Du rufst nach mir, "It scares the hell out of me * * * Ich höre den Schuss noch nicht richtig, als ich den zerreißenden Schmerz in meinem Oberbauch spüre. Ich taumle zurück, meine Füße tragen mich nicht mehr, ich stürze zu Boden. Cat schreit laut auf, panisch kreischt sie meinen Namen. Kermit und Ryan brüllen auf den Schützen ein, weitere Pistolenkugeln rauschen durch die Nacht. Ich höre ihre Füße über den nassen Asphalt laufen, sie verfolgen den Kerl. Nehme ich an. Ich kann nicht mehr viel sehen, aber umso stärker spüren. Cat hockt bei meinem Kopf, sie legt ihn vorsichtig auf ihre Knie. Ihre Hände zittern, ich merke es deutlich, als sie über meine Stirn und meinen Wangen streicht. Sie wimmert leise, verzweifelt. Oh verdammt, tut das weh! Ich versuche, die Frau, die ich über alles liebe, anzusehen, aber kann kaum etwas erkennen. Ihre dunklen Haare über ihrem bleichen Gesicht, ihre ängstlichen Züge, die Tränen in den Augen. Ich weiß das alles, aber wirklich sehen kann ich es nicht mehr. Ich spüre ihre Angst, das Zittern, das Beben tief aus ihrem Inneren. "Bitte Honey, halt durch!", flehte sie schluchzend. Sie weiß ebenso gut wie ich, dass ich es nicht kann, aber sie will es ebenso wenig wahrhaben. Mir ist so kalt! Ich weiß, dass ich es nicht mehr lange aushalten kann. Meine Seele trennt sich von meinem Körper, die Grenzen zwischen den Welten verschwimmen. Aber ich möchte ihr noch sagen, was sie mir bedeutet. Zum letzten Mal. Und das tut noch mehr weh, als die verdammte Schusswunde in meinem Bauch. Und sie weiß es. Ihr Schluchzen wird heftiger, sie zittert unkontrolliert. Sie wimmert und fleht leise und flüsternd. Hoffentlich hält sie das durch, hoffentlich lernt sie, damit zu leben, hoffentlich kann sie das verkraften. Ich nehme die letzte mir verbliebene Kraft zusammen, und die Worte herauszubekommen, die ich ihr schon so oft gesagt habe, aber nicht oft genug. "Ich…", setze ich an und ich merke, wie sie den Atem anhält. Alle Kraft, aber es tut so weh. "Ich liebe Dich", flüstere ich leise. Ich weiß nicht, ob sie es überhaupt hören kann, aber sie weiß mit Sicherheit, was ich ihr sagen wollte. "Ich liebe Dich auch", wispert sie hilflos und schließt mein Gesicht mit ihren zitternden Händen ein. Ein Kuss trifft meine Stirn, und die Wärme ihrer Lippen ist das letzte in dieser Welt, das ich spüre. Danach fallen meine Lider zu und Schwärze schließt mich ein. Ich spüre nichts mehr. Aber ich bin noch hier. Cat schreit schluchzend auf, sie kreischt meinen Namen, immer und immer wieder. Ryan und Kermit kommen zurück, ich höre ihre Füße auf der Straße. Während der eine (Kermit!) abstoppt, geht der andere weiter und kniet sich neben mich. Meine Leiche. Cats Schluchzen verändert sich, ich nehme an, dass Ryan sie in den Arm genommen hat. Kermit hat sich noch nicht gerührt. Ich sehe ihn vor meinem inneren Auge, wie er dort steht. So, wie ich ihn kenne. Er hält die Luft an, seine Augen sind geweitet, er hat sich die Brille von der Nase genommen, sein Blick ist geschockt. Er will nicht glauben, was er sieht, will die Wahrheit nicht sehen, die unumgänglich ist. Dann höre ich ihn loshechten. Er lässt sich neben mir und den anderen Beiden hart auf die Knie fallen und tastet hektisch nach meinem Puls. Glaube ich. Die Verbindung zu meinem Körper ist schon so gut wie durchtrennt. Dann merke ich, wie er beginnt meinen Brustkorb runter