Peter fühlte sich angespannt und noch immer gereizt. Er schwitzte stark und konnte sich nicht mehr konzentrieren. Wütend fegte er die Papiere vom Tisch. Was war nur los mit ihm? Sicher wurde er krank, brütete etwas aus. Am besten, er ging nach Hause und ruhte sich aus. Sein Blick fiel auf den kleinen Kürbis auf seinem Schreibtisch. Er glomm in einem rötlichen Licht, dabei war überhaupt keine Kerze darin. Merkwürdig >Er hat dich vor allen deinen Kollegen blamiert!< Was war das? Eine Stimme schien in seinem Kopf zu sprechen. Wie war das möglich? >Er will dich immer beschützen, dabei kannst du doch bestens auf dich selbst aufpassen!< Peter kniff die Augen zusammen. Sprach etwa der
Kürbis mit ihm? Das Licht, das von ihm ausging, flackerte ein wenig;
es sah beinahe so aus, als zwinkere der Kürbis ihm zu. >Befreie dich! Du brauchst ihn nicht!<
>Befreie dich! Töte ihn!< Peters Augen glommen. Töten
Er konnte
an nichts anderes mehr denken. Ein teuflisches Grinsen breitete sich auf
seinem Gesicht aus. Töten
**** Caine begegnete auf seinem Weg vielen verkleideten Kindern, die Kürbislaternen trugen. Die Nacht war bereits herein gebrochen und überall erscholl der Ruf: "Trick or treat!" Peter hatte schon vor einer Stunde Dienstschluss
gehabt und war sicher längst zu Hause. Caine stieg die Stufen zum
Revier hinauf. Die verschlossene Tür stellte für ihn kein Hindernis
dar. Das Großraumbüro lag im Dunkeln, doch von Peters Schreibtisch
ging ein rötlicher Lichtschimmer aus. Der Shaolin Priester ging zielstrebig
darauf zu und konzentrierte sich auf die schlechte Energie, die die kleinen
Laterne ausstrahlte. Caine war sich so sicher, allein zu sein und so auf
seine Aufgabe fixiert, dass er den Angreifer nicht bemerkte. Er spürte
nur den scharfen Schmerz am Hinterkopf, dann wurde es dunkel um ihn. Ich kann das nicht! Ich kann ihn nicht töten! Der Schweiß lief ihm in Strömen herab und sein Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Schließlich packte er Caine und schleifte ihn in Kermits Büro. Schwer atmend blieb er neben ihm sitzen und versuchte, gegen die zwei unterschiedlichen Gefühle anzukämpfen, die in ihm tobten. >Töte ihn!< Ich kann nicht! >Töte ihn! Befreie dich!< Er ist mein Vater! >TÖTE IHN!< Peter hielt sich mit verzerrtem Gesicht den Kopf, Tränen der Verzweiflung schossen ihm in die Augen. Diese Stimme, diese fremde Macht hämmerte in seinen Gedanken und verursachte ihm Qualen und beinahe körperlich fühlbare Schmerzen. "Nein!" brüllte er und stürmte aus dem Büro. Er rannte ziellos durch die Räume des Reviers, suchte einen Ort, an dem diese Stimme ihn nicht erreichen konnte. Schließlich blieb er erschöpft in irgendeiner Ecke liegen und spürte heiße Tränen über seine Wangen laufen. Lange saß er dort, verlor das Gefühl für die Zeit und irgendwann nickte er vor Erschöpfung ein. Plötzlich schreckte er von einem Geräusch hoch. Er hörte Schritte. War sein Vater wieder zu sich gekommen? Wie lange hatte er hier gesessen? Peters Blick suchte die Wanduhr. Sie zeigte Elf Uhr Fünfzehn. Ein breitschultriger Chinese stand plötzlich vor ihm, der sein langes schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. "Du bist ein Schwächling, Priestersohn,
ein erbärmlicher Feigling!" zischte er. Er hielt den kleinen,
