Teil 2
Autor: Ratzenlady
 

Helen Gillesby zeigte ihm ein freies Zimmer und verabschiedete sich dann von ihm, allerdings nicht ohne ihm das Versprechen abzunehmen, dass sie sich zum Frühstück am nächsten Morgen noch einmal wiedersehen würden. Dann ließ sie Peter mit seinen Erinnerungen allein.

Langsam öffnete Peter die Tür und trat auf den Flur. Die Wände waren in diesem Teil in einem freundlichen Grün gestrichen, die Türen passen dazu lackiert. Helen hatte hier eine Menge Liebe rein gesteckt.

Zwei kleinere Kinder rannten an Peter vorbei, sie spielten Fangen und lachten laut. Peter sah ihnen wehmütig nach. Dann veränderte sich das Bild vor seinen Augen und er war wieder zwölf Jahre alt.

Der Flur war grau, ebenso der Linoleum-Fußboden, auf dem die Schuhe immer quietschten, wenn man zu schnell darüber lief. Er hatte es noch in den Ohren, dieses Geräusch, welches es unweigerlich nach sich zog, dass ein Erwachsener um die Ecke kam und einen tadelte. Rennen auf den Fluren war verboten. Lautes Lachen auch. Und nach dem Abendessen durfte man ohnehin nicht mehr das Zimmer verlassen, außer man musste aufs Klo.

Peter schüttelte den Kopf. Jetzt war der Flur wieder grün und freundlich, und Kinderlachen erfüllte das Haus.

Langsam schlenderte der Shaolin den Flur entlang und kam ins Treppenhaus. Hier standen bunte Sessel locker auf dem riesigen Podest verteilt, der Boden war in gelb-blaues Schachbrettmuster aufgeteilt, die Sessel in entsprechender Farbe dazu ausgewählt. Auf den breiten Fensterbänken lagen Kissen. Lange starrte er sie an.

Dann sah er sich selbst. Einen trotzigen, traurigen Jungen, die Haare kaum zwei Zentimeter lang. Er saß auf der Fensterbank, die Beine aufgestellt und starrte in die Dunkelheit. Er hatte nicht hier sein dürfen, es war bereits Schlafenszeit.

Aber wie alles andere auch, war ihm das egal. Er wollte hier sitzen, weil sein Zimmer kein Fenster hatte. Und er wollte in die Nacht hinein sehen, er hoffte, die Stimme seines Vaters vom Himmel her zu hören. Aber er antwortete nie.

Einer des Personals, "Norman irgendwie" erinnerte sich Peter, hatte ihn damals entdeckt und ihn am Oberarm ins Büro des Heimleiters gezerrt. Er hatte sich in einen der schweren Ledersessel fallen lassen und ablehnend die Arme vor der Brust verschränkt. Mindestens einmal die Woche landete er hier.

"Peter, du machst mir wirklich Kummer", hatte Mr. Glick damals gesagt, ohne dass wirklich Besorgnis in seiner Stimme zu hören gewesen wäre. Mr. Glick war ein übergewichtiger Mann, mit Halbglatze und vor Schweiß glänzender Stirn, der den ganzen Tag hinter seinem Schreibtisch saß und dicke Zigarren rauchte. Alle Kinder hassten ihn.

Seine Methoden der Erziehung waren Zuckerbrot und Peitsche, wovon Peter in der Regel letzteres zu spüren bekam. Er hielt sich nicht an die Regeln, dafür wurde er regelmäßig bestraft, bekam kein Abendessen, oder musste Reinigungsdienste verrichten.

Die Kinder, die Mr. Glick in den Hintern krochen allerdings bekamen Schokolade und durften länger aufbleiben. Sie waren seine Geheimpolizei, denn die größten und besten Belohnungen gab es dafür, Regel-Brecher zu enttarnen.

"Alles in Ordnung, Mister?"

Peters Blick klarte auf. Er starrte noch immer die bunten Kissen auf der Fensterbank an.

"Mister?" fragte die Stimme noch einmal. Peter drehte sich und sah ein jugendliches Mädchen in einem der Sessel sitzen. Sie hatte die Beine angezogen und ein Buch in der Hand.

Der junge Mann sah sie verlegen an. "Entschuldigung. Ich war in Gedanken und habe gar nicht bemerkt, dass jemand hier ist", erklärte er sich.

"Sie sind der Mann, der Steve aus dem Brunnen geholt hat, nicht wahr?", fragte sie interessiert. Sie war bestimmt schon sechzehn. Peter nickte.

