Autor: Ratzenlady
 

Peter saß an seinem Schreibtisch und schrieb einen Bericht. Er hasste es, hier hinter seinem Schreibtisch zu stecken, um die Formalien zu erledigen, viel lieber wäre er auf der Straße gewesen. Besonders im Moment lenkte ihn das am besten von dem Schmerz in seinem Herzen ab. Er hatte nicht erwartet, dass ihn Pauls Fortgang so sehr treffen würde, gerade jetzt, als sie sich aufgrund von Caines plötzlichem Auftauchen sowieso schon voneinander entfernt hatten.

Jetzt fragte er sich immer öfter, ob er Paul wohl verletzt hatte. Dieser hatte immer akzeptiert, dass Peter ihn mehr als Freund anstatt als Vater gesehen hatte, hatte die jugendlichen Temperamentsausbrüche stoisch hingenommen und ihn trotzdem ebenso geliebt wie seine leiblichen Töchter. Und was hatte er, Peter, ihm zurückgegeben? Nicht viel, erkannte er.
Jetzt war Paul fort, und in Peters Herz hatte diese Tatsache ein tiefes Loch gerissen.

"Detective Caine?"

Peter wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er drehte sich zur Tür von Pauls Büro, das heißt, jetzt saß ein neuer Captain darin.

"Ja, Captain?" antwortete etwas perplex, der Ruf seiner neuen Chefin hatte seine Abschweifung abrupt beendet.

"Wird mein Bericht heute noch fertig?" sagte Captain Simms etwas säuerlich.

"Natürlich Captain. Bin gleich fertig.", murmelte Peter missmutig.

Karen Simms zog ihren Kopf mit mürrischer Mine wieder durch die Tür zurück in ihr Büro und schloss die Tür. Peter gab ein leises Knurren von sich und machte sich dann wieder an den Papierkram.

Nach einer halben Stunde gab er den Druckauftrag für seinen fertigen Bericht und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Jemand griff ihm auf die Schultern und Peter erschrak. Als er sich hektisch umdrehte blickte er in Kermits Gesicht, das ein leichtes Grinsen zierte.

"Alles klar?" fragte Kermit fast väterlich.

"Naja", knurrte Peter und nickte in die Richtung des Captain-Büros.

"Komm mal mit", sagte Kermit und bewegte sich zu seinem Büro, Peter folgte ihm und schloss hinter sich die Tür.

"Jetzt mal im Ernst, wie geht's dir?" fragte Kermit noch mal, diesmal unter Ausschluss fremder Ohren.

"Ach, ich weiß nicht. Und der neue Captain, naja, sie ist..."

"...nicht Paul", beendete Kermit den Satz.

Peter nickte stumm.

"Ich vermisse ihn auch, Pete, sehr sogar. Die letzten vier Monate kommen wir wie eine Ewigkeit vor, so ohne ihn."

Die beiden Männer schwiegen sich eine ganze Weile an, in wortloser Übereinstimmung ihrer Gefühle für Paul.

"Ich soll dich grüßen und dir sagen, dass es ihm gut geht", sagte Kermit völlig unvermittelt, "und du sollst es auch Annie und den Mädchen ausrichten."

Peter sah ihn fassungslos an. "Du hast von ihm gehört? Wo ist er, was macht er, wie..."

"Mehr weiß ich auch nicht. Es geht ihm gut und ich soll euch grüßen. Mehr würde Paul selbst mir nicht sagen, bzw. schreiben." Kermit nickte zu seinem PC.

"Warum soll ich es Mu... Annie sagen?" fragte Peter.

"Keine Ahnung, wahrscheinlich damit du dich mal blicken lässt und sie nicht aus den Augen verlierst, deine Mum."

"So wie ihn", flüsterte Peter schuldbewusst.

"Paul hat es verstanden, glaube mir!" sagte Kermit, der Peters Gedanken zu lesen schien.

"Er hat so viel verstanden, aber so wenig gesagt. Ich habe gar nicht gemerkt, wie sehr ich ihn vor den Kopf gestoßen haben muss. Und er hat sich einfach nur für mich gefreut. Ich wäre ausgerastet an seiner Stelle. Aber er hat immer gelächelt." Peter schwieg wieder.

Kermit klopfte ihm gerade aufmunternd auf die Schulter, als sie durch die Tür ein allgemeines Rumoren vernahmen.

"Was zur Hölle...?" knurrte Kermit und öffnete die Bürotür.

