Neuanfang Währenddessen spielte Peter mit den Zwillingen Fangen, damit diese sich für die KungFu-Übungen auf¬wär¬men konnten. Der Lärm und das Kinderlachen lockte offensichtlich Zuschauer an, denn plötzlich kamen ein un¬ge¬fähr 5-6 jähriges Mädchen und ein etwas kleinerer Junge durch eine Lücke in der Hecke gekrochen. "Jenny! Toby! Ihr seid wieder da! Juchu!" Teresa rannte auf die beiden zu und umarmte das Mädchen, wäh¬rend Jackie gleichzeitig mit einem Freudenschrei auf den Jungen zustürmte. "Kommt mit zu Peter, der bringt uns KungFu bei! Das ist supertoll!" Sie zogen die beiden Nachbarskinder ohne weiteres Federlesen zu Peter hin. "Dürfen Jenny und Toby auch beim KungFu mitmachen?", fragte Teresa. "Gerne, wenn sie wollen", gab Peter zurück und begrüßte die beiden: "Hallo Jenny, hallo Toby, ich bin Peter. Habt ihr Lust mit uns zu spielen?" Er bemerkte, dass Jenny ein wenig ängstlich dreinschaute, und setzte hin¬zu: "Keine Angst, wir machen hier nichts Gefährliches. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch das erst einmal an¬sehen und dann entscheiden ob ihr mitmachen wollt oder nicht." Jenny überlegte ein wenig und sagte dann: "Ich möchte das schon einmal ausprobieren. Aber ich muss erst Mama Bescheid geben, dass wir durch die Hecke geschlüpft sind. Ich komme gleich wieder." Sie drehte sich um und rannte zurück; ihr Bruder machte keinerlei Anstalten ihr zu folgen, sondern lief lieber mit Jackie zum Klettergerüst, Teresa sofort hinterher. Kurze Zeit später kam Jenny wieder, diesmal durch das Gartentor und in Begleitung einer blonden jungen Frau, deren Gesichtszüge wie bei Peter keinerlei Anzeichen auf asiatische Herkunft aufwiesen. Sie ging auf Peter zu, reichte ihm die Hand und stell¬te sich in fast akzentfreiem Chinesisch vor: "Guten Tag, ich bin Samantha Ho. Wir wohnen nebenan. Sie sind der KungFu-Lehrer, nicht wahr?" Peter schüttelte ihre Hand. "Peter Caine, freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin für ein paar Tage bei Mai-Lin und ihrer Familie zu Besuch." "Und Sie bringen den Kindern KungFu bei? Bitte verzeihen Sie mir meine Neugier, aber als Jenny das er¬wähn¬te, musste ich gleich mal mitkommen und Sie fragen, ob ich da vielleicht einmal zuschauen dürfte? Ich hat¬te nie Gelegenheit KungFu-Kurse zu belegen (ich kämpfe ja immer noch mit dem Erlernen der chine¬si¬schen Sprache und Kultur, da habe ich für so schwierige Dinge wie Kampfsport keine Zeit), aber es inter¬es¬siert mich sehr", erwiderte Samantha mit entwaffnender Offenheit. "Bitte sehr, Sie können gerne zuschauen. Oder auch mitmachen, ganz wie Sie wollen", lud Peter sie ein, aber sie lehnte ab: "Nein, vielen Dank, vorerst beschränke ich mich lieber aufs Zusehen." Der 'Unterricht' begann. Peter machte mit den Kindern ein paar einfache Übungen zum geschickten Hin¬fal¬len, die die Zwillinge schon recht gut konnten, die aber auch Jenny und Toby schnell lernten. Dann zeigte er ihnen einen Griff, wie sie einer zuschlagenden Hand ausweichen und diese dann zu sich herziehen konn¬ten, damit ein eventueller Angreifer aus dem Gleichgewicht geriet. Bevor die Konzentration der Kinder nach¬ließ, spiel¬ten sie alle noch eine kurze Runde 'Versteinern'. Schließlich rief Peter: "So, ihr Räuberbande,
jetzt ist Schluss für heute. Kommt kurz mit rein, ihr solltet alle
et¬was trinken. Dann könnt ihr wieder raus und weiterspielen."
Er ging voraus in die Küche und bereitete ein leckeres Getränk
aus Fruchtsaft und Mineralwasser zu. Alle stillten ihren Durst, und während
Peter die Glä¬ser in die Spülmaschine räumte, stürmten
die Kinder wieder ins Freie. Samantha wandte sich Peter zu und frag¬te:
Peter lachte: "Gar nichts, der Unterricht ist kostenlos. Allerdings müssten Sie dafür nach Sloanville kommen, das wäre dann vermutlich doch etwas zu teuer. Ganz abgesehen von der langen Flugzeit." Samantha stimmte in sein Lachen ein. Dann fragte sie: "Der Unterricht ist kostenlos? Dann machen Sie das gar nicht beruflich?" "Oh nein, ich bin Shaolinpriester", erklärte Peter. "KungFu gehört zwar zu meinem täglichen Leben, aber nur für mich persönlich, nicht als Mittel zum Geldverdienen. Hauptsächlich bin ich damit beschäftigt, bei einem alten Freund so viel wie möglich über chinesische Medizin und über Heilkräuter zu lernen, denn ich füh¬re ver-tretungsweise die Apotheke meines Vaters. Neben meiner eigentlichen Arbeit gebe ich nur einen einzigen KungFu-Kurs, im Studio einer Freundin. Für mehr hätte ich gar keine Zeit." Samanthas Augen wurden kugelrund vor Bewunderung. "Wow! Sie sind Shaolinpriester! Wie Meister Feng, der Apotheker – kennen Sie ihn?" Peter nickte. "Aber ja, ich war schon mehrmals bei ihm und habe mir eine Teemischung für Mai-Lins Gro߬mut¬ter, Mrs. Cheng, machen lassen und Kräuter für John besorgt, damit er schneller wieder auf die Beine kommt." "Was sagen Sie da – ist John krank? Was hat er denn, und wie geht's ihm?", fragte Samantha bestürzt und füg¬te als Erklärung hinzu: "Sie müssen wissen, dass wir erst gestern Abend aus dem Urlaub zurück¬gekom¬men sind. Ich hatte ja keine Ahnung..." Schnell beruhigte Peter sie: "Vor einer guten Woche hatte John einen Autounfall. Aber ihm ist nicht viel pas¬siert, er wurde vorgestern bereits wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Deshalb bin ich überhaupt erst hier¬her gekommen – eigentlich sollte John Mrs. Cheng in Sloanville abholen, statt dessen habe ich sie her¬be¬gleitet und bleibe noch ein paar Tage, bis sie sich eingewöhnt hat und bis John sich erholt hat. Ich helfe ein bisschen aus." "Als Kindermädchen und KungFu-Lehrer, nicht wahr?", lachte Samantha. Doch dann wurde sie wieder ernst. "Schade, dass Sie nicht hier wohnen! So jemanden wie Sie könnte mein Mann gut gebrauchen. Lee ar¬bei¬tet in einer Einrichtung für verhaltensgestörte Kinder und Jugendliche, er organisiert