Teil 2
Autor: Ratzenlady
 

Peter trat ohne Vorwarnung auf die Bremse und brachte den Kombi rüde am Straßenrand zum Stehen.

"Um Gottes Willen, was ist denn los?", fragte Cat hektisch.

Peter hielt sich einen Moment die Stirn, die hupend vorbeifahrenden Wagen nicht beachtend.

"Alles klar, Honey?" Sie legte ihm die Hand auf den Arm. "Soll ich doch lieber bleiben?"

Fast erschrocken starrte er zu ihr rüber, dann lichtete sich sein Ausdruck wieder ein wenig. "Nein, nein, ist schon wieder gut. Ich hatte so was Ähnliches wie eine Vision, aber nichts Schlimmes. Du solltest fliegen", sagte er, seine Lippen zu einem Lächeln formend.

Skeptisch beäugte sie ihn. "Eine Vision, aber nichts Schlimmes? Warum glaub ich dir das nicht? Hör zu, ich hab kein Problem damit, die Sache zu canceln!" betonte sie noch einmal.

Peter aber schüttelte den Kopf. "Es ist wirklich alles in Ordnung, Süße", versicherte er und steuerte den Wagen wieder in den fließenden Verkehr. Seine Schulter brannte und er konnte den Reflex kaum unterdrücken, sie reiben zu wollen. Aber Cat würde es sicherlich auffallen, das durfte er nicht riskieren.

Ohne weitere Worte steuerte er den Kombi in die Tiefgarage und parkte ihn. Cat hakte sich in seinen Arm, nachdem sie den Koffer ausgeladen hatten und ging mit ihm zusammen in den Terminal, bis er nicht mehr mit weiter durfte.

Sie sah ihn an und verschlang die Hände hinter seinem Nacken. Er drückte seine in ihren Rücken und zog sie eng an sich, in einen intensiven Kuss vertieft.

'Aufruf für den Flug 4682 nach Atlanta am Gate 2' ertönte es durch die Lautsprecher.

"Das ist meiner", hauchte sie. Er nickte und drückte ihr noch einen Kuss auf.

"Hast du dein Handy mit?"

"Natürlich, Honey!"

"Pass auf dich auf, Süße, ja?"

"Werde ich, versprochen. Und du auch!"

Peter nickte und küsste sie ein weiteres Mal. Es fiel ihm doch schwerer, sie gehen zu lassen, als er gedachte hatte. Zum ersten Mal gab er sie freiwillig aus seinem Schutzbereich.

"Ich liebe dich!", flüsterte sie ihm zum Abschied zu und drehte sich dann auf dem Absatz herum.

"Ich liebe dich auch!" antwortete er ebenso leise und sah ihr nach, bis hinter den Sicherheitsschleusen außer Sicht war. Dann rieb er sich die Schulter und suchte die Toilette auf.

Er hing tief über dem Waschbecken und spritze sich immer wieder Wasser auf sein Gesicht. Er versuchte einen Moment zu erwischen, in dem er allein in dem Waschraum war, aber ständig betraten Fremde den Raum.

"Na, Flugangst?", fragte ihn ein Mann im Anzug mit Aktenkoffer. Peter sah ihn geistesabwesend an.

"Bitte? Ach so, ja, genau", murmelte und schloss dann für einen Moment die Augen. *Konzentrier dich, verdammt!*, schrie er sich selbst im Geiste an. Aber die ganze Angelegenheit machte ihn zu nervös, um objektiv daran zu gehen.

Als der Mann mit dem Aktenkoffer wieder gegangen war, stellte Peter überrascht fest, dass er tatsächlich allein war. Er öffnete die ersten Knöpfe seines Hemdes und zog es soweit zur Seite, dass er das Brandmal auf der Schulter sehen konnte.

Die Haut war knallrot, aber nicht mehr nur die Narbe, wie noch am Morgen, sondern jetzt auch in zwei Zentimetern Umkreis. Er drückte sich nasse Papiertücher darauf, um zu kühlen, aber es half nichts.

