Teil 3
Autor: Ratzenlady
 

"Habt ihr den Auftrag erfüllt?", fragte Draco Xiang die drei jungen Männer, die sich vor ihm verneigten.

"Ja, Meister", antworteten sie wie aus einem Mund.

Er nickte zufrieden. "Sehr gut. Dann ist er jetzt schwach. Es wird langsam Zeit für meine Rache."

Er deutete ihnen mit einem Wink an, das Büro zu verlassen. Sie folgten gehorsam. Er griff nach dem Telefon. "Schicken sie Hin Sung rein!"

Er hatte kaum aufgelegt, als die Tür sich schon öffnete und der Chinese sich verneigte.

"Was machen meine Artefakte?"

"Zwei haben wir bereits. Bis heute Abend werden die anderen folgen", versprach er.

Der Mann mit der langen Narbe im Gesicht nickte selbstgefällig. "Ich habe einen anderen Auftrag für dich."

Er zeigte auf einen großen Holzkoffer und einen Umschlag, die auf dem Sofa in der Ecke lagen. Der Asiat nickte, griff sich die zwei Gegenstände und verschwand.

"Die Schlinge zieht sich zu, Peter Caine. Aber das Genick werde ich dir persönlich brechen!", flüsterte er in die Leere seines Büros, aber diesmal nur für sich selbst.

* * *

Peter zog sein Hemd vollständig über die Schulter und zeigte einem entsetzten Kermit die entzündete Stelle auf seiner Schulter.

"Du musst zum Arzt!", polterte er sofort darauf los.

Der junge Mann schüttelte aber den Kopf. "Glaub mir, die können da nichts machen. Da bin ich sicher", entgegnete er.

"Und was hat es zu bedeuten?"

"Wenn ich das so genau wüsste. Dieses Brandmal hat mir ein Mann namens Caleb zugefügt. Er war ein Sing Wah, gegen den ich in Diffon angetreten bin, wo ich auch Cat kennen lernte. Er hat mir seinen glühenden Ring eingebrannt. Das Logo eines Sing Wah auf der Haut eines Shaolin. Ohnehin keine gute Kombination", versuchte er einen lahmen Scherz, aber Kermit verzog keine Miene.

"Es hatte schon lange gebraucht, um zu verheilen, aber irgendwann war es eben nur noch eine dünne Narbe, mit der ich leben musste. Vorvergangene Nacht hat sie dann plötzlich begonnen zu brennen, verbunden mit einem Albtraum von Caleb. Seitdem breitet es sich immer weiter aus."

"Was ist aus ihm geworden?"

"Ich habe ihn erschossen. Ja ich weiß, sag es nicht."

Kermit schmunzelte für einen Augenblick, wurde aber sofort wieder ernst. "Und was genau hat das mit meinem Einbrecher zu tun?"

Peter ging einige Schritte durch den Raum. "Ich habe da eine Theorie, die ich mir leider nicht bestätigen lassen kann, weil Lo Si auf einer Reise ist. Dein mysteriöser Chinese ist mit ziemlicher Sicherheit ein Sing Wah, und sein Auftraggeber auch. Der sucht vier alte, SEHR alte Gegenstände, alle mit dem Logo seiner Gemeinschaft. Und er hat eine Rechnung mit mir offen, auch wenn ich nicht weiß, warum."

"Wie kommst du darauf?", fragte Kermit und rieb sich die Augen. Die ganze Sache verschob sich schon wieder in metaphysische Ebenen, denen er nicht folgen konnte.

"Ich hatte gestern auf dem Weg zum Flughafen, als meine Schulter schon stark brannte, so eine Art Vision. Allerdings hab ich nur eine Stimme gehört, die mich über seine Anwesenheit informierte. Gestern Abend hab ich dann darüber meditiert und offenbar hat er im selben Moment auch an mich gedacht. Ich habe ihn wieder gehört, eine Morddrohung an mich. Aber durch die Verbindung und die gleichzeitige Konzentration auf den jeweils anderen konnte ich einen Blick in seinen Geist werfen. Und da habe ich die Gegenstände gesehen, die er begehrt. Ich weiß nicht, was sie bedeuten, aber er will sie bestimmt nicht nur wegen ihrem sentimentalen Wert. Ich denk da an wesentlich unheilvollere Pläne."

Kermit sah ihn mit großen Augen an, die Brille pendelte zwischen seinen Fingern.

"Hast du sein Gesicht gesehen?"

"Nein. Aber ich hatte nach der Meditation noch Besuch von drei Sing Wahs, die den Auftrag hatten, mich nur ein wenig zu zermürben. Was ihnen durch mein Handicap auch gut gