Teil 2
Autor: Susan Guadagno (comments only in English please!)
Übersetzung ins Deutsche: FoolishGirl

 

Der große Ballsaal des Sutton Place Hotels glitzerte, angefangen bei den blendenden Tropfenkristallen die vom Kronleuchter hingen, bis hin zu dem Schmuck, den die meisten der hier anwesenden Frauen um den Hals oder an den Ohren trugen.
Trotz der Tatsache, dass Sunny nur unechten Schmuck und keine Diamanten trug, wurde sie von einigen dieser Frauen mit eifersüchtigen Blicken erdolcht. Sie beobachtete, wie sich die Köpfe der Frauen verdrehten, um Peter, der sich seinen Weg zurück zum Tisch bahnte, zu beobachten.

Er trug etwas in seinen Händen, was genau konnte sie jedoch nicht ausmachen. Detective Peter Caine stand der schwarze Smoking wirklich sehr gut.
Sie unterdrückte ein Kichern. Natürlich hatte er auch in Nichts außer der Weihnachtsmütze und dem Heu verdammt gut ausgesehen. In diesem Fall machte nicht die Kleidung den Mann aus. Der Mann machte die Kleidung aus. Deshalb durchbohrten sie die eifersüchtigen Blicke regelrecht. Mit irgendeiner Dessert-Kreation, auf der eine kleine Kerze steckte, in den Händen, durchquerte er zielstrebig den Saal, bis er neben ihr stand.

Im nächsten Augenblick registrierte sie, dass der Bandleader um allgemeine Aufmerksamkeit bat. Durch das Rauschen der Lautsprecheranlage - ihrer Meinung nach viel zu laut, denn ihr Kopf fing schon an zu pochen - verkündigte er ihren Geburtstag und plötzlich sang der ganze Saal für sie "Happy Birthday".
Ihre Wangen brannten, aber sie konnte ein dummes Grinsen nicht verhindern.
"Steh auf, wünsch dir was und blas die Kerze aus, Geburtstagskind", sagte Peter.

Sunny schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Sie füllte ihre Lungen mit mehr Luft als für eine einzelne Kerze nötig war, kräuselte ihre Lippen und blies die Flamme aus.
Die Menge brach in Applaus aus. Peter stellte die Schüssel auf den Tisch.
"Hast du dir etwas gewünscht?"
Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
"Warum nicht?"
"Ich habe dafür keinen Grund gesehen."

Er neigte den Kopf leicht zu Seite, seine haselnussfarbenen Augen weiteten sich leicht. Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. "Das ist nicht das, was ich von einem Mädchen namens Sunny erwartet habe. Jetzt schließ deine Augen und wünsch dir was."
Sie schloss ihre Augen und zählte langsam bis fünf, dann öffnete sie sie wieder.
Er kam näher, den würzigen Duft seines Aftershaves mit sich bringend und sah sie erwartungsvoll an.
"Und?"

Ihr Blick konzentrierte sich auf seinen Mund. Seine Augen sahen warm und einladend aus. Auf ihrem Mund bildete sich ein süffisantes Lächeln, als sie ihren Blick zu seinen Augen hob.
"Ich habe mir einen Kuss gewünscht.", verkündete sie laut.
Einige der Damen an ihrem Tisch glucksten.
"Sieht eher so aus, als ob du das Geschenk bekommst, Junge.", rief ein grauhaariger Herr an Sunnys linker Seite aus. "Mach schon, damit wir alten Knaben indirekt durch dich leben können. Küss das hübsche Geburtstagskind."
Die Frau des Mannes schlug ihn auf die Schulter.

Peter schaute runter. Ein spielerisches Lächeln erschien auf ihren Lippen - ihren süßen, pinken Lippen. Lippen die er schon seit einiger Zeit schmecken wollte. Er neigte sich näher zu ihr. Leichter Lavendelduft reizte seine Nase, als er flüchtig ihren Mund berührte.

"Sei nicht geizig.", murmelte sie leise gegen seine Lippen als sie nach seinem Revers griff.
"Bring die alten Männern - und mich - zum Beben."

In der Sekunde als ihre Zungenspitze den Rand seines Mundes berührte, wusste er, dass es um ihn geschehen war.
Mit einem gedämpften Stöhnen senkte er seinen Kopf und nahm vollkommen Besitz von ihren Lippen, verlor sich vollends in ihr, während er sie tiefer erforschte.

