Autor: Dreamy Girl

 

Kapitel 1

Vor langer, langer Zeit lebte einst ein schöner Jüngling auf einem alten Bauernhof.
Seit er sich erinnern konnte wurde er wie ein Sklave gehalten, und er verstand nie warum ihn sein Vater so hasste. Jeder neue Tag bestand nur aus Prügel und Arbeit, was er jedoch bisher geduldig und ohne Gegenwehr über sich ergehen lassen hatte.

Er war zwar oft voller Zorn und Wut auf den Bauern, und schon oft wollte er gehen, aber immer, wenn er sein Vorhaben in die Tat umsetzen wollte geschah etwas Seltsames, was er nicht erklären konnte. Sein Wille schien plötzlich gebrochen, egal wie sehr er sich dagegen wehrte.

Er gehorchte Bon Bon Hi, seinem Vater, und er musste tun, was dieser verlangte. Das Sein des jungen Mannes war oft nur noch erfüllt von unergründlichem Hass und Abscheu und doch, tief verborgen in seiner Seele, empfand er etwas anderes. Etwas, was auch ein Teil von ihm zu sein schien, etwas Gutes und Schönes, das an die Oberfläche zu kommen versuchte, aber jedes Mal durch die Härte und Strenge seines Vaters wieder zerstört wurde.

Eines Tages, während er gerade dabei war, eine Kuh zu melken, versank er erneut tief in einen Traum, der ihn schon häufiger ereilt hatte, genau genommen seit seinem zwölften Lebensjahr. Diese Tagträume waren so real, so greifbar, dass er für diese wenigen Augenblicke Raum und Zeit um sich herum vergaß. Momente, die ihm gehörten und für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl von Glück in sein Leben brachten.


Ein älterer Mann mit langem Haar breitete seine Arme aus und lächelte ihn an. Eine weitere jedoch jüngere Gestalt, die sich im Hintergrund befand, verhielt sich distanziert, aber trotzdem wohlgesonnen. Über beide Männer schwebte eine wunderschöne Frau, mit langem blonden wallenden Haar, die ihn liebevoll ansah und ihm zuwinkte. Sie öffnete ihren Mund und rief ihm etwas zu, etwas was sein Herz mit Glück erfüllte. "Peter, mein Sohn. Gib nicht auf. Der Tag der Erlösung wird kommen."

Der Jüngling war nicht wirklich überzeugt davon, dass es seine Mutter war, aber nachdem er einmal den Versuch unternommen hatte, seinem Vater davon zu erzählen, tat er es nie wieder. Die schlimmsten Beschimpfungen und Schläge waren die Folge gewesen. Obwohl der Traum immer und immer wieder dasselbe träumte, wagte er es nicht noch einmal, etwas darüber verlauten zu lassen. Zu groß war seine Angst vor seinem Vater. Dennoch war dieser Traum etwas, was ihm half, all die Qualen und Entbehrungen zu ertragen. Das Gefühl, als warteten beide Männer auf ihn und das mit großer Freude, ließ sein Herz vor Aufregung pochen.

Warum nur verspürte er dieses Band zwischen sich und diesen Personen, obwohl er sie überhaupt nicht kannte? Dennoch gab es da etwas im Blick des jüngeren Mannes, das Peter verwirrte. Aber immer wenn er versuchte, klarer zu sehen, verschwand dieser Traum und die raue Wirklichkeit umschlang ihn erneut, wie der Körper einer Würgeschlange. Er schüttelte sich und seufzte tief, als plötzlich der Bauer die Scheune betrat und den jungen Mann abfällig betrachtete.

"Peter! Es warten noch mehrere Kühe darauf, gemolken zu werden, du unfähiger Kerl. Träumst du schon wieder? Ich werde dir zeigen, was ich mit Träumern mache", tobte er und griff nach einer Peitsche, die über dem Balken in seiner Nähe hing.

Offensichtlich erschreckt und eingeschüchtert sprang der junge Mann auf und wich flink wie eine Katze zurück.