"Danke. Ich mag den Kleinen zwar nicht, aber niemand hat es verdient zu sterben", sagte sie, und ihre Stimme wurde leiser.

Peter kam auf sie zu. "Wie lange bist du schon hier?", fragte er sie, um das Maß ihrer Trauer darüber, eine Waise zu sein, abschätzen zu können.

"Seit acht Monaten", beantwortete sie bereitwillig, den Blick jetzt auch ins Leere gerichtet.

Peter spürte deutlich, dass sie die Vergangenheit jetzt noch einmal durchlitt, und es war seine Schuld.

"Es tut mir leid", entschuldigte er sich.

"Das muss es nicht", gab sie zurück. Sie wirkte erwachsener, als sie in diesem Alter sein sollte.

"Warum sind sie noch hier?", fragte sie plötzlich und legte ihr Buch gänzlich bei Seite, als wollte sie symbolisieren, dass sie jetzt ein richtiges Gespräch führten und sie sich voll und ganz darauf konzentrierte.

Peter zog sich einen Sessel heran und setzte sich ihr gegenüber. "Ich bin hier, um mich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen; damit ich meine Zukunft finden kann." Das Mädchen guckte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Peter schmunzelte.

"Ich habe selbst hier gelebt. Für einige Jahre", erklärte Peter, jetzt nickte sein Gegenüber.

"Dann sind sie auch eine Waise?!", stellte sie nüchtern fest.

Peter dachte wieder an seinen Vater, sah ihn vor sich, dann das Grab.

"Ja", antwortete er knapp. Jetzt war er wirklich eine Waise.

Ein großer, athletischer Mann betrat den Flur, sein Gesicht wirkte freundlich. Er kam auf das Mädchen zu. "Auf geht's June, los", scheuchte er sie scherzend.

Ergeben hob sie die Hände, stand auf und klemmte ihren Roman unter den Arm. Sie drehte sich noch einmal zu Peter und wünschte ihm eine gute Nacht.

"Peter Caine!", sagte der Mann, und der junge Shaolin starrte ihn an.

Er brauchte eine ganze Weile um dem Mann zu erkennen. Sein Name war Joshua Larson, und er war mit Peter zusammen hier aufgewachsen. Er hatte zu den wenigen gehört, die sich nicht ihre Zeit damit vertrieben, andere zu schikanieren. Allerdings wäre der Begriff Freundschaft für ihre damalige Beziehung auch zu hoch gegriffen gewesen.

Peter erinnerte sich an den Jungen Joshua. Seine Eltern waren bei einem Überfall getötet worden, als Joshua acht war. Auch er hatte starke Zurechtfindungsprobleme gehabt, ebenso wie Peter. Er hatte dem Shaolin-Jungen geholfen, sich hier zurechtzufinden, ihm gezeigt, wann man rebellierte, und wann man besser die Klappe hielt.

Peter reichte ihm lächelnd die Hand. "Joshua! Was treibst du denn hier?"

"Das könnte ich dich ebenso fragen. Du hast Steve gerettet", stellte er fest.

Peter schaute verlegen, ein Held zu sein lag ihm nicht besonders, vor allem nicht in seiner aktuellen Stimmungslage, in der nur allein sein wollte.

"Er wollte weglaufen?", fragte Peter, um von sich selbst abzulenken.

Joshua nickte. "Er hat es schwer gehabt. Vor vier Wochen ist er hier her gekommen, seine Mutter starb an Krebs, er hat es mit angesehen. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, er steht nicht einmal in der Geburtsurkunde. Er kommt mit der neuen Situation nicht zurecht. Auch wenn wir uns hier alle Mühe geben."

Peter nickte. Er musste Joshua nicht erzählen, wie es sich anfühlte. Sie hatten diese Erfahrung auch machen müssen.

"Es hat sich viel verändert hier. Der Grund, warum du hier bist?", fragte Peter direkt.

Joshua nickte. "Ich habe eine Ausbildung als Krankenpfleger gemacht, in Los Angeles. Und durch reinen Zufall habe ich gehört, dass die Heimleitung gewechselt hat. Es war wie eine innere Eingebung. Ich wollte, dass es anderen Kindern besser ergeht, als es mir, ...uns damals erging."

"Wenn ich mich hier umsehe...ich hätte mich hier vermutlich wohler gefühlt, als damals", stimmte Peter zu. Ihm gefiel das neue Konzept, endlich schienen wirklich die Kinder im Vordergrund zu stehen.