Direkt vor ihm stand ein Mann im Anzug, mit Krawatte und Aktenkoffer. Peter setzte sich augenblicklich aufrecht, er kannte den Mann. Ein Detective von der Inneren Abteilung, genau dieser Mann hatte ihn vor einigen Wochen wegen dem Tod von Rebecca zur Schnecke machen wollen. Und auch Kermit schien ihn zu erinnern, seine Miene verfinsterte sich sichtlich.

"Detective, sie hier? Was kann ich für sie tun?" fragte Kermit so übertrieben freundlich, dass jeder seine Abneigung spürte.

Alle Augen des Reviers waren auf die beiden gerichtet, auch Peter verfolgte die Szene, während sein Magen sich zunehmend zusammenzog, weil er glaubte, er sei wieder betroffen.

Sogleich wandte sich der andere Cop ihm zu: "Keine Angst Detective Caine, sie sind rehabilitiert, zumindest vorerst. Diesmal geht es um sie, Griffin!" Er blickte Kermit finster an.

"Detective Griffin, soviel Zeit muss sein", sagte Kermit immer noch betont freundlich.

"Sicher?" antwortete der Polizist, dessen Namen Peter nicht wieder einfallen wollte. "Genau deshalb bin ich nämlich hier, um die Umstände ihres Eintritts in die Polizei zu klären. Man erzählt sich, sie hätten eine kriminelle Vergangenheit. Kann das sein?"

Fordernd starrte er Kermit an, der unter seiner Brille die Augen zu bösartigen Schlitzen zusammenzog. An seiner Mimik veränderte sich aber nichts.

"Lesen sie es doch in meiner Akte nach, wenn sie so scharf darauf sind."

"Oh, das werde ich, sobald ich ihre Akte gefunden habe." Dann beugte er sich noch näher an Kermit, sodass nur Peter hören konnte, was geflüstert wurde. "Jetzt sind sie dran. Blaisdell ist nicht mehr da, um sie in Schutz zu nehmen!" Er drehte sich um und ging ohne anzuklopfen in Captain Simms' Büro.

Kermit stand einen Moment wie angewurzelt da, dann drehte er sich zu Peter.
"Wenn dieser Mistkerl mich nur schief anguckt, werd' ich ihn wegpusten. Dieser verdammte Sedgewick!"

Jetzt erinnerte sich Peter auch wieder an den Namen: Neill Sedgewick. Und er konnte ihn nicht ausstehen.

Mit gespannter Stimmung starrten alle auf die Bürotür, hinter der Sedgewick verschwunden war. Keiner konnte sagen, wie Captain Simms wohl darauf reagieren würde. Auch sie hatte bereits Bedenken an Kermits Werdegang angemeldet. Einige waren der Meinung, dass sie Sedgewick zustimmen und unterstützen würde, andere hofften, dass sie sich vor ihre Mitarbeiter stellen würde. Aber keiner war sich sicher.

Peter und Kermit hatten das Büro verlassen und sich auf Peters Schreibtisch gesetzt. Peter überlegte, dass selbst er nicht genau wusste, wie Kermit zu seiner Marke gekommen war, aber er wusste sicher, dass Kermit einer der besten Cops der ganzen Stadt war.

Die Tür flog auf und ein zorniger Detective stürmte hinaus.
"Das werden sie noch bereuen Captain! Ich werd' schon noch beweisen, dass hier was nicht mit rechten Dingen zugeht!" fauchte er und war gleich darauf verschwunden.

Captain Simms war in der Tür erschienen, alle starrten sie an. "Griffin, sofort in mein Büro!"

Peter wollte sich gerade auf seinen Stuhl fallen lassen, als sie sagte: "Caine, sie auch."

Schulterzuckend folgte Peter. Nachdem die beiden Detectives das Büro betreten hatten, wies der Captain die anderen an, gefälligst weiter zu arbeiten und schloss dann die Tür.

"Danke", flüsterte Kermit. Aber der Captain blickte ihn mit missmutiger Miene an.

"Den sind sie vorerst los. Allerdings muss ich zugeben, dass mich die Umstände ihrer Karriere bei der Polizei doch interessieren würden." Sie sah ihn fordernd an.

"Wissen sie Captain, das würde ich ihnen gerne erzählen, aber ich hab keine Ahnung", gab Kermit achselzuckend zurück. Jetzt blickten ihn zwei Augenpaare ungläubig an.

"Paul hat mir damals die Marke gegeben und gesagt, es sei alles in Ordnung. Ich habe sie genommen und wir haben nie wieder darüber geredet. Ende der Geschichte."

Kopfschüttelnd legte sich der Captain in ihrem Stuhl zurück. "Können sie mir vielleicht etwas dazu sagen, Caine?" Ihr Blick wirkte fast flehend, dass Peter weitergehende Informationen haben würde.

