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Autor: Ireenew |
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Die Luft flimmerte in der Hitze. Zum ersten Mal in diesem Jahr war die Temperatur auf über 30 Grad angestiegen. Grillen zirpten lautstark im Gras und Schwalben vollführten kunstvolle Luftmanöver, um die zahlreich schwirrenden Insekten zu fangen. Einige davon bildeten einen Schwarm um zwei Männer, von denen der Jüngere ziemlich genervt versuchte, sich vor ihren Angriffen zu schützen. Peter haderte mit sich, da es seine Idee war, exakt an diesem Tag frei zu nehmen und in der Natur Ruhe zu finden. Leise lachte er auf bei diesem Gedanken. "Paps, ist es nicht komisch, dass wir ausgerechnet heute hier unterwegs sind? Das Jahr hat so viele Tage, und den heißesten habe ich für uns herausgesucht. Ich fass' es nicht. So viel Ungeziefer! Die Stechmücken werden uns heute nacht wohl auffressen." Caine zog nur eine Schulter hoch. "Dennoch ist es ein besonderer Tag, den ich nicht missen möchte, Peter. Mit dir allein unterwegs zu sein bedeutet mir sehr viel. Wir werden die Nacht überleben", fügte er mit einem zwinkernden Auge hinzu. Mit einem Blick zur Seite studierte Peter seinen Vater, der scheinbar ungestört von den Insekten vorwärts schritt. "Kann es sein, dass du irgendein Geheimrezept hast, das dir diese Blutsauger vom Leib hält? Von dir wollen sie anscheinend nichts wissen." Als wollte er seine Aussage unterstreichen, schlug er sich mit der linken Hand in den Nacken, wo sich soeben eine große Bremse niedergelassen hatte. "Bevor wir losgingen, habe ich dir einen Tee angeboten, mein Sohn. Du hast ihn abgelehnt..." Caine wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Ich weiß, dass heute ein extrem heißer Tag ist, doch Tee kann man nun mal nicht kalt kochen. Die Kräuter, die ich dafür verwendet habe, bewirken, dass unser Blut für Stechmücken scheinbar ungenießbar ist." Peter blieb stehen, um in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch zu suchen. Schweißperlen rannen ihm übers Gesicht. *Warum sagt er mir so was nicht vorher?* Ihre Blicke trafen sich, und Peter sah zur Seite. Es war seine Entscheidung gewesen, er konnte seinem Vater keinen Vorwurf machen. Er fühlte eine Hand auf seinem Arm und sah auf. Caine schmunzelte und sagte nur: "Wir sind nicht weit entfernt von einem Bach, der durch den Wald dort vorne fließt. Ich werde dir eine Tasse "Zaubertrank", wie du es wohl nennst, zubereiten." Vater und Sohn saßen nebeneinander auf einem dicken Baumstamm und beobachteten die abendliche Natur. Peter hatte das heiße Anti-Mücken-Gebräu von seinem Vater diesmal gerne angenommen. Das kleine Feuer, das sie angezündet hatten, war im Begriff, wieder völlig zu erlöschen. Eine schmale Rauchsäule kräuselte sich in der leichten Brise und trug seinen Teil dazu bei, einige Plagegeister zu vertreiben. Caine holte tief Luft und schloss die Augen. "Paps, was ist los?" Peter legte einen Arm um seinen Vater, der die Augen wieder öffnete und auf einen Punkt irgendwo weit vor sich blickte. "Mein Sohn, ich habe nicht mehr daran geglaubt, jemals wieder einen so wunderschönen Abend erleben zu dürfen. Zusammen mit dir." Caine wandte den Kopf und fesselte Peter mit seinem Blick. Tausend Gedanken schossen Peter durch den Kopf. Bilder von seinem Vater im Tempel erschienen, von glücklichen Kinderspielen und von Strafen, wenn er mit seinem Temperament einmal wieder über die Stränge geschlagen hatte. Dann kamen Bilder von dem Feuer, das ihm vor seinen Augen den Vater genommen hatte. Denselben Vater, der ihn jetzt so liebevoll ansah, den er nach fünfzehn Jahren zurück in seinem Leben hatte. Peter musste schlucken und zog seinen Vater in einer Umarmung an sich. *Bin ich froh, dich zurück zu haben*, formulierte er den Satz in Gedanken, der nicht über seine Lippen kam. Es waren auch keine Worte nötig zwischen ihnen. Eine große Schar Glühwürmchen erhellte die Lichtung, auf der die beiden Männer ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Wie Irrlichter tänzelten sie durch die Luft, verschwanden an einer Stelle, um woanders wieder aufzutauchen. Peter sah ihnen zu und verkniff sich den Wunsch, aufzustehen und zu versuchen, eins zu fangen. *Kinderspiele*, dachte er bei sich, *wie damals, als Dennis und ich dachten, es wären Elfen, die um den Tempel tanzen*. Sein Blick schweifte ab zu seinem Vater, der nicht weit entfernt in Meditation versunken am Boden saß. Jetzt sah er auf und lächelte Peter zu. "Weißt du noch, als du mit deinem Freund zu mir kamst und ihr mir aufgeregt eine Geschichte über ein Einhorn im Wald erzählt habt?" "Oh ja, ich kann mich erinnern. Wir wollten den anderen beweisen, dass wir keine Angst haben, allein in den Wald zu gehen. Als wir dann diesem großen Hirsch in die Quere kamen, der von der Seite aussah, als habe er ein Horn anstatt einem Geweih, konnte keiner von uns mehr klar denken." Peter musste grinsen, als er daran dachte. Das Tier war auf der Spur eines Rivalen und überhaupt nicht menschenscheu gewesen. Voller Panik rannten er und Dennis damals vor dem Hirsch davon, der sie mit seinem tiefen, lauten Röhren fast zu Tode erschreckt hatte. "Waren wir froh, als wir zurück im Tempel waren. Daran, dass du über unseren Ausflug gar nicht erfreut warst, hatten wir nicht gedacht. Wir mussten den Boden der Halle schrubben...." Peter rümpfte die Nase. Caine lachte los bei diesem Anblick. "Es hat euch nicht geschadet und außerdem seinen Zweck erfüllt," sagte er. "Ihr seid nie mehr allein in den Wald gegangen." In einer flüssigen Bewegung stand Caine auf, um neben Peter wieder Platz zu nehmen. Er nahm Peters Hände und sah ihn an. "Dafür sind wir heute gemeinsam hier, mein Sohn. Und das Gefühl, das ich jetzt empfinde, werde ich festhalten und mich daran erinnern, wenn wir beide wieder zurück in der Stadt sind und unseren Verpflichtungen nachgehen." Peter verstand seinen Vater nur zu gut. Er nickte stumm und wandte den Blick ab. Ein Glühwürmchen tanzte neben ihm auf und ab, um sich dann vertrauensvoll zwischen den beiden niederzulassen – und verschwand. Ende.
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