Sie schmeckte nach Schokolade und Champagner, süß und prickelnd, wie es sich für ihre Persönlichkeit gehörte. Und dieses Prickeln stieg ihm direkt in den Kopf. Alles davon.

Mit einem leisen Seufzer löste er sich von ihr und öffnete Augen, von denen er nicht gewusst hatte, dass er sie geschlossen hatte, um zu ihr hinunter zu schauen.
Verschmierter pinker Lippenstift, geschwollene Lippen und ein leicht verklärter Ausdruck auf ihrem Gesicht ließen vermuten, dass der Kuss sie genauso berührt hatte wie ihn. Vielleicht auch mehr. Was ja auch begründet wäre. Um Himmels Willen, sie war heute Nacht erst 21 geworden.
*Noch immer ein Kind.* Jahre jünger als er. Er hatte kein Recht sie so zu küssen.

Ihre Tischgenossen applaudierten, unterstützt von gutmütigem Gejohle des Mannes. Die Band spielte im Hintergrund irgend etwas langsames und mit einem erneuten Lächeln im Gesicht ergriff Sunny seine Hand.
"Komm Peter. Lass uns tanzen."

Er unterdrückte ein erschrecktes Stöhnen, als sie ihn um die halbbesetzten runden Tische zur hölzernen Tanzfläche in der Mitte des Ballsaals führte. Sie legte die Hände auf seine Schulten und schmiegte sich näher an ihn. Er schlang seine Arme um sie.
Ihr zarter blumiger Duft verbunden mit dem sehr angenehmen Druck ihrer Brüste gegen ihn, könnte selbst einen nicht Shaolinpriester veranlassen seine Vorsätze zu brechen seine Vorsätze zu brechen. Vielleicht konnte er behaupten, dass die verräterische Schwellung in seiner Smokinghose eine neue Holsterart sei, die er für das Department testen sollte.

Engumschlungen hatten sie langsam getanzt, seine Arme um sie hatten sie vollkommen von allem anderen abgeschirmt, eine Stellung, in der sie für den Rest ihres Lebens hätte bleiben können. Sie hatten schnell getanzt, bis sie vor Anstrengung außer Atem waren. Sie hatten den Electric Slide, den Macarena und sogar den Hokey Pokey getanzt.
Ihr Mitleids-Verabredungs-Held hatte sich als verdammt guter Kerl entpuppt. Nicht gerade das, was sie erwartet hatte von solch einem gut aussehenden, Pin-Up Kalender-Modell.

Mit festem, sicherem Griff hielt er ihre rechte Hand in der seinen. Ihre linke Hand lag auf seiner Schulter, wo sie in seinem Nacken mit einer seidigen Strähne seines Haares spielte. Sie drückte ihre Wange gegen seine Brust, das Gefühl von harten, schlanken Muskeln, die in Kontrast zu ihrer eigenen Haut, ihrem eigenen Körper standen, genießend. Ein mentales Bild seines Kalender-Fotos ließ ihren Herzschlag ansteigen. Wie würde es wohl sein gegen ihn gepresst zu sein, Haut an Haut?
Ja, sicher, als wenn das jemals passieren würde.

Selbst ein Mädchen - eine Frau, berichtigte sie sich selber - immerhin war sie seit heute Nacht 21 geworden - hatte ein Recht auf ihre Fantasien. Und Gott sei Dank hatte sie ihre Detective December Fantasien nicht dort aufgeschrieben, wo sie ihr neugieriger Bruder lesen konnte.

Das würzige Aroma von Peters Aftershave war etwas verklungen und hatte sich mit dem Duft männlicher Haut vermischt. Seine Finger malten träge Pfade über ihren Rücken. Sie gab sich selbst dem Gefühl der Empfindungen hin, verloren in einem träumerischen Zustand des Glücks in seinen Armen.
Bis ihre träumerischen Empfindungen von einem unsanften Erwachen in ihren linken Fingern, verursacht von dem Wiederaufleben von tausend Nadelstichen, verdrängt wurden. Ein vergleichbares Kribbeln brach auch in ihrem linken Fuß aus.
*So viel zur Fantasie.*

Sie biss die Zähne aufeinander und konzentrierte sich darauf, den Tanz zu beenden ohne ihm auf die Füße zu treten. Die Band wechselte von "Three times a Lady" zu etwas viel zu lautem, hartem und schnellem, mit einem schweren Rock-Tempo.
Sie löste sich von Peter. Der Rhythmus ließ sich in ihrem Schädel nieder, wo er mit grausamer Intensität weiterhämmerte. Sie schloss ihre Augen und atmete tief durch.