"Sie kannten Paul Blaisdell nicht, oder Captain?" Sie schüttelte den Kopf. "Denn sonst hätten sie gewusst, dass Paul nie viel sprach. Und über die Vergangenheit noch weniger. Ich kann ihnen leider auch nicht helfen, auch wenn es mich brennend interessieren würde."

"Also gut", schloss sie nach einen deutlich hörbaren Seufzer, "dann gehen sie wieder an die Arbeit, und den Widerling, sollte er noch mal wiederkommen, überlassen sie mir, verstanden?!" Beide Detectives bejahten, während sie aufstanden und das Büro verließen.

Peter und Kermit warfen sich einen vielsagenden Blick zu und gingen dann zu ihren Schreibtischen. Während Kermit allerdings die Tür hinter sich zu machen konnte, war Peter jetzt den fragenden Blicken seiner Kollegen ausgeliefert. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Skalany mir ihrem Drehstuhl zu ihm rüber gerollt kam und ihn fragte, was denn jetzt wäre.

"Frag Kermit, ich bin auch nur unbeteiligter Zuschauer", sagte er etwas pampig und widmete sich dann wieder dem Papierkram auf seinem Tisch. Seine Kollegin zog beleidigt wieder von dannen.

Ihm war jetzt nicht nach reden. Er dachte darüber nach, was er eigentlich über Paul wusste? Es schien nicht viel zu sein, auch wenn er bei ihm gewohnt hatte, bei ihm aufgewachsen war und immer Schutz unter seinen Fittichen fand. Konnte es tatsächlich sein, dass Paul seinen Freund auf eine linke Tour in den Polizeidienst geschleust hatte? Er empfand diese Idee als gar nicht so unwahrscheinlich. Blieb nur zu hoffen, dass er es so gut gemacht hatte, dass Sedgewick nichts dagegen tun konnte.

Gerade als Peter auf seine Uhr blickte und feststellte, dass er Feierabend hatte, schlug ihn Kermit fest von hinten auf den Rücken.

"Was ist Kleiner, gehen wir noch was trinken?"

Peter stimmte zu und sie brachen auf. An einem normalen Tag wären alle Kollegen zusammen gegangen, aber heute wagte sich keiner zu fragen, ob sie alle gehen wollten. Sie blickten betreten hinter den beiden her, die ihnen auf einmal entsetzlich fern schienen.

Sie hatten ihre Stammkneipe gemieden und waren etwas abseits in einen Schuppe namens "MacCoy's" gegangen. Die Luft hier drinnen war dick, voller Zigarettenrauch und Biergeruch, die Lampen waren weit hinunter gedimmt und aus allen Ecken schienen sie argwöhnische Schattengestalten anzustarren. Peter und Kermit setzten sich an die Bar und bestellten zwei Bier.

"Auf Captain Simms", sagte Kermit und Peter stimmte mit ein.

"Weißt du wirklich nicht, wie Paul das damals gedreht hat?" fragte Peter plötzlich.

Kermit schüttelte wortlos den Kopf, aber sein Kollege war sich nicht sicher, ob er das glauben wollte.

"Wie du schon sagtest, Paul hat nie viel geredet. Und dennoch haben wir uns immer prima verstanden. Nicht, dass ich ein Freund großer Worte wäre."

Peter nickte zustimmend. "Wahrscheinlich habt ihr euch deshalb so gut verstanden. Vielleicht hätte ich auch weniger reden und mehr zuhören sollen. Vielleicht hat er ja was angedeutet, und ich habe es nur nicht gehört, weil ich wieder zu sehr mit mir und meinem Vater beschäftigt war. Ich weiß es nicht."

In Peters Geist streiften zu viele Fragen umher, um jetzt noch irgendetwas rüberzubringen. Und dennoch hielt ihn irgendetwas davon ab, Kermit zu fragen, ob er nicht für ihn Kontakt zu Paul aufnehmen könnte. Ein einziges Mal noch mit ihm sprechen. Aber er fragte nicht, auch wenn er sich nicht erklären konnte, was ihn davon abhielt.

Sie schwiegen sich wieder an und tranken ihr Bier. Danach noch eins, und noch eins. Einige Stunden saßen sie da, betranken sich und sprachen kaum ein Wort.
Zu fortgeschrittener Stunde gingen zwei junge Männer in Lederjacken an ihnen vorbei und rempelten sie absichtlich an. Peter und Kermit drehten sich gleichzeitig um und blickten die beiden finster an, während die angriffslustig zurückfunkelten.