leuchtenden Kürbis in seiner Hand. "Bitte, stellen Sie den Kürbis weg!" flehte er. "Warum? Gefällt dir Amandas Geschenk etwa nicht?" fragte der Chinese mit einem Grinsen. Peter kniff die Augen zusammen. Er kannte diesen Mann. "Wong? Jack Wong?" Es fiel ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. "Amanda Wong! Ist sie ich meine " Er stockte. Sollte dieses bezaubernde kleine Mädchen etwa Jacks Kind sein? "Meine Tochter? Peter Caine, du solltest mich inzwischen doch gut genug kennen, um zu wissen, dass ich mir nichts aus Kindern mache. Nein, sie ist meine Nichte." "Was willst du von mir? Was hast du mit dem Kürbis gemacht?" Peter brauchte mittlerweile alle seine Kraft, um der Energie des Kürbisses zu widerstehen. Das Sprechen fiel ihm schwer. Die Augen des Chinesen blitzten auf. "Ich bin hier, um Tans Tod zu rächen, Priestersohn!" Er ballte die freie Hand zur Faust. "Der Sohn bringt den Vater um und wird an dieser Tat zerbrechen! So bekomme ich beide auf einen Streich! Ist das nicht ein genialer Plan?" "Nein!" flehte Peter. "Ich kann das nicht " Wong hielt den Kürbis ganz dicht vor sein Gesicht und Peter stöhnte auf. Er versuchte, die Laterne fort zu stoßen und schlug schwach und unkoordiniert um sich. "Geh schon und bringe endlich zu Ende, was du angefangen hast!" fuhr ihn Wong an und hielt die Laterne in Richtung von Kermits Büro. Peter fühlte sich wie an Fäden gezogen und kroch willenlos auf die Bürotür zu. Im Büro lag sein Vater noch immer reglos am Boden. Peter keuchte, als habe er einen Dauerlauf hinter sich. Er kniete sich neben ihn und umfasste mit zitternden Händen dessen Kehle. Doch er brachte es nicht über sich, zuzudrücken. "Nein! Ich kann das nicht!" stieß er hervor. >Tu es!< befahl die Stimme in seinem Kopf. Peter liefen die Tränen über die Wangen. Er fühlte, dass er keine Kraft mehr hatte, der Stimme länger zu widerstehen. "Verzeih mir, Vater " murmelte er. Seine Hände schlossen sich fester um Caines Kehle. "Tu das nicht, mein Sohn!" Caine hatte die Augen aufgeschlagen und sah Peter fest an. Peter zitterte vor Anstrengung am ganzen Körper. Seine Hände verkrampften sich. Caine legte ihm die Hand auf den Arm und sofort entspannte er sich etwas. Schockiert nahm Peter die Hände von Caines Hals. Mit voller Wucht wurde ihm bewusst, was er gerade im Begriff zu tun gewesen war. "Vater ich ich bitte oh. Paps, es tut mir so leid!" Aufschluchzend sank er auf Caines Brust. Caine streichelte ihm beruhigend übers Haar. Dann erhob er sich langsam. "Bleib hier. Es ist noch nicht vorbei!" Peter kauerte sich am Boden zusammen. Er war kurz davor, die Besinnung zu verlieren. **** Caine trat in das Großraumbüro hinaus. Die Uhr an der Wand zeigte dreiviertel Zwölf. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, sonst würde sein Sohn für immer im Bann des Bösen gefangen sein. "Wong! Komm raus und zeig dich mir!" rief er, Zorn in der Stimme. Jack Wong trat aus dem Schatten, den Kürbis noch immer in der Hand. "Ich hätte wissen müssen, dass dein Sohn zu feige dafür ist!" zischte er. "Nicht er ist feige, du bist es." erwiderte Caine ruhig. "Du wolltest mich, hier bin ich." Er verneigte sich leicht, ohne jedoch den Blick zu senken. Wong erwiderte