Teil 2
Autor: Ratzenlady
 

"Also gut, Woods. Ich sag ihnen von vornherein: Wenn sie mich nerven, lernen sie mich kennen!", hieß Kermit seinen Kollegen im Ermittlerteam willkommen.

Jody hatte sich ein Grinsen verkneifen müssen, obwohl Woods sich mittlerweile eigentlich gemacht hatte und sogar recht gute Arbeit ablieferte. Auch mit dem Stress, der auf dem 101. Revier grundsätzlich herrschte, kam er gut zurecht.

"Natürlich, Detective Griffin. Ich will ihnen doch nur helfen." Ergebend hob Alex Woods die Hände.

"Sagen sie Kermit. Niemand nennt mich Detective Griffin, außer der Captain."

Der Ex-Söldner glaubte etwas über das Gesicht seines Kollegen huschen zu sehen, konnte es aber nicht deuten.

"Alex", gab er zur Antwort.

Jody schaltete sich auch ein. "Also dann, will ich mich auch einklinken. Alex, nennen sie mich Jody."

"Gern."

"Können wir jetzt endlich anfangen?", knurrte Kermit über soviel Höflichkeit.

"Natürlich!", lenkte Alex sofort ein, er schien immer noch Respekt vor Kermit zu haben, "Was haben sie bis jetzt?"

Widerwillig und grob zusammengefasst gab Kermit den aktuellen Ermittlungsstand bekannt. Alex hörte aufmerksam zu und nickte hin und wieder.

"Er wird sich irgendwo neuen Stoff besorgen müssen, wenn er das letzte Mal alles zurücklassen musste", kommentierte der Neue die Situation.

"Nein, wirklich?"

"Kermit!" Jody ging der mürrische Kollege langsam auf die Nerven. Der verdrehte hinter der Brille die Augen und atmete tief durch.

"OK! Aber so weit waren wir auch schon. Die bekannten Anlaufstellen haben wir durch."

Wieder nickte Alex Woods. "Dann hat er entweder jemanden, der uns unbekannt ist, oder er hat noch keinen. Was die Möglichkeit für einen Undercover-Einsatz hergeben würde."

Kermit hob die Brauen. "Das ist lebensgefährlich!"

"Das ist unser Job immer", sagte Woods leicht daher.

"Aber aufgrund der Tatsache, dass uns hier offenbar Informationen abhanden kommen und in den falschen Händen landen, wäre das Risiko zu groß. Das wäre Selbstmord!"

Jody wunderte sich über Kermits Sicherheits-Gerede. Er war eigentlich der Erste, der sich in halsbrecherische Missionen stürzte.

"Und wenn es die einzige Möglichkeit ist?" Er stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und lehnte sich auf Kermit zu, der ihn prüfend über den Brillenrand anstarrte.

"Spencer wird sich auf niemand unbekannten einlassen. Er ist ja schließlich gewarnt", versuchte Kermit wieder abzuwiegeln.

"Und die bekannten Verkäufer werden sich nicht auf ihn einlassen, weil sie genau wissen, dass wir sie mit Argusaugen beobachten."

"Ich finde die Idee gar nicht schlecht. Man müsste es nur glaubhaft verkaufen", mischte sich Jody jetzt ein und bekam dafür prompt einen glühenden Blick ihres älteren Kollegen, dem sie aber stand hielt. Er drehte sich wieder zu Woods.

"Und, haben sie dafür auch eine Idee?", fragte er brummend.

"Ich würde vorschlagen, wir überfallen uns selbst. Denn schließlich muss der vermeintliche Verkäufer ja irgendwie zu dem Stoff gekommen sein."

"Bitte?", fragte Kermit skeptisch.

"Wenn der Stoff, den wir Spencer abgenommen haben, zur Vernichtung gefahren wird, könnte der Transport überfallen werden. Zumindest sollte es so aussehen und durch die Medien gehen. Dann kann man auf Spencer zugehen und ihm sagen, dass er seinen Stoff gegen eine gewisse Aufwandsentschädigung zurückhaben kann."