"Jungs, ihr habt euch heute eindeutig den falschen Tag ausgesucht, also würde ich mich an eurer Stelle ganz schnell wieder verziehen, sonst kann ich mich nicht mehr zurückhalten."

Kermit drehte sich wieder der Bar zu und nippte an seinem Bier, als einer der beiden ihn von hinten anstieß und das kühle Getränk damit auf der Theke verteilte. Langsam stellte er sein Glas ab, drehte sich um und erhob sich von seinem Barhocker. Auch Peter stand auf.

Die vier Männer standen sich jetzt gegenüber, als einer von de Remplern plötzlich ausholte und nach Kermit schlagen wollte. Der aber reagierte blitzschnell, duckte sich und versetzte seinem Angreifer dann einen gezielten Schlag in die Rippen. Er taumelte einen Schritt zurück, zusammengekrümmt, ging dann aber wieder auf dem Cop mit der grünen Brille los.

Währenddessen hatte auch Peter es schon mit seinem Gegenüber aufgenommen, konnte ihn allerdings recht schnell mit ein paar gezielten Schlägen und Tritten bewusstlos zu Boden werfen.

Nach dem erneuten Ansturm seines Gegners hatte Kermit ihn gepackt und mit aller Kraft gegen die Theke geschleudert, sodass auch dieser auf die Erde sank.
Die beiden Polizisten setzten sich wieder an die Bar und tranken ihre Gläser aus, wobei Kermit nur einen Rest übrig hatte, nach der Schubsattacke des Mannes, der jetzt neben seinen Füßen lag und langsam wieder wach wurde. Auch der andere fing an, sich zu regen.

Peter und Kermit bezahlten ihre Rechnung und gingen hinaus. Sie blieben einen Moment vor der Kneipe stehen und machten sich dann auf den Fußmarsch zur Hauptstraße, wo sie ein Taxi anhalten wollten. Allerdings hatte der Alkohol ihre Instinkte getrübt, und so merkten sie nicht, dass die zwei Männer aus der Kneipe ihnen folgten und Pistolen gezogen hatten.

Erst im letzten Moment verspürte Peter ein merkwürdiges Gefühl, einen Shaolin-Instinkt, und drehte sich um. Er konnte grade noch Kermit zur Seite stoßen und laut "Vorsicht" brüllen, ehe ihn ein stechender Schmerz nach hinten warf und die Welt um ihn herum schwarz wurde. Kermit indes hatte sich abgerollt und seine Waffe gezogen. Den zweiten Mann, der auf Peter gefeuert, aber nicht getroffen hatte, traf er in die Stirn. Aber der Schütze, der Peter angeschossen hatte, konnte fliehen.

Kermit hechtete zu seinem Freund und hob seinen Kopf auf, um den Puls zu fühlen. Erleichterung ergriff ihn, als er ihn spürte. Er legte ihn seine Jacke unter den Kopf und murmelte: "Ich bin sofort wieder da, Kumpel. Ich hole Hilfe!"

Damit rannte er in die Kneipe, griff über die Theke und zerrte das Telefon zu sich. Schnell setzte er den Notruf ab und nannte ihren Standort, um dann wieder raus zu laufen. Peter lag immer noch auf der nassen Straße, mit Kermits Jacke unterm Kopf, und blutete aus einer Brustwunde.

Er kniete sich neben ihn. "Oh scheiße! Komm schon, Mann, der Krankenwagen kommt gleich! Halt bloß durch!"

Kermit drückte Peters Hand, aber sie erwiderte den Druck nicht. Immer wieder blickte er auf und suchte mit den Augen die Straße nach dem Notarzt ab, der eine Ewigkeit zu brauchen schien.

Endlich bog der Krankenwagen mit lautem Geheul um die Ecke und hielt unmittelbar vor Kermit und Peter. Der Notarzt und zwei Sanitäter eilten heran und baten Kermit, beiseite zu gehen. Sofort schnitt der Arzt Peters Hemd auf und versorgte die Schusswunde, während einer der Sanitäter nach dem Schützen sah und nur noch den Tod feststellen konnte. Der zweite Sanitäter legte Peter eine Halskrause an und holte dann mit seinem Kollegen die Trage aus dem Wagen. Verzweifelt sah Kermit zu, wie sie seinen Freund auf die Trage hoben und dann ins Auto schoben, um ihn so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu bringen. Als der Krankenwagen um die Ecke gebogen war sank Kermit an einer Hauswände um ihn zusammen und vergrub sein Gesicht verzweifelt in seinen Händen. Als nach wenigen Minuten mehrere Autos in die Seitenstraße einbogen, blickte er wieder auf. Er kannte die Wagen, und er hatte keine Lust jetzt irgendetwas erklären zu müssen. Seine Gedanken waren bei Peter; und bei dem Kerl der auf ihn geschossen hatte.