"Was ist los?"
Seine besorgte Stimme schnitt durch den Lärm des Ballsaals und das Dröhnen ihres Kopfes. Die Wärme seiner Hand umfing ihren Ellbogen.
"Nichts, ich denke nur ich sollte diesen Tanz vielleicht auslassen, das ist alles."
Sie öffnete die Augen und zwang sich selbst zu einem zittrigen Lächeln.
"Unfug. Du bist ungefähr drei Schattierungen blasser geworden, deine Augenbrauen sind nach unten gezogen und ein kleiner Nerv an deinem Kiefer zuckt."
Während er sprach, führte er sie von der Tanzfläche.

"Oh je, danach sehe ich ja richtig attraktiv aus. Es ist ein Wunder, dass die Männer sich mir nicht vor die Füße werfen."
Sie stolperte ein wenig, als ihr linker Fuß sich weigerte schnell genug mit ihm Schritt zu halten. Seine Hand an ihrem Ellbogen hielt sie aufrecht.
Großartig. Sie war nicht länger eine Frau in einem umwerfenden Kleid, die mit einem sexy Mann tanzte.
Nein, jetzt war sie wieder eine Halbinvalide, die noch nicht einmal richtig gehen konnte. Heiße Tränen stiegen in ihren Augen auf und sie blinzelte sie weg.

Er wurde langsamer.
"Sie werfen sich dir nicht zu Füßen, weil sie erst an mir vorbeikommen müssen. Hast du schon mal was davon gehört, dass man mit demjenigen tanzt, mit dem man gekommen ist? Das bin ich."
Er steuerte sie durch das Gedränge der Partyteilnehmer zu einem ziemlich abgeschiedenen Platz in der Nähe der entfernt liegenden Wand, wo er sie auf einen Stuhl drückte. Er kniete sich neben sie und streckte seine Hände aus, um mit der Rückseite seiner Finger über ihre Wangen zu streichen.
"Sag es mir, Sunny. Ich bin nicht dein Bruder, der vor deinem Zustand beschützt werden muss."

Die Sanftheit seiner Stimme durchdrang die Mauern, die sie errichtet hatte, um die Welt von ihrem "Zustand", wie er es genannt hatte, fernzuhalten.
"Es ist zu laut hier. Und welchen Zauber dein Vater auch immer angewandt hat, er lässt nach."
Sie seufzte "Mein Kopf pocht und meine Finger kribbeln. Und wegen des Champagners kann ich keine Schmerzmittel nehmen. Ich habe wegen heute Nacht schon seit Tagen keine mehr genommen."
"Ah, Sunny"
Er nahm ihre linke Hand in seine und massierte sie sanft, was erneut Tränen in ihre Augen schießen ließ. Er war so verdammt süß.

"Es tut mir leid." Er drehte seinen Kopf und schaute Richtung Ausgang. "Möchtest du hier raus?"
Sie schüttelte ihren Kopf. "Nein, Bitte. Ich möchte noch nicht nach Hause gehen. Es ist doch erst kurz nach Zehn. Bitte, Peter..."
Mit ihrer rechten Hand folgte sie dem Umriß seines Kiefers, umfasste dann sein Kinn und zwang ihn somit den Kopf zu heben, bis sich sein Blick von ihrer linken Hand zu ihrem Gesicht hob.
"Bitte. Wir wissen doch beide, dass es mein letzter Geburtstag ist. Mein letztes Sylvester. Zwing mich nicht vor Mitternacht nach Hause gehen zu müssen. Ich muss....Ich muss mich nur ein wenig ausruhen, irgendwo für ein paar Minuten einen ruhigen Platz finden."
Er bot ihr ein trauriges angedeutetes Lächeln und küsste sie dann sanft auf ihren Handrücken.
"Ich zwinge dich nicht vor Mitternacht nach Hause zu gehen, Cinderella."
Er richtete sich auf, blickte aber weiter zu ihr herunter.
"Ich werde sehen was ich machen kann. Du wartest hier, OK?"
"Mir ist nicht nach weglaufen zumute."