zu drücken und unweigerlich tauchen die Bilder auf, wie Kermit dasselbe bei Karen tat. Er versucht, mich wiederzubeleben. Und dabei muss er doch wissen, dass es nutzlos ist. Weiß er das denn nicht? Auch Ryan versucht ihm jetzt zu sagen, dass es keinen Sinn mehr hat, während Cat nur noch schluchzt und weint und völlig außer sich ist. Aber mein bester Freund lässt sich nicht beirren. Er drückt mein Brustbein in gleichmäßigen Abständen herunter, zwölfmal, dann pumpt er zweimal Luft in meine toten Lungen. Hör auf, Partner. Es bringt nichts. Dann wird es ganz schwarz um mich. Rabenschwarz.
ENDE *************************************************************** Thoughts of a dying Shaolin - Teil 2 Ich weiß, dass ich tot bin. Und dass ich die Menschen zurückließ, die mich brauchen und lieben. Aber ich fühle keinen Schmerz darüber, keine Trauer. Ich glaube, man fühlt nicht mehr, wenn man in der anderen Welt ist. Ein gleißend helles Licht begrüßt mich im Jenseits. Es blendet mich, sodass ich erst nichts sehen kann. Nur nach und nach bildet sich vor mir ein Wald heraus, mit einer kleinen Hütte am Rand. Ein Abbild meines Körpers umgibt meine Seele, aber es ist mehr eine leichte Hülle. Wie eine Maske, die dafür sorgen soll, dass man sich nicht erschreckt. Vermutlich wäre es für die meisten Menschen ein Schock, im Tode plötzlich eine körperlose Seele zu sein, ein Energieball aus Verstand und Erinnerung. Ganz ohne Form. Vielleicht. Jetzt dringt auch das Geräusch von einer Axt, die Holzscheite spaltet, zu meinem Ohr. Es kommt von der Hütte. Also tragen mich meine Füße über das satte, grüne Gras in die Richtung. Ohne zu wissen, was mich dort erwartet. Falsch. Ich weiß es. Aber es ist zu schön, um es zu glauben, ohne es zu sehen. Das Hacken wird lauter, aber noch versperren mir einige Büsche die Sicht. Kann es wirklich sein? Natürlich kann es das. Ich bin tot, er ist tot, was sollte im Wege stehen. Ich merke, wie die Erinnerung an Cat, Paul, Kermit und alle weiteren Freunde verblasst, aber ich wehre mich nicht dagegen. Ich spüre totale Freude. Offensichtlich fühlt man doch, wenn man auf der anderen Seite ist; aber vielleicht nur positives? Es ist mir ziemlich egal, wenn ich ehrlich bin. Denn ich will nur vorankommen, mich endlich davon überzeugen, dass ich mir meinem verlorenen Vater wieder vereint bin. Tatsächlich erblicke ich ihn kurz darauf durch das Geäst. Er steht dort und schwingt eine große Axt. Holzspalte fliegen zu den Seiten weg, wenn er das geschliffene Eisen heruntersausen lässt. Und er sieht so glücklich und zufrieden aus. Die Last der Welt liegt nicht mehr auf seinen Schultern, das erkenne ich sofort. Ich will mich grade zu erkennen geben, habe den Mund schon geöffnet, als sich die Tür der Hütte öffnet. Es ist meine Mutter, die lächelnd mit ihm spricht und ihn zum Essen hereinruft. Natürlich! Noch mehr Glück durchflutet mich. Ich hatte nicht daran gedacht, dass meine Mutter auch hier sein musste. Sie sind wieder vereint, hier, im Tode. Und jetzt die ganze Familie. Ich habe meine Eltern zurück! Sie lachen sich an, als sie hineingehen und die Tür hinter sich schließen. Ich bin noch wie erstarrt, zu groß ist das Glück, dass mich erfasst. Dann stürze ich hervor, über die Späne des Holzhackens, direkt zur Tür. Energisch stoße ich sie auf und strahle meine Eltern an. Sie drehen sich erschrocken herum und starren mich an. Sie sind geschockt, entsetzt. Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, was ich in ihren Augen lesen kann. Dann fliegt die Tür wie von Geisterhand wieder zu und ich falle rückwärts. Aber nicht auf die Wiese, nicht auf die Holzstückchen. Nein, ich falle und falle, tief in ein schwarzes Loch, das keinen Grund zu haben scheint. Dann kann ich meine Gedanken nicht mehr hören. * * * Ich spüre meine Seele wieder, habe mein Bewusstsein zurück, mein Geist ist wieder mit meinem Körper verbunden. Ich weiß, dass einige Zeit vergangen ist, seit ich dort war, was man als Himmel bezeichnet, seit die Tür vor mir zugeschlagen wurde; und was zunächst Verwirrung ausgelöst hatte, ist nun völlig klar. Es ging nicht darum, dass meine Eltern mich nicht bei sich haben wollten. Nein. Aber wir werden die Ewigkeit Zeit haben, zusammen zu sein, und ich bin zu jung, um die Ewigkeit schon jetzt anzufangen. Es gibt in der Welt der Lebenden zu viele Menschen, die mich lieben und brauchen, zu viele Erlebnisse, die noch auf mich warten. Das war es. Nur das. Ich weiß es ganz sicher. Jetzt bin ich froh, wieder am Leben zu sein. Ich empfinde wieder wie ein Mensch und verstehe nicht mehr, dass es mir für einen Moment nichts ausgemacht hatte, Cat, Kermit, Paul und alle meine Freunde im Stich zu lassen. Wie konnte ich das denken? Ich weiß es nicht mehr, aber ein loser Geist schein anders zu fühlen als einer, der in einem lebendigen Körper steckt. Vermute ich. Langsam merke ich, wie meine Wahrnehmung, die sich bisher nur auf mich und meinen Körper beschränkt hatte, ausweitet. Ich liege in einem Bett, die Schusswunde schmerzt ein wenig, aber absolut erträglich, und beginnt langsam zu heilen. Und ich bin nicht allein. Aber noch bin ich nicht so weit, dass meine Glieder meinen Befehlen gehorchen. So wie in dem Moment, als mein Herz aufgehört hatte zu schlagen, ich aber immer noch dort in dieser Straße war und alles mitgekommen habe. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich mich daran erinnere, wie markerschütternd Cat geweint hatte. Aber sie hatte sich getäuscht. Ryan hatte sich getäuscht. ICH hatte mich getäuscht. Der einzige, der Recht behalten hatte, war Kermit. Und ich danke ihm dafür, schon jetzt, nur in Gedanken, noch im Koma. Füße gehen langsam über das Linoleum des Krankenhausbodens. Zwei Paar. Das eine ist Cat. Ich höre es nicht nur, ich spüre auch einfach ihre Anwesenheit. Den anderen kann ich noch nicht ausmachen. Ein Mann. Aber wer? Kermit? Paul? Ryan? Ich weiß es nicht. Die beiden bleiben vor der Tür stehen. Ich höre Cats Stimme, sie klingt so unglaublich müde! „Danke, dass du hier warst“, murmelt sie leise. Aber es kommt keine Antwort, sondern eine lange Stille kehrt ein. Mein Gefühl sagt mir, was das bedeutet. Ich sehe meine wunderbare Frau förmlich vor mir, wie sie dort steht und ihrem Gegenüber tief in die Augen sieht und darin liest. „Hör auf, dir Vorwürfe zu machen“, sagt sie, immer noch leise, aber diesmal dennoch bestimmt. Natürlich weiß ich jetzt, mit wem sie spricht. „Cat, ich… ich habe mich geirrt. Und wenn Kermit nicht da gewesen wäre, wenn er auf mich gehört hätte, dann…“, stammelt Ryan mit bedrückter Stimme. Ich habe ihn noch nie so nervös gehört. Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich jetzt in mich hinein grinsen. Aber es ist ernst. Für sie. Denn sie wissen nicht, dass ich bald wieder zu ihnen zurückkomme. „Hör auf!