Captain Simms, Skalany, Jody und Chief Strenlich sprangen aus ihren jeweiligen Fahrzeugen und kamen auf ihn zu. "Wir haben deinen Notruf gehört. Der Krankenwagen. Was ist passiert?" fragte Jody aufgebracht. Dann entdeckten sie die Leiche einige Meter entfernt.

"Ist das der Kerl, ich meine..." fragte Skalany, aber Kermit schüttelte den Kopf.

"Nein, es war der zweite, er konnte fliehen", und Kermit hasste sich dafür, dass er ihn hatte entkommen lassen. Schon jetzt dachte er sich eine Racheplan für den Killer aus, was er mit ihm anstellen würde, wenn er ihn in die Finger bekäme.

Unterdessen hatte Skalany die Blutlache entdeckt, in der Peter bis eben noch gelegen hatte. Geschockt blickte sie darauf hinab und hob ihre Hände vor den Mund. Kermit rappelte sich wieder hoch und wollte den Schauplatz wortlos verlassen, als er von seinem Captain zurückgepfiffen wurde.

"Wo wollen sie hin?" fragte sie.

Kermit drehte sich wütend um, seine Stimme blieb aber einigermaßen ruhig: "Ich werde jetzt ins Krankenhaus fahren; und dann diesen Mistkerl vernichten!" Damit ging er weiter und war dann hinter der nächsten Hausecke verschwunden.

Seine Kollegen waren nur wenige Minuten später im Krankenhaus, sie hatten auf die Spurensicherung warten müssen. Aber Kermit kam ihnen schon am Eingang entgegen und sagte, dass Peter die nächsten Stunden noch operiert würde.

"Und wo willst du hin?" fragte Jody, als Kermit Richtung Ausgang ging.

"Ich fahre aufs Revier und erstelle am Computer ein Phantombild. Und dann jage ich dieses Schwein. Und gnade ihm Gott, falls Peter..." er beendete den Satz nicht, sondern biss die Zähne zusammen und ging zu seinem Wagen.

Die Kollegen ließen sich von einer Schwester Kermits Aussage bestätigen. Jody blieb da um Wache zu halten und die anderen zu informieren, falls es etwas Neues gäbe. Die anderen begaben sich ebenfalls wieder an ihre Schreibtische.

Captain Simms stellte sich in Kermits Tür und beobachtete, wie er verschiedene Gesichtspartien am Bildschirm miteinander kombinierte. "Konnten sie ihn gut erkennen?" fragte sie schließlich.

"Oh yeah. Er hatte einen Faustabdruck von mir im Gesicht."

Der Captain zog die Stirn kraus. "Sie haben sich geprügelt?"

"Ja. Die beiden Kerle haben Peter und mich angegriffen, da haben wir uns gewehrt und sie niedergekämpft. Offenbar wollten sie die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen."

"Sagen sie Bescheid, sobald sie das Bild fertig haben, damit wir die Fahndung rausgeben können." Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie wieder. Dieser Captain schien tatsächlich gar nicht so verkehrt zu sein.

Peters und Kermits Kollegen saßen an ihren Schreibtischen und telefonierten ihre Informanten ab, ob einer von ihnen etwas gehört habe. Aber jedes Mal wenn sie auflegten konnten sie nur mit dem Kopf schütteln.

Als in Kermits Büro der Drucker anlief drehten sich alle zu ihm um. Er hängte einen Ausdruck an die Pinnwand im Revier und verteilte die anderen dann an die Kollegen.

Kermit hatte mit einem Bild in der Hand schon das halbe Großraumbüro durchquert, als er noch einmal umkehrte. Er lief zwischen den Schreibtischen durch, bis er vor seinem Captain stand. Dann steckte er die Hand in seine Jackettasche und drückte ihr seine Polizeimarke in die Hand.

"Besser, wenn ich die nicht dabei habe. Ich weiß nämlich noch nicht, was ich machen werde, wenn der Kerl vor mir steht." Dann ging er.

Vier Stunden später rief Jody im Revier an und teilte mit, dass Peter im Koma läge und die Ärzte sagten, sie hätten alles getan, was sie könnten, jetzt läge es an Peter. Und sein Vater sei jetzt bei ihm.