"Das ist nicht gut!", sagte er zu seinem Spiegelbild und verschloss das Hemd wieder. "Gar nicht gut!"

***

Peter parkte den Kombi auf seinem alten Parkplatz und sprang leichtfüßig die Stufen zum Revier empor. Er grüßte seine ehemaligen Kollegen mit erhobener Hand und ging direkt durch zu Kermit.

"Hey Partner", begrüßte er ihn. Der Ex-Söldner wirbelte auf seinem Stuhl herum und starrte ihn an.

"Kannst du nicht wie jeder andere Mensch auch Geräusche verursachen, wenn du rein kommst!" blaffte er und grinste dann.

Peter zuckte entschuldigend die Schultern. Kermit warf ihm eine Akte zu, aber anstatt darin zu lesen schaute der Shaolin seinen Freund nur fragend an.

"OK. Ich hab vor drei Tagen einen kleinen Einbrecher geschnappt, mehr zufällig. Er sollte eine ganz besondere Schatulle stehlen, deren Besitzer, ein alter Chinese, bei der Befragung natürlich nicht wusste, worum es ging. Der Dieb hat mir also gesagt, wer ihn damit beauftragt hat. Auch ein Chinese, den ich hier noch nie gesehen habe." Peter lauschte aufmerksam und nickte ab und an. Dann rieb er sich die Schulter.

"Ich nehm den Hehler also fest, und noch bevor die Zelle abgeschlossen ist, taucht Owen Dexter hier auf und übernimmt den Fall. Heute Morgen war die Vorverhandlung."

"Und lass mich raten, dein Hehler ist wieder frei."

Kermit nickte unzufrieden. "Ja, leider. Zum Termin in zwei Wochen wird er dann vermutlich nicht mehr in den Staaten sein. Ich hab eben mal meinen Computer befragt. Der Auftraggeber des Diebstahls, dieser Hin Sung, ist chinesischer Staatsbürger, hat ein Visum für drei Monate und ist vor einer Woche hier eingereist."

Peter nickte. "Und was willst du jetzt von mir?", fragte er nach, seine eigenen Probleme mehr als deutlich im Hinterkopf.

Kermit brummte leise und stand dann auf. "Ich dachte nur, dass du vielleicht eine Ahnung hast, hinter was der Kerl her ist. Wenn du mal in die Akte sehen würdest, wüsstest du auch, dass mir der Dieb erzählt hat, dass Hin Sung ihm noch weitere Jobs in Auftrag gestellt hat, wenn er erfolgreich ist."

Peter hob fragend, fast schon abweisend, die Brauen.

"Was ist denn mit dir los?", fragte Kermit forsch.

Peter sagte nichts, dann aber packte Kermit sein Handgelenk, das schon wieder auf dem Weg zum Brandmal war.

"Ok. Das ist jetzt das vierte Mal in geschätzten zwei Minuten, dass du dir an die Schulter greifst. Was ist los?"

Peter versuchte sich in einem überzeugenden Lächeln. "Nichts, ich hab mir nur heute Morgen beim Training die Schulter ein wenig überdehnt, das ist alles", sagte er und drehte sich aus dem Griff des Freundes. Er konnte fühlen, dass Kermit ihm nicht wirklich glaubte.

"Hast du irgendeine Idee, wonach genau die suchen? Eine Schatulle und noch irgendwelches Zeug. Du kennst dich da besser aus, wenn es um die Interna von Chinatown geht", kam der Cop wieder auf das ursprüngliche Thema zurück.

Peter aber schüttelte den Kopf. "Nein, tut mir Leid. Vielleicht hätte dir mein Vater was dazu sagen können, aber ich hab keinen Schimmer. Wie ist denn der Name des Mannes, dem die Schatulle gestohlen werden sollte?" konzentrierte sich Peter jetzt auch auf den Fall, damit sein Freund nicht noch misstrauischer wurde.

