Teil 1
Autor: Ratzenlady
 

"Der Makler hat auch heute morgen angerufen", erzählte Cat ihrem Verlobten, der den Kombi grade durch die verschneite Stadt steuerte. Sie waren bei Annie zum Frühstück verabredet.

"Ja? Was hat er denn erzählt?" Peter warf einen kurzen Seitenblick zu ihr und konnte ein gekräuseltes Grinsen sehen.

"Jemand möchte das Haus kaufen!", freute sie sich lautstark.

Peter strahlte kurz zu ihr rüber. "Das ist ja großartig! Auch zu dem Preis, den du haben wolltest?"

Ihr Grinsen verbreiterte sich. "Der Makler hat mir erzählt, dass er den Preis absichtlich etwas höher angesetzt hatte, damit er noch Handlungsspielraum hat. Aber weißt du, was das Pärchen gesagt hat, als er ihn nannte? 'Gekauft'!"

Peter hob die Brauen und sah wieder zu ihr rüber. "Im Ernst? Sie bezahlen also mehr?"

Cat nickte eifrig. "Ja. Und der Überschuss deckt die Maklerkosten ab, die ich ja eigentlich noch hätte abziehen müssen. Wenn alles reibungslos läuft, sollten wir in zwei Wochen das Geld bekommen."

"Du, Süße. Es ist dein Haus."

Sie schlang ihren Arm und seinen und kuschelte sich kurz an seine Schulter. "Hey, ich dachte Eheleute teilen alles!" lachte sie. "Außerdem war es ja nicht mal wirklich mein Haus, hatte es ja vom FBI überschrieben bekommen. Sie haben es mir nur netterweise, nach allem was passiert ist, überlassen."

Ohne den Blick vom Verkehr abzuwenden gab er ihr einen leichten Kuss auf die Stirn, nachdem sie sich wieder auf den Beifahrersitz zurückzog.

"Dann können wir Annie ja gleich sagen, dass wir ihren lieb gemeinten Kredit für die Hochzeit nicht brauchen!", freute sich Peter, nachdem sich die Information gesetzt hatte.

"Eigentlich schon, aber ich glaube, es ist besser, wenn wir warten, bis das Geld wirklich auf dem Konto ist. Da muss ich eh mal gucken, ob mir die Redaktion mein erstes Gehalt überwiesen hat!", fiel ihr spontan ein.

"Soll ich noch mal an der Bank halten?", fragte Peter und zeigte auf das große Gebäude, welches jetzt noch einhundert Meter vor ihnen an der Straße lag.

"Oh nein! Das letzte Mal, als du nur kurz an der Bank halten wolltest, wurde sie überfallen! Ich mach das in der kleinen Filiale in Chinatown, heute Nachmittag oder morgen!", sagte sie bestimmt.

Peter lachte, auch wenn ihm bei der Erinnerung an den Vorfall und Skalanys Verletzung eigentlich nicht lustig zumute war, und beschleunigte den Kombi ganz schnell an dem Bankhaus vorbei.

Nach einem weiteren Moment griff Cat ins Handschuhfach und kramte in den CD-Hüllen, die darin kreuz und quer lagen. Sie zog eine heraus, nahm die CD und wollte sie in den Schlitz am Radio schieben, aber Peter packte ihr Handgelenk.

"Was wird das denn?", fragte er, sich Cats Musikgeschmack vollends bewusst.

"Ganz ruhig Honey! Da sind nur die Chili Peppers, die tun dir nichts!", lachte sie wurde von ihm wieder freigelassen, um ihr Tun zu vollenden.

Skeptisch lauschte der Shaolin den ersten Tönen und entspannte sich dann wieder. Zu seiner Überraschung konnte er den Sänger sogar verstehen, ausnahmsweise wurde er vom Radio nicht angebrüllt. Cat wippte ihren Kopf im Takt und legte ihn dabei an die Kopfstütze, den Blick aus dem Fenster gerichtet.

Ihren eigenen Gedanken folgend bewältigten sie den Rest der Strecke schweigend.

*****

Annie zog die Tür auf und war diesmal schneller mit ihren Worten als ihr Pflegesohn.

"Ja, ich weiß, aber ich habe gehört, dass ihr es seid!", sagte sie sofort.

Peter lachte und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Cat gab Annie die Hand und begrüßte sie herzlich, dann betraten sie das Esszimmer, in dem schon alles für ein schönes Familienfrühstück gedeckt war.