die Geste knapp, beinahe unmerklich. "Du hast es so gewollt, Priester!" knurrte er, warf den Kürbis fort und griff unvermittelt an. Ein verbissener Kampf folgte. Wong war stark und hielt Caine lange stand. Die Uhr zeigte inzwischen fünf vor Zwölf. Caine musste der Sache endlich ein Ende machen, ehe es zu spät war. Er wirbelte um sich selbst und verpasste Wong einen solch heftigen Tritt ins Gesicht, dass dieser zu Boden fiel und einen Moment reglos liegen blieb. Caine war mit zwei Schritten bei der Kürbislaterne, doch ehe er darauf treten konnte, packte Wong ihn am Bein und brachte ihn beinahe zu Fall. Draußen begann eine Kirchturmuhr Mitternacht zu schlagen. eins zwei drei Caine riss sein Bein los, verpasste Wong einen schmerzhaften Tritt und wirbelte herum. acht neun zehn Caine stieß ein wütendes Gebrüll aus, holte Schwung und beim letzten Glockenschlag trat er mit solcher Wucht auf den Kürbis, dass Saft und Fruchtfleisch nach allen Richtungen spritzte und Schalenteile durch das ganze Revier flogen. Wong brüllte ebenfalls voll enttäuschter Wut. Er wusste, dass er keine Macht mehr über Peter hatte. Also rappelte er sich auf und floh Hals über Kopf aus dem Revier. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, dann war es totenstill. Caine atmete tief durch, wandte sich um und ging zurück zu seinem Sohn. **** Peter fühlte sich schlagartig erleichtert, als sein ein schweres Gewicht von seiner Brust genommen worden. Sein Atem ging ruhiger und die Stimme in seinem Kopf war fort. Langsam stand er auf und fuhr sich verwirrt durch das feuchte Haar. Er versuchte sich zu erinnern, doch er fühlte sich, als sei er eben aus einem schrecklichen Alptraum erwacht. Alles, was er erlebt hatte, war so unwirklich. Wie hatte er auch nur einen Moment daran denken können, seinen Vater Die Tür öffnete sich langsam und Peter fuhr zusammen. Erleichtert atmete er auf, als er seinen Vater erkannte. Caine trat mit besorgtem Gesichtsausdruck zu ihm. "Wie geht es dir jetzt, mein Sohn?" "Besser." antwortete Peter. "Paps ich " Caine legte ihm die Hand auf die Schulter. "Es ist vorbei. Komm, lass uns nach Hause gehen, mein Sohn."
"Paps, was geschehen ist, tut mir so leid. Alles, was ich gesagt und getan habe " Er brach ab. Seine Worte klangen hohl und leer in seinen Ohren, wie belanglose Floskeln. Was er getan hatte, war unentschuldbar. "Du bist nicht du selbst gewesen, mein Sohn." antwortete Caine ruhig. Peters Gesicht hatte einen gequälten Ausdruck. "Aber Paps, ich hätte dich beinahe getötet!" rief er verzweifelt. "Ich hätte niemals geglaubt, dass ich zu so etwas fähig wäre! Meinen eigenen Vater " Caine sah ihn offen an. "Du hast es nicht getan, denn du warst nicht fähig dazu. Genauso wenig, wie ich fähig wäre, dich zu töten." Peter schauderte bei diesen Worten. "Es war einfach furchtbar diese Stimme in meinem Kopf Ich wollte es nicht tun, aber ich konnte mich irgendwann nicht mehr dagegen wehren. Wenn du nicht aufgewacht wärst " Peter schluckte. Er wollte sich lieber nicht ausmalen, was dann geschehen wäre. Caine legte ihm die Hand auf die Schulter. "Du hast ein sehr starkes Chi, mein Sohn. Du bist ein Shaolin. So konntest du der Dunklen Macht lange genug standhalten." "Aber ich war nicht stark genug! Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen, dass ich dass ich " Er konnte es einfach nicht aussprechen. Immer noch sah er das Bild ganz deutlich vor sich, wie er seine Hände um den Hals seines Vaters legte. "Quäle dich nicht länger, mein Sohn. Ich weiß, dass du das niemals hättest tun können." "Ich bin mir da nicht so sicher." sagte Peter leise. Caine legte ihm nun beide Hände auf die Schultern
