Peter saß auf einem kleinen Teppich im Schneidersitz auf seinem Balkon, neben ihm dampfte eine Tasse Kaffee. Auch wenn er nicht über die Brüstung schauen, und das Treiben unter sich beobachten konnte, nahm er daran teil. Deutlich hallte die Stimmen zu ihm hoch, hier und da schrie jemand, woanders weinte in Kind. Er genoss diese Idylle inzwischen, auch wenn er sie erst vor nicht einmal 6 Monaten für sich entdeckt hatte. Der Himmel war silbergrau, bald würde es den ersten Schnee des Jahres geben, und Caine war noch immer nicht zurück. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, er war zufrieden mit sich selbst, sein Leben hatte endlich den Zweck, der ihn völlig erfüllte. Auch wenn er das zu seinen Cop-Zeiten nie hatte glauben wollen. Ein kalter Wind hauchte plötzlich um ihn herum und bewog ihn dazu, mit seiner Tasse und dem Teppich wieder ins Innere der Wohnung, welche zuvor die seines Vaters gewesen war, zu gehen. Er hatte grade die Balkontür geschlossen und drehte sich in den Raum, als Lo Si plötzlich vor ihm stand. "Lo Si! Hast du mich erschreckt. Ich hab dich gar nicht...", begann Peter, stockte aber, als er in die Augen des alten Mannes blickte. Jetzt spürte er auch den Schwermut, der den ganzen Raum erfüllte und von seinem Mentor ausging. Lo Si wandte seine Augen von Peters ab. "Was ist denn los?", fragte Peter und schaute Lo Si nach, der langsam in die Mitte des Raumes ging und sich setzte. "Setz dich Peter", bat der Alte Peter. "Warum? Was ist denn...?" "Setz dich bitte!", sagte Lo Si, nun etwas bestimmter. Peter tat wie ihm geheißen und sank dem Besucher gegenüber in den Schneidersitz. Allerdings saß er noch nicht richtig, als er schon wieder aufspringen wollte. "Ach, ich bin so, möchtest du einen Tee? Warte ich..." Lo Si unterbrach seinen Redeschwall und die Bewegung, indem er Peters Hände fest ergriff. Unmittelbar schaute dieser ihm die Augen, konnte aber nicht darin lesen. "Lo Si, was ist passiert?" fragte Peter nun leise und ruhig, auch wenn es in ihm brodelte und er sich die schlimmsten Szenarien in seinem Hinterkopf ausmalte. "Peter, ich... es tut mir so leid!", flüsterte Lo Si, und es fiel ihm schwer, dem jungen Mann in die Augen zu schauen. Peter raffte seine Augenbrauen fragend zusammen, wusste nicht, was der Alte ihm sagen wollte. Einen kurzen Moment saßen sie so voreinander, bis Lo Sis Blick plötzlich bröckelte und eine Träne die Wange hinunter rann. Jetzt konnte Peter hineinsehen, konnte darin lesen, worum es ging. "Oh Gott, nein." flüsterte Peter kaum hörbar. Sein Griff wurde schwach in den Händen seines Freundes, sein Kopf kippte nach vorne, Tränen bahnten sich ihren Weg durch seine Gesichtszüge. "Es tut mir so leid", wiederholte Lo Si seine Worte noch einmal, aber Peter hörte ihm nicht zu, sah ihn nur mit glasigen Augen an. "Wie, ich meine, wo, wann...?", murmelte der junge Mann, der grade zum dritten Mal in seinem Leben einen Vater verloren hatte. "Er ist in meiner Wohnung, ich..." "WAS?!", brüllte Peter, ohne den Alten ausreden zu lassen, "er ist wieder hier, und ich weiß es nicht?" "Hör mir doch zu! Er ist erst vor wenigen Stunden zu mir gekommen, ich habe ihn bewusstlos in meinen Räumen gefunden. Ich konnte nichts mehr für ihn tun." Lo Si ließ den Kopf hängen. "Dann hast du nicht mal mehr mit ihm gesprochen? Er war bewusstlos und ist dann...?", fragte Peter nach. "Er war ein einziges Mal wach, kurz bevor sein Geist seinen Körper verlassen hat." "Und was hat er gesagt?". fragte Peter aufgeregt. Er hoffte, einen Hinweis zu erhalten, wem er die Schuld geben konnte. "Peter." "Was?" "Nein. Sein einziges Wort. Dein Name. Sein letzter Gedanke galt dir, Peter!", sagte Lo Si und drückte Peters Hände. "Ich möchte zu ihm!"