Er drehte sich um und ging in Richtung des Haupteingangs.
"Peter" rief sie ihm nach.
Er hielt an und blickte über seine Schulter zu ihr.
"Ja?"
"Du bist die bestaussehendste gute Fee, die ein Mädchen nur haben kann."
Sein Lächeln fing klein an, wurde aber schnell breiter. Seine perlweißen Zähne blitzten in ihre Richtung, dann schüttelte er den Kopf und lachte leise.
"Danke, denke ich. Ich bin so schnell wie möglich zurück."
Dann verschwand er im Gedränge der Menge bei der Bar.

Sunny hob ihre rechte Hand und massierte ihren Hinterkopf. Nur noch ein paar Stunden bis zum neuen Jahr. Und wenn sie sehr, sehr viel Glück hatte, konnte sie den gutaussehenden Detective December vielleicht davon überzeugen sie noch einmal zu küssen.

****************


"Ich wollte nur, dass du deinen netten, ruhigen Ort zum ausruhen bekommst.", sagte Peter als der Aufzug anhielt und sich die Türen mit einem Pling öffneten. Er umfasste Sunnys Ellbogen, führte sie auf den Flur und weiter den Gang hinunter. Er suchte in seiner Jackentasche nach der Schlüsselkarte, zog sie durch das Magnetschloss und drückte dann die Türe auf.

Sie blieb zögernd am Eingang stehen.
"Mach dir keine Sorgen. Ich habe nicht vor über dich herzufallen."
Seine Finger strichen über die weiche Haut ihrer Wange.
Sie blickte zu ihm auf. Durch die Schmerzen und Müdigkeit in ihren Augen blitze ein Funke von etwas ... Humor? ....auf und sie lächelte ihn sanft an.
"Mein Pech, da bin ich mir sicher." Sie zwinkerte ihm zu.
Er senkte seine Hand und spürte wie sich seine Eingeweide zusammenzogen. Teilweise als Reaktion auf ihre Neckerei, teilweise aber auch aus purer Bewunderung für ihre Anmut, in der wohl schwierigsten Situation in der ein Mensch wohl jemals stecken konnte. Wie sehr wünschte er sich, dass ihr Schicksal ein anderes wäre, dass sie sich unter anderen Umständen kennengerlernt hätten.
Er hätte niemals damit gerechnet, dass das Modell stehen als Detective December für den Wohltätigkeitskalender ihn in eine solche Situation bringen würde.

"Komm. Ich führe dich herum und dann kannst du dich ausruhen."
Er zog sie sanft in den Raum.
"Mich herumführen? Was gibt es denn zu zeigen..."
Ihr Mund stand eine Minute offen, als sie ihren Kopf drehte.
"Heilige Mutter Gottes"

Peter grinste und führte sie durch das mit Marmorfliesen ausgelegte Foyer.
Als sie am Kirschholzschreibtisch, auf dem eine Faxmaschine stand, vorbeikamen, hängte er ihre Jacke über die Lehne des dazu passenden Stuhls. Sie stellte ihre Handtasche neben das Telefon. Peter führte sie ins Wohnzimmer.
"Ohhh, warte einen Moment!"
Sie hielt sich zur Unterstützung an seinem Arm fest und zog sich die hochhackigen schwarzen Pumps aus.
Sie streckte ihre Zehen in den Plüschteppich.
"Ahhh, wenn ich zu tief in diesem Vorleger versinken, ziehst du mich raus, ja?"
Ein erneuter Blick durch den Raum.
"Dieser Ort ist toll! Ich hätte nie gedacht, dass es Hotelzimmer wie dieses gibt."
"He, Cinderella verdient an ihrem Geburtstag nur das Beste."
"Aber ...Aber das muss dich ein Vermögen kosten."
"Mach dir deshalb keine Sorgen. Sagen wir einfach der Hoteldirektor hat eine Schwäche für mich. Meine Schwester hatte ihre Hochzeitsfeier hier."
"Oh, das muss wunderschön gewesen sein."

Sunny ging um die runde Essgruppe herum und auf die zimmerhohe Fensterfront zu. Sie schob den Vorhang zur Seite.
"Ich habe immer davon geträumt wie meine Hochzeit sein würde..."
"Nicht."
Peter fand sich an ihrer Seite wieder, ehe er bemerkte, dass er sich bewegt hatte.
"Sprich nicht so darüber, Sunny."
Er presste seine Fingerspitzen gegen ihre Lippen.
"Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt, nichts anderes."