Anti-Aggres¬sions¬pro¬gram-me und ist immer froh um Trainer, die einen guten Draht zu den Kids aufbauen und dann bei Schwie¬rig¬kei¬ten helfen können. So ein bisschen wie Sozialarbeiter mit extra Sportausbildung, etwa in Boxen, Tae-Kwon-Do oder KungFu. Nach dem, was ich gerade gesehen habe, wären Sie da goldrichtig." * An diesem Abend verabschiedete sich Peter viel früher als sonst, denn er wollte über einen Einfall nach¬den¬ken, der ihm während des Gesprächs mit Samantha gekommen war. KungFu als Hilfe für so genannte Pro¬blem-Kids, auf diese Idee war er noch gar nicht gekommen. Aber sie gefiel ihm. Sehr sogar. Nicht nur als The¬ra-pieform, um weiteres Abrutschen bereits aktenkundig gewordener Jugendlicher zu verhindern, sondern viel¬leicht auch im Vorfeld – für potenzielle Täter wie Opfer gleichermaßen. Für die einen als Anti-Aggres¬sions¬pro¬gramm, für die anderen zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins. Wie hatte Samantha es genannt? 'Sozial¬ar¬bei¬ter mit ex¬tra Sportausbildung' - so etwas würde er gerne in Sloanville aufziehen, wenn ihm neben der Arbeit in der Apo¬theke genügend Zeit blieb. Oder er sie wieder an seinen Vater abtreten konnte. Die Apo¬the¬ker¬pflichten la¬gen ihm ja nach wie vor am meisten auf der Seele; alle anderen Shaolin-Tätigkeiten machte er sehr gerne, aber mit der leidigen Apotheke konnte er sich immer noch nicht so recht anfreunden! Trotz all sei¬ner Fortschritte auf diesem Gebiet fühlte er sich immer noch unsicher, auch wenn Lo Si ihm regelmäßig ver¬sicherte, dass er Talent in dieser Beziehung habe und ihn ermahnte, Ge¬duld mit sich selbst zu haben. Als Peter gerade die Haustür schloss und die Treppe zu seinem Zimmerchen hinuntergehen wollte, öffnete sich die Tür zu Deng Sungs Wohnung. Dieser trat heraus und wünschte Peter freundlich einen schönen Abend. Der jun¬ge Shaolin dachte erst, er habe sich verhört. Freundlichkeit von seinem Nachbarn, das war ja noch nie passiert. Doch dann be¬merk¬te er eine deutliche Veränderung in der Haltung seines Gegen¬übers – sonst schlug ihm stets eine Welle der Ablehung entgegen, jetzt spürte er nur Un¬sicher¬heit und auch eine ge¬wis¬se Ver¬le¬genheit. Also erwiderte er den Gruß und fügte hinzu: "Kann ich etwas für Sie tun?" "Würden Sie mir den Gefallen tun und mir bei einer Tasse Tee Gesellschaft leisten? Ich möchte...", Deng Sung zögerte kaum merklich, "Sie um Verzeihung bitten für mein Verhalten, und ich würde mich freuen, wenn Sie mir die Gelegenheit gäben, es so weit wie möglich wieder gutzumachen." Eigentlich hatte Peter ja in Ruhe über seine Idee nachdenken wollen, aber diese Bitte konnte er auf keinen Fall abschlagen. Er wollte es auch gar nicht, war er doch froh über diese Chance, mit Deng Sung Frie¬den zu schlie¬ßen. Deshalb zögerte er keine Sekunde, sondern nahm die Einladung an und ließ sich ins Wohn¬zim¬mer führen, wo der Teetisch bereits gedeckt war. Während Deng Sung in der Küche den Tee zubereitete, sah Peter sich ein wenig in dem geschmackvoll ein¬ge¬rich¬te¬ten Raum um. Auf einem Sekretär standen einige gerahmte Photographien, anscheinend Bilder von Deng Sungs Familie. Peters Blick fiel auf das Portrait einer wunderschönen jungen Frau von etwa Mitte zwan¬zig. Auf ihren Lippen lag ein melancholisches Lächeln, doch ihr Blick verriet unendliche Trau-rig¬keit. Die¬ser Blick zog den jungen Shaolin magisch an. Peter stand auf um sich das Bild näher zu be¬trachten. Die jun¬ge Frau musste todunglücklich gewesen sein, als diese Aufnahme gemacht wurde, er konn¬te ihre Traurigkeit ganz deutlich spüren. Ihn schauderte unwillkürlich. "Ihr Name war Cho. Sie war mein Ein und Alles."
Sein Gastgeber war unbemerkt hinter ihn getreten. Er nahm das Bild in
die Hand und betrachtete es zärtlich und zugleich voller Trauer,
bevor er es wieder zu¬rück¬stellte. "Was ist passiert?", fragte Peter leise. Er spürte ganz deutlich, dass diese Frau der Schlüssel war zu Deng Sungs Verbitterung, und damit auch zu seinem bisherigen abweisenden Verhalten. Der alte Mann antwortete nicht, mit einer kleinen Handbewegung bat er den jungen Shaolin sich wieder zu set¬zen. Erst als beide mit Tee versorgt waren, sprach er wieder. "Sie hat sich umgebracht, weil sie nicht damit fertig wurde, für einen gewissenlosen Schwindler ihre Familie ver¬lassen zu haben." Langsam, fast wider Willen, immer wieder um die richtigen Worte rin¬gend, erzählte Deng Sung vom Leben seiner Tochter, sprach über ihre Verzweiflung und sei¬ne eigenen Schuld¬gefühle. "Sie kam zu mir, erzählte mir von den Schwierigkeiten mit ihrem Mann, und was habe ich ge-tan? Ich habe sie nicht ernst genommen, habe sie mit ober¬flächlichen Ermahnungen wieder weggeschickt, weil ich so in der Tra¬dition gefangen war und die Verantwortung für Probleme allein bei der Ehefrau gesehen habe. Wie konn¬te ich nur! Hätte ich ihr besser zugehört anstatt ihr die althergebrachten Pflichten einer guten chinesischen Ehe¬frau und Mut¬ter aufzuzählen, ware das alles nicht passiert! Dann wäre sie nicht auf die verlogenen Schmei¬cheleien die¬ses Ver¬bre¬chers hereingefallen! Warum habe ich nicht gesehen wie groß ihre Ver¬zweif¬lung war? Warum hat sie sich und uns das angetan, wie verlassen muss sie sich gefühlt haben!" Er wusste selbst nicht, wieso er seinem Gast das alles erzählte, wieso er über Dinge sprach, die er seit einer hal¬ben Ewigkeit tief in sich verschlossen hatte und an denen er nie rührte. Aber er merkte, es tat gut, mit je¬man¬dem darüber zu sprechen, der ehrlich Anteil nahm und einfach zuhörte, ohne Vorverurteilung und ohne ihm einen Ratschlag oder eine Lösung aufzwingen zu wollen, wo es keine gab. Seine Schuld wurde dadurch nicht geringer; aber alleine die Tatsache, dass er sie laut aussprach, machte es ein winziges bisschen leichter sie anzunehmen. Seine Heilung hatte endlich begonnen.