Nachdem sie sich alle gesetzt und sich an der reichhaltigen Auswahl bedient hatten, eröffnete Annie das Gespräch.

"Caroline hat angerufen. Sie hat sich ein Zimmer für eure Hochzeit reserviert, hier im Hotel Mama."

"Kommt sie etwa allein?", fragte Peter sofort überrascht.

"Sie kommt mit den Kindern. Alles andere, naja…"

Peter nickte kurz, es war kein großes Geheimnis, dass die Ehe nicht ganz so gut lief, wie es sein sollte. Aber Annie sprach nicht gern darüber, es tat ihr im Herzen weh, dass ihre Tochter unglücklich war.

"Und Kelly?", fragte Cat, um das Thema zu wechseln. Sie hatte sich mit ihr sehr gut verstanden, was vermutlich auch an der Nähe des Alters lag.

"Oh, sie reist schon zwei Wochen vorher an und bleibt dann noch eine. Das ist ja kein Problem, die Kinderzimmer sind ja noch da. Dann kommt endlich wieder Leben in das alte Gemäuer", sagte sie versucht fröhlich, aber Peter spürte, wie sehr ihr das Alleinsein zu schaffen machte. Er stand auf und trat hinter sie, seine Hände auf ihren Schultern beugte er sich zu ihr runter.

"Kommst du wirklich klar, Mom?", fragte er besorgt.

Sie legte ihre Hand auf eine von seinen. "Es geht schon", war alles, was sie dazu sagte, dann straffte sie sich und wechselte das Thema, indem sie Cat auf ihren neuen Job ansprach. Peter nahm wieder Platz und verfolgte das Gespräch. Und alle, die dem folgten.

Als der Vormittag sich dem Ende neigte, verabschiedeten sie sich wieder.

* * *

Kermit schob einen jungen Chinesen mit schwarzem Pferdeschwanz und Lederjacke vor sich her, dessen Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt waren. Unsanft ließ er ihn gegen den Tresen laufen und sah Broderick an.

"Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk für sie, Sergeant! Seien sie so freundlich und bewahren sie ihn gut auf", sagte er und drückte den Verdächtigen in die Arme des Polizisten. Nach wenigen Schritten drehte sich der Langhaarige um und guckte finster zu Kermit.

"Du weißt nicht, in was du dich da eingemischt hast!", polterte er dem Cop geheimnisvoll zu, "du wirst dafür bezahlen müssen!"

Kermit machte zwei große Sätze und packte den Chinesen am Kragen. "Was willst du mir damit sagen?", fragte er zischend.

Der Verdächtige aber lachte ihn aus und Kermit musste sich stark zusammenreißen, nicht gewalttätig zu werden. Angewidert stieß er ihn von sich und ließ den Sergeant seine Arbeit machen.

"Was war denn mit dem los?", fragte Skalany, als Broderick mit dem Asiaten verschwunden war.

Kermit sah zu ihr rüber. "Keine Ahnung. Aber irgendwas gefällt mir an der Sache nicht. Eigentlich hatte ich ihn nur wegen Hehlerei verhaftet", antwortete er seiner Kollegin und ging dann nachdenklich in sein Büro. Er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, konnte es aber nicht deuten oder zuordnen.

"Söldnerparanoia", murmelte er leise vor sich hin, während er seine Jacke auszog und über den Stuhl hing. Vielleicht war der Kerl wirklich nur ein kleiner Hehler, der sich aufspielte. Dafür aber war er eigentlich zu selbstsicher gewesen. Kermit rieb sich die Augen.

"Alles in Ordnung?", fragte Karen, die jetzt hinter ihm im Türrahmen lehnte.

Lächelnd sah er zu ihr hoch. "Das weiß ich noch nicht so genau. Erstmal werd ich meinen neuen Freund genau durchleuchten, dann seh ich weiter."

Der Captain nickte und blickte dann in das Mannschaftsraum. "Was will der denn hier?", fragte sie leise.

Kermit folgte ihrem Blick. Ein groß gewachsener Mann kam auf sie zu und gab ihr die Hand, Kermit erhob sich, er kannte das Ekelpaket.

"Mr. Dexter! Was führt einen so hoch bezahlten und skrupellosen Anwalt wie sie in unser kleines Revier in Chinatown?", flötete Karen abweisend.

