern nach einer Großmutter gesehnt, die ihm selbst gestrickte Ringelsocken zu Weihnachten schenkte oder mit ihm gemeinsam einen leckeren Schokoladenkuchen buk.

Peter atmete tief durch und spürte wie sich die kalte, klare Winterluft in seinen Lungen ausbreitete und ihn kurz frösteln ließ.

Obwohl er in seiner Kindheit auf vieles hatte verzichten müssen, war er seinem Vater für all das, was er in diesen Jahren gelernt hatte, zutiefst dankbar.

Hatte er ihm dies schon einmal gesagt?

Mit einem Lächeln im Gesicht beschloss er, sich auf den Weg zur Wohnung seines Vaters zu machen und seine Erinnerungen mit ihm zu teilen.

Vielleicht würde er ja eine versteckte Schneefläche finden, auf der er die Versäumnisse seiner Kindheit nachholen konnte.

Und mochte sein Vater eigentlich Schokoladenkuchen?

Ende

 

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