Als Peter am nächsten Morgen aufwachte, wusste er im ersten Moment gar nicht, ob er das Geschehen vom Vor¬abend nur geträumt hatte oder ob es wirklich passiert war. Hatte sein sonst so abweisender Nachbar mit ihm wirklich bis tief in die Nacht über seine Schuldgefühle gesprochen, die er wegen des Todes seines ein¬zi¬gen Kindes schon fast 20 Jahre lang mit sich herumschleppte? Er horchte in sich hinein. Ja, es war kein Traum, es war Wirklichkeit. Mr. Sung, der ihn noch am Nachmittag sei¬ne Ablehnung deutlich hatte spüren lassen, war am Abend wie ausgewechselt gewesen und hatte ihm sehr persönliche Dinge anvertraut, sich vollkommen geöffnet. Der junge Shaolin empfand tiefe Dankbarkeit für Deng Sungs Vertrauen und auch dafür dass er, Peter, we¬nigs¬tens ein bisschen hatte helfen können. Chos Selbstmord konnte niemand mehr ungeschehen machen, aber vielleicht gelang es ihrem Vater, seinen Anteil daran – ob real oder eingebildet – zu ak¬zep¬tie¬ren und so mit seinen Schuldgefühlen fertigzuwerden. Den ersten Schritt dazu hatte er gestern getan, der Rest wür¬de hof¬fent¬lich mit der Zeit auch kommen. Peter wünschte es ihm von Herzen. Er konnte sich auch denken, worauf der plötzliche Gesinnungswechsel bei seinem Nachbarn zurückzuführen war: Mai-Lins Großmutter hatte sich gestern Nachmittag sehr lange mit Deng Sung unterhalten. Auf ihrem täg¬lichen Spaziergang durch den nahegelegenen Park waren sie ungestört, da konnte Peter er sie darauf an¬spre¬chen und ihr danken. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Wirt, sprich Deng Sung, gemacht. Der hatte nämlich genau das Glei¬che vor und kam kurz nach dem Frühstück auf Besuch vorbei. Als er hörte, dass Li-Yu sich gerade für einen Spaziergang fertigmachte, bot er galant seine Begleitung an. Da Peter bemerkt hatte, dass die beiden äl¬te¬ren Herrschaften einander sehr sympathisch fanden, fiel ihm plötzlich ein, dass er für Mai-Lin noch ganz drin¬gend etwas erledigen musste und deshalb ihre Großmutter leider nicht in den Park begleiten konnte. Ob Mr. Sung vielleicht so freundlich wäre? Kurze Zeit später kehrte Stille im Haus ein. Die Zwillinge verbrachten den Vormittag bei Jenny und Toby, und John fuhr zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus, ins 'County General'. Seine Kopf- und Nackenschmerzen wa¬ren dank Peters Hil¬fe fast vollständig verschwunden, deshalb fuhr er selbst mit Mai-Lins Wagen statt den Bus zu neh¬men oder sich von Peter chauffieren zu lassen. Dieser machte ein paar Besorgungen für Mai-Lin; als er nach etwa einer halben Stunde zurückkam, öffnete ihm niemand auf sein Klingeln hin. Das war nicht unbedingt ungewöhnlich – wenn Mai-Lin im Dachgeschoss oder im Keller war, konnte sie das Läuten leicht überhören. Dennoch war Peter beunruhigt. Er hatte auf ein¬mal das Gefühl, etwas sei nicht in Ordnung. Er musste unbedingt ins Haus. Da er keinen Schlüssel für die Tür hatte, benutzte er einen Shaolintrick, um das Schloss aufzubekommen. Kaum hatte er das Haus betreten, als er einen fürchterlichen Schreck bekam: Mai-Lin lag reglos am Fuß der Trep¬pe, ein Bein unnatürlich verdreht. Blut sickerte aus einer Wunde an der Stirn. Offensichtlich war sie die Trep¬pe herun¬ter¬gefallen und hatte sich den Kopf angeschlagen. Peter lief zu ihr hin. Er sah auf den ersten Blick, dass sie be¬wusst¬los war und brachte sie in die stabile Seitenlage. Dann ließ er seine Hände über ihren Kör¬per gleiten, so wie er es unzählige Male bei seinem Vater und bei Lo Si gesehen hatte. Aber er war zu auf¬geregt und konnte nichts spüren. So ging das nicht, er musste sich erst beruhigen, sonst konnte er ihr nicht helfen. Er rief sich zur Ordnung. *Keine Panik, Peter! Atme tief durch und konzentriere dich. Gut so. Jetzt mach es noch einmal. Du kannst das, du hast es mit Lo Si geübt. Konzentriere dich.* Diesmal funktionierte es. Der junge Shaolin konnte spüren, dass die Kopfwunde nur oberflächlich war und auch der Knöchel nur verstaucht war. Mai-Lin hatte jedoch innere Blutungen erlitten, die zu stillen Peter sich nicht zu¬traute. Soviel Erfahrung hatte er noch nicht. Also griff er zum Telefon, wählte 911 und schilderte die Situ¬a¬ti-on. Dann kehrte er zu Mai-Lin zurück, ergriff ihre Hand und schloss die Augen. Er konzentrierte sich ganz da¬rauf, ihr Chi, ihre Lebenskraft, zu stärken. Wenig später begannen ihre Lider zu flattern und sie öffnete langsam die Augen. "Was... was ist passiert?" "Schhh, ganz ruhig. Du bist die Treppe heruntergefallen und hast dir den Kopf angeschlagen und den Fuß verknackst. Ich habe den Notarzt angerufen, der wird bald hier sein und dich untersuchen", erklärte Peter, unwillkürlich ins vertrautere 'Du' verfallend statt des bisherigen 'Sie'. "Hast du irgendwo Schmerzen?" "Nein, nur fürchterliches Kopfweh, und mir ist schlecht", stöhnte Mai-Lin. Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Ge¬danke. "Mein Baby! Ist meinem Baby etwas passiert?" – "Nein, deinem Kind geht es gut, ich kann keine Ver¬letzung spüren. Das Baby hat den Sturz besser überstanden als du, mach dir keine Sorgen", versuchte Peter sie zu beruhigen. "Dem Himmel sei Dank!", atmete sie erleichtert auf. Im nächsten Augenblick entfuhr ihr erneut ein Stöhnen. Peter fragte: "Kannst du dich ein wenig aufrichten? Das lindert oft die Kopfschmerzen und die Übelkeit." Er setzte sich hinter sie. "Komm, lehn dich an mich, dann ist es leichter." Kurz darauf kam der Rettungswagen. Peter trat zur Seite, damit Mai-Lin besser versorgt werden konnte. Der Not¬arzt brauchte nicht lange für die Untersuchung, dann trat er zu Peter und erklärte leise, damit Mai-Lin ihn nicht hörte: "Wir nehmen sie mit und bringen sie ins 'County Ge¬ne¬ral'. Wenn sich der Verdacht auf innere Blutungen bestätigt, müssen wir das Kind mit Kaiserschnitt holen, bevor wir die Mutter ope¬rieren können. Wie weit fortgeschritten ist die Schwangerschaft?" "Soweit ich weiß soll das Kind in etwa drei Wochen kommen. Kann ich mit Ihnen mitfahren?" "Nein, das geht nicht. Kommen Sie mit dem Auto nach." In diesem Moment rief Mai-Lin panisch: "Peter! Peter, was ist los? Ist etwas mit meinem Baby? Warum spricht der Arzt so lange mit dir? Was verheimlicht er mir?" Automatisch ergriff der junge Shaolin ihre Hand mit der Rech¬ten und legte seine Linke auf ihre Stirn. "Gar nichts, dem Baby geht es gut, aber du musst ins Kran¬ken-haus, zur Untersuchung. Sie wollen sichergehen, dass dir nichts fehlt. Du weisst doch, nur wenn mit dir alles in Ordnung ist, geht es auch dem Baby gut." Sein ruhiger Tonfall und die Sicherheit, die er ausstrahlte, beruhigten Mai-Lin sofort. Als der