"Ihr Detective Griffin hat einen meiner Mandanten verhaftet", er blickte jetzt den Cop an, "ich hoffe, sie haben bei der Verhaftung keinen Fehler gemacht, Detective, sonst wird er ihnen nämlich um die Ohren fliegen!"

Kermit machte einen winzigen Schritt, aber Karen stellte sich mit der Schulter vor ihn. Der Anwalt drehte sich um und ließ sich von einem Officer zu den Haftzellen bringen.

"Jetzt weiß ich wenigstens, dass an der Sache wirklich was faul ist!", knurrte Kermit und sah Owen Dexter nach. Karen legte ihm die Hand auf die Schulter und nickte ihm zu, dann verließ sie ihn und ging in ihr eigenes Büro.

Kermit setzte sich wieder auf seinen Drehstuhl und begann wild auf die Tastatur einzuhacken. Grüne Zahlen- und Buchstabenreihen flimmerten über den Bildschirm, seine Augen folgten ihnen schnell, aber nichts brachte ihm ein brauchbares Ergebnis.

Wer war dieser Hin Sung? Wo kam er her und was wollte er hier? Kermit rieb sich die Augen. Immer wieder geisterten die Fragen durch seinen Kopf. Dazu war es völlig überraschend, dass ausgerechnet Owen Dexter den Kerl vertrat, schließlich war er Star-Anwalt dieser Stadt und vertrat in der Regel nur die wirklichen Größen der Unterwelt. Jene, die sich vierstellige Stunden-Honorare leisten konnten.

"Irgendjemandem muss mächtig an ihm liegen", knurrte er leise. Die verschiedenen Puzzleteile wollten nicht zueinander passen. Er überlegte, sich in Dexters Bankkonten zu hacken und nachzusehen, wer ihn bezahlte. Allerdings wäre das beruflicher wie privater Selbstmord, sollte der Anwalt dahinter kommen. Man legte sich nicht ohne richterliche Anordnung mit einem Mann an, der seine eigene Mutter verklagen würde, wenn sie mit ihrem Wagen auf seinem Parkplatz stünde.

"Kermit?", sprach Jody ihn an. Der Polizist sah zu ihr hoch.

"Der Captain meint, du könntest vielleicht Unterstützung brauchen."

Kermit rieb sich die Augen und nahm sich so den Moment darüber nachzudenken, ob er wirklich mit einem Partner arbeiten wollte.

"Also gut. Vielleicht hat sie sogar Recht. Hier ist die Akte und alles, was wir bisher haben."

Jody blätterte kurz durch und sah dann mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm runter. "Das ist nicht grade viel", kommentierte sie.

Kermit nickte. "Und dennoch ist Owen Dexter hier, um diesen kleinen Fisch rauszuboxen. Was ihm mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch gelingen wird. Zumindest auf Kaution."

"Und zur Verhandlung sitzt das Kerlchen dann schon wieder im Flieger nach Shanghai", ergänzte sie unzufrieden. Dann blätterte sie wieder in der Akte.

"Du hast den Namen von einem Einbrecher?", fragte sie nach einem Moment.

"Ja. Ich wollte Freitagabend nur was beim Thailänder abholen, da hab ich dann den Typen gesehen. Er war grade dabei, ein Fenster einzuschlagen, da hab ich ihn mir gegriffen."

Jody nickte und las weiter. "Hier steht, dass er etwas Bestimmtes stehlen wollte."

"Mhm, man hat ihn beauftragt, eine kleine hölzerne Schatulle zu klauen. Dafür hat man ihm hundert Dollar geboten. Für einen kleinen Drogenabhängigen viel Geld."

"Damit kommt er einige Tage über die Runden. Weißt du, was in dieser Schatulle sein sollte?", setzte sie an.

Kermit aber schüttelte den Kopf. "Nein. Der alte Chinese wollte mir nicht erzählen, was es damit auf sich hat. Er sagt, er wüsste nichts von einer solchen Schachtel. Es müsste wohl ein Versehen sein."

"Ja, klar. Die Übliche Mauer des Schweigens in Chinatown", sagte Jody resignierend. Es war zum Auswachsen. Wenn die Menschen hier nichts sagen wollten, dann konnte man machen was man wollte. Chinatown war eben doch eine eigene kleine Welt, und die Polizisten nur Eindringlinge.

Sie reichte Kermit wieder die Akte, welche er sogleich auf den Tisch knallte und sich erhob.