"Ich hab dir meine Geschichte erzählt, was ist mit dir? Das letzte was ich weiß, ist dass dich der Cop bei sich aufgenommen hat", sagte Joshua ungestüm.

Das Lächeln verschwand aus Peters Gesicht. "Und das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin Polizist geworden und der Job hat mich ausgefüllt. Letztendlich bin aber dann doch meiner Bestimmung gefolgt und habe die Prüfungen zum Shaolin-Priester abgelegt."

Peter blendete das Wiederauftauchen seines Vaters aus. Die Wunden waren in dieser erinnerungsschweren Umgebung noch zu empfindlich.

Joshua guckte Peter eindringlich an, dann sagte er: "Behäng dich nicht zu schwer mit den Erinnerungen. Es ist lange her und hier hat sich zu viel verändert. Ich bin dazu übergegangen, mich darüber zu freuen, wie es heute ist."

Peter lächelte abwesend, dann legte ihm Joshua die Hand kurz auf die Schulter und verabschiedete sich.

"Ich muss meine Runde weitermachen. Vielleicht sehen wir uns morgen noch einmal?"

"Vielleicht."

***

Von den Erinnerungen getragen ging Peter durch das riesige Haus. Immer wieder verglich sein inneres Auge die aktuelle Erscheinung der Räumlichkeiten mit der von damals. Die grauen, traurigen Bilder überlagerten die schönen und bunten, die sich ihm boten.

Vielleicht wäre er in einem solchen Heim glücklicher gewesen. Aber er glaubte nicht daran, denn es war nicht nur die Umgebung, sonder die gesamte Situation, die Menschen, die ihn damals unglücklich gemacht hatten.

Er war allein gewesen, ohne Familie, ohne Freunde. Wertlos und unbeachtet hatte er seine Jahre hier abgesessen bis Paul gekommen war, um hinter die Fassade des frechen, verwahrlosten Jungen zu gucken. Er hatte sich von Peters Abwehrverhalten nicht verscheuchen lassen.

In diesem Moment hatte es sich zum Besseren gewendet. Er hatte wieder eine Familie, hatte plötzlich Geschwister, die ihn mit offenen Armen empfingen, Freunde, die für ihn da waren.

Und dann war sein Vater wieder da. Nach fünfzehn Jahren des Lebens als Waise lag er plötzlich vor ihm. Immer noch der Alte, nur der Blick hatte sich verändert, war um so viele Erfahrungen und Erlebnisse reicher.

Peter holte sich selbst in die Gegenwart zurück, ehe er zu dem Teil kam, in dem Paul wegging und sein Vater starb. Der Teil, in dem es wieder bergab ging.

***

Er fühlte sich, als wäre er wieder ein Junge, der so voller Wut, Hass und Trauer durch die Mauern schritt. Er hatte seine Gefühle nicht bändigen können und war damit zum trefflichen Ziel aller anderen Kinder geworden.

Hier war der dunkle Kellerraum, in dem sie ihn einsperrten; heute eine Besenkammer. Dort war die Treppe, die sie ihn einmal hinunter gestoßen hatten.
Und wieder wo anders erkannte er die Säule, gegen die er Tommy Scarlett damals mit aller Gewalt schubste, weil dieser seine Familie beleidigt hatte.

Der Schmerz saß tief und Peter beschloss, sich hinzulegen und seinen Erinnerungen zu entfliehen. Er hoffte, nicht träumen zu müssen.

***

Er träumte nicht. Allerdings schlief er auch nicht. Mit offenen Augen lag er auf dem Bett und dachte nach. Er hatte denselben Weg eingeschlagen, wie sein Vater vor zwanzig Jahren.

Allerdings wurde ihm jetzt etwas klar, das er vorher nicht wahrgenommen hatte. Er hatte sich so sehr auf seinen Vater fixiert, dass er aus einem Instinkt heraus sicher gewesen war, dass es Caines Weg war, den er ging.

Er hatte erwartet an Orte zu kommen, an denen er die Präsenz seines Vaters spüren konnte, an denen Caine vor so langer Zeit vorbei gekommen ist. Er hatte es gehofft, weil er die Energie seines Vaters spüren wollte.

Jetzt aber merkte er, dass es nicht Caines Weg war. Es war seiner. Auch wenn er versucht hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, hatte er seine eigenen Spuren hinterlassen.