Er zuckte die Schultern. "Einfach ein Kerl, der sich an seinem Verlust bereichern will. Davon gibt es eine ganz Menge", fügte er an.

Kermit beäugte ihn noch immer über die Brille, jetzt lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme. Der Plan war gut, aber ihm persönlich schon fast zu gut. Entweder war Woods wirklich ein verdammt genialer Cop, oder aber er hatte das alles schon vorher zurechtgelegt.

Jody nickte anerkennend, auch sie fand den Plan offenbar gut, aber Kermit konnte natürlich nicht sagen, was hinter ihrer Stirn dazu vor sich ging. Er lehnte sich wieder nach vorne.

"Also gut. Mal sehen, was der Captain dazu sagt."

***

Captain Simms schaute nachdenklich in die Runde.

"Wir bräuchten dazu jemand Fremdes. Je nachdem… es wäre zu gefährlich einen unserer Detectives zu nehmen. Überhaupt einen Polizisten dieser Stadt." Sie und Kermit wechselten einen Blick.

>Peter wäre der ideale Mann<, dachte Kermit, und seine heimliche Partnerin auch, das konnte er in ihren Augen lesen. Auch Jody hatte denselben Gedankengang und nickte abwesend. Woods guckte von einem zum anderen.

"Hab ich irgendwas verpasst? Haben sie jemanden im Sinn?", fragte er.

Kermit musste zugeben, dass er ein sehr gutes Gespür für Unterschwelliges hatte. So etwas bekam nicht jeder mit.

"Hätten, aber leider ist er aktuell nicht in der Stadt. Wir reden von ihrem Vorgänger", erläuterte Captain Simms.

"Caine? Der den Job geschmissen hat, um Priester zu werden?" Abwertend verdrehte er die Augen, woraufhin ihn sechs Augen strafend und glühend anstarrten. Schnell merkte er, dass er in ein Wespennest gestochen hatte. "'Tschuldigung."

Der Captain nickte, Jody blickte wieder zu Karen, Kermit allerdings ließ seinen Blick noch einen Moment einbrennen. Es gab nun mal Menschen, auf die ließ er nichts kommen. Und Peter gehörte eindeutig dazu.

Karen tippte mit ihren Fingern auf die Schreibtischplatte. "Also, wer könnte den Job machen?" kam sie auf die ursprüngliche Frage zurück.

Betreten und ohne Antwort sahen sich die Kollegen untereinander an.

Plötzlich lichtete sich Jodys Gesicht. "Was ist mit…" Kermit hielt ihr die Hand vor den Mund, wechselte einen Blick mit ihr und Karen, sie nickten. Im Augenwinkel sah er auch Woods nicken, er hatte verstanden.

Kermit ließ seine Hand sinken. Jody griff sich einen Stift aus dem Becher auf Karens Schreibtisch und bekam sofort von ihr einen Block gereicht. Hastig schrieb sie einen Namen auf und zeigte ihn in die Runde.

Woods zuckte die Schultern, ebenso der Captain. Nur Kermit zog die Brauen zusammen und erinnerte sich an den Mann, einen ehemaligen Polizisten des Reviers. Eine haarsträubende Geschichte, auch wenn er selbst damals nicht dabei war.

* * *

Peter hatte den Kerzentrick noch zwei Mal vorführen müssen, dann erst hatte Cass ihm geglaubt, dass es keinen sprichwörtlichen doppelten Boden gab. Sie hatten sich noch lange unterhalten und immer wieder hatte Peter dieses Gefühl empfunden, etwas, das er noch nie gespürt hatte, nicht kannte.

Aber er konnte es nicht deuten. Es fühlte sich >wichtig< an, so als würde Cass noch eine Rolle spielen, eine Rolle in seinem Kampf gegen das, was im Wald lauerte. Ein inneres Wissen erfüllte ihn, dass er gut auf sie aufpassen musste, dass sie der Schlüssel zu etwas war.