"Kim Su. Er wohnt Ecke dreiundvierzigste und Fleewood."

"Ja, ich weiß. Aber ich kenn ihn nicht. Er gehört nicht ganz zu meiner Klientel."

"Was meinst du damit?"

"Jemand, der den Großteil seines Lebens in Dunkelheit verbracht hat, wird sich nicht im Alter noch dem Licht zuwenden", sagte Peter verheißungsvoll.

Kermit sah ihn über die Brille hinweg an. "Also einer der bösen Jungs?"

"Ja, so könnte man das auch nennen. Zumindest früher mal. Aber er hat sich zur Ruhe gesetzt, wie ich gehört habe." Peter wandte sich zum gehen, aber Kermit hielt ihn am Arm und zog ihn ein Stückchen zurück.

"Wirklich alles klar bei dir?", fragte er noch einmal nach.

"Ja, wirklich", versicherte der jüngere von ihnen und verließ das Revier.

"Ich glaub dir kein Wort", flüsterte Kermit ihm hinterher.

* * *

Peter war zu Fuß unterwegs zu Lo Si, nachdem er den Kombi zu Hause abgestellt hatte, als sein Handy klingelte. Nach einem Blick aufs Display ging er ran.

"Hallo, meine Süße!" begrüßte er Cat mit möglichst unbesorgter Stimme.

"Hey Honey. Ich wollte dir nur kurz sagen, dass ich wohlbehalten gelandet bin. Hab allerdings nicht viel Zeit, mein Taxi wartet schon."

"Alles klar, Liebling. Ich wünsch dir viel Spaß!"

"Ich weiß noch nicht, ob ich heute noch mal dazu komme, anzurufen. Melde mich spätestens morgen wieder bei dir! Ich liebe dich!"

"Ich liebe dich auch. Pass auf dich auf." Dann war die Leitung tot. Wenigstens ging es ihr gut, das war schon mal eine gute Nachricht für ihn. Und hoffentlich hatte Lo Si eine weitere, nämlich die Antworten auf seine Fragen.

Er betrat den kleinen Laden unter Lo Sis Wohnung und wurde gleich vom Besitzer begrüßt.

"Meister Caine, schön, sie zu sehen!" Peter verneigte sich.

"Hallo. Ich wollte zum Ehrwürdigen…"

"Oh, er bat mich, ihnen auszurichten, dass er verreist ist, wenn sie nach ihm fragen sollten", durchkreuzte der Händler sein Vorhaben.

Peter verabschiedete sich und verließ das Geschäft gleich wieder. Er fuhr sich durch die Haare und rieb sich anschließend die Schulter, die Schmerzen wurden immer schlimmer. Dann machte er sich auf dem Weg zu seiner Wohnung.

Hastig stieg er die Treppe zum Loft hoch und fand einen kleinen Klebezettel an der Haustür. Etwas Böses erwartend nahm er ihn ab und las ihn, konnte dann aber erleichtert durchatmen. Er ging direkt mit dem Zettel zum Telefon und wählte die Nummer.

"Hallo Jonathan." … "Nein, alles in Ordnung. Ich hab es bloß vergessen. Es tut mir Leid." … "Ja, wirklich. Nächste Woche wieder?" … "Gut, bis dann." Er legte auf und fuhr sich durch die Haare. Das war das erste Mal, dass er die Stunde eines Schülers vergessen hatte. Der arme Kerl musste vermutlich eine ganze Weile draußen in der Kälte gewartet haben, nur um festzustellen, dass er nicht kam.

"Ich bin schon ein Held", knurrte er sich leise selbst an und rieb sich die Schulter. Er zog das Hemd aus und besah sie sich im letzten Tageslicht. Die rote Fläche hatte sich schon wieder vergrößert, wie ein übler Sonnenbrand sah sie aus und brannte um ein vielfaches heftiger.

Oberkörperfrei ging er ins Bad und zog sich vollends aus, um unter die Dusche zu gehen. Wie viele kleine Blitzschläge zuckte die Kälte des Wassers durch seine Haut, aber das konnte er verschmerzen, zeigte sie doch zumindest ein wenig Wirkung dort, wo er sie brauchte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit trat er mit einem Handtuch um die Hüfte aus dem Bad und verschwand gleich wieder im Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Ohne Hemd oder Shirt wollte er sich aktuell nicht zeigen, nicht ohne zu wissen, wie das alles zusammen hing. Dann trat er in den Meditationsraum, entzündete alle Kerzen und setzte sich in deren Mitte.

Sein Geist begann diesmal sehr schnell, sich von seinem Körper zu lösen. Als erstes ließen die Schmerzen nach, und er straffte sich noch ein wenig mehr. Dann tauchte wieder Caleb vor seinem inneren Auge auf, aber diesmal konnte er die Erscheinung durchdringen. Dann hallten die Worte durch seinen Kopf, die ihn im Auto die Kontrolle hatten verlieren lassen.

'Du weißt schon, dass ich da bin, nicht wahr? Ja, du weißt es!'

Er versuchte, seine Seele dahin zu steuern, ihm zu verraten, wer diese Worte sprach, aber sie wollte ihm kein Gesicht zeigen, keine Information. Dann traf es ihn mit einer solchen Wucht, dass sein Körper sowohl in der Meditation, als auch in der Realität zurückgeworfen wurde. Mit der Kraft und Lautstärke eines startenden Düsenjägers prasselten neue Worte auf ihn ein.

'Tut es sehr weh? Es wird noch schlimmer werden! Ich werde dich vernichten, Shaolin!'

Offensichtlich nahm der Feind grade in diesem Moment Kontakt zu ihm auf. Mit höchster Kraftanstrengung steuerte Peter seinen Geist in die Richtung dieser Worte, die bildliche Darstellung seines Körpers vor seinem inneren Auge kämpfte sich vorwärts, wie gegen einen starken Wind.

Dann endlich erreichte der visualisierte Peter die Wand und Bilder blitzten durch seinen Verstand. Sein realer Körper wurde zurückgeworfen, schwach lag er auf dem Rücken und zog sich selbst jetzt wieder zurück in die normale Welt.

Ohne sich vom kalten Boden zu erheben schloss er die Augen und betrachtete sich in seiner Erinnerung noch einmal genau die Bilder, die er gesehen hatte. Dann rekonstruierte er, was grade passiert war. Sie hatten ihre Konzentration offenbar gekreuzt, sodass Peter auch einen Blick in den Geist seines Feindes werfen konnte und die Dinge sah, die ihm wichtig waren. Vier Gegenstände, alle mit demselben Symbol versehen, wie es auch auf seiner Schulter glühte.

Die Sonne war mittlerweile am Horizont verschwunden und hatte nichts als Dunkelheit zurückgelassen, die Kerzen waren erloschen. Peter öffnete die Augen und starrte hinein, als ihm die Anwesenheit von Eindringlingen bewusst wurde. Er wollte sich mit den Händen in den Stand schwingen, aber sein rechter Arm knickte unter der Belastung weg und er knallte auf die Seite.

Ein schwerer Schuh traf sogleich seine Rippen. Er drehte sich auf die Seite und brachte sich auf die Beine, drei Angreifer um sich. Er fühlte, dass er den Arm der brennenden Schulter nicht gebrauchen konnte, also drehte er seinen Gegenüber die linke Seite zu und bewegte sich mit leichten Schritten durch den Raum.

Der erste trat auf ihn zu und versuchte, ihn mit gezielten Kicks aus dem Gleichgewicht zu bringen. Peter parierte sie mit seinem intakten Arm und setzte von sich aus welche an. Taumelte aber der eine Angreifer zurück, kam der nächste auf ihn zu. Immer wieder landeten sie Treffer, in seinen Rippen, seinem Magen oder auf dem Rücken.