"Ach Mann! Lass uns Feierabend machen und morgen weitersehen. Es ist schon spät", sagte er und ging an die Schublade, in der er seine Waffe aufbewahrte. Jody nickte nur und drehte sich aus dem Büro. Dann erschien Karen in der Tür.

"Du fährst?"

"Ja, ich komm hier nicht weiter. Fährst du mit?", fragte er leise.

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich hab noch zu tun. Außerdem steht mein Wagen hier. Bis nachher."

Kermit nickte und schenkte ihr einen liebevollen Blick, dann verließ er das Revier und fuhr ins Apartment.

* * *

Caleb kniete sich neben Peter und holte ihn so gut es ging ins Bewusstsein zurück. Peter blinzelte ihn an, immer wieder abdriftend. Hart griff ihm der Sing Wah ins Gesicht und zwang ihn, ihm in die Augen zu schauen. Noch nie hatte Peter soviel Bösartigkeit in den Augen eines Menschen gesehen.

"Noch ein persönliches Andenken an mich", flüsterte er Peter zu. Dann hielt er Peter seinen Sing Wah Ring vor die Augen; er glühte.

Unter Schmerzensschreien brannte er dem Shaolin das Mal der Sing Wah auf die entblößte rechte Schulter. Dann wurde es schwarz um Peters Geist.

***

Sein Oberkörper sprang aus den Laken, seine Hand schlug sofort auf seine Schulter. Er brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, dass seine Wunde nicht nur im Traum, sondern auch in der Realität brannte. Umgehend blickte er zu Cat, die aber nur kurz irgendwas Unverständliches murmelte und sich dann unter ihrer Decke umdrehte und weiter schlief.

Er rieb die Schulter, aber der Schmerz wollte nicht nachlassen, erst ein Moment der Konzentration und des In-Sich-Gehens konnten ihn abschütteln. Nervös fuhr er sich durch die Haare und starrte in leer in den Raum, der vom fahlen Mondlicht etwas erhellt wurde.

Die Brandwunde hatte damals lange gebraucht, um endlich zu verheilen, sich aber seit dem ruhig verhalten, auch wenn sie wie ein Fremdkörper in seiner Haut saß. Langsam konnte er jetzt immer besser sehen und riskierte einen Blick darauf; sie war knallrot.

"Kein gutes Zeichen", murmelte er leise und blickte dann auf den Radiowecker, der auf Cats Nachttisch stand. Es war bereits sieben Uhr morgens, bald würde die Sonne aufgehen. Sich die Schulter reibend schwang er lautlos seine Beine aus dem Bett und griff nach seiner Kleidung, um sich im Wohnzimmer anzuziehen, damit er seine Liebste nicht weckte.

Nachdem er die leichte Trainingshose und ein beiges T-Shirt übergeworfen hatte ging er in den Meditationsraum, entzündete einige Kerzen und sank in den Schneidersitz. Er musste seine Gedanken sortieren und hoffte herauszufinden, was es mit dem plötzlichen Wiedererwachen seines unfreiwilligen Brandmals auf sich hatte.

Er schaffte es nicht wirklich in die Konzentrationsebene einzudringen, die er erreichen wollte. Immer wieder tauchte Calebs grinsende Fratze auf, die ihn auslachte und ihm sein Mal in die Haut brannte. Der Shaolin kam nicht daran vorbei, fand keinen Weg, den Sing Wah aus seinem Geist zu verbannen.

Das Klingeln des Telefons riss ihn komplett aus der Meditation. Er erhob sich geschmeidig und ging dann ins Wohnzimmer, um abzunehmen.

"Einen Moment, Mr. McKillan, ich seh mal nach, ob sie schon wach ist", sagte er in die Sprechmuschel und drückte vorsichtig die Schlafzimmertür auf. Cat saß bereits aufrecht im Bett und lächelte ihm zu.

"Für dich. Dein Boss", flüsterte er und reichte ihr das Gerät.

Sie straffte sich kurz, wischte sich die Haare aus der Stirn und nahm das Gespräch dann an. Peter ließ sie allein und machte sich in die Küche, um einen Kaffee aufzusetzen, schließlich wusste er, dass seine Süße einen brauchte, wenn sie grade aufgestanden war.

"Und vielleicht hilft er mir ja auch, wieder klar zu werden", murmelte er, während er das Wasser in den Tank der Maschine laufen ließ.