Anschließend waren sie schlafen gegangen. Peter hatte die Nacht im Halbschlaf verbracht, ganz entspannen konnte er sich nicht. Wilde Gedanken und Vermutungen waren durch seine Gehirnwindungen gerast, aber er konnte keinen klaren Schluss fassen. Um vier Uhr morgens hatte er sich auf den Teppich gesetzt und meditiert, um noch ein wenig Ruhe zu finden, ehe die Nacht vorbei war.

Nachdem es draußen hell wurde, klopfte es an der Tür, sie wurde aber nicht aufgedrückt. Cass sprach nur leise: "Kaffee ist fertig."

"Ich komme", antwortete Peter und stand auf. Nach seinem Gang durchs angrenzende Badezimmer kam er mit noch nassen Haaren an den gedeckten Tisch, an dem Cass versuchte, ihm gleichzeitig zu zulächeln und zu gähnen. Peter grinste, als er das sah. Sie guckte gespielt wütend.

"Was werden sie heute tun, wenn die kommen?", stieg sie sofort in den Tag ein. Peter goss sich erst einmal Kaffee ein, ehe er antwortete.

"Das kommt darauf an. Wenn sie versuchen, mich zu verprügeln, werde ich mich wehren. Bei allem anderen, mal sehen."

Sie blickte noch immer besorgt. "Was ist, wenn die versuchen, sie zu töten? Wenn drei Mann, oder mehr, auf sie schießen, dann…" ängstlich sah sie ihm in die Augen.

Peter versuchte durch seinen Blick Sicherheit und Zuversicht zu verbreiten. "Keine Sorge, Cass. Ich kann auf mich aufpassen. Wichtig ist, dass den Dorfbewohnern nichts passiert, weder heute noch zukünftig. Deshalb werde ich auch nicht hier auf sie warten."

"Aber!" Erschrocken fuhr sie hoch. Peter nahm kurz ihre Hand, sie setzte sich wieder.

"Ich kann das Risiko nicht eingehen. Es ist zu gefährlich. Ich werde sie im Wald empfangen. Dann hab ich den Überraschungseffekt auf meiner Seite."

Sie nickte, auch wenn ihr die Idee gar nicht gefiel. Dieser überaus nette, wenn auch ein wenig merkwürdige Mann war so völlig anders, als die aus ihrer Gegend. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, allerdings machte er keine Anstalten, ihr näher zu kommen. Nicht auf die Weise, die sich auch schon nach so kurzer Zeit wünschte. Und er war Priester, ein kämpfender, vor dem Essen nicht betender Priester, aber ein Priester.

Sie geleitete ihn noch zur Haustür und hielt sie ihm auf. Verlegen lächelnd sah sie Peter an. Er legte ihr seine starke und warme Hand auf die Schulter, was sich unglaublich gut anfühlte.

"Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde zurückkommen. Mir passiert nichts", kommentierte er ihre unausgesprochenen Ängste.

Sie senkte den Blick, als Peter überraschend einen Kuss in ihren Haaransatz drückte, so als hätte ihren Wunsch nach Zuneigung in ihren Augen gelesen. Dann verließ er das Haus.

Sie blickte ihm hinterher, bis er außer Sicht war, dann ging sie wieder hinein. Dieser Mann hatte etwas Außergewöhnliches. Hatte er wirklich ihre Gedanken gelesen? Oder war es Zufall, dass er ihr einen Kuss gegeben hatte, als sie ihn sich wünschte?

Mit geschlossenen Augen lehnte sich an der Wand und hoffte darauf, dass Peter zurückkam, dass er sie in den Arm nehmen würde, sie noch einmal küssen.

***

Wieder durchquerte Peter mühelos die Lichtschranken und hockte sich hinter denselben Busch, wo er schon am Tag zuvor gesessen hatte. Die dunkle Kraft, die er wieder spürte, beunruhigte ihn. Er wollte unbedingt wissen, worum es sich handelte, was es für eine Kraft war und wie er sie am besten vernichten konnte.

Die Männer beluden gerade einen Jeep mit Stöcken, Baseballschlägern und ein paar Gewehren. Peter wartete, bis alles im Wagen und die Tür geschlossen war, dann waren die Waffen schon mal außer Reichweite.

Er konnte fünf Männer sehen, die sich schon lautstark darauf freuten, ihn zu vermöbeln. Lautlos trat er aus seinem Versteck und schaltete den Ersten unbemerkt mit einem gezielten Griff in den Nacken aus, dann bemerkten ihn die anderen und stürmten auf ihn los.

Die Schläge und Tritte konnte er fast mühelos abwehren, nur der eine oder andere traf ihn mal in den Rippen oder dem Rücken. Immer wieder stürzten sie und sprangen wieder auf, zorniger als vorher. Peter spürte, dass von hinten noch mehr Männer kamen, stoppte aber erst in der Bewegung, als deutlich hörbar eine Schrotflinte durchgeladen wurde.

Einer der vier Männer erhob sich grade vom Waldboden, ging nun auf den Shaolin zu und schlug ihm noch einmal mit aller Gewalt in die Magengrube. Peter sackte ganz kurz ein, straffte sich aber sofort wieder. Langsam drehte er sich um.

Vic hielt die Schrotflinte, daneben stand Bob Dell mit einer automatischen Waffe, links und rechts davon noch insgesamt sieben Bewaffnete. Peter machte sich wegen der Pistolen keine Sorgen, die konnte er mühelos glühen lassen, aber er wollte abwarten.

Zum einen, weil sich jetzt vielleicht der geheimnisvolle Boss blicken ließe, zum anderen weil diese Lakaien ihm vielleicht verrieten, worum es hier eigentlich ging. Wartend starrte er Vic an, der offenbar das Sagen hatte.

"Wir wollten grade zu dir, Fremder", griente er. Schließlich konnte Vic nicht wissen, dass Peter gestern mitgehört hatte.

"Und warum?", fragte der junge Mann gleichmütig.

"Um dich umzulegen", kam die ebenso lapidare Antwort.

Peter zuckte die Schultern, als machte ihn das nichts aus. Innerlich konzentrierte er sich darauf, zu spüren, falls sie wirklich anlegen würden um dann schneller zu sein. Aber zunächst wollte er Informationen.

"Warum?"

"Weil du lästig bist. Und Störenfriede mögen wir gar nicht!" Gelächter.

"Wobei könnte ich denn stören?", setzte Peter seinen Haken an.

Vic verengte die Augen. "Das geht dich nichts an. Auch nicht, obwohl du nur noch geschätzte fünf Sekunden zu leben hast."

Peter wollte grade schon anfangen, als Bob seinen Vorgesetzten in die Rippen stieß und ihm etwas zuflüsterte. Vic schien nicht glücklich darüber.

"Tot wär' er mir lieber", konnte Peter ihn leise knurren hören. Sie wurden nun lauter in ihrer Unterhaltung.

"Aber Tote werden zu Märtyrern. Was wenn sich die Dorfbewohner daraufhin aus Trotz doch wehren? Wenn wir ihn nur zurichten, haben sie Angst. Du weißt doch, die Angst vor Schmerz ist größer als die vor Tod."

Peter entspannte sich ein wenig und ließ noch einmal von den Waffen ab. Ehe Vic allerdings antworten konnte bemerkte der Shaolin die Anwesenheit eines weiteren Mannes, der aus der Hütte kam. Er trug einen langen, schwarzen Mantel, einen dunklen Pferdeschwanz und hatte tief liegende Augen, die Peter direkt in seine schwarze Seele blicken ließen.

"Ihr Plan gefällt mir, Mister Dell", schnurrte er, ohne dabei den Blick von Peter zu wenden, der ihm aufrecht und gestrafft entgegen sah.

"Danke, Sir", gab Peters alter Bekannter demütig zurück. Vic wirkte verärgert, versuchte aber, das vor seinem Boss nicht zu zeigen. Der hatte nur Augen für Peter.

"Ein Shaolin in meiner bescheidenen Hütte. Mal sehen, was du kannst. Erschießt ihn!", wies er seine Mitarbeiter sofort an.

Peter aber reagierte blitzschnell darauf und erhitzte die Waffen, sodass sie alle auf der Erde landeten und ihre Besitzer verdutzt gucken ließen. Der dunkelhaarige Mann kräuselte die Lippen amüsiert.

"Ich bin Caleb." Er verbeugte sich übertrieben tief. "Und du?"

"Sein Name ist Peter Caine", machte Vic sich bemerkbar.

Caleb schlug ihn für die Unterbrechung. Der Untergebene lief feuerrot an, sagte aber nichts mehr.

"Sohn des Kwai Chang?"

"Sing Wah?", startete Peter eine Gegenfrage, die eigentlich überflüssig war.

Caleb lächelte vergnügt. "Ich muss ehrlich sagen, der Tod deines Vaters hat uns alle sehr getroffen, wollte doch ein jeder unserer Gilde der sein, der es vollzieht. Aber leider waren wir nicht schnell genug."

Peter blieb ruhig, er wusste dass der Sing Wah ihn nur zornig machen wollte.

"Was tust du hier?", fragte er ihn stattdessen.

"Das, junger Caine, werde ich dir nicht erzählen. Jedenfalls heute nicht. Ich werde dir erzählen, was wir jetzt tun werden. Ich werde dich, wie sagte es Mister Dell so schön, 'zurichten' lassen. Daraufhin werden sie dich im Dorf abladen. Und dann kannst du eine Entscheidung treffen. Entweder du suchst das Weite und überlebst, oder du kommst hierher zurück, ich verrate dir warum ich hier bin, und dann nimmst du dieses Geheimnis mit ins Grab."

Sofort winkte Caleb mit einer kleinen Handbewegung jemanden hinter Peter herbei. Der Shaolin wandte sich zu dem Angreifer um, ein zierlicher chinesischer Kämpfer, in einem schwarzen Kampfanzug, in jeder Hand ein Sansetsukon, eine dreigliedrige, mit Kettenstücken verbundene Schlagwaffe.

Meisterhaft schleuderte er sie um seinen Körper, ohne sich selbst zu treffen. Peter versuchte sich zu konzentrieren, ehe der Kampf losging, allerdings ließ ihm sein Gegner nicht genug Zeit.

Der erste Schlag traf die Nieren. Dann konnte Peter einiges Abwehren, allerdings waren die Waffen einfach zu schnell. Immer wieder versetzte ihm sein Angreifer kapitale Treffer. Endlich schaffte Peter es, den äußeren Stock eines Sansetsukons zu ergreifen und sie ihm abzunehmen, wobei sie ihm allerdings selbst auch aus der Hand flog.

Der Kämpfer war mit nur noch einer Waffe jetzt umso wendiger und schneller. Schon nach wenigen Abwehrversuchen erhöhte sich die Quote der Treffer enorm, Peter betrieb nur noch Schadensbegrenzung. Aber allmählich treiben ihm die Schmerzen einen Schleier vor die Augen (>oder ist es Blut? <), er war benommen, fiel zu Boden.

Mühsam erhob er sich, um sofort mit drei gezielten Treffern wieder niedergestreckt zu werden. Diesmal blieb er liegen. Seine Atmung ging schwer, der Schmerz hüllte ihn ein, wollte ihn am liebsten schreien lassen. Hätte Caleb ihm nicht vorher gesagt, dass sie ihn dieses Mal nicht töteten, wäre Peter davon überzeugt gewesen.

Dieser ungleiche Kampf war schlimmer als die Angriffe in der Tempelruine. Die Treffer hatten wesentlich gezielter gesessen, der Angreifer genau gewusst, wo er Peter Schmerzen zufügen konnte, ohne ihn zu töten. Hätte er das gewollt, wäre der Shaolin nach zwei Schlägen schon tot gewesen.