Dann riss ihm einer der Männer die Beine weg und er stürzte hart auf die rechte Seite, der Versuch, sich mit dem Arm abzufangen wurde mit höllischen Schmerzen in der Schulter quittiert. Er erwartete ein erneutes Feuerwerk an Qual, aber es passierte nichts mehr. Er hörte, wie einer dem anderen auf Chinesisch zuflüsterte, dass es genug sei, schließlich sollten sie ihm nur zusetzen. Dann waren sie verschwunden und Peter rollte sich keuchend über den Boden.

* * *

Jody trat am nächsten Vormittag in Kermits Büro und sah ihn missmutig an.

"Und, hast du was erreicht?", fragte der Cop mit der Sonnebrille.

Sie schüttelte den Kopf. "Es ist zum Verzweifeln. Die Firma, die als Arbeitgeber im Visum von Hin Sung steht, existiert nicht wirklich. Eine Scheinfirma. Ich hab mir also die Ohren blutig telefoniert, Adressen raus gefunden, Firmennamen erfahren, du kennst das alles. Aber ich komme nur von Scheinfirma zu Scheinidentitäten." Sie ließ die Schultern hängen und sah ihn an, Kermit rieb sich die Augen.

"Versuchs weiter. Irgendwann muss doch mal ein realer Name mit einer echten Firma raus springen", sagte er.

Skeptisch sah sie ihn an. "Bist du sicher, dass der Aufwand gerechtfertigt ist? Ich meine, so viel Wind um einen Typen, der einen Drogenabhängigen zum Diebstahl angestiftet hat?"

Kermit strafte sie mit einem finsteren Blick. "Ich bin mir sicher. Und die Tatsache, dass uns die Suche so erschwert wird, überzeugt mich noch viel mehr. Also sei so nett, und…"

Sie hob ergeben die Hände und wollte grade gehen, als sie sich noch einmal im Türrahmen umdrehte. "Haben wir eigentlich ein Bild von dieser Schatulle?" fragte sie in der Hoffnung, dass vielleicht darauf irgendwas zu erkennen sein könnte, was ihnen half.

"Nein. Der Junkie hat mir nur erzählt, dass es eine dunkle Holzschachtel sein sollte, die kein Schloss, sondern nur ein Emblem mit einer Schlange darauf hat. Meinst du, das könnte uns helfen?" fragte er skeptisch.

Sie zuckte die Schultern. "Keine Ahnung, aber vielleicht… ich weiß auch nicht. Das ergibt irgendwie alles keinen richtigen Sinn."

Kermit stimmte ihr stumm zu und stand dann auf. "Aber er ist ja noch unten in der Zelle. Also werd ich ihn noch mal fragen. Vielleicht fällt ihm ja was ein", sagte er mit einem diabolischen Brauenzucken.

Jody lächelte, zum ersten Mal an diesem Tag. "Aber halt dich an die Vorschriften, Kermit. Nicht dass Dexter den Kerl plötzlich auch noch vertritt."

"Ich pass schon auf", sagte er und ging an ihr vorbei.

Während Jody sich wieder an ihren Schreibtisch setzte, in einem Papierberg wühlte und dann das Telefon aushängte, ging Kermit die Stufen hinunter und ließ sich die Zelle des Junkies aufschließen.

Der junge Mann zitterte am ganzen Körper, auf seiner Stirn standen Schweißperlen, seine Haut war bleich. Kermit setzte sich neben ihn. Es dauerte einige Sekunden, bis der unbeholfene Einbrecher seinen Kopf zu ihm drehte.

"Johnny, ich brauch noch mal deine Hilfe", sprach er ihn mit möglichst freundlichem Tonfall an, "wie sah die Schatulle, die du stehlen solltest, genau aus? Hat man dir ein Bild gezeigt?"

Zittrig starrte er ihn einfach an. "I-i-ich w-w-weiß ni-nicht. I-ich br-br-brauch ei-nen Schhhh-uss!" stammelte er.