Ihre Unterlippe zitterte unter seinen Fingerkuppen und sie blickte auf den Boden.
"Es tut mir leid."
"Sshhh. Es muss dir nicht leid tun. Ich möchte nur nicht, das du dich heute Nacht mit so etwas beschäftigst. Heute Nacht feiern wir Sylvester und deinen Geburtstag."
Er schloss seine Hand um ihr Kinn und hob es an.
"Sieh mich an, Sunny."

Lange Wimpern flatterten nervös, als sich ihre Blicke trafen.
"Ich bin erstaunt über deine Haltung und deinen Mut. Am frühen Abend hattest du noch Angst, dass dies eine Verabredung aus Mitleid sein könnte. Das einzige, um was es mir leid tut, ist, daß ich nicht genug Zeit habe, um dich kennen zu lernen."
Obwohl Tränen in ihren Augen schimmerten, richtete sie dieses zittrige, aber tapfere Lächeln an ihn. Es verschlug ihm den Atem.
"Wir haben diese Nacht, wer braucht den Morgen." sagte sie.
"War das nicht ein Lied?"

Er umarmte sie, sein Kinn ruhte auf ihren Kopf.
Sie schmiegte sich an ihn und schlang ihre Arme um seine Taille.
"Ja, vielleicht sollte das unser Lied werden."
"Vielleicht."

Die Wärme ihres Körpers, der sich an ihn presste ließ ihn Dinge denken, die er nicht denken durfte, ließ ihn sich Dinge wünschen, die er sich nicht wünschen durfte.
"Vielleicht solltest du dich jetzt hinlegen. Das Schlafzimmer ist oben."
"Oben?"
Sie hob ihren Kopf von seiner Brust.
"Oben? Du scherzt, ja?"

Er drehte sie um, damit sie die in der Zimmerecke untergebrachte Treppe sehen konnte.
"Nein, oben."
"Wirst du.... mit mir kommen?"
Mit hoffnungsvollen Augen blickte sie ihn über ihre Schulter hinweg an.
Er schluckte hart und schüttelte dann seinen Kopf.
"Nein. Ich glaube ich gehe einfach nur ins Wohnzimmer und sehe TV, solange du dich ausruhst."
"Dann werde ich mich auf die Couch legen."

Er konnte einen Funken Angst in ihren Augen aufblitzen sehen und verstand ihr tiefes Bedürfnis nicht alleine zu sein.
Obwohl es Zeiten gab, in denen sich seine Seele nach Einsamkeit sehnte, war es in Wahrheit doch so, dass er in seinem Leben mehr als genug Einsamkeit erlebt hatte. Er streckte seine Hand aus.
"Okay, dann komm mit."

Einige Minuten später lag sie auf der Couch und auf dem Großbild-Fernseher erklang Dick Clarks Sylvester Rockparty. Peter drückte die Fernbedienung, bis der Ton ganz leise war.
"Ich bin gleich zurück." sagte er und legte die Fernbedienung ans Tischende in die Nähe ihres Kopfes. Er ging zurück in die Essecke und löste auf dem Weg seine Fliege. Er steckte sie in eine Jackentasche, zog dann die Jacke aus und schmiss sie über eine Stuhllehne. Nachdem er den Sicherheitsbügel seiner Beretta kontrolliert hatte, schob er sein Schulterhohlster darunter. Als nächstes öffnete er die obersten beiden Knöpfe seines Smokinghemdes und rollte seinen Kopf, bis die Wirbel knackten, damit sich die Knoten in seinem Nacken lösten. Viel besser.

Von einem kurzen Ausflug ins Obergeschoss kam er mit einem Kissen und einer Decke in der Hand wieder zurück.
"Heb deinen Kopf an."
Sie tat es und er legte das Kissen unter sie und hüllte sie in die Decke ein. Anschließend hob er ihre Füße an, setzte sich auf die Couch und legte sie zurück auf seinen Schoss. Abwesend begann er ihren bestrumpften Ballen mit seinem Daumen zu massieren.
Ihr genussvolles Stöhnen schoss geradewegs bis in seine Leistengegend. Für einen Augenblick hielt er den Atem an. Ihr Fuß bewegte sich in seinem Schoss.

"Hör nicht auf. Gott, das fühlt sich so gut an."
Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Verdammt, wie sehr er sich wünschte diese Worte in einem anderen Zusammenhang zu hören. Er wollte ihr das Samtkleid ausziehen und diese fabelhaften Kurven näher erforschen. Wollte hören wie sie seinen Namen stöhnte, während er sie beide zum Gipfel ihrer Lust führte.