“, befahl sie scharf und verabschiedet sich dann mit einer Umarmung von ihm. Warum weiß ich das eigentlich so genau? Die Antwort, die ich mir selbst gebe, ist ebenso klar wie einfach: Weil ich lebe. Weil die Bande zu meiner Frau die Stärkste ist, die diese Welt je gesehen hat, weil ich niemanden auf dieser Welt mehr liebe. Ryan geht, und Cat schleicht zurück zu dem Stuhl, der vermutlich neben meinem Bett steht. Wie lange musste sie hier wohl schon ausharren? Wie viele unerträgliche Stunden des Bangens und Hoffens durchmachen? Ich möchte sie so gerne trösten. Aber mein Körper braucht noch Zeit, noch kann er die Lider nicht öffnen, die Finger nicht um ihre zarte Hand schließen, die meine hält. Ich will nicht mehr warten. Ich will nicht mehr fühlen, wie schlecht es ihr geht, ohne ihr helfen zu können. Aber noch ist es nicht so weit, noch ist meine Hülle das Gefängnis meiner Seele, bis ich die Kontrolle zurückerhalte. Meine, und so wie sie zuckt auch Cats, Gedanken werden durch ein leises Klopfen und das Öffnen der Tür unterbrochen. „Hey Kleines. Gibt’s was Neues?“, fragt Kermit hoffnungsvoll. Ich höre keine Antwort, sie schüttelt mit dem Kopf, so wie ich sie kenne. Er seufzt schwer und setzt sich auch. „Hast du geschlafen?“, fragt er sie nach einem Moment besorgt. Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Es geht ihr sicherlich furchtbar. Ich kenne sie, sie hat mit Sicherheit kaum gegessen, geschlafen, oder sonst etwas getan, außer an meinem Bett zu wachen und zu beten, dass ich wieder aufwache. Ich bin hier! „Nein“, antwortet sie leise. Wieder seufzt Kermit. „Herrgott, Kleines“, schimpft er behutsam, ohne ihr wirklich einen Vorwurf zu machen. Er kennt sie eben auch. Und ich kenne auch ihn. Es geht ihm nicht wirklich anders. Warum kann ich ihnen nicht sagen, dass ich hier bin?! Mein Herz schlägt, Blut pulsiert durch meine Adern, meine Seele ist zurückgekehrt! Ich möchte meine Fäuste ballen, wie ich es immer tue, wenn ich wütend werde, und hätte fast ihre dünne Hand zerquetscht. Sie schreit erschrocken auf und springt vom Stuhl, als meine Lider endlich flattern und ich langsam aber sicher ihr zunächst verschwommenes Gesicht erkennen kann. „Peter!“, quietscht sie vor Freude und Aufregung. Ich lächele sie an, auch wenn ihr Aussehen mir Sorge bereitet. Sie ist fix und fertig. „Oh Gott, Peter!“, wimmert sie und ihre Unterlippe beginnt zu zittern. Sie vergräbt ihr Gesicht weinend in meiner Schulter. Aber es sind Freudentränen, Tränen der Erleichterung. Ich streiche ihr sacht über den Kopf und flüstere ihr ein leises „Ich liebe Dich“ ins Haar. Sie schluchzt nur zur Antwort. Ich nutze den Moment, um zu Kermit rüber zu sehen, den es auch nicht mehr im Stuhl gehalten hatte. Ich sehe ihm einfach in die Augen und strecke meine Hand nach ihm aus. Er ergreift sie fest. „Danke“, sage ich langsam. Er ist verwirrt. Natürlich ist er das. Ich muss grinsen. Wie soll er wissen, dass ich es weiß. Dass ich allein ihm zu verdanken habe, hier zu sein. Dass er meinen Körper so lange am Leben gehalten hatte, bis meine Seele zurückgekehrt war. Er wusste es besser als ich. Er war nicht bereit gewesen, mich gehen zu lassen. Er hat gewusst, dass hier noch zu viel auf mich wartet. Warum? Weil er mein bester Freund ist. * Ich bin zurück! ENDE
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