Kermit rieb sich die Augen, dass konnte ja eine spaßige Befragung werden. "Und ich brauche diese Information", sagte er ruhig.

"E-eine Schhhh-achtel. D-d-d-dunkel. I-ch br-auche…"

"Ja ich weiß", unterbrach Kermit ihn, "also dunkles Holz?"

Der Inhaftierte nickte abgehackt. "Ich br-br-auche ein-en Schu-uss!"

Kermit spürte langsam den inneren Wunsch aufkommen, die Informationen aus dem Kerl herauszuprügeln.

"Hör zu, Johnny. Wenn du ganz nett bist, und endlich mit mir redest, kann ich da vielleicht was machen", flüsterte der Cop, damit ihn niemand sonst hörte.

"S-sie w-w-w-würden…"

"Ja, verdammt! Jetzt komm endlich mit der Sprache raus!" zischte er, noch immer leise.

"D-dunk-les Ho-holz. Ei-eine Schhhhh-lange a-auf d-em D-eckel. U-und k-k-k-kein Schhh-schloss. S-sondern a-uch n-n-nur d-die Sch-lange."

Kermit rieb sich die Augen. Mit der Beschreibung konnte er herzlich wenig anfangen. Er zückte sein Notizbuch und einen Bleistift und hielt es ihm hin. "Kannst du sie zeichnen?", fragte er, eigentlich mit wenig Hoffnung. Aber der Junkie nahm es ihm tatsächlich ab und begann zittrig, etwas zu kritzeln.

"B-bekomme i-i-ich d-d-ann…"

"Ja doch", gab Kermit entnervt zurück und wartete, bis das Bild fertig war. Endlich reichte er den Block zurück und der Cop stand im selben Moment auf und ließ sich die Zelle wieder aufschließen.

"W-was i-ist m-m-mit…"

"Sorry Johnny, ich hab gelogen", sagte er kalt und war verschwunden. Erst eine Etage höher betrachtete er das Bild genauer, dann blieb er wie eine Salzsäule mitten im Großraumbüro stehen, starrte auf den Block und drehte sich dann auf dem Absatz zum, um aus dem Revier zu eilen.

"Was war das denn?", fragte Skalany, die zu Jody herüber gekommen war.

"Ich hab keine Ahnung", antwortete sie leise und blickte verwundert hinterher.

* * *

Peter wachte auf dem Boden des Meditationsraums auf. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, was gestern Abend passiert war. Sein Körper schmerzte, aber bis auf das Brennen der Schulter konnte er ihn annehmen und loslassen. Dann rollte er sich wenig elegant auf die Knie und stand auf. Sein rechter Arm war mittlerweile fast vollständig bewegungsunfähig.

Er fummelte einhändig die Knöpfe auf und zog das Hemd beiseite. Die entzündete Fläche seiner Haut hatte mittlerweile einen Durchmesser von etwa fünfzehn Zentimetern. Während er noch überlegte, wie er weiter vorgehen sollte, klingelte das Telefon.

"Hey Honey! Wie geht's dir?", fragte Cat fröhlich.

Peter schloss die Augen, legte ein falsches Lächeln auf und antwortete ihr dann.

"Gut, Süße. Und bei dir? Wie war dein Konzert gestern Abend?"

"Der absolute Wahnsinn! Und heute beim Frühstück konnte ich die Jungs interviewen, und… das ist alles echt ganz großes Kino", plapperte sie überschwänglich.

Peter musste grinsen. "Das ist super, Süße", sagte er jetzt ernst. Sein Verstand hatte grade eine Idee ausgearbeitet, wie er sie vielleicht vor Sorgen bewahren konnte.

"Du klingst angespannt", erkannte sie sofort seinen Tonfall.

"Ja, du hast Recht. Hör zu, Cat, Kermit hat mich gebeten, ihn bei einem Fall zu unterstützen. Kann sein, dass ich für drei, vier Tage abtauchen muss, um Informationen herauszufinden. Du solltest also vielleicht besser nicht anrufen", log er und hoffte, dass sie ihn nicht durchschaute.