"Vergebt mir Vater, mein Herr. Ich werde es nicht wieder tun. Ich werde mich bemühen, schneller zu arbeiten."

Er warf sich auf die Knie, ohne auch nur den Blick zu heben. Das angewiderte Schnauben des Bauern ließ ihn den Atem anhalten.

"Du bist es nicht wert, dass ich mir die Hände schmutzig mache. Geh an deine Arbeit, bevor ich mich vergesse."

Peter holte tief Luft und sah hoch. Nichts mehr erinnerte an den eingeschüchterten Mann, der noch vor wenigen Minuten voller Angst und Demut gesprochen hatte. Seine Augen funkelten und grenzenlose Wut spiegelte sich in ihnen.

"Warum hasst ihr mich so, Vater? Was habe ich euch getan?"

Überrascht sah der Bauer ihn an und bevor der junge Mann sich versah, spürte er schon den ersten Schlag auf seinem Rücken. Voller Schmerz stöhnte er auf, doch wich er nicht mehr zurück sondern sprang auf und stürzte sich auf seinen Vater. Dieser erhob erneut die Peitsche, doch dieses Mal war Peter schneller. Er packte sie, riss sie aus den Händen seines Vaters und warf sie in die Ecke.

"Nie wieder, Vater, nie wieder lass ich zu, dass ihr mich schlagt. All die Jahre bin ich euch ein gehorsamer Sohn gewesen, aber genug ist genug. Ich werde meine Sachen packen und fortgehen."

Bon Bon His Augen wurden dunkel vor Zorn und ehe sich der junge Mann versah, hob sein Vater die Arme und ein heftiger Stoß katapultierte Peter nach hinten, wo er besinnungslos liegen blieb.

"Du Narr, glaubst du allen Ernstes ich hätte dich all die Jahre aufgenommen, um dann keinen Lohn dafür zu erhalten? Die Zeit wird bald kommen, bald ist es soweit und dann ist meine Stunde endlich da", lachte er böse.

Dann griff er nach einem Fläschchen mit grünlicher Flüssigkeit, flößte es dem jungen Mann ein und erhob sich wieder.

"Wenn du erwachst, wirst du wieder für einige Zeit der brave hingebungsvolle Sohn sein, der meine Befehle ausführt. Wie schon all die letzten 25 Jahre."

Anschließend streckte er seine Arme in die Höhe und schrie aus Leibeskräften:
"Damon, mein Gebieter, erhöre mich. Ich habe getan, wie du mir befohlen hast und diesen Jüngling all die Jahre zu mir genommen. Er ist erwachsen und die Zeit ist gekommen, dass er seinen Auftrag erfüllt."

Der Raum verdunkelte sich und eine tiefe Stimme schallte so laut in der Scheune, dass die Kühe voller Panik versuchten zu fliehen.

"Du hast Recht, die Zeit ist gekommen. Tue es und dein Lohn wird unsagbar sein."


Kapitel 2

Fröhliches Gelächter schallte durch den Schlossgarten. Mit Freude betrachtete der König seine 3 Töchter, die voller jugendlicher Unbeschwertheit durch die wunderschöne Anlage des königlichen Reiches liefen und fangen spielten.

Dann wurde er nachdenklich und atmete tief ein. Er war schon ein älterer Mann und sehr spät gönnte ihm das Leben ein zweites Mal das Glück einer guten Ehefrau. Sie brachte Freude in seine Einsamkeit und der Frohsinn ihrer Töchter ließ ihn immer wieder seine trüben Gedanken vergessen.

Doch heute war ein besonderer Tag, ein Tag der jedes Jahr wieder die alten Wunden aufriss und ihm mit voller Wucht klar machte, was er schon einmal besessen und dann verloren hatte.