Caleb kniete sich neben Peter und holte ihn so gut es ging ins Bewusstsein zurück. Peter blinzelte ihn an, immer wieder abdriftend. Hart griff ihm der Sing Wah ins Gesicht und zwang ihn, ihm in die Augen zu schauen. Noch nie hatte Peter soviel Bösartigkeit in den Augen eines Menschen gesehen.

"Noch ein persönliches Andenken an mich", flüsterte er Peter zu. Dann hielt er Peter seinen Sing Wah Ring vor die Augen; er glühte.

Unter Schmerzensschreien brannte er dem Shaolin das Mal der Sing Wah auf die entblößte rechte Schulter. Dann wurde es schwarz um Peters Geist.

***

Der Jeep hielt auf dem Marktplatz, ängstlich beobachtet von allen Bewohnern. Zwei Mann sprangen von der Ladefläche, zogen den regungslosen Körper an Armen und Beinen herunter und schwangen ihn hin und her, bevor sie ihn losließen. Peter rollte noch einige Meter ehe er liegen blieb.

Während die beiden Männer unter keifender Freude wieder auf die Ladefläche sprangen, öffnete sich die Beifahrertür und ein bulliger Kerl stieg aus, den Peter als Vic identifizieren würde. Er ging zu dem Shaolin und trat ihm noch einmal mit aller Gewalt in den Unterleib. Sein schwerer Schuh traf ihn wie einen nassen Sack.

Cassandra wurde wach, als sie das schwere Dröhnen des Pick Ups hörte. Sie war an der Wand hinab gesunken und offenbar eingeschlafen. Sofort sprang sie auf und rannte zur Tür.

Der Geländewagen verschwand grade zu ihrer Rechten, schnell schaute sie nach links zum Marktplatz und sah den leblosen Körper dort liegen. Seinen Namen kreischend rannte sie zu Peter und kniete sich neben ihn, den Puls fühlend.

"Gott sei Dank", murmelte sie leise und strich ihm über die Stirn. Wütend sah sie sich um, es standen fünfzehn Menschen drum herum, davon zehn Männer, die alle einfach nur zugesehen hatten.

"Feiglinge!" brüllte sie sie an. Betreten schauten sie von einem zum anderen, bis Cassandra weiter sprach.

"Jetzt helft mir wenigstens, ihn in mein Haus zu bringen!" Niemand reagierte. Sie sprang auf und rannte wie eine Furie auf einen jungen Mann zu.

"Herrgott, Scott, jetzt hilf mir!", sagte sie ihm direkt ins Gesicht. Er machte zögernd einen Schritt vorwärts. Sie ging zum nächsten.

"Du auch, Harper, und du. George, du auch! Bitte!"

Langsam reagierten die Männer, gingen auf Peter zu und brachten ihn vorsichtig auf das Gästebett in Cassandras Haus. Noch immer zornig bedankte sie sich.

Als Peter langsam ins Bewusstsein zurückkam, machte er zunächst eine Bestandsaufnahme. Er fühlte die Weichheit eines Bettes unter sich, und er war allein im Raum. Jetzt kam auch der Schmerz zurück von seinen diversen Wunden.

Es war kein Knochen gebrochen, aber es gab kaum einen, der nicht geprellt war. Seine Unterarme waren ein einziger Bluterguss durch die Abwehrbewegungen gegen die Stöcke; sein Gesicht war geschwollen und sowohl am Haaransatz als auch der Wange aufgeplatzt; jede Rippe schmerzte einzeln und das Mal durch den Ring brannte wie Feuer auf seiner Haut.

Peter hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Dann setzte sich jemand zu ihm aufs Bett (>Cass<) und begann damit, seine Wunden im Gesicht mit einem feuchten Tuch zu reinigen. Er öffnete die Augen und versuchte zu lächeln.