"Reiss dich zusammen Caine. Sie ist eine kranke Frau. Und du bist ein kranker Mann, wenn du so über sie nachdenkst." Seine Finger hatten die Massage wieder aufgenommen und sie seufzte.
"Mhhhh, großartig. Du hast talentierte Hände, Detective. Oh, warte."
Sie schob die Decke zur Seite, drehte sich auf der Couch und legte ihren Kopf, mit dem Gesicht nach innen, auf seinen Oberschenkel.
Er unterdrückte ein Stöhnen. Ihr blondes Haar hing über seine Knie.
"Massier hier. Das wird mir sehr helfen, Peter."
Sie führte seine Finger zu ihrem Hinterkopf und er fing automatisch an zu massieren.

Die Musik vom Fernseher ertönte weiter im Hintergrund. Ihr Kopf war auf seinen Oberschenkeln, um Himmels Willen. Nur wenige Zentimeter entfernt von einem Teil seiner Anatomie, das mit jedem hämmernden Schlag seines Herzens pulsierte. Diese Frau versuchte ihn umzubringen.
Er konnte sich Nicky´s gerichtsmedizinischen Bericht vorstellen: Detective Caine alias Detective December starb an einem Herzinfarkt, verursacht durch unerbittliches sexuelles Verlangen. Und für den Rest des Reviers würde Nicky mit einem Grinsen hinzufügen;
Aber er starb wie ein Mann: Mit einer Erektion.

Ihr Atem wurde ruhiger und die angespannten Linien in ihrem Gesicht verschwanden als der Schlaf sie übermannte.
Immerhin war wenigstens einer von ihnen entspannt.
Peter streichelte das weiche, blonde Haar, das in seinem Schoss verteilt war. In Ruhe glich ihr Gesicht einem Engel - und er würde schnurstracks in die Hölle gehen, so wie er sich ihr vor Leidenschaft verzerrtes Gesicht vorstellte.
*Vermeide die Versuchung.*

Vorsichtig rutschte er unter ihrem Kopf weg, legte das Kissen an seinen Platz und deckte sie wieder mit der Decke zu.
Er ging zu den Fenstern und öffnete den Vorhang, um auf die Myriaden von Lichtern der Stadt zu sehen. So viele feiernde Menschen waren dort draußen und dennoch fühlte er sich komplett von ihnen ausgeschlossen, so alleine. Fühlte sie sich so im Angesicht des Todes?
Die Zeiten, als der Tod versucht hatte ihn zu holen, waren immer ganz plötzlich gekommen, es war keine Zeit geblieben im voraus darüber nachzudenken. Als er in diesem Gebäude in den Treppenschacht gestürzt war, hatte er kaum Zeit für einen weiteren Gedanken als - Oh, Mist - gehabt, bevor der Aufprall ihn in die bizarre und chaotische Welt des Bardo geschickt hatte.

Die Kälte drang durch die Fenster. Sein Atem beschlug die Scheibe und vernebelte seine Sicht. Er wandte sich wieder dem Raum zu. Wenn er sonst schon nicht tun konnte, würde er sicher stellen, dass ihr letzter Geburtstag, ihr letztes Sylvester, etwas war, was sie aufbewahren konnte, etwas an dem sie sich festhalten konnte, wenn es ihr schlecht ging.
Ein paar Telefongespräche sollten das gewährleisten.

Genau eine Viertelstunde vor Zwölf kniete er sich neben das Sofa.
Er küsste sie auf die Stirn und murmelte "Haben wir die Märchen getauscht, Prinzessin. Von Cinderella zu Dornröschen? Wach auf, es ist schon fast Kürbiszeit."

Ihr Kopf bewegte sich auf dem Kissen. Seidene Wimpern bewegten sich und öffneten sich dann ganz. Der Schleier des Schlafes verschwand und sie lächelte ihn an.
"Wird sich der Chauffeur in eine Maus verwandeln?"
"Donnie?", Peter lachte "Donnie ist manchmal ein Wiesel, manchmal eine Ratte, aber niemals eine Maus."

Wahrscheinlich würde Donnie´s Versuch einer "respektablen" Karriere wohl auch nicht länger anhalten. Aber für heute Nacht hatte es gereicht. Und er war ein großartiger Spitzel, der vom Fahrersitz aus schon einige interessante Gespräche mitgehört hatte.