* * * Vorsichtig, fast als würde er eine Gefahr erwarten, betrat Peter die Wohnung des Alten. Seine Knie waren wackelig, er hatte Angst vor dem, was auf ihn zukam. Sein Vater lag in der Mitte des Raumes auf einer dünnen Bambusmatte. Er wirkte friedlich, allerdings konnte Peter sein Chi nicht fühlen, was für ihn den klaren Beweis brachte, dass er wirklich tot war. Die deutliche, starke Ausstrahlung, die Caine schon immer gehabt hatte, war fort. Während Peter mit langsamen, unsicheren Schritten, so wie die eines Kleinkindes, in den Raum schritt, zog sich Lo Si zurück, um Vater und Sohn einen letzten Moment der Zweisamkeit zu gönnen. Peter sank neben die Leiche und legte ihm seine Hand auf die Brust, während er sich die absolut ruhigen Gesichtszüge betrachtete. Dann sank er nieder und vergrub sich in Caines Hemd, laut schluchzend, und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Nach einer ganzen Weile erhob der junge Mann seinen Oberkörper wieder und blickte mit verquollenen Augen auf seinen Vater. Ihre gemeinsame Zeit war wie ein Film in seinen Gedanken abgelaufen. All die schönen Momente hatte er gesehen, die sie zusammen verbrachten, sowohl im Tempel als auch im Hier und Jetzt. "Warum?", flüsterte Peter leise, der sich erst jetzt der Sterblichkeit seines Vaters wirklich bewusst wurde. Bisher war Caine so stark und übermächtig, dass sein Sohn nicht mal auf die Idee gekommen wäre, dass er einfach so sterben konnte. Peter drehte sich instinktiv um und blickte zur Tür, um Lo Si zu sehen. Genau dort stand der Alte auch. "Was ist passiert, Lo Si? Woran ist er gestorben?" Der alte Mann war kurz davor etwas Belehrendes zu erwidern, wurde sich aber schnell genug bewusst, dass der junge Shaolin zu aufgewühlt war, um es selbst zu spüren. Also antwortete er kurz und direkt. "Er wurde vergiftet." "Meinst du sein Chi? Wurde sein Chi vergiftet?", fragte Peter verwirrt, wie ein Schuljunge, der glaubte die Lehre endlich verstanden zu haben. "Nein", gab Lo Si zurück und ließ das Wort kurz im Raum hängen. "Sein Körper. Ich denke nicht einmal, dass es etwas mit seinen Malen zu tun hatte." Peter starrte ihn ungläubig an, das war einfach nicht möglich. Es war ohnehin nicht zu begreifen, dass Caine tot war, aber dass er nicht starb, weil er ein Shaolin war, war noch unglaublicher. "Du meinst..." "Ja, genau. Ich denke, dass dein Vater nicht aufgrund seiner Fähigkeiten starb. Keine Sing-Wah oder andere dunkle Mächte. Entweder war es die Bösartigkeit eines einzigen Menschen, oder sogar ein Versehen." Lo Si fiel es schwer, so mit Peter zu reden, denn er wusste, dass es dem jungen Mann den Boden unter den Füßen wegzog. Schon einmal hatte er ihn, wenn auch zwanzig Jahre her, Rache schwören hören, für den Tod seines Vaters. Heute hatte er kaum Möglichkeit dazu. Peter wandte sich wieder dem Leichnam zu und strich seinem Vater ein letztes Mal über die Stirn. Dann stand er langsam auf und drehte sich zu Lo Si. Vertraut legte der ihm die Hand auf die Schulter, als hätte er genau gewusst, dass Peter ihm etwas sagen wollte. "Könntest du dich...ich meine...ich weiß nicht...", stotterte der junge, verstörte Mann. "Ich kann mich darum kümmern, selbstverständlich." "Danke! Ich möchte, dass er in Kalifornien..." Er stockte, als könne er das Wort nicht aussprechen, "Bei meiner Mutter. Sie sollen wieder zusammen sein." "Ich kümmere mich darum", sagte Lo Si und nickte verständnisvoll. Peter drehte sich noch einmal um, blickte auf seinen Vater, den er nun zum zweiten Mal verloren hatte, und wischte sich eine Träne ab, ehe er in die Nacht hinaustrat und ziellos durch die Stadt lief. * * * Als die Türklingel läutete, schoss sein Oberkörper in die Höhe. Sein erster Gedanke galt der Desert Eagle, die unter dem Kopfkissen schlummerte. Sein zweiter Karen und dem Glücksgefühl darüber, dass er sie nach Hause geschickt hatte, obwohl sie den Wunsch gehegt hatte, bei ihm zu bleiben. Es bestätigte ihn in seiner Entscheidung, die er vor etwa fünf Stunden getroffen hatte, als er sie wegschickte. Zu viel Angst glomm in ihm, dass ihr etwas