Arzt das sah, än¬der¬te er seine Meinung und erlaubte Peter mitzufahren. Während Mai-Lin auf eine Trage gebettet und zum Rettungswagen gebracht wurde, holte Peter ihre Kran¬ken¬haus¬tasche, die bereits seit einer Woche fix und fertig gepackt im Flur stand, und schrieb schnell ein paar Zei¬len für Mrs. Cheng und Mr. Sung. (Er hoffte, dass der Nachbar besser Englisch lesen konnte als Mai-Lins Großmutter, denn mit Peters Kenntnissen der chinesischen Schriftzeichen war es nicht weit her; er hatte prak¬tisch erst jetzt als Shaolin angefangen, die Schrift richtig zu erlernen.) Dann schloss er die Haustür, befestigte den Zettel und eilte zum Rettungswagen, in den die Trage gerade ver¬laden wurde. Er stieg ein, die Türen wurden geschlossen, und mit Blaulicht und Martinshorn brauste der Not¬arztwagen los Richtung Krankenhaus. * In der Notaufnahme wurde Mai-Lin eilends Richtung OP geschoben, während Peter zurückblieb und den Ver¬waltungskram erledigen sollte. Er bat die Schwester an der Aufnahme jedoch, erst einmal John zu ver¬stän¬digen, da der bestimmt noch bei der Nachuntersuchung war. Dann wandte er sich den Auf¬nah¬me¬for¬mu¬la¬ren zu. Wenige Minuten später kam John aufgeregt angelaufen. Er eilte auf Peter zu und fragte aufgeregt: "Was ist pas¬siert? Was ist mit Mai-Lin und dem Baby?" "Sie wird gerade untersucht", gab Peter Auskunft. "Genaueres weiß ich auch nicht. Sie ist die Treppe herun¬ter¬gefallen und hat das Bewusstsein verloren. Als ich vom Einkaufen nach Hause kam, habe ich sie ge¬fun¬den und den Notarzt verständigt. Der hat sie hergebracht, um abzuklären ob sie innere Blutungen hat. Im Mo¬ment wird sie noch untersucht." Dass er die innere Blutung genau wahrgenommen hatte, verschwieg er vorerst lieber, er musste John nicht auch noch zusätzlich beunruhigen. Wie auf ein Stichwort hin trat jetzt ein Arzt aus der Tür zum OP-Bereich, kam auf sie zu und fragte: "Ist einer von Ihnen beiden John Wong?" John trat vor. "Ja, das bin ich. Wie geht es meiner Frau und meinem Kind?" Der Arzt sagte mit ernster Miene: "Dr. Snyder. Ihrem Kind geht es gut. Ihre Frau hingegen hat innere Ver¬let¬zun¬gen er¬lit¬ten. Sie sind nicht so schlimm wie es zuerst den Anschein hatte, aber müssen operieren um das ver¬letzte Blutgefäß wieder zu nähen. Leider geht das nicht so einfach, denn das Baby ist im Weg; deshalb müs-sen wir zuerst einen Kaiserschnitt machen und das Kind holen, bevor wir die ei¬gent-liche Operation an Ihrer Frau durchführen können. Ihre Frau sagte dem Rettungsteam, dass sie bereits in der 38. Schwan-gerschaftswoche ist; da ist das Kind voll entwickelt und lebensfähig, es besteht also keine Gefahr, wenn wir es vorzeitig holen. Im Moment wird der Kaiserschnitt vorbereitet; dieser Eingriff geht ganz schnell, und wir können unmittelbar danach damit be¬gin¬nen, die beschädigte Ader wieder zu flicken. Wir sind in etwa 5 Minuten bereit. Ich brauche nur Ihr Ein¬ver¬ständ¬nis, und wir können loslegen." John war bei den Worten des Arztes zuerst fürchterlich
erschrocken. Als er jedoch hörte, dass zumindest für das Baby
keine Gefahr bestand, gab er sein Einverständnis sofort. Der Arzt
eilte zurück in den OP-Bereich. * Keine zehn Minuten später öffnete sich die Tür erneut und eine lächelnde Krankenschwester trat heraus. Peter und John eilten auf sie zu. "Mr. Wong?" - "Das bin ich." Unwillkürlich hielt John die Luft an. Die Krankenschwester strahlte ihn geradezu an. "Gratuliere, Sie sind soeben Vater eines strammen Jungen geworden. Dem Kind geht es gut. Möchten Sie mitkommen und ihren Sohn sehen?" John stieß erleichtert die Luft wieder aus. "Ja, ja, natürlich. Wie geht es meiner Frau?" Die Schwester schüttelte bedauernd den Kopf. "Es tut mir leid, das kann ich nicht sagen. Sie wird gerade ope¬riert, mehr weiß ich nicht. Sobald die OP vorbei ist, wird Ihnen der behandelnde Arzt Genaueres sagen können." Peter legte John die Hand auf die Schulter. "Gehen Sie ruhig zu Ihrem Sohn. Ich bleibe hier und warte." "Danke, Peter! Ich weiß nicht, was wir ohne Sie täten!" John folgte der Krankenschwester, während Peter allein zurückblieb. * Während John bei seinem Kind war, kam Deng Sung mit Li-Yu Cheng in die Notaufnahme. Er hatte Peters Zet¬tel gelesen und hatte Li-Yu sofort ins Krankenhaus gefahren. Die alte Dame war völlig aufgelöst, Peter konn¬te sie jedoch relativ schnell beruhigen. Etwa eine Stunde später, John war längst wieder da, kam Dr. Snyder auf sie zu, ein erschöpftes Lächeln im Gesicht. Der ängstlich wartenden Gesellschaft fiel ein Stein vom Herzen. "Ich habe gute Nachrichten. Ihre Frau hat den Eingriff gut überstanden. Sie hat Glück gehabt, dass sie so bald nach ihrem Sturz gefunden wurde und dass wir so schnell operieren konnten; eine halbe Stunde später, und es hätte sehr böse ausgesehen. So aber wird sie – wenn keine Komplikationen eintreten – bald wie¬der auf den Beinen sein. Natürlich muss sie sich in der ersten Zeit noch schonen." "Kann ich zu ihr?", fragte John. "Jetzt noch nicht, sie ist gerade im Aufwachraum. Sobald sie in ihr Zimmer gebracht wird, können Sie sie ganz kurz besuchen. Ich schätze, es wird in etwas einer halben Stunde so weit sein. Eine Schwester wird Sie dann abholen. Aber bitte nur Sie, keine weiteren Besucher. Ich würde vorschlagen, die anderen Herr¬schaf¬ten fahren einfach wieder nach Hause, sie können hier ohnehin nichts tun." Peter sagte zu John: "Wir kümmern uns um Ihre Schwiegeroma und die Zwillinge, machen Sie sich keine Sorgen." An Dr. Sny¬der gewandt, fuhr er fort: "Vielleicht könnte Mrs. Cheng ihren Urenkel kurz sehen, wäre das möglich?" Dieser nickte. "Aber ja, selbstverständlich. Kommen Sie mit, hier entlang." * Als John schließlich nach Hause kam, hielten die Kinder gerade Mittagsschlaf, und Peter hatte auch ihre er¬schöpfte Ur¬oma dazu gebracht, sich für ein halbes Stündchen aufs Ohr zu legen. Dann hatte er sich selbst eine kurze Meditation gegönnt, um auf diese Weise 'aufzutanken'. Nun stand er gerade in der Küche, um einen Imbiss für den frischgebackenen Vater herzurichten, denn er ver¬mu¬tete zu Recht, dass dieser im Krankenhaus nichts gegessen hatte. Er zwang sich dazu, John nicht gleich mit Fragen zu überfallen, sondern ihn erst einmal in Ruhe zu lassen. Dankbar nutzte dieser die Ge¬le¬gen¬heit, etwas zu verschnaufen. Dann berichtete er, wie es Mai-Lin ging, und fügte hinzu, plötzlich sehr schüch¬tern wirkend: "Mai-Lin und ich wissen, dass wir Ihnen gar nicht genug danken können dafür, dass Sie ihr das Leben gerettet haben. Deshalb wollten wir Sie fragen, ob Sie etwas dagegen haben, dass wir unseren Sohn Peter nennen?"