und betrachtete ihn voller Zuneigung. "Wirklich?" flüsterte Peter. Eine Träne rann über seine Wange. "Nach allem, was war?" "Meine Gefühle für dich haben sich nicht geändert." antwortete sein Vater. "Danke, Paps." erwiderte Peter. "Danke, dass du mir auch das verzeihen kannst." Caine strich ihm über die Wange. "Es gibt nichts zu verzeihen. Egal, was du sagst oder tust, ich werde dich immer lieben und dir immer vertrauen. Du bist mein Sohn." Peter zog seinen Vater dankbar an sich und Caine erwiderte die Umarmung von ganzem Herzen. *** Später saßen sie bei einer Tasse Tee zusammen und Peter schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. "Du bist so nachdenklich, mein Sohn?" Es war halb eine Frage, halb eine Feststellung. "Ja, ich denke darüber nach, was mit dieser Kürbislaterne gewesen ist. Wie konnte der Kürbis böse sein?" Es klang schon lächerlich, wenn er es nur aussprach. "Du kennst doch bestimmt die Sage von Jack of the lantern, Peter." antwortete Caine. "Ja, er hat den Teufel zweimal überlistet und wurde später nicht in den Himmel eingelassen, weil er ein schlechter Mensch war und auch nicht in die Hölle, weil der Teufel ihm versprochen hatte, seine Seele niemals zu holen. So musste seine verdammte Seele bis in alle Ewigkeit mit einer Rübenlaterne umherziehen." Er stutzte. "Moment mal! Heißt das, in dieser Laterne war auch eine verdammte Seele? Aber Jack Wong " Caine schüttelte den Kopf. "Nicht Wongs Seele." "Aber wessen dann?" "Wong wollte Tans Tod rächen. Tans Seele war in diesem Kürbis, es war auch Tan, den du gehört hast." erklärte Caine ihm. "Und wie ist sie da hinein gekommen?" wollte Peter erstaunt wissen. Caine zog eine Schulter hoch. "Sie ist verdammt wie die von Jack aus der Legende. Verdammte Seelen suchen einen Ort oder einen Menschen, den sie besitzen können. Jack Wong hat ihm beides geboten." Peter schüttelte fassungslos den Kopf. "Jack Wong. Der Mann ist alles, aber kein Killer. Und wie kommt so ein Kerl zu einer solch bezaubernden Nichte?" Dann fiel ihm noch etwas ein. "Heute ist sie übrigens mit ihrer Mutter aufs Revier gekommen. Wusstest du eigentlich, dass Jack Wong eine Schwester hat? Sie heißt Amy Wong und sie hat mir erzählt, dass sie den Namen Wong bewusst behalten hat, damit er nicht nur dem Bösen dient. Sie ist sehr unglücklich darüber, dass ihre beiden Brüder, Jack und Tommy, so missraten sind. Und es tat ihr so leid, dass Jack Amandas Geschenk für seine Zwecke missbraucht hat. Amanda hat mir eine andere Laterne gebastelt, eine aus Papier. Von Kürbissen habe ich jetzt wirklich ein für allemal genug!" Er grinste. Caine lächelte ebenfalls: Peter schüttelte noch einmal verständnislos den Kopf. "Jack Wong als Jack of the Lantern. Ich glaub`s einfach nicht!" Ende
|
Teil 1 Teil 2 zurück zum Autoren Index zurück zum Story Index
|