Zwei Minuten später kam Cat zu ihm, mit einen riesigen T-Shirt, dass ihr bis in die Kniekehlen hing, bekleidet. Mit großen, weißen Buchstaben stand ‚Slipknot' darauf, darunter ein stilisiertes ‚S' auf einem Barcode.

Sie blickte zur Kaffeemaschine und erkannte, dass sie sich noch einen Moment gedulden musste, dann bemerkte sie, wie Peter ihr Shirt musterte.

"Das kenn ich ja noch gar nicht", sagte er und gab ihr einen Kuss.

Sie schaute an sich herunter. "Weißt du eigentlich, wie viele T-Shirts ich habe, die du noch nicht kennst? Ich könnte jeden Tag im Jahr ein anderes anziehen, wenn ich alle mitzählen würde", grinste sie verschlafen. Die Wanduhr zeigte mittlerweile halb zehn.

"Aber das ist schon ein wenig zu groß, oder soll es ein Nachthemd sein?"

"Nein. Du weißt doch, dass ich keine Nachthemden trage", sagte sie kokett, "das ist ein Herrenshirt, und XXL. Das hat man davon, wenn man erst nach dem Konzert zum Merch geht."

"Merch?"

"Zum Merchandise-Stand. Das ist vom ersten Album und der ersten Tour ‚Slipknot'."

Peter nickte nur und goss dann zwei Tassen mit Kaffee ein, von der er eine Cat reichte. "Was wollte denn dein Chef?" fragte er und wechselte das Thema.

Das Gesicht seiner Freundin wurde ernst. "Er hat angerufen, weil ein Kollege sich gestern beim Eislaufen das Bein gebrochen hat."

"Und das ist so wichtig, dass dich dafür anruft?" hakte Peter nach.

Cat lachte, aber nur kurz. "Nein. Aber eigentlich sollte der heute Nachmittag nach Atlanta fliegen und für sechs Tage die Tour von Machine Head begleiten und einen Background-Bericht schreiben…" sagte sie und sah Peter an. Der junge Mann ahnte jetzt, worum es ging.

"Naja, er hat mir angeboten, den Job zu übernehmen. Aber das hieße, dass ich heute für sechs Tage verreisen würde. Sechs Konzerte besuchen, das letzte dann wieder hier in der Stadt. Ich muss spätestens in zwanzig Minuten zurückrufen."

Peter lächelte ihr entgegen. "Und? Würdest du gerne?"

Sie strahlte plötzlich. "Machst du Witze? Natürlich! Weißt du, was das für eine Chance ist?" stammelte sie schnell, aber ein schuldbewusster Ausdruck lag in ihren Augen.

Peter machte einen Schritt auf sie zu und hielt ihr den Finger unters Kinn. "Wo ist dann das Problem?" fragte er, nicht ohne den gedanklichen Hintergrund, dass er sie damit vielleicht aus der Schusslinie bekam, was auch immer diese Sache mit dem Brandmal bedeutete.

"Ich weiß nicht. Ist ja schon etwas kurzfristig…"

"Hey!" sagte er aufmunternd, "wenn du fahren möchtest, werde ich dir da keinen Strich durch die Rechnung machen!" Er gab ihr einen Kuss, sie sah ihm tief in die Augen, dann grinste sie glücklich.

"Dann geh ich jetzt packen!" quietschte sie fröhlich und verschwand im Schlafzimmer.

Peter sah ihr nach. Er hoffte inständig, dass er das richtige tat. Sollte sie unterwegs angegriffen werden, würde er nicht da sein können, um sie zu beschützen. Aber sein Unterbewusstsein verriet ihm, dass dies der beste Weg war. Eine glückliche Fügung. Dann wanderte seine Hand wieder unbewusst an seine Schulter, das Brennen wurde stärker.

*

"Bist du soweit, Darling?", fragte Peter laut aus dem Meditationsraum.

Cat erschien mit einem kleinen Koffer in der Hand und der Handtasche über der Schulter im Türrahmen. "Jap!" sagte sie.

Peter konnte ihre Aufregung fühlen, für jemanden wie sie war dieser Auftrag das ganz große Glück.

"Dann fahren wir jetzt zum Flughafen!", sagte er und erhob sich.

"Hey Kermit!", sagte Cat plötzlich beim Blick den Flur hinunter.

"Hallo, Kleines! Ist dein Verlobter auch da?"

"Ich bin hier."