Peter glitt mit seinen Fingern über ihre Stirn.
"Wie fühlst du dich jetzt?"
"Besser, Danke. Ich denke es waren einfach zu viele Geräusche. Ich war bei lauten Geräuschen immer schon empfindlich, sogar bevor....."
"Gut, dann lass uns das Neue Jahr einfach hier einläuten, schön ruhig, nur wir beide."
Er stand auf.
"Du bleibst hier und ich bin gleich zurück."

Sunny setzte sich auf als Peter aus dem Raum ging. Ohne Schuhe, wie sie bemerkte. Vielleicht schmerzten die Anzugschuhe der Männer genauso wie die Schuhe der Frauen.
Wie auch immer, der gutaussehende Detective hatte es sich auf jeden Fall bequem gemacht, während sie schlief.
Sie warf die Decke ans Ende der Couch.
Peter kam bepackt mit einem großen, mit Frost überzogenen, silbernen Eiskübel und zwei Champagnerflöten zurück. Er deponierte den Eiskübel neben die Couch und stellte dann die Champagnergläser auf den Tisch.
"Für unseren Mitternachts-Toast", erklärte er.
Eigentlich hatte sie ja für Mitternacht etwas anderes im Sinn.

Peter nahm die Fernbedienung vom Tisch und stellte den Ton an.
Das Getöse der Menge hinter Dick Clark auf dem Times Square erfüllte den Raum.
Leise, bemerkte sie, mit Rücksicht auf ihren Kopf.
"Bin gleich wieder da."
Er verschwand wieder aus dem Raum und kam mit mehr Sachen in den Händen zurück.
"Eine Krone für meine Prinzessin."

Sie kicherte als er ihr eine Pappkrone auf den Kopf setzte.
"Allerliebst, danke schön. Aber wo ist dein Partyhut?"
"Aha"
Mit einem Tusch holte er die Weihnachtsmütze hinter seinem Rücken hervor.
"Ich dachte, da es diese Mütze war, die uns zuerst zusammengebracht hat...."
Er verstummte mit einem breiten Grinsen und setzte die Mütze in einem neckischen Winkel auf seinen Kopf.
"Ich liebe diese Mütze."
"Das freut mich."
"Aber ich muss gestehen, es war eigentlich nicht die Mütze, die es mir angetan hat."
Sie stand auf.
"War es nicht?"
Sie schüttelte ihren Kopf.

Seine Augen weiteten sich.
"Meine eindrucksvolle Persönlichkeit?"
"Nein. Obwohl sie eindeutig attraktiv ist, kam sie durch deine Pose nicht so zum Vorschein, Detective December."
Sie ging zu ihm, schloss die Lücke zwischen ihnen. In dem gedämpften Licht, das von der Essecke und dem Fernseher erschien, war sie sich nicht sicher, meinte aber gesehen zu haben, wie sich sein Gesicht rötete.
Verdammt, der Mann war so niedlich.

"Da bleibt nicht viel übrig, oder?"
"Oh, ich weiß nicht. Ich denke da bleibt eine Menge unerforschtes Gebiet übrig."
Sie schlang ihre Arme um seine Taille und spürte, wie er sich ganz leicht zurückzog.
"Sunny", flüsterte er mit belegter Stimme.
"Eine Minute und der Countdown läuft", verkündete Dick Clark vom Fernseher.
"Eine Minute bis Mitternacht, Peter", sagte sie zu ihm aufblickend.

Ihre Blicke verschmolzen. Ein Anflug von Befriedigung überkam sie, als sie das aufkommende Verlangen in seinen Augen sah. Ein leichtes Feuer entzündete sich in ihrem Bauch.
"30 Sekunden", drängte Clark.
Sunny richtete ihren Blick auf seine Lippen.
"30 Sekunden"
Sie befeuchtete ihre Lippen mit ihrer Zunge und er stöhnte leise.

Bei der 10 Sekunden Marke senkte Peter leicht seinen Kopf. Sunny hob ihren Kopf und schloss ihre Augen.
Bei Fünf nahm er den Countdown in einem leisen Flüstern auf, sein Atem ein leichter Luftstoß gegen ihre Lippen.
Drei......Zwei.....Eins
Kontakt.

