Kälte, klirrende, eisige Kälte. Das war das erste, was er spürte. Heftige Windböen hatten die unnatürliche Hitze des Tages vertrieben und sorgten für eine Gänsehaut auf seinem nackten Oberkörper. Einen Moment lang fragte er sich, was mit seinem Hemd passiert war, konnte sich aber partout nicht daran erinnern. Es war eine rabenschwarze Nacht. Er konnte diese
Art von Dunkelheit förmlich auf seiner Zunge schmecken, auf seiner
Haut spüren. Das machte ihm nichts aus, er kannte seinen Weg, den er zu gehen hatte. Er konnte ihm mit geschlossenen Augen folgen, so oft hatte er ihn schon gesehen. Die Stille, die ihn umgab, war beinahe gespenstisch und ohrenbetäubend zugleich, wurde nur vom Rauschen des Windes, einem merkwürdigen Klappern, sowie gedämpften Stimmen, deren Ursprung er nicht ausmachen konnte, unterbrochen. Sein Herz schlug schneller und er zögerte,
aber er musste weiter gehen, musste seinem Pfad folgen, bis er am Ziel
angelangt war. Nervös fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar und
befeuchtete mit der Zunge seine Lippen. Die Stimmen lockten ihn, trieben
ihn voran. Er hatte keine Chance dieser gespenstigen Verlockung zu widerstehen.
Schwindel und Übelkeit überkamen ihn in dem Augenblick, als er bemerkte, dass er beinahe in das frisch ausgehobene Grab einer armen, verlorenen Seele gestürzt wäre. Er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen und starrte wie gebannt in das Loch, das längst wieder hätte aufgefüllt sein sollen. Der Nebel verdeckte die Sicht auf den Grund, aber er wusste auch so, was ihn erwartete. Er musste es nicht sehen. Aber wie auf Kommando, er schien ausschließlich auf ihn gewartet zu haben, teilte sich der Nebel und gab den Blick auf einen dunklen Eichensarg frei. Ihm stockte der Atem, als die gedämpften Stimmen lauter wurden und auch das rhythmische Klopfen wieder erklang. Es würde wieder passieren, wie schon so oft. Es gab kein Entrinnen, nichts was er dagegen tun konnte. Er war machtlos! Er fühlte sich so schutzlos. Nicht fähig sich zu bewegen, nicht fähig zuschreien, nicht fähig zu atmen, geschweige denn einen klaren Gedanken zu fassen. Etwas kaltes berührte seinen Arm, zog sich zurück, um sofort wieder zuzuschlagen. Kein starker Schmerz, aber genug um ihn zusammenzucken zu lassen. Das Blut gefror ihm in den Adern. Sein Versuch sich seinem Angreifer zuzuwenden, um die Schläge abzublocken, schlug fehl. Etwas hielt ihn an seinem Platz, so dass er sich nicht umdrehen, geschweige denn sich richtig wehren konnte. Alles was er tun konnte, war blindlings nach seinem Angreifer zu schlagen. Kein leichtes Unterfangen in der Position, in der er sich befand. Nichts... kein Gegner. Er war in dem langsam schwindenden Nebel verschwunden, der ihn zu verhöhnen schien. Keine wabernden, weißlich schimmernden Flecke mehr, die das Grauen, das ihn erwartete zumindest ein wenig abschwächen würden. Wie unter Zwang wandte er seinen Blick wieder dem Sarg zu. Sein Schicksal war unvermeidlich. Er wollte es nicht, wollte nicht hinsehen, sondern lieber weglaufen. Aber er war an seinem Platz wie festgefroren. Es war, als ob ihn Tausende und Abertausende unerbittliche Hände genau auf jenen Fleck hielten, ihm jede Bewegung verwehrten. Nicht einmal seine Augenlider konnte er mehr bewegen. Selbst sein Herz, das mit der Geschwindigkeit eines Dampfhammers in seiner Brust schlug, kam ihm wie ein Fremdkörper vor. Sein Magen krampfte sich zusammen in Erwartung dessen, was gleich passieren würde. Langsam, ganz langsam, mit einem grässlich
knarrendem Geräusch, das in ihm den Wunsch weckte sich die Ohren
zuhalten zu können, öffnete sich der schwere Sargdeckel. Er konnte sich nach wie vor nicht bewegen, nicht die Augen schließen, nicht Atmen, sich nur den unheimlichen Geschehnissen hingeben, von denen er wusste, dass sie jeden Augenblick passieren würden. So war es immer und es so würde es auch heute sein. Aus dem jetzt ganz geöffneten Sarg streckten
sich ihm zwei halbverweste Hände, deren teilweise freiliegenden Knochen
selbst in dieser Dunkelheit schimmerten, entgegen. Die Finger waren wie
Krallen nach ihm ausgestreckt, so wie sich die Szene auch in seinem Kopf
festgesetzt hatte. Sie kamen näher und näher, so dass er jetzt
auch die dazugehörigen Arme sehen konnte. Sie waren nur noch mit
ein paar Lumpen, die die lange Zeit in der Erde überstanden hatten,
spärlich bekleidet. Kein schöner Anblick. Ihm wurde schlecht,
er schaffte es jedoch seinen Mageninhalt bei sich zu behalten. Kein Wunder,
er konnte ja nicht einmal einen einzigen Muskel bewegen. Erleichterung machte sich in seinem Körper breit. Erst jetzt merkte er, dass er trotz der Kälte in Schweiß gebadet war. Eine vorwitzige Strähne seines etwas zu langen Haares klebte auf seiner Stirn. Langsam merkte er, wie er mehr und mehr die Kontrolle über seinen Körper zurückerlangte. Der Knoten in seinem Magen begann sich zu lösen und er bekam wieder Luft, die er dankbar tief in die Lungen saugte. Gerade als er sich sicher fühlte, passierte es. Mit zunehmendem Wind setzte der Regen ein, durchnässte sein ohnehin schon schweißnasses Haar, peitschte wie kleine spitze Nadeln über seine nackte Haut und gleichzeitig war auch wieder sein Angreifer da. Erneut folgte eine Serie kurzer, präziser,
aber nicht zu schmerzhafter Schläge. Diesmal gegen seinen Oberkörper.
Was aber noch bedrohlicher war, waren die Stimmen. Er wollte ihr entkommen, wusste das sie nichts Gutes bedeuten konnte. Mit der immer drängender werdenden Stimme ereichten ihn diesmal auch die Hände. Er hatte das Gefühl, als müsse ihm das Herz stehen bleiben, als sich die Klauen in seine Schultern gruben und... ihn schüttelten. Mit einem plötzlichen Ruck fuhr Peter Caine in die Höhe. Das wütende Gesicht seiner Freundin Jordan dicht vor Augen. "Peter, Peter. Wach auf! - Na endlich! Nun sieh dir diese Schweinerei mal an. Es ist alles nass!" Die Realität traf ihn wie ein Schlag. Er konnte
den Abspann des Horrorfilms im Hintergrund hören und blickte sich
irritiert in der ungewohnten Umgebung um. Und wusste, dass der Albtraum noch lang nicht vorbei war. Ende
|
|