"Das klingt gefährlich", murmelte sie besorgt.

"Keine Angst, Liebling. Ich kann auf mich aufpassen. Außerdem gibt Kermit mir ja Rückendeckung. Mach dir bitte keine Sorgen um mich und genieß die Tour, ja?!" Einige Sekunden Pause.

"Ich weiß nicht, Honey, ich meine…"

"Schhh, ganz ruhig. Es wird nichts passieren. Aber sei so lieb, und ruf nicht an, ok? Auch nicht bei Kermit. Wenn ich kann, melde ich mich. Aber versprechen kann ich es nicht."

*Komm schon, bitte lass es gut sein*, beschwor er sie in Gedanken.

"Also gut. Aber ein wenig Sorgen mach ich mir schon. Ich liebe Dich! Pass auf dich auf, ja?"

"Das werde ich. Ich liebe dich auch."

Sie legten auf. Peter lehnte seine Stirn an den Rahmen der Balkontür und schloss die Augen. Hoffentlich nahm das alles ein gutes Ende.

"Ich weiß gar nichts von so einem Einsatz", sagte Kermit hinter seinem Rücken misstrauisch.

Peter wirbelte herum, er hatte seinen Freund vor lauter Anspannung gar nicht kommen gehört.

"Äh, Kermit, ich…"

Der Ex-Söldner machte zwei Schritte durch den Raum auf ihn zu. "Was zur Hölle ist los, Peter? Ich hab schon auf dem Revier gemerkt, dass bei dir irgendwas faul ist. Also?", fragte er eindringlich.

Der junge Shaolin fuhr sich durch die Haare und ging an ihm vorbei. "Hör zu, Kermit, die Sache, die ihr da verfolgt, ist gefährlich. Ihr solltet euch da raus halten", sagte er, auch wenn er seinen Freund gut genug kannte, um zu wissen, dass er ohnehin nicht darauf hören würde.

"Ich denk nicht dran. Aber ich hab mich gefragt, wie du da drin steckst. Bis ich das hier gesehen habe." Er wedelte mit seinem Notizbuch.

"Was ist das?", fragte Peter mit geraffter Stirn.

Kermit musterte ihn scharf, während er sprach. "Eine Zeichnung der Schatulle, von der du angeblich nichts weißt. Aber darauf ist dasselbe Zeichen, wie du als Narbe auf der Schulter trägst."

Kermit deutete auf Peters rechte Schulter, welche der ehemalige Cop sofort zurückzog. Kermit hatte die Narbe damals gesehen, als Peter leblos in dem Reif gehangen hatte. Der wollte sich jetzt wegdrehen, aber sein Freund packte ihn am Hemd und zerrte ihn zu sich, wobei sich das Kleidungsstück verzog. Mit schmerzlichem Gesichtsausdruck wand er sich sofort aus dem Griff und trat einen Schritt zurück.

"Was verdammt noch mal ist das?", fragte Kermit mit großen Augen. Er hatte die feuerrote Verfärbung der Haut deutlich wahrnehmen können.

Peter legte für einen Moment den Kopf in den Nacken und leckte sich die Lippen. Abweisend sah er den ehemaligen Söldner wieder an.

"Wenn ich es weiß, sag ich dir bescheid", gab er kühl zurück und wollte sich an Kermit vorbei schieben. Der aber griff wieder nach seinem früheren Kollegen, traf die Schulter mit den Fingerspitzen und ließ sofort los, als hätte er sich verbrannt, während Peter kurz aufschrie. Der junge Shaolin ließ den Kopf hängen.

"Hey, Partner. Rede mit mir. Was hat das zu bedeuten?", fragte Kermit diesmal leise und ruhig. Sein Ärger machte jetzt etwas schlimmerem Platz: Der Sorge und Angst um einen Freund.

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