An diesem und am nächsten Tag durfte Mai-Lin noch keinen Besuch empfangen, außer John natürlich, der so lange wie möglich im Krankenhaus blieb. Aber zwei Tage nach seiner Geburt konnten Teresa und Jackie und ihren 'neuen' Bruder endlich besuchen. Aufgeregt plappernd trippelten sie neben ihrem Vater den Gang zur Babystation entlang, wo der kleine Peter deinen Großteil des Tages ver¬brach¬te, weil seine Mutter noch zu schwach war, ihn alleine zu versorgen. Er wurde jedoch regelmäßig zum Füttern und anschließendem Kuscheln zu Mai-Lin gebracht, da¬mit die beiden so viel Zeit wie möglich mit¬einander verbringen konnten. Und wenn John, so wie jetzt, seine Frau be¬such¬te, führte ihn der Weg als ers¬tes zu seinem Sohn, den er dann in seinem fahrbaren Kinderbettchen zu Mai-Lin schob. Am Eingang zur Babystation wurde er von der Stationsschwester begrüßt: "Guten Tag, Mr. Wong. Sie wollen zu Ihrem Kleinen? Den haben wir gerade eben zum Stillen zu seiner Mutter gebracht. Es tut mir leid dass Sie umsonst hier vor¬bei¬gekommen sind. Ihr seid Peters große Geschwister, nicht wahr?", wandte sie sich an die Zwillinge. "Ja, ich bin Teresa" – "Und ich Jackie. Passt du auf unser Baby auf?" Die Schwester nickte. "Ja, und auf alle anderen Babies auch. Wir haben gerade fast 20 Babies auf der Station." "Ui!", staunte Teresa. "Dürfen wir die mal sehen?" Doch ihr Vater meinte: "Ich denke wir gehen besser zu Mama und zu eurem Brüderchen. Mama freut sich schon sehr auf euch." "Ja, ja! Ich will zu Mama", rief Jackie. Also gingen die drei weiter zur Wöchnerinnenstation gleich nebenan. Als sie vor Mai-Lins Zimmer angekommen waren, ermahnte John sie, recht leise zu sein, um das Brüder¬chen nicht zu erschrecken, dann klopfte er an und öffnete die Tür. Auf Zehenspitzen schlichen die Zwillinge in den Raum und zu Mai-Lin hinüber, die noch mit Stillen beschäftigt war. Andächtig und mit großen Augen sahen sie zu, wie das Brüderchen trank. Als der Kleine satt war und sein Bäuerchen gemacht hatte, reichte seine Mutter ihn weiter an John, damit sie in Ruhe ihre "Großen" begrüßen konnte. Die kletterten zu Mai-Lin ins Bett und schmiegten sich an sie. Bald je¬doch wollten die Kinder ihr Brüderchen genauer betrachten, deshalb legte John das Baby in Mai-Lins Schoß. Vorsichtig, als ob sie Angst hätten, etwas kaputt zu machen, streichelten die Zwillinge ihm über die Wan¬gen und wurden durch ein kurzen Öffnen der blauen Babyaugen belohnt. "Er hat mich angeschaut!" – "Mich auch! Und er ist überhaupt nicht schrumpelig! Jenny hat gesagt, dass kleine Babies oft ganz zer¬knautscht und verschrumpelt aussehen. Ich finde, er ist sogar ganz hübsch", stellte Teresa fest. Ihren Bruder beschäftigte ein ganz anderer Gedanke: "Schau mal, was für winzige Finger der hat! Er ist überhaupt ganz, ganz klein. Waren wir auch mal so klein, Mama?" "Ach du Dummerle, wir haben doch mit Papa gestern die Photos angesehen als wir Babies waren. Da waren wir auch ganz klein drauf", stellte Teresa altklug fest, worauf Jackie ihr die Zunge herausstreckte. "Bäh!" Bevor daraus ein Streit entstehen konnte, warf Mai-Lin schnell ein: "Ihr beide wart sogar noch ein bisschen kleiner als Peter, denn ihr habt euch ja den Platz in meinem Bauch geteilt. Peter war ganz allein drin, da hatte er viel mehr Platz zum Wachsen als ihr." "Der hat's gut!", seufzte Jackie, während Teresa der kleine Bruder leid tat: "Ach der Arme, ganz allein! Hoffentlich hat er da keine Angst bekommen!" Mai-Lin lächelte und strich ihrer Tochter übers Haar. "Nein, nein, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, er war ja nicht ganz allein. Ich war doch da, das hat er ganz genau gespürt. Leg mal dein Ohr hierher auf meine Brust. Hörst du etwas?" "Da klopft was. Ist das dein Herz?" "Ja, das ist mein Herz. So wie du es jetzt klopfen hörst, hat euer Brüderchen das auch gehört, in meinem Bauch. Und er hat auch eure Stimmen gehört und euch gespürt, wenn ihr beim Kuscheln meinen Bauch gestreichelt habt", erklärte Mai-Lin. "Wisst ihr noch, wie er dann manchmal zurückgeklopft hat?" "Das war lustig", erinnerte sich Jackie. "Da hast du eine große Beule bekommen." "Hihi, die Beule war Peter", lachte Teresa. "A propos Peter – wo ist er denn? Wollte er nicht mitkommen?" John erklärte: "Er wollte uns erst ein bisschen Zeit zu fünft gönnen und geht deshalb noch bei Meister Feng vorbei. Ich glaube, er bringt dir Kräuter oder Tee mit." Ein leichtes Grinsen überzog sein Gesicht. "Dann kommst du auch mal in den Genuss dieses bitteren Zeugs. Es hilft ja wunderbar – aber muss es wirklich so schlecht schmecken?" Im selben Moment klopfte es an der Tür. Es war Peter, der tatsächlich eine Tüte mit Tee in der Hand hielt und eine Packung chinesischer Süßigkeiten. Die Zwillinge sprangen vom Bett und liefen auf ihn zu. "Peter! Peter! Komm und schau dir unser Baby an!" Sie zogen ihn zu Mai-Lin, die ihn lächelnd begrüßte: "Wie schön dass du da bist! Darf ich dir unseren Sohn vorstellen, Peter Wong?" Sie hielt den Kleinen hoch, damit Peter ihn besser betrachten konnte. "Möchtest du ihn einmal halten?" "Darf ich wirklich?", fragte Peter mit vor Rührung heiserer Stimme. Statt einer Antwort legte sie ihm den Kleinen in die Arme, der ihn einmal mit großen Augen ansah, das Ge¬sicht zu einem Gähnen verzog und die Augen wieder schloss. Peter musste schlucken. Das Gefühl, ein so winziges, hilfloses Wesen im Arm zu halten, das sich in be¬din¬gungs¬losem Vertrauen an ihn schmiegte, war unbeschreiblich. Und dieses Menschlein würde seinen Namen tragen, sollte nach ihm, Peter Caine, benannt werden! Ungefragt erschien ein Bild vor seinem inneren Auge: Mary und er in einem Café, vor über zwei Jahren, Jamie im Kinderwagen neben sich, Marys Stimme: "Möchtest du Jamies Patenonkel werden?" Das gleiche warme Glücksgefühl, das er damals empfunden hatte, durchströmte ihn auch jetzt. Peter spürte, wie seine Augen feucht wurden. Er musste sich räuspern, um überhaupt einen Ton heraus¬zu¬bringen: "Hallo, kleiner Peter." Er strich ihm über die Wange, dann reichte er ihn wieder Mai-Lin. "Warum weinst du denn?" hörte er plötzlich Jackie fragen. Leicht verlegen wischte er sich die Träne ab, die über seine Wange gerollt war. "Ich habe gerade an mein Patenkind gedacht und daran, wie schnell die Zeit vergeht. Jamie ist so alt wie ihr, aber als ich ihn kennengelernt habe, war er auch ein Baby. Ein bisschen älter als euer Brüderchen, aber noch ein Baby. Und jetzt lernt er schon KungFu." "Genau wie wir!"