"Peter, hast du einen Moment?", fragte der Cop ohne Umschweife.

"Eigentlich nicht, ich muss Cat zum Flughafen bringen."

Mit fragendem Ausdruck sah er die junge Frau an.

"Ich begleite eine Band auf einem Teil ihrer Tour. In sechs Tagen bin ich zurück." Sie sah auf die Uhr. "Und wir müssen uns jetzt sputen, sonst verpass ich den Flieger!"

Peter nickte. "Hat das Zeit bis nachher? Ich schau auf dem Revier vorbei, ok?", sagte der Shaolin im Vorbeigehen.

Kermit grinste. "Ja, klar. Bis dann."

Noch bevor der ehemalige Söldner die Wohnung hinter den beiden verlassen hatte klingelte sein Handy.

"Ja?"

"Ich bin's. Ich komm grade aus dem Gericht. Hin Sung wurde auf Kaution freigelassen."

"Ach verdammt", war alles, was Kermit dazu sagte und das Handy dann wieder zuklappte. Er rieb sich die Augen und stieg dann die Stufen zu seiner Corvair hinab. Auf dem Weg zum Revier entwickelte sich langsam ein Plan in seinem Hinterkopf, wie er vielleicht doch noch an einige Hintergründe kommen konnte.

* * *

Hin Sung verneigte sich tief vor dem Mann hinter dem Schreibtisch. Dexter stand hinter ihm, die Hände auf dem Rücken verschränkt.

"Verzeiht mir!", sagte er auf Chinesisch. Der hoch gewachsene Asiat erhob sich jetzt und kam um den Schreibtisch herum. Auch er hatte einen langen, schwarzen Zopf, trug einen schwarzen Anzug mit schwarzem Hemd und ebenso dunkler Krawatte. Sein Gesicht war durch eine lange Narbe von der Schläfe zum Kinn gezeichnet, seine Augen dunkel und hart.

"Mr. Dexter. Wann ist die Verhandlung?", fragte er den Anwalt.

"In zwei Wochen, Mr. Xiang." Jetzt wand er sich wieder dem jungen Mann zu, der noch immer ehrfurchtsvoll den Kopf gesenkt hatte.

"Die Zeit sollte reichen. Wenn dein Auftrag allerdings erfüllt ist, wirst du sofort zurück fliegen und dich vor dem Gremium verantworten!", sagte er bestimmt.

"Natürlich", antwortete er und hob den Kopf.

"Dann mach dich an die Arbeit! Ich will die Artefakte morgen Abend auf meinem Schreibtisch haben!"

"Selbstverständlich", gab er zurück, verbeugte sich noch einmal tief und schob sich dann rückwärts aus der Tür. Owen Dexter wollte ihm folgen, wurde aber zurückgerufen.

"Herr Anwalt! Haben sie sich erkundigt?", fragte er mit geraffter Stirn.

"Oh, ja, natürlich. Der einzige, der ihrem Unterfangen gefährlich werden könnte, ist der ortsansässige Shaolin-Priester. Sein Name ist Caine."

"Caine?", hakte Draco Xiang sofort nach, "Kwai Chang Caine?"

"Nein. Sein Name ist Peter Caine. Ein früherer Cop. Er ist der Sohn von Kwai Chang Caine, welcher angeblich verstorben ist."

"Angeblich? Ist er nun tot oder nicht?", fragte der dunkel gekleidete Mann forsch.

Der Anwalt trat instinktiv einen Schritt zurück. "Ich arbeite noch an einer definitiven Information. Aber er ist auf jeden Fall nicht in der Stadt, und wurde seit über eineinhalb Jahren nicht gesehen."

"Das will bei einem Caine nichts heißen. Finden sie es heraus! Wenn er wirklich tot ist, habe ich umso leichteres Spiel mit seinem Sohn." Ein düsteres Grinsen legte sich auf sein Gesicht, welches durch die Narbe auf der linken Gesichtshälfte verzerrt und dämonenhaft wirkte.

"Ich mache mich sofort an die Arbeit", sagte Dexter und verließ das Büro. Draco Xiang nahm seinen Telefonhörer ab und tätigte einen Anruf, dann ließ er sich zufrieden in seinen Sessel sinken.

Er schloss die Augen.
Peter Caine.
*Du weißt schon, dass ich da bin, nicht wahr? Ja, du weißt es!*, formte er die Worte in Gedanken.

 

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