Plötzlich wurde Peter klar, dass es gar nicht um seinen Vater ging, nie gegangen war, sondern darum, wer er selbst war und sein wollte. Er begriff, dass er zu lange wie sein Vater hatte sein wollen, und somit die vielen Abzweigungen seines Weges verpasst hatte.

Peter sog dieses Gefühl in sich auf. Die Erkenntnis, dass er seinen Vater als Sohn lieben und vermissen durfte, ohne dabei wie er sein zu müssen, erleichterte ihn ungemein. Er hatte sich zu sehr darauf versteift, Caine folgen zu wollen.

Aber er war nicht Caine; er war Peter. Und wer Peter war, würde er jetzt herausfinden können. Denn die Reise wurde einfacher, wenn man wusste, warum man sie tätigte. Eine Menge Druck fiel nun von seinen Schultern, denn selbst mit seiner ziellosen Wanderung hatte er sich das Ziel gesetzt, wie sein Vater zu sein.

***

Peter wachte mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Er hatte tatsächlich geschlafen. Und geträumt. Aber es waren gute Träume gewesen, Träume von den schönen Momenten, die Caine und er verlebt hatten, Träume von seinen Freunden.

Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Aber er wusste auch, dass es nicht leicht werden würde, sich selbst wieder zu finden, wenn man sich vor so langer Zeit verloren hatte.

Peter zog sich seine Kleider an und ging hinunter. Das Waisenhaus schien schon länger wach zu sein. Die Jungen rannten durch die Gänge, voller Kraft und Adrenalin, während die Älteren schlaftrunken Richtung Frühstück taumelten.

Peter trat vor das Buffet und nahm sich ein Brötchen und eine Tasse Kaffee, dann setzte er sich zu der Heimleitung und den Betreuungskräften an den Tisch.

"Guten Morgen", wünschte er allen Anwesenden.

Helen Gillesby strahlte, als sie ihn sah und konnte kaum warten, bis Peter sich gesetzt hatte.

"Ich habe heute Morgen schon mit dem Krankenhaus telefoniert. Sie können Steve heute entlassen, und er möchte ihnen gerne noch persönlich danken."

Peter lächelte verlegen und wandte sich dann seinem Brötchen zu, von dem er immer ein Stück abriss und es sich dann in den Mund steckte.

Sein Magen rebellierte gegen die plötzliche Nahrungsaufnahme, beruhigte sich aber schnell wieder. Allerdings fühlte sich Peter papp-satt, als er es intus hatte. Der Kaffee lag ihm doch mehr.

"Haben sie keinen Hunger?", fragte Helen skeptisch. Sie schien sich zu erinnern, dass Peter am Abend zuvor auch schon nichts gegessen hatte.

"Ich esse nicht viel", gab er eine schwammige Antwort. Wieder wechselte er das Thema.

"Wann kommt Steve denn? Und wie geht es ihm?"

"Es geht ihm besser, sie haben ihn ordentlich aufgewärmt. Gott sei Dank hat er keine körperlichen Schäden durch die Unterkühlung davongetragen. Das hat er ihnen zu verdanken!"

Wieder senkte Peter den Blick.

"Joshua wird nach dem Frühstück losfahren, um ihn abzuholen. Er wird wohl die nächsten Tage noch etwas müde sein, sonst ist aber alles in bester Ordnung."

Die Heimleiterin schien wirklich erleichtert. Das Schicksal ihrer Schützlinge lag ihr am Herzen. Wahrscheinlich hätte sie damals sogar ihn mit ihrer Art erweichen können, überlegte Peter. Aber wer wusste das schon.

"Nun gut. Aber dann werde ich mich auf meinen Weg machen. Ich möchte ihre Gastfreundschaft nicht weiter ausreizen, außerdem", Peter machte eine ausladende Handbewegung, "bin ich zu alt für dieses Haus, fürchte ich."

Peter lächelte, auch die anderen taten es ihm gleich.

* * *

Kermit verfolgte übers Internet die Berichterstattung über den geretteten Jungen, fand aber nicht viel. Jeder Bericht sagte in etwa das gleiche, wie der, den er schon im Fernsehen gesehen hatte. Die einzige neue Nachricht war, dass der Junge schon wieder entlassen werden konnte und keine Schäden davon trug.