– "Erzählst du uns von Jamie?" Peter nickte. "Ja, gerne. Aber ich glaube, das machen wir lieber zu Hause. Wollen wir zu Uroma Li-Yu gehen und ihr von eurem kleinen Bruder erzählen?" Peter hatte gespürt, dass Mai-Lin müde wurde, und er hatte ohnehin mit John abgesprochen, dass er die Zwillinge wieder mit nach Hause nehmen würde, damit John etwas länger bei seiner Frau bleiben konnte. Also verabschiedeten sich die beiden von ihren Eltern und von dem 'neuen' Bruder, der das schon gar nicht mehr mitbekam, weil er gerade am Einschlafen war. Als sich die Tür hinter den dreien schloss, hörten Mai-Lin und John noch Jackie fragen: "Hast du gesehen wie er mich angeschaut hat?"
Während der nächsten Tage hatte John jede Menge zu tun. Er war Inhaber einer erfolgreichen kleinen Firma und musste sich nun dringend wieder um seine Geschäfte kümmern. Zwar konnte er sich stets auf seine Belegschaft verlassen, doch war er schon seit fast zwei Wochen – seit seinem Unfall – nicht mehr dort gewesen. Es hatten sich etliche Dinge angehäuft, die erledigt werden wollten. Gleichzeitig wollte er soviel Zeit wie möglich im Krankenhaus bei seiner Frau und zu Hause bei seinen Kindern verbringen. Und eine Haushaltshilfe musste er auch noch suchen, als Unterstützung für Mai-Lin. Sie erholte sich zwar recht schnell (wozu garantiert auch die scheußlichen Tees und Kräutermischungen beitrugen, die Peter und Meister Feng für sie herstellten), aber die Ärzte hatten unmissverständlich klargemacht, dass sie in den nächsten Wochen auf keinen Fall schwer arbeiten dürfte, wenn sie nicht riskieren wolle dass die Operationsnarben wieder aufplatzten. Als John an das Gespräch mit Dr. Snyder dachte, musste er nachträglich noch den Kopf schütteln. *Ideen haben diese Ärzte! Der Gute mag ja Recht haben, wenn er sagt dass Mai-Lin keinesfalls etwas Schweres heben darf; aber wie sie das in der Praxis machen soll, wenn sie den Haushalt führen, drei Kinder betreuen und sich auch noch um ihre Großmutter kümmern muss, wusste er natürlich auch nicht. Ich hoffe nur, wir finden schnell eine Haushaltshilfe! Die brauchen wir ganz ganz dringend, sonst bricht hier alles zusammen. Wenn Sam und Deng nicht immer wieder einspringen würden und vor allen Dingen Peter nicht so viel übernehmen würde, wären wir in den letzten Tagen ohnehin schon im Chaos versunken.* Beim Gedanken an den jungen Shaolin regte sich Johns schlechtes Gewissen. *Der Arme ist im Moment nicht nur Kindermädchen, Altenbetreuer und Apotheker in Personalunion, sondern erledigt auch noch die Einkäufe und bekocht uns alle. Und findet immer noch die Zeit, vormittags mit den Zwillingen Mai-Lin und den Kleinen zu besuchen, wenn ich in der Firma bin. Ich weiß gar nicht, was wir ohne ihn täten – inzwischen betrachte ich meinen Unfall, der uns erst so viel Ärger verursacht hat, als Geschenk des Himmels, weil er dafür gesorgt hat, dass wir Peter überhaupt erst kennengelernt haben. Ich mag gar nicht daran denken, wie Mai-Lins Sturz ohne Peter ausgegangen wäre! Wir werden immer in seiner Schuld stehen, und wie danken wir ihm das? Er darf sich für uns abschuften!* Der Gegenstand dieser Überlegungen hätte allerdings einer solchen Sicht der Dinge, vor allem der Bezeichnung 'abschuften', heftig widersprochen. Er verbrachte gerade einen höchst vergnüglichen Nachmittag mit den Zwillingen im Zoo. Sie hatten zusammen mit Samantha Ho und ihren beiden Kindern viele exotische Tiere beobachtet und sich anschließend in der Cafeteria gestärkt. Jetzt machte die 'Viererbande', wie Sam sie lachend nannte, gerade den Spielplatz unsicher. Die Erwachsenen nutzten die Gelegenheit, sich in Ruhe zu unterhalten. Peter erkundigte sich eingehend nach Lee Hos Arbeit, vor allem nach den Voraussetzungen, die ein Trainer neben seiner sportlichen Erfahrung mitbringen musste, und ob es möglich wäre, so eine Tätigkeit eventuell auch in Teilzeit auszuüben. Sam gab bereitwillig Auskunft und bat dann Peter, ein wenig von sich selbst und seinem Leben in Sloanville zu erzählen. Also berichtete er von seiner tagtäglichen Arbeit in Chinatown, von den vielen kleinen und großen Nöten, bei denen er leider nicht immer helfen konnte. Sam lauschte fasziniert und meinte bewundernd: "Wahnsinn! Also wenn ich nicht schon glückliche Ehefrau und Mutter wäre, würde ich dich jetzt zum Standesamt schleifen und vom Fleck weg heiraten. Oder dürfen Shaolinpriester das nicht?" Peter lachte. "Doch, das dürfen wir. Sonst wären die Shaolin wohl schon längst ausgestorben. Aber es ist nicht gerade einfach, mit einem Shaolin verheiratet zu sein – das ist ähnlich wie bei Polizisten oder Ärzten. Sozusagen ein Berufsrisiko. Es findet sich nicht leicht eine Frau, die es mit einem Polizisten aushält, und als Shaolin hat man noch viel schlechtere Karten. Aber das ist es nicht allein. Ich glaube, auch ich möchte es keiner Frau so einfach zumuten, quasi mit halb Chinatown verheiratet zu sein." Wie zur Antwort hatte er einen Moment lang plötzlich den Geruch von Meerwasser in der Nase, sah das Antlitz einer wunder¬schönen blonden Frau vor sich, hörte sie zum Abschied sagen: "Ich liebe dich, Peter. Vergiss das nicht." Verwundert schüttelte er den Kopf – dass ihn aber auch gerade jetzt die Erinnerung an seinen letzten Urlaub und an Kendra überfiel! "Einen Penny für deine Gedanken! Du warst gerade völlig abwesend", hörte er auf einmal Sams Stimme. *Lieber nicht*, dachte er nur und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema. "Weißt du schon, dass Mai-Lin wahrscheinlich am Montag entlassen wird? Die Kinder und ich möchten ihr gerne einen Kuchen backen, aber Backen gehört nicht unbedingt zu meinen Stärken. Könntest du uns dabei ein wenig unter die Arme greifen?" Er sah sie so treuherzig-bittend