Kermit hatte auch im Krankenhaus angerufen, er wusste also auch, wie es um seinen Freund stand, und das beruhigte ihn nur mäßig. Er wollte diesen Kerl finden und stellen. Und ihn vielleicht auch töten. Er empfand es als seine Schuld, was Peter passiert war, der Kerl hatte auf ihn und nicht auf seinen Kollegen geschossen. Es hätte ihn erwischt, wenn Peter ihn nicht beiseite gestoßen hätte, und das wäre ihm um einiges lieber.

Er ging als erstes wieder in die Bar, in die er mit Peter eingekehrt war und wo die beiden Männer den Ärger angefangen hatten. Der Barkeeper sah ihn ängstlich an, als Kermit direkt auf ihn zu kam und ihn fragte, wer die beiden Kerle gewesen seien.

"Keine Ahnung, die waren zum ersten mal hier", stotterte der Mann hinter dem Tresen.

Kermit lehnte sich blitzschnell nach vorne und packte ihn am Kragen. "Verdammt noch mal, wer waren die beiden und wo kann ich den zweiten finden?" zischte Kermit.

Der Barkeeper zitterte vor Angst, wiederholte aber seine Antwort.

"Wenn ich merken sollte, dass du mich angelogen hast, komme ich wieder, und dann werde ich nicht so höflich bleiben!"

Damit verabschiedete sich Kermit und ging wieder hinaus. Der Tatort zweihundert Meter entfernt war immer noch abgesperrt und die Männer und Frauen von der Spurensicherung waren noch dabei alles zu untersuchen. Die Leiche des zweiten Angreifers wurde gerade in den Leichenwagen geschoben.
Kermit wandte sich ab. Er klapperte noch einige Kneipen und Bars in der Umgebung ab, aber immer ergebnislos. Als es langsam hell wurde, beschloss Kermit ins Krankenhaus zu fahren und ein wenig Kraft zu tanken.

Als er die Tür zu Peters Zimmer öffnete, blickte Caine zu ihm auf. Er saß auf Peters Bettkante und hielt dessen Hand. Am liebsten hätte Kermit sich wieder rumgedreht und wäre gegangen, seine Selbstvorwürfe waren schon schlimm genug, aber was würde Caine denken?

"Ah, Kermit, kommen sie rein", sagte Caine gütig.

Langsam schritt er an das Krankenbett, in dem Peter lag, mit einem dicken Verband um die Brust und einem Beatmungsschlauch in der Nase.

"Caine, es... es tut mir so leid! Es ist alles meine Schuld!" Er senkte den Blick, um dem Shaolin-Prister nicht in die Augen sehen zu müssen.

"Haben sie auf Peter geschossen?" fragte Caine ruhig.

"Was? Nein, aber..."

"Dann tragen sie auch keine Schuld." Caine musterte ihn einen Moment. "Die Kugel, die meinen Sohn getroffen hat, war eigentlich für sie bestimmt, nicht wahr?"

Kermit nickte schwer.

"Sie sind ein guter Freund, Kermit", sagte Caine schließlich. Verwirrt blickte dieser auf.

"Wenn Peter für sie sterben würde, dann müssen sie ein sehr guter Freund sein." Caine stand auf und legte Kermit eine Hand auf den Arm. "Peter hat ihnen das Leben gerettet, verspielen sie es nicht gleich wieder durch eine unüberlegte Handlung." Er sah ihm wissend in die Augen.

Kermit nickte, auch wenn er sich noch nicht sicher war, ob er den Rat des Priesters annehmen würde. Dann ging die Tür auf und Skalany und Jody kamen herein. Kermit zog sich zwei Schritte von Caine zurück, warf einen wehmütigen Blick auf Peter und wandte sich dann zum gehen. Aber Jody hielt ihn fest.

"Hast du was rausgefunden?"

"Nein, nur Nieten. Und ihr?"

Jody schüttelte den Kopf. Es war zum verrückt werden. Dieser Kerl konnte doch nicht einfach verschwinden! Jeder Streifenwagen hatte ein Phantombild von ihm, alle hielten Ausschau. Und dennoch war er nicht auffindbar.

Kermit packte die Verzweiflung. Er fuhr zurück aufs Revier und setzte sich hinter verschlossener Tür an seinen PC. Er versuchte einen Fotoabgleich mit dem Phantombild und der Verbrecherdatei, auch wenn dieses Verfahren noch nicht offiziell autorisiert war. Er hackte sich auch in den FBI-Computer ein, um einen möglichst großen Kreis abzudecken.