Sie unternahm denselben Versuch, aber Peter spürte deutlich ihre Sorge und sah, dass sie geweint hatte. Er legte ihr seine Hand auf den Arm. Mit niedergeschlagenen Augen begann sie, sein Brandzeichen auf dem Arm mit den Fingerspitzen nachzuzeichnen.

"Ich hatte Angst", flüsterte sie erstickt.

Er spürte die Anspannung ihres Körpers und zog sie langsam zu sich. Bereitwillig legte sie sich neben ihn, ließ sich seinen Arm um die Schulter legen und platzierte ihren auf seiner Brust. Ihr Kopf lag auf der unverletzten Schulter.

"Tut das weh?" fragte sie vorsichtig, nachdem sie sich hingelegt hatte.

"Nein", log der junge Mann, dem diese Nähe so unglaublich gut tat. Sie drehte den Kopf zu ihm, schaute ihm lange in die Augen, aber als Peter ihr grade näher kommen wollte, wandte sie ihre Augen wieder ab.

"Hey?" Sanft legte er ihr seine Finger unters Kinn und holte ihr Gesicht zurück, "was ist?" Verlegen starrte sie in seine Augen, dann fing sie an zu stottern.

"Du bist…, ich meine…, ein Priester…"

Peter lächelte sie an, dann drückte er ihr einen sanften Kuss auf die Lippen.

"Nicht so ein Priester", hauchte er und sah nun einen freudigen Glanz in ihren Augen.

Innig vereinten sie wieder ihre Münder. Und mit einer großen Explosion in seinem Inneren erkannte er jetzt, was er bei der ersten Begegnung schon gefühlt hatte. Er hatte sich nur zu sehr auf das Böse im Wald konzentriert und es deshalb damit in Verbindung gebracht. Sie spielte eine wichtige Rolle. Aber nicht in dem Bezug, sondern in seinem Leben.

Das Gefühl, das er in ihrer Gegenwart empfunden hatte, war Glück und Liebe, in einem Ausmaß, das er bis dahin noch nicht kannte. Sie war die Liebe seines Lebens. Als sei es schon immer vorherbestimmt gewesen, fühlte er das nun mit einer Gewissheit, die jeden Zweifel beiseite schob. Und ein Blick in ihre Augen verriet ihm, dass es ihr ähnlich ging.

Er zog sie fester an sich, verstärkte den Kuss, spürte, wie sich ihr Unterleib an seinen drückte, aber sofort wieder abließ, als er kurz das Gesicht vor Schmerz verzog.

"Entschuldige", hauchte sie ihm entgegen mit einen verlegenen Lächeln, aber ihre Augen strahlten. Noch ein Kuss, dann erhob sie sich wieder. Peter sah ihr protestierend nach, als sie wieder nach dem Tuch griff und sein Gesicht weiter säuberte.

"Erst die Arbeit, dann das Vergnügen", witzelte sie, merkte aber dann, dass sich ein Schatten auf Peters Gesicht legte. Offenbar fühlte sie, dass Peters Aufgabe noch nicht vollbracht war.

"Oh nein!", sagte sie bestimmt.

Peter nahm ihre Hand. "Ich muss. Ich muss es beenden."

"Was denn beenden? Die werden dich umbringen! Kannst du nicht einfach…können WIR nicht einfach fort gehen?" Ihre Stimme zitterte.

"Nein, Cassie. Das hier sind nicht einfach Verbrecher, denen man die Polizei oder das FBI auf den Hals hetzt. Das sind Sing Wah."

"Sing WAS?" Ihre Augen drückten Verwirrung aus.

"Sing Wah. So wie die Shaolin die Kämpfer für das Licht, den Frieden sind, so sind die Sing Wah Krieger der Dunkelheit und des Bösen. Und gegen die kann die Polizei leider nicht viel ausrichten."

"Und was wollen die dann hier?"

Peter erkannte die Verzweiflung in ihr, wusste, dass das, was er ihr versuchte zu erklären, nicht wirklich ankam.

"Dort im Wald liegt eine böse Macht. Ich habe sie auch gespürt. Sie ist groß und mächtig, und der Sing Wah Krieger möchte sie haben und dafür nutzen, die Welt ins Dunkel zu stürzen."

Cass stand auf und schüttelte den Kopf. "Das klingt wie aus einem schlechten Film", kommentierte sie. Peter versuchte ihre Hand zu erreichen, sie näherte sich wieder, als sie sein durch die Bewegung schmerzverzerrtes Gesicht sah.

"Es ist schwer zu verstehen, ich weiß. Ich verlange ja auch gar nicht, dass du es sofort verstehst. Aber akzeptiere bitte, dass es so ist und ich es zu Ende bringen muss."

Sie senkte den Blick. "Und wenn du… ich hab dich grade erst gefunden, ich kann dich nicht schon wieder verlieren! Ich meine, ich empfinde etwas für dich, das ich gar nicht beschreiben kann. Als hätte ich schon immer auf dich gewartet! Und solltest du jetzt…" Sie weinte.

Fest zog er sie in seine Arme, den Schmerz in seinen Knochen gar nicht bemerkend.

"Das wird nicht passieren. Ich werde zu dir zurückkommen! Das verspreche ich dir!"

Sie sah ihm fest in die Augen, suchte Bestätigung für diese Worte. Dann löste sie sich aus seiner Umarmung.

"Wann?", fragte sie sich ergebend.

"In wenigen Tagen, wenn die Wunden verheilt sind."

Mit hochgezogenen Brauen sah sie ihn an, als sei er übergeschnappt. "Eher einige Wochen, bis du wieder ganz fit bist."

Peter grinste unverschämt, soweit seine Verletzungen das zuließen. "Ich bin kein normaler Patient, vergiss das nicht", scherzte er.

Sie lächelte ihn an und versorgte dann seine Wunden zu Ende, nicht ohne durch immer wieder eingeforderte Küsse unterbrochen zu werden. Anschließend verabschiedete sich, um Abendessen zu kochen.

Mit einem glücklichen Lächeln blickte er ihr hinterher. Er hatte es gefühlt, nur nicht zuordnen können. Und jetzt umhüllte ihn bei jedem Kuss dieselbe wohlige Wärme, wie er sie Heilig Abend von seinem Vater gespürt hatte. Es war absolute, bedingungslose Liebe.

***

"PETER!"

Sie eilte zu ihm hin, als er die Augen öffnete. Sofort verließen ihn die Kräfte, die ihn während der Meditation aufrecht gehalten hatten und er sackte zur Seite. Cass griff ihm unter die Arme und verhalf ihm wenig elegant aus dem Schneidersitz in den Stand und dann sofort wieder ins Bett.

"Was sollte das denn?", fragte sie völlig entgeistert.

"Ich musste meditieren", hauchte Peter schwach.

"Kannst du das nicht später machen, wenn du wieder gesund bist?", fragte sie forsch, aber besorgt nach.

Peter schüttelte den Kopf. "Nein. Es war nötig, um mir sicher zu sein." Er schloss kurz die Augen, die Kraft zu tanken und nicht abzudriften.

"Sicher mit was?"

Sanft nahm er ihre Hand und verflocht seine Finger mit ihren.

"Mit dir. Und mit der Aufgabe, die noch auf mich wartet." Wieder schloss er die Augen, seine Stimme war dünn.

"Und? Bist du dir sicher?", fragte sie vorsichtig, als habe sie Angst vor der Antwort.

Er verstärkte den Druck seiner Finger, öffnete die Augen und strahlte sie an, ohne eine Miene verziehen zu müssen.

"Ja! In beidem."

Sie senkte sich zu ihm herab und gab ihm einen Kuss. Wenn sie ihn wollte, musste sie seine Entscheidung wohl akzeptieren.

Dann holte sie etwas zu Essen und flößte ihm einen Teller Suppe ein.

 

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