passieren könnte, wenn sie in seiner Nähe war. Während er die Füße aus dem Bett schwang zog er die Waffe unter dem Kopfkissen hervor und entsicherte sie mit einer winzigen Fingerbewegung. Nur mit einer Boxershorts bekleidet ging er nun zur Tür, die Pistole an seiner Seite. Als er durch den Türspion guckte, sah er nichts. Langsam öffnete er, bis die Kette im Anschlag hing. Vorsichtig lugte er hinaus, auch den Lauf durch die Öffnung schiebend, sah aber trotzdem nichts und niemanden. Keinen Menschen, kein Päckchen oder Schreiben. Er entriegelte die Tür vollständig und trat mit der Waffe im Anschlag hinaus in den Flur. Als er zu seiner Linken schwang, den Treppenaufgang hinauf, sah er eine kauernde Gestalt auf den Stufen sitzen, das Gesicht in den Händen begraben. Aber die Statur und die Kleidung verrieten ihm sofort, wer dort saß. "Peter?" fragte er ungläubig und nahm die Waffe runter, wobei er natürlich den Sicherungshebel in seine ursprüngliche Position brachte. Der junge Shaolin hob den Kopf und sah ihn mit roten, aufgequollenen Augen an. Der Rest des Gesichtes war so weiß wie die Kalkwand im Treppenhaus. "Was zum Teufel ist..." Weiter kam der Cop nicht. "Er ist tot, Kermit. Vergiftet. Tot. Einfach so. Ich...ich...ich...", begann er wieder völlig aufgelöst zu stottern, während Kermit ihn am Arm packte und in seine Wohnung zog, wo er ihn auf dem Sofa absetzte. "Jetzt noch mal von vorn. Wer ist tot?", fragte Kermit, dem unzählige Menschen durch den Kopf waberten, die sowohl ihm als auch Peter wichtig waren. Der junge Mann sah ihm direkt in die Augen, lautlos rollte eine Träne seine linke Wange hinab. "Mein Vater", flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. Kermit starrte ihn nun an, als hätte Peter den Verstand verloren. Die Möglichkeit, dass Caine sterblich sein könnte, war auch ihm nie zuvor in den Sinn gekommen. Er ließ sich in den Sessel sinken, der Peter gegenüber stand und musste diese Nachricht erst einmal verdauen. Er rieb sich die Augen, um sicherzugehen, dass er nicht schlief und träumte. "Peter, es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was ich...wie ist es passiert?", fragte Kermit, zunehmend unsicher, wie er mit der Situation umgehen sollte. "Er wurde vergiftet. Lo Si sagt, dass es wahrscheinlich ein Unfall war. Oder jemand, der etwas gegen ihn hatte", sagte Peter tonlos. "Du meinst...", wollte Kermit nachhaken, aber Peter schien zu wissen, was er fragen wollte. "Nein!", sagte er, fast wütend darüber, "Keine Sing-Wah, keine dunklen Mächte! So wie es jeden treffen könnte. Nicht nur einen Shaolin, nein, einfach jeden!" Peters Stimme hatte einen merkwürdigen schrillen Ton angenommen, sein Freund befürchtete allmählich, dass er tatsächlich wahnsinnig wurde. Besorgt besah Kermit seinen Freund. Neben seinem eigenen Schmerz über den Verlust tat es ihm auch in der Seele weh, Peter so zu sehen. Der junge Mann schien zerbrochen, seine Stärke war verloren gegangen, ebenso die Friedlichkeit, die er ausstrahlte, seit er Shaolin war. "Du kannst heute Nacht hier bleiben, wenn du möchtest", sagte Kermit, weil ihm nichts Besseres einfiel. Er konnte Peter nicht beruhigen oder trösten. Und in solchen Situationen Worte zu finden, fiel ihm ohnehin schwer. "Danke", murmelte Peter kurz und starrte dann wieder ins Leere. Kermit stand auf und ging in sein Schlafzimmer, auch wenn er sich sicher war, dass er nicht schlafen können würde. Als er an Peter vorbei ging, drückte er dessen Schulter einmal fest. Das war alles, was er aktuell tun konnte. Sein Zustand machte ihm wirklich Sorgen. * * * Als Kermit am nächsten Morgen aus seinem Schlafzimmer kam, sah er Peter auf dem Boden sitzen und meditieren. Mit geschlossenen Augen, hochgerecktem Kinn und verschränkten Beinen hatte er sich auf dem Teppich niedergelassen. Der ehemalige Söldner dachte darüber nach seinen Freund anzustoßen und zu "wecken", entschied sich dann