25 Jahre war es her, dass seine über alles geliebte Frau, durch eine schwere Krankheit gezeichnet, ihr junges Leben verloren hatte. Auch sein kleiner Sohn, gerade mal 5 Jahre alt, war dieser grausamen Seuche erlegen. Er hatte geglaubt endlich wunschlos glücklich zu sein, vor allem, nachdem sein Bruder Damon Anspruch auf den Thron erhoben hatte und es eine böse Auseinandersetzung gegeben hatte.

Sein Bruder war nicht geeignet gewesen als Thronfolger, da er sich schon immer den dunklen Kräften der Macht verschrieben hatte und gerne Angst und Schrecken im Königreich verbreitete, schon als er ein junger Mann gewesen war. Damon hatte wütend das Reich verlassen, nicht ohne schlimme Drohungen auszustoßen, welche jedoch scheinbar nur Schall und Rauch waren, da er sich nie wieder hatte blicken lassen. Alles schien nun von Glück gezeichnet gewesen zu sein, doch dann geschah das Unfassbare.

Wieder einmal tauchten die Geschehnisse von damals vor des Königs innerem Auge auf und ließen ihn schwer aufseufzen.

"Hoheit, eure Gemahlin leidet an einer seltsamen, unheilbaren Krankheit. Leider können wir nichts mehr für sie tun. Wir haben den großen Meister der heilenden Kräuterkunst zu Rate gezogen, doch auch er gab uns keine Hoffnung."

König Caine konnte nicht glauben, was seine Hofärzte ihm mitteilten und er suchte selber den heiligen Mann auf.

"Lo Si, ihr ward meine letzte Hoffnung. Bitte sagt mir, dass es nicht wahr ist. Rettet meine Frau, ich flehe euch an. Helft ihr, wenn ihr es vermögt. Egal was ihr verlangt, ich werde es euch geben."

"Ich habe alles getan, was ich konnte. Es tut mir leid, aber mein erfahrenster Gehilfe und Untergebener teilte mir mit, dass meine Kräuter nicht wirken."

Verzweifelt fasste der König sich an die Stirn und lehnte sich fassungslos an die Wand. In diesem Moment stürmte ein junger Mann herein und warf sich vor Meister Lo Si auf die Knie. Dann entdeckte er den König und seine Verneigung wurde noch tiefer.

"Was gibt es denn so Wichtiges, Bon Bon Hi?", fragte Meister Lo Si verwundert.

"Verzeiht mir Hoheit, Meister. Aber leider muss ich euch mitteilen, dass nun auch der junge Prinz erkrankt ist und im Sterben liegt."

"Neeein!", schrie der König vor Entsetzen auf und rannte hinaus, gefolgt von Meister Lo Si.

Als sie das Zimmer der Königin und des Prinzen erreichten, war es schon zu spät. Beide lagen regungslos gemeinsam in einem Bett und das Leben war aus ihnen entwichen.

Laut aufschluchzend warf sich König Caine über seine Frau und das Kind.

"Warum? Warum konntet ihr ihnen nicht helfen?"

Lo Si zuckte ratlos mit den Schultern.

"Das Schicksal gibt uns oft Rätsel auf, die wir leider nicht immer sogleich erraten können. Auch ich kann euch hier keine Erklärung geben. Es tut mir aufrichtig leid, Hoheit."

Langsam und am Ende seiner Kräfte stand der König auf und ging ans Fenster.
Sein Blick ging ins Leere und Tränen liefen unaufhaltsam über sein Gesicht.

"Ich möchte, dass sie gemeinsam beerdigt werden. In einem Sarg, damit sie nicht alleine sind, wenn sie sich auf die lange Reise machen", wies er Lo Si mit brüchiger Stimme an.

Lo Si verneigte sich ehrfurchtsvoll.

"Wie ihr befehlt, Hoheit. Ich werde meinem zuverlässigsten Gehilfen, Bon Bon Hi, diese traurige, aber auch ehrenvolle Aufgabe übertragen."

"Geht hinaus!", befahl der König und wenige Sekunden später war er mit den Menschen, die er am meisten geliebt hatte, alleine.