an, dass sie gar nicht anders konnte als zuzusagen. "Danke, da fällt mir ein Stein vom Herzen! Und dann habe ich noch ein Attentat auf dich vor: Ursprünglich sollte ich ja höchstens eine Woche bleiben, aber nach Mai-Lins Sturz konnte ich John natürlich nicht einfach im Stich lassen. Nur... jetzt muss ich wieder zurück, am Dienstag geht mein Flieger. Ich hoffe, dass John bis dahin eine Haushaltshilfe findet – aber was ist wenn nicht? Mai-Lin darf auf keinen Fall schwer arbeiten, aber das lässt sich in einem Haushalt mit Kindern leider nicht vermeiden. Könntest du vielleicht für mich einspringen? Ich komme mir wie ein Verräter vor, dass ich alle hier so hängenlasse, und es ist auch ziemlich vermessen von mir, dich darum zu bitten, aber..." Weiter kam er nicht, denn Sam unterbrach ihn resolut: "Sag mal, geht's dir noch gut? Wie kannst du behaupten, dass du alle hier hängen¬lässt? Wir finden es super-toll wie sehr du dich engagierst! Ganz abgesehen davon, dass du Mai-Lin (und damit auch Peter) das Leben gerettet hast. Mach dir um Himmels willen kein schlechtes Gewissen, nur weil du wieder nach Hause fliegst. Es ist natürlich sehr schade, dass wir dich nicht mehr um uns haben, und wir werden dich alle sehr vermissen; aber es ist doch klar, dass du auch ein eigenes Leben hast, das in Sloanville auf dich wartet. So einen Blödsinn von wegen Verräter möchte ich bitte nie mehr wieder hören!" Unwillkürlich salutierte Peter: "Yes, Sir! Äh, Mam! … Ich wusste gar nicht, dass du so schimpfen kannst." Samantha jedoch dachte: *Dienstag, so so! Na dann fangen John und ich am besten schon mal mit unseren Vorbereitungen an, bis Montag Abend ist nicht mehr allzu viel Zeit.* * Das Wochenende kam allen fürchterlich kurz vor, mit all den Vorbereitungen für Mai-Lins Rückkehr nach Hau¬se. Peter und Sam buken mit den Kindern einen Kuchen und verzierten ihn liebevoll. Li-Yu bastelte mit ihren Urenkelkindern Papiergirlanden, die zwar etwas schief aussahen, aber trotzdem sehr bewundert wur¬den. Peter lernte mit den Zwillingen ein kurzes Gedicht auswendig. Und John und Deng hatten offen¬sicht¬lich Heim¬lichkeiten miteinander. Endlich kam der Montag. John hatte sich freigenommen und in der Firma Bescheid gegeben, dass er nur im aller-allergrößten Notfall zu sprechen sei. Er half tatkräftig beim Dekorieren und beim Decken des Teetisches mit, bevor er am frühen Nachmittag ins Krankenhaus fuhr, um Mai-Lin und den kleinen Peter abzuholen. Die folgende halbe Stunde drohte eine Qual für die Zwillinge zu werden, weil sie so aufgeregt und zappelig waren. Doch Peter nahm sie kurzerhand mit nach draußen ins Freie und spielte ein paar Bewegungsspiele mit ihnen, die sie etwas ablenkten. Als sie jedoch das Geräusch von Mai-Lins Auto hörten, waren sie nicht mehr zu halten und rannten ihrer Mutter entgegen. "Mama, Mama! Endlich bist du wieder zu Hause!" – "Mama! Komm und schau was wir für dich gemacht haben!" Unter viel aufgeregtem Geplapper wurde Mai-Lin zum Teetisch begleitet, John kam mit der Babytasche hinterher. Beim Anblick der liebevoll dekorierten Tafel und des riesigen Kuchens kamen Mai-Lin die Tränen. Doch Teresa und Jackie ließen zuviel Rührung gar nicht erst aufkommen. Eifrig zeigten sie ihrer Mutter, welche der Papierfiguren und -blumen sie ausgeschnitten hatten, und welchen Teil der Kuchenverzierung sie übernommen hatten. Währenddessen hatte Peter Tee zubereitet und zusammen mit einer großen Kanne Saft nach draußen getragen. Als er Mai-Lin einschenkte, zwinkerte er ihr zu: "Keine Angst, das ist grüner Tee, nicht die Krankenhausmischung." "Na, da bin ich ja erleichtert! Dein Krankenhaustee schmeckt zum Abgewöhnen, um es mal höflich aus¬zu¬drücken", gab diese lachend zurück. Peter stimmte in das Lachen ein. "Da hast du leider Recht. Aber tröste dich – ich weiß aus eigener Er¬fah¬rung, wovon du sprichst. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich mir bei der Mordkommission im Dienst eine Verletzung zugezogen habe und dann im Krankenhaus von meinem Vater mit Tees und Kräutern traktiert wurde. Ich habe mir so oft gewünscht, ihm einmal selber seine eigene Arznei verabreichen zu können. Dass ich einmal ganz Chinatown damit malträtieren würde, hätte ich mir nie träumen lassen." Nach der Teestunde zog sich Mai-Lin ins Schlafzimmer zurück, um sich etwas auszuruhen. Peter sorgte mit Aku¬pressur dafür, dass sie sich wirklich entspannte. Lange würde es ja ohnehin nicht dauern, denn das Baby woll¬te etwa alle drei Stunden gestillt werden, und das war die einzige Aufgabe, die Mai-Lin keiner abnehmen konnte. Dann ging er mit den Kindern in den Park. John hatte ihn darum gebeten, die Kinder zum Spielplatz mit¬zu¬neh¬men. Auf seinen Einwand, er müsse rechtzeitig zum Abendessen-Machen zurücksein, hatte er nur ge¬ant¬wor¬tet: "Heute bin ich ja da. Keine Sorge, ich kümmere mich darum. Sei du einfach pünktlich zum Essen wie¬der da. Und jetzt viel Spaß!" Das war Peter sehr seltsam vorgekommen, und er hatte – zu Recht – vermutet, dass John ihn und die Kinder einfach los sein wollte. Wahrscheinlich wollte er einfach ein bisschen mit seiner Frau alleine sein, im Krankenhaus war das ja nur bedingt möglich. Doch hier irrte sich gewaltig. Kaum hatte er nach ihrer Rückkehr die Haustür aufgesperrt (mittlerweile hatte er einen Schlüssel) und dafür gesorgt, dass die Kinder ihre Sachen ordentlich aufgehängt und sich Hände und Gesicht gewaschen hatten, hörte er Mai-Lins Stimme aus dem Wohnzimmer: "Peter, bist du das? Kannst du bitte einmal herkommen?" "Ja, gleich, ich komme." Er ging zum Wohnzimmer und trat ein. "ÜBERRASCHUNG!" Alle seine neuen Freunde kamen auf ihn zugestürzt und lachten über sein verdutztes Gesicht. John drückte ihm ein Glas Sekt in die Hand und meinte: "Hast du etwa geglaubt, wir lassen dich so einfach ohne Abschiedsparty wieder zurück nach Sloanville? Nach allem, was du für uns getan hast?" Er erhob sein Glas und rief "Lasst uns alle zusammen anstoßen! Auf einen guten Freund! Auf Peter! Unser Dank und unsere guten Wünsche begleiten dich nach Sloanville!" Und die ganze Gesellschaft fiel ein: "Auf Peter!"