aber dagegen. Normalerweise spürte Peter die Anwesenheit und kam von alleine zurück von dort, wo er gedanklich war. "Normalerweise", murmelte Kermit leise und zweifelnd. Er ging in die Küche und startete die Kaffeemaschine, ehe er sich ins Bad begab. Als er wiederkam war der Teppich leer, dafür saß Peter jetzt auf dem Sofa und hielt eine Tasse dampfenden Kaffee in der Hand. "Wie lange hast du da gesessen?", fragte Kermit und schenkte sich auch ein. "Die ganze Nacht. Kermit, ich..." "Schon gut. Du hättest schlafen sollen", sagte Kermit und versuchte von dem Thema abzulenken, das ihn verlegen machte. "Shaolin müssen nicht schlafen, wenn sie meditieren können", gab Peter altklug zurück und Kermit glaubte, den leichten Anflug eines Lächelns gesehen zu haben. "Wie geht’s dir?", fragte Kermit nun ernst, nachdem er sich Peter gegenüber gesetzt hatte. "Ich bin jetzt klarer. Auch wenn ich..." Er fuhr sich durch die Haare, "ich kann es einfach nicht begreifen." Kermit nickte, es ging ihm ähnlich. "Danke, dass ich hier bleiben konnte. Ich hätte nicht zurück in das Appartement gekonnt. Noch nicht", fügte Peter an und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Tasse. "Wie geht’s weiter? Ich meine, hast du dir schon Gedanken darüber gemacht?" fragte Kermit vorsichtig. "Ich habe Lo Si gebeten, sich darum zu kümmern. Ich... ich kann das nicht! Er wird in Kalifornien...", Peter schluckte schwer, "beerdigt werden. Bei meiner Mutter." Kermit nickte. Dann tranken die beiden Männer ihre Kaffeetassen schweigend aus. * * * Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. In Chinatown war sie für Tage Stadtgespräch, Peters Ex-Kollegen vom Revier erfuhren es also auch bald. Allerdings konnte Kermit sie in letzter Minute von Trost-Besuchen und Beileidsbekundungen abhalten. Besonders Skalany litt stark unter der schlechten Nachricht und sprach für Tage kaum ein Wort. Auch Annie hatte es sehr schnell erfahren, ließ es sich allerdings nicht nehmen, ihren Sohn zu besuchen. Sie hatten nicht viel gesprochen, sondern einfach nebeneinander auf dem Sofa gesessen und sich im Arm gehabt. Liebevoll hatte sie ihm durch seine Haare gestrichen, er hatte sich an sie gelehnt. Peter hatte darüber nachgedacht, die Wohnung zu wechseln. Es bereitete ihm zunächst Unbehagen, sich darin aufzuhalten. Erst nach ein paar Tagen wurde ihm bewusst, dass er ihm dort vermutlich am nächsten sein würde, denn sein Vater hatte einige Jahre in den Wänden verbracht. * * * Sechs Tage nach Caines Tod saß Peter in einem kleinen Charterflugzeug. Der Frachtraum, in dem ein weißer, mit einem Kranich verzierter Sarg lag, war nur durch einen Vorhang von den Passagieren getrennt. Peter saß alleine auf einer Bank und starrte aus dem Fenster, während er sich dem Ort seiner Kindheit näherte. Hinter ihm saß Lo Si in einem feierlichen Gewand. Auf der anderen Seite des Ganges saßen Kermit und Karen Simms mit Peter auf einer Höhe. Hinter ihnen Skalany und Jody, die wiederum vor Blake und T.J. saßen. Chief Strenlich hatte nicht mitkommen können, aber aufrichtiges Beileid ausrichten lassen. Keiner wagte sich zu unterhalten, einzig Skalany schniefte zwischendrin. Karen und Kermit tauschten hin und wieder besorgte Blicke aus, wenn sie zu Peter rübergesehen hatten und Lo Si schien zu meditieren. Peter bewegte sich erst wieder, als die Maschine über eine holprige Wiese polterte. Während die anderen sich unsicher umsahen, stand Peter direkt auf und öffnete die Tür des Flugzeugs. Der junge Mann schien wie in Trance zu handeln, mechanisch tat er, was zu tun war und war ansonsten nicht ansprechbar. Die kühle Luft wehte ihm um die Nase und sein Blick wanderte direkt zum Hügel, auf dem noch immer die Ruinen der zerstörten Tempelanlage thronten. Der Blick der Freunde folgte unweigerlich dem Seinen und besah sich Peters frühere Heimat. Die Grabstätte war schon zu erkennen, auch wenn sie noch etwa