Der Computer lief eine geschlagene halbe Stunde lang, ehe er drei Personenprofile ausspuckte. Kermit sah sich die Fotos an und tatsächlich, da war sein Schütze. Der Kerl hieß Greg Winslow und war mehrfach vorbestraft wegen unerlaubtem Waffenbesitz und Körperverletzung. Er stieß einen lauten Pfiff durch seine Zähne aus, und sofort schwang die Tür auf und die Kollegen standen hinter ihm. Er drückte Skalany, die ihm an nächsten stand, das Papier in die Hand und sagte: "Das ist er!"

Die anderen sahen verwirrt drein, als Kermit sich schon wieder erhob, um das Revier zu verlassen. "Wo zu Teufel wollen sie schon wieder hin?" rief Captain Simms.

"Mir den Mistkerl schnappen!" rief Kermit zurück und war verschwunden.

"Ich telefoniere mit einem Richter und organisiere den Durchsuchungsbefehl", sagte der Captain, als ihre Untergebenen sie fragend ansahen.

"Und Kermit?" fragte Skalany.

"Der ist aktuell außer Dienst. Er braucht keinen Durchsuchungsbefehl. Aber ich will nicht, dass der Scheißkerl wegen Verfahrensfehlern wieder frei kommt, deshalb müssen wir uns an die Vorschriften halten."

Während die anderen ihre Waffen nachguckten und sicherten, ihre Jacken anzogen und sich startbereit machten, telefonierte der Captain. Kurz darauf kam sie wieder raus und sagte, dass sie los könnten.

Mit zehn Minuten Verzögerung zum giftgrünen Kermit-Mobil rauschten jetzt drei Autos mit Sirene und Blaulicht vom Revier-Parkplatz. Mit überhöhter Geschwindigkeit durchquerten sie die halbe Stadt, bis sie bei dem als letzte bekannte Adresse angegeben Haus ankamen. Etwa eine Meile davor hatten sie die Sirenen abgeschaltet. Kermits Wagen stand in der Auffahrt, hinter einem braunen Chevy, aber es war nichts zu sehen oder zu hören.

Langsam und vorsichtig, mit den Waffen im Anschlag, drückten sich die Polizisten durch die eingetretene Haustür. "POLIZEI!" brüllte Captain Simms. Die anderen erschraken, konnten es allerdings nachvollziehen, denn auch sie hatten kein Interesse daran, dass der Attentäter wegen kleiner Fehler frei käme. Es war still im Haus. Erst als sie dem Flur weiter folgten, hörten sie ein leises Wimmern im Wohnzimmer.

Als sie in der Tür ankamen, stellte sich ihnen eine merkwürdige Szenerie dar. Der Mann vom Fahndungsfoto kniete auf der Erde, an seiner Schläfe war eine deutliche Platzwunde zu erkennen, und an seinem linken Auge begann sich die Haut langsam zu verfärben. Seine Lippe war aufgeschlagen und auch aus seiner Nase rann Blut. Vor ihm stand Kermit und richtete den Desert Eagle auf den hilflosen Mann, der wimmernd zu Boden blickte. Kermit aber hatte sein Gesicht wutverzerrt und starrte nur auf den Kerl, der seinen Freund niedergeschossen hat.

"Gib mir einen Grund!" flüsterte er, die Anwesenheit seiner Kollegen noch gar nicht bemerkt. "Gib mir einen verdammten Scheiß-Grund, und ich befördere dich ins Jenseits!"

Fassungslos und wie gelähmt sahen die anderen zu. "Kermit, sie ...", begann Captain Simms, aber Kermit unterbrach sie, ohne von seinem Opfer aufzuschauen. "Ich bin nicht im Dienst Captain. Und vielleicht werde ich es hiernach auch nie wieder sein."

Sein Blick verfinsterte sich noch mehr, und die anderen gewannen den Eindruck, dass er tatsächlich jeden Moment schießen würde. Einfach so, eine Hinrichtung.

"Peter würde das nicht wollen!" sagte Jody plötzlich.

Das brachte Kermit aus der Fassung, er blickte einen Augenblick lang zu ihr rüber, dann wieder zu Greg Winslow. Wahrscheinlich hatte sie Recht, Peter hätte nicht gewollt, dass er damit alles kaputt macht. Auf der anderen Seite würde er sich nicht festnehmen lassen. Er könnte fliehen, untertauchen, irgendwo ein anderes Leben beginnen. Vielleicht könnte er sogar Paul finden. Aber der Gedanke, wie Peter sich fühlen würde, wenn er nach Paul auch noch Kermit, seinen besten Freund, verlieren würde, ließ ihn eine Entscheidung treffen.