Uff, geschafft! Erschöpft, aber glücklich schloss Peter die Tür hinter dem letzten Besucher. Seit fast zwei Stun¬den herrschte in seiner Wohnung ein fast ununterbrochenes Kommen und Gehen (*beinahe wie auf dem 101.*, dachte Peter amüsiert), immer wieder waren Leute gekommen um ihm zu sagen wie froh sie über seine Rückkehr waren und ein kleines Will¬kommensgeschenk zu überreichen. Hatte er wirklich gedacht, er könnte sich diesen Tag quasi freinehmen und sich schön langsam wieder von San Francisco auf Sloanville umstellen? Daraus war nichts geworden, ein Shaolin war anscheinend immer im Dienst. Nicht dass es ihn gestört hätte – im Gegenteil! Peter war gerührt, dass sich alle so freuten, ihn wiederzusehen; zeigte es ihm doch wie sehr er inzwischen in Chinatown akzeptiert wurde. Dennoch war er auch etwas verwundert. Während seiner Abwesenheit war anscheinend alles seinen nor¬ma¬len Gang weitergegangen, war nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Das sollte ihn zwar freuen, doch er hat¬te so fest damit gerechnet, dass irgendetwas Wichtiges geschehen war, dass er jetzt fast ein wenig ent¬täuscht war. Seit Tagen hatte er eine innere Unruhe verspürt, die ihn förmlich gedrängt hatte, so bald wie möglich wie¬der nach Hause zu¬rück¬zukehren, und nun stellte sich heraus, dass diese innere Stimme ihm einen Streich gespielt hatte! Wie sollte er auch ahnen, dass in diesem Moment im fernen Palm Beach eine junge Frau namens Kendra Waters ein Reisebüro betrat, um einen Flug nach Sloanville zu buchen, der ihrer beider Leben grundlegend verändern würde? Ende (?) ---------------------------------------------------------------------------------------------- Edit: Eine Bemerkung von Ratzi hat meine Muse nochmal kurz aus dem Winterschlaf zurückgebracht; sie hat mir einen anderen Epilog diktiert, den ich Euch nicht vorenthalten möchte: Epilog (2. Variante) Uff, geschafft! Erschöpft, aber glücklich schloss Peter die Tür hinter dem letzten Besucher. Seit fast zwei Stunden herrschte in seiner Wohnung ein fast ununterbrochenes Kommen und Gehen (*beinahe wie auf dem 101.*, dachte Peter amüsiert), immer wieder waren Leute gekommen um ihm zu sagen wie froh sie über seine Rückkehr waren und ein kleines Will¬kommensgeschenk zu überreichen. Hatte er wirklich gedacht, er könnte sich diesen Tag quasi freinehmen und sich schön langsam wieder von San Francisco auf Sloanville umstellen? Daraus war nichts geworden, ein Shaolin war anscheinend immer im Dienst. Nicht dass es ihn gestört hätte – im Gegenteil! Peter war gerührt, dass sich alle so freuten, ihn wiederzusehen; zeigte es ihm doch wie sehr er inzwischen in Chinatown akzeptiert wurde. Sein Blick fiel auf seine Reisetasche, und seufzend machte er sich ans Auspacken. Den Inhalt der Seiten¬tasche hob er sich bis zuletzt auf, denn hier hatte er das Abschiedsgeschenk von Mai-Lins Familie verstaut, ein kleines Photoalbum. Lächelnd nahm er es in die Hand und blätterte es durch, bereits zum x-ten Mal. Es enthielt, neben ein paar Schnappschüssen aus der gemeinsamen Zeit in San Francisco, ein Photo jedes seiner Freunde. Sogar Meister Feng hatte ein Bild beigesteuert. Alle Erwachsenen hatten eine persönliche Widmung dazu geschrieben, die Kinder ein Bild gemalt. Auf der letzten Seite war eine überaus reizende Photographie des kleinen Peter, neben dem geschrieben stand: "Lieber Peter, ich lade Dich heute schon ganz herzlich zu meinem ersten Geburtstag ein. Bitte komm, ich freue mich jetzt schon auf Dich! Dein Peter". Ein Umschlag war dem Album beigefügt, mit einem Gutschein für einen Rückflug Sloanville – San Francisco. Dieses Album würde einen Ehrenplatz im Regal bekommen! Wo er nun schon beim Auspacken war, sollte er besser auch die Willkommensgeschenke aufräumen. Wieder musste er lächeln. Zu jedem Geschenk hatte er, quasi als Zugabe, ein bisschen Klatsch und Tratsch und ein paar Neuigkeiten mitgeliefert bekommen. Anscheinend war während seiner Abwesenheit alles sei¬nen normalen Gang weitergegangen, ohne außergewöhnliche Ereignisse. Darüber war er einerseits er¬leich¬tert, denn dann brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben weil er viel länger fortgeblieben war als vor¬gesehen. Auf der anderen Seite war er auch ein klein wenig irritiert, denn seit Tagen hatte er eine seltsame Unruhe verspürt, die ihn förmlich gedrängt hatte, so bald wie möglich wieder nach Hause zurückzukehren. Er war fest überzeugt gewesen, dass etwas Wichtiges vorgefallen war. Insgeheim hatte er, wider besseres Wissen, sogar gehofft, sein Vater wäre zurückgekehrt. Natürlich war ihm klar, dass bis dahin noch einige Zeit verstrei¬chen würde: Er hatte ja bereits so seine Erfahrungen mit den Wanderschaften seines Vaters gemacht. Außerdem war Kwai Chang Caine in Frankreich unterwegs, und da bot es sich geradezu an, seinen Vater und seinen Halbbruder zu besuchen, sobald er wieder mit sich ins Reine gekommen war. Auch ein Shaolin kommt schließlich nicht alle Tage nach Frankreich. Und dennoch... *Tja, Peter, da war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken, keine innere Stimme! Das nächste Mal solltest du vielleicht etwas genauer in dich hineinhorchen. Dann brauchst du auch hinterher nicht enttäuscht zu sein, wenn dich die angebliche innere Stimme zum Narren gehalten hat!* Wie sollte er auch ahnen, dass in diesem Moment im fernen Palm Beach eine junge Frau namens Kendra Waters ein Reisebüro betrat, um einen Flug nach Sloanville zu buchen, der ihrer beider Leben grundlegend verändern würde? Ende
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