zweihundert Meter am Seeufer zurückzulegen hatten. Unter dem großen Baum war ein Haufen frischer Erde, zwei Männer in blauen Latzhosen standen etwas abseits, ihre Schippen hatten sie an einen Baum gelehnt. Peter drehte sich zu Lo Si und blickte ihm dankend in die Augen, er selbst hätte nicht die Kraft gehabt, das alles zu organisieren. Kermit, T.J. und Blake griffen nach den goldenen Henkeln des Sarges. Der Pilot der Maschine kam nun auch aus dem Cockpit und wollte mit anpacken, aber Peter schickte ihn wieder fort. "Danke, aber ich möchte", sagte er leise. Sofort wich T.J. zurück, der einen vorderen Griff packen wollte und ging hinter Peter, auf den eigentlichen Platz des Piloten. Lo Si ging voran, dann folgten die vier Sargträger und dahinter die drei Frauen. Der Weg schien endlos zu sein, aber dennoch bekam der Sarg kein Gewicht in ihren Händen. Er fühlte sich merkwürdig leicht an und Kermit ertappte sich bei dem Gedanken, dass er möglicherweise leer war. Endlich konnten sie ihn auf den Querbrettern über dem Loch abstellen. Peter sah sofort, dass darüber ein Grabstein stand, der sich äußerlich nicht von dem seiner Mutter unterschied. Wieder blickte Peter zu dem Alten. Dann ging er kurz vor dem Grab seiner Mutter auf die Knie, legte seine Hand auf den Stein und flüsterte: "Hallo Mom." Als Peter wieder Stand und sich dem Sarg zuwandte, begann Lo Si mit der Trauerrede. "Meine lieben Freunde. wir verabschieden uns heute von unser aller Freund Kwai Chang Caine. Ich muss euch nicht sagen, was für ein liebenswerter Mensch er war, das wisst ihr selbst." "Ich möchte euch aber daran erinnern, dass Caine uns niemals wirklich verlassen hat und dies auch nicht tun wird. In unseren Herzen wird er immer weiterleben, und er wird auch immer genau dort sein, wenn wir ihn brauchen." Skalany schniefte. Auch Peter rollten Tränen über die Wange. Jody litt geräuschlos, ebenso Karen. Und Kermit war es egal, ob die anderen seine wässrigen Augen sehen konnten. Er hatte die Sonnenbrille im Flugzeug gelassen. "Lasst uns nun im Stillen von unserem Freund verabschieden und ihm immer eine Tür zu unseren Herzen aufhalten." Lo Si bewegte lautlos die Lippen, legte dann seine rechte Hand um die linke Faust und verbeugte sich tief. dann trat er vom Grab zurück. Währenddessen hatten Peters ehemalige Kollegen die Hände gefaltet und murmelten ein leises "Amen", ehe auch sie sich zurückzogen. Peter stand noch eine Weile alleine dort, der Kopf geneigt, die Lippen murmelnd. Dann schließlich vollführte auch er den Shaolin-Gruß und zog sich vom Sarg zurück. Er nickte den Männern mit den Latzhosen zu, die sich nun langsam dem Sarg näherten. Die Freunde gingen zurück zum Flugzeug, stillschweigend und in ihrer Trauer versunken. Skalany gestützt von Jody, Karen von Kermit. Und ein jeder fühlte sich innerlich zerbrochen. * * * "Wo ist Peter?" fragte Karen plötzlich, als sie sich im Flugzeug umsah. Mittlerweile waren alle eingestiegen und angeschnallt; nur der junge Shaolin fehlte. Kermit wollte grade aufspringen und nachsehen, als Lo Si anfing zu sprechen. "Er fliegt nicht mit uns nach Hause." Wie erstarrt blickten alle zu dem Alten. "Er muss tun, was auch Caine hatte tun müssen, nachdem er seinen Sohn verloren hatte. Er wird auf die Reise gehen, eine Suche. Nach der Essenz seines Selbst und der seines Vaters." "Wird er zurückkommen?", fragte Jody zögernd mit dünner Stimme. "Ich weiß es nicht", erwiderte Lo Si und blickte dann aus dem Fenster, als könnte er dort die Antwort finden. Skalany schluchzte auf, Karen wischte sich eine Träne weg und Jody weinte lautlos. Kermit wünschte seinem Freund in Gedanken alles Gute und setzte dann seine Sonnenbrille wieder auf. Er war sich sicher, dass Peter das schaffen und zurückkommen würde; so wie er davon überzeugt war, dass auch Blaisdell eines Tages zurückkommen würde. ENDE
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