Kermit konnte sich bildlich vorstellen, wie Peter in diesen Brunnen gesprungen war, um den Jungen zu retten, ohne darauf zu achten, was ihm hätte passieren können. Er musste schmunzeln, Peter war schon ein ganz besonderer Mensch.

Es klopfte kurz und die Tür öffnete sich. Es war Skalany.

"Also Kermit, nur zu Erinnerung. Die Weihnachtsfeier findet wie immer statt. Alle anderen Pläne haben wir soeben über den Haufen geworfen! Und vergiss es nicht!", informierte sie ihn und war schon wieder verschwunden.

Weihnachten. Es würde die erste Weihnachtsfeier des Reviers sein, an der Peter nicht teilnahm. In zwei Wochen würde deutlich auffallen, dass jemand fehlte. Sie hatten all die letzten Jahre immer am vierundzwanzigsten gefeiert, da keiner von ihnen eine Familie hatte, zu der an diesem Abend musste. Jedenfalls nicht zwingend.

Selbst Paul hatte diesen Dienst immer geschoben, solange er am nächsten Morgen zu Hause sein und sehen konnte, wie seine Kinder die Geschenke auspackten.

Ihr neuer Kollege, der an Peters Schreibtisch saß, hatte einen anderen Vorschlag gehabt. Kermit hätte gerne gehabt, dass Peter mal einen Blick auf ihn wirft, weil er ihm nicht ganz geheuer war, aber leider kam er erst acht Tage später an, nachdem sie aus Kalifornien zurück waren.

Der erste Ersatz-Detective war eine absolute Niete gewesen, ängstlich und mit seinem Job überfordert. Vor allem Kermit hatte ihm Furcht eingeflößt, vermutlich mehr als jeder Verbrecher. Er hatte sich schnellstmöglich versetzen lassen.

Und dann war der Neue gekommen. Alex Woods. Irgendwas an dem Kerl war faul. Er gehörte zu der Sorte, die sich für unglaublich tough hielt, zudem natürlich unbesiegbar und mit einer erotischen Ausstrahlung, die alle Frauenherzen höher schlagen lässt. Jedenfalls glaubte er das.

Kermit dachte mit einem Schmunzeln an Jodys Reaktion, als er sie auf einen Drink einladen wollte. Sie hatte ihn verbal zusammengefaltet, sodass er nicht mehr wusste, wie ihm geschah. Skalany hatte Beifall geklatscht und die männliche Belegschaft fies gegrinst. Damit war das Thema abgegessen.

Und jetzt bildete sich dieser Kerl ein, neue Vorschläge für die Revier-Weihnachtsfeier machen zu dürfen. Ab diesem Moment hatte sich Kermit von den Beratungen zurückgezogen, um das Risiko einzuschränken, dass er Alex Woods vielleicht erwürgte. Der Kerl nervte ihn ungemein!

Er dachte an Peter, wie er die rote Weihnachtsmütze auf dem Kopf trug und laut HO-HO-HO rief. Er wünschte sich, dass er ihn dieses Jahr wieder so sehen durfte.

* * *

Peter hatte sich lange mit Steve unterhalten. Er hatte lange versucht ihm zu erklären, dass es nicht half, wenn man weglief, und dass die Menschen hier sich um ihn sorgten. Das verdeutlichte er mit Geschichten von damals, machte dem Jungen klar, wie gut er es hier hatte und dass es hätte schlimmer kommen können. Er versprach dem Shaolin-Priester, nicht mehr wegzulaufen.

Als sich Peter von Steve trennte und in die Halle trat, stand vor ihm ein riesengroßer Weihnachtsbaum. Viele Kinder waren damit beschäftigt, ihn zu schmücken, Girlanden aufzuhängen und künstlichen Schnee darauf zu sprühen.

Peter hatte fast schon vergessen, dass bald Weihnachten war. Das Fest der Liebe und der Familie. Er fragte sich, wohin ihn sein Schicksal an diesem Abend wohl schicken würde und ob er allein sein würde. Und obwohl er keine Familie mehr hatte und seine Lieben weit weg waren, freute er sich auf das Fest, wie auch immer er es begehen würde.

Peter verabschiedete sich von allen und trat aus dem Tor. Ein letztes Mal drehte er sich um sah am Waisenhaus empor. Jetzt hatte er einen anderen Blick darauf, einen friedlicheren. Tief im Inneren wusste er jetzt, dass er hier gestern Abend einige seiner Kindheits-Dämonen hatte begraben können. Wieder war er sich selbst ein Stückchen näher gekommen.

Ende


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