Kermit nahm widerwillig die Waffe runter und trat Greg Winslow gegen die Brust, sodass er nach hinten umkippte. Dann packte er ihn grob und drehte seine Arme auf den Rücken, woraufhin Winslow laut vor Schmerzen aufschrie, Kermit hatte ihm die Schulter ausgekugelt. Er legte ihm Handschellen an und zerrte ihn auf die Beine, wobei dieser wieder laut brüllte vor Schmerz. Kermit schubste das Häufchen Elend in Richtung seiner Kollegen, wo Jody und Chief Strenlich ihn auffingen, und verließ ohne ein weiteres Wort den Ort des Geschehens.

Auf dem Weg zum Krankenhaus überlegte Kermit, ob sein Entschluss wirklich richtig war. Zu gerne hätte er diesen Mistkerl erschossen. Er stellte das Kermit-Mobil auf dem Besucherparkplatz ab und betrat das hohe Gebäude.

Caine wachte noch immer am Krankenbett, in dem Peter regungslos lag, immer noch den Beatmungsschlauch in der Nase. Auch Annie war da, sie stand am Fenster, als würde sie hinausblicken, drehte sich aber sofort um, als sie jemanden reinkommen hörte. Kermit hatte kaum zwei Schritte ins Zimmer gemacht, als sie seinen Namen sagte. Kermit bejahte und war, wie schon so oft, erstaunt von Annie, wie sie es schaffte, so gut mit ihrer Blindheit klarzukommen. Mit einem "ich muss mal auf die Toilette" verabschiedete sich Annie, Kermits Gegenwart schien sie schmerzhaft an Pauls zu erinnern.

Als sie allein waren, blickte Caine Kermit tief in die Augen, die Sonnenbrille schien bei ihm keine Wirkung zu zeigen, und sagte dann erleichtert: "Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, Kermit."

Kermit reagierte kaum, sicher darüber war er sich noch immer nicht. Sein Blick wanderte wieder zu Peter. Hoffentlich wachte er wieder auf, denn wenn nicht, würde er sich selbst dafür hassen, den Kerl nicht erschossen zu haben.

Auch Caine betrachtete seinen Sohn und strich ihm über die Stirn; in dem Moment begann der verletzte Cop sich zu regen. Seine Augenlider flatterten, sein Kopf bewegte sich langsam im Kissen. Er wandte sich seinem Vater zu, sah aber durch die schmalen Schlitze seiner Lider nur verschwommen. "Paul?" flüsterte er leise.

Kermit spürte förmlich den Stich, den dieses Wort in Caines Herz reißen musste, der aber sah nur gütig auf seinen Sohn hinab, dankbar, dass er wieder zu sich kam. Peter erkannte jetzt, wer dort saß.

"Paps. Ich..."

"Schhhh" schnitt Caine ihm die Worte ab.

"Es tut mir leid, ich wollte nicht..." setzte Peter von neuem an, aber wieder unterbrach ihn sein Vater.

"Alles in Ordnung, mein Sohn. Paul Blaisdell war lange Zeit dein Vater, du hast alles recht dazu, ihn an meiner Stelle zu erwarten. Annie ist auch hier, sie kommt gleich wieder."

Peter dachte daran, dass er auch sie vernachlässigte und ihr noch Pauls Nachricht mitteilen musste. Schuldbewusst wandte Peter langsam den Kopf und entdeckte Kermit, der gerührt auf der anderen Seite des Bettes stand.

"Hey Partner!" sagte Kermit schluckend, ein dicker Kloß schien seinen Hals zu verstopfen.

Peter atmete schwer aus und schloss dann wieder die Augen. Caine sah Kermit intensiv an, dann verabschiedete er sich für einige Minuten, weil er spürte, dass Kermit einen Moment mit seinem Kollegen allein wollte. Dankbar blickte Kermit ihm nach. Peter sah ihn an.

"Habt du den Kerl gekriegt?" fragte Peter, kaum dass sein Vater die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Kermit nickte, woraufhin Peter ihn fragend ansah, ohne Worte wusste Kermit, was Peter wissen wollte.

"Er sitzt gut verpackt in einer Zelle", antwortete Kermit und Peter schnaufte erleichtert.

"Danke", flüsterte Peter leise.

"Ich habe dir zu danken. Du hast mir das Leben gerettet!" sagte Kermit kleinlaut.

"Danke, dass du keine Dummheiten gemacht hast. Was sollte ich denn nur ohne dich machen?"

Kermit lächelte verlegen. Als Peters Kollegen durch die Tür hineinströmten und ihn umarmten und vor Freude seine Hände nahmen, zog sich Kermit lautlos und unbemerkt zurück, verließ das Krankenhaus und fuhr in der einkehrenden Dunkelheit ziellos durch die Straßen.

Er und Peter hatten alles gesagt.


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