Noch einmal setzte er sich auf den Rand des königlichen Bettes, und streichelte zärtlich über den Kopf seiner Frau und seines kleinen Sohnes. Das herzförmige Muttermal auf seiner Schulter, ein unwiderlegbares Zeichen seiner königlichen Herkunft, schien vor seinen Augen zu verblassen. Liebevoll zeichnete er die Konturen ihrer Gesichter nach, während seine Tränen wie Regentropfen in einem schweren Gewitter sein Hemd durchnässten.

"Ich werde euch nie vergessen, solange ich lebe. Das verspreche ich euch."

****

"Vater?"

König Caine wurde abrupt aus seinen traurigen Gedanken gerissen. Das Gelächter seiner Töchter erklang noch aus weiter Ferne und brachte ihn langsam wieder in die Gegenwart zurück. Er blickte sich um und sah in das Gesicht eines Mannes mittleren Alters, der ihn forschend ansah.

"Ist alles in Ordnung mit euch?", fragte der dunkelhaarige Mann erneut und legte eine Hand auf die Schulter des Königs.

Dieser nickte und wischte sich die restlichen Spuren der Tränen hastig aus dem Gesicht.

"Heute ist wieder der Tag, der euch wie jedes Jahr tief betrübt. Auch ich musste daran denken, Vater. Es ist schon lange her, aber es schmerzt noch immer. Ich teile eure Gefühle, das wisst ihr hoffentlich."

König Caine lächelte seinen ältesten Sohn an und legte eine Hand auf seine Wange.

"Natürlich weiß ich es, mein Junge. Peter war dein Bruder und du hast ihn sehr geliebt. Er war zwar einige Jahre jünger als du, aber ihr wart immer ein Herz und eine Seele. Ich empfand es damals als eine Gabe Gottes, nach so vielen Jahren, noch einmal einen gesunden Sohn von deiner Mutter geschenkt zu bekommen. Dass er mir so früh wieder genommen wurde, ließ mich lange Zeit mit meinem Schicksal hadern."

Erneut seufzte er tief auf, dann blickte er seinem Sohn fest in die Augen.

"Aber deshalb bist du nicht hier. Was führt dich zu mir, Kermit?"

"Lo Si schickt mich. Ihr möchtet bitte zu ihm kommen. Er war sehr aufgeregt, aber er wollte mir nicht anvertrauen, was ihn so sehr durcheinander bringt."

Ein kleines Lächeln umspielte die Lippen des Prinzen, was sein Vater mit einem missbilligenden Blick registrierte.

"Hast du ihn schon wieder geärgert, weil du nicht an seine Visionen glaubst? Du weißt, er ist ein heiliger Mann, also solltest du dich vorsehen. Irgendwann hat er genug und er verwandelt dich in einen Frosch."

Kermit stutzte und fiel in lautes Lachen.

"Vater, ihr seid manchmal köstlich. Der Gedanke, dass ich als Frosch durch die Gegend hüpfe hat etwas Entzückendes an sich, vor allem wenn ich mich ungestört in der Nähe der schönsten Jungfrauen aufhalten kann, ohne von ihnen sofort entdeckt zu werden."

Der mahnende Blick seines Vaters ließ sein Lachen im Keim ersticken.

"Verzeiht Vater, aber es ist Unsinn, wenn der Meister behauptet, irgendwann könnten wir fliegen wie die Vögel. Ihr glaubt ihm einfach alles. Er ist ein alter Narr der..."

"Sei ruhig", fiel der König ihm ins Wort. "Ich möchte nicht, dass du so über Lo Si redest."

Kermit schluckte leicht, doch die imposante Gestalt seines Vaters und die drohende Haltung zeigten ihre Wirkung.

"Ich bitte um Verzeihung, Vater."

Sogleich wich dem Zorn ein warmes, liebvolles Lächeln.

"Schon gut, mein Sohn. Aber jetzt werde ich mich zu Lo Si begeben, um zu hören, was er zu berichten hat."


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