Als die Menge auf dem Platz "Frohes Neues Jahr" rief, trafen Peters Lippen auf die ihren, erst sanft, dann verwegener.
Er knabberte an ihre Unterlippe, dann zog er sie in seinen Mund und saugte zart daran.
Als sie keuchte, eroberte er ihren Mund völlig, erforschte ihn mit seiner Zungenspitze
Sie antwortete auf die gleiche Weise, glitt an seinen Zähnen entlang, parierte die Vorstöße seiner Zunge mit ihren eigenen.
Heiß, süß und absolut belebend. Es war, als ob sie seine gesamte Seele kosten könnte. Er war Leben, und Wärme, und Schutz vor dem Sturm und sie ließ sich von ihm mit reissen.

Die Muskeln in ihren Beinen zitterten, die Nadelstiche, die über ihren Körper tanzten, glichen mehr Funken als etwas anderem.
Er ließ sie zu Atem kommen, als er sich zurückzog um "Frohes Neues Jahr, Sunny", in ihr Ohr zu flüstern.
"Oh yeah", murmelte sie, die Arme immer noch um seine Taille geschlungen.
Er blickte zu ihr herunter.
"Soll ich den Champagner einschenken?"
"Lass den Champagner, einfach....."
"Verdammt, das habe ich fast vergessen."

Er trennte sich von ihr, machte den Fernseher aus und die Stereoanlage an. Er suchte einen Moment nach dem Sender, dann ertönte die Stimme eines Sprechers:
"....Widmung kommt von Detective December, der einer ganz besonderen Lady einen wunderschönen Geburtstag und ein Frohes Neues Jahr wünscht."

Die Anfangssequenz von "We´ve got tonight" ertönte aus den Lautsprechern.
Peter öffnete einladend seine Arme.
"Dürfte ich um diesen Tanz bitten, Prinzessin?"
Sie gab sich seiner Umarmung hin. Ihre Körper fest aneinander gepresst, tanzten sie langsam im Takt der Musik. Sunny ertappte sich wie sie mitsang.
"Tief in meinem Innersten, bin ich so einsam, alle meine Hoffnungen schwinden dahin. Ich habe nach der Liebe gegriffen, wie es jeder tut......."
Sie ließ ihre Stimme verklingen, begriff wie nah sie der Wahrheit kamen und wie weh sie taten.

Peter griff ihre Worte auf, überraschte sie mit seiner weichen Stimme.
"Ich weiß es ist spät, ich weiß du bist müde, ich weiß deine Pläne schließen mich nicht ein, aber hier sind wir, beide einsam, beide einsam."
Sie lächelte ihn an.
"Wir haben die Nacht, wer braucht den Morgen."

Er schlang die Arme noch fester um sie und presste seinen Mund wieder auf ihren, ein fester, tiefer, bis in die Zehenspitzen gehender Kuss, der für ewige Zeiten und noch darüber hinaus anzudauern schien.
Das Lied war vorbei als sie wieder voneinander ab ließen, um nach Luft zu schnappen. Sie hatte sich seit September nicht mehr so gut, so lebendig gefühlt.

Er drückte seine Lippen auf ihre Stirn.
"So, jetzt zum Champagner....."
Sie schüttelte den Kopf.
"Vergiss den Champagner. Bring mich ins Bett."

Sein Mund öffnete und schloss sich wieder.
"Wie?"
"Ich möchte das du Liebe mit mir machst, Peter."
"L....Liebe mit dir machen?"
Er schüttelte seinen Kopf.
"Ich glaube das ist keine so gute Idee, Sunny. Ich meine du bist krank und all...."
"Ich bin nicht krank. Ich sterbe. Und da besteht ein Unterschied. Es ist nicht so als wäre ich ansteckend oder so."
"Aber....Aber ich bin soviel älter als du - "
"Und ich werde auch nicht viel älter als ich jetzt bin und wir beide wissen das.

Sie drückte sich nach vorne, rieb dabei gegen seine Erregung.
"Genauso, wie wir beide wissen, dass du mich genauso willst, wie ich dich."
Sie beobachtete, wie sich sein Kampf auf seinem Gesicht, in seinen Augen, abzeichnete.
"Bitte, Peter. Liebe mich."
Er stöhnte, nahm sie dann schnell auf seine Arme und eilte zur Treppe.
"Dein Bruder wird mich umbringen."
Sie kicherte und schlang ihren rechten Arm um seinen Nacken.
"Ich glaube, das wird die Sache wert sein."
"Ich weiß, dass es das wird."
Er küsste sie erneut, während er mit ihr auf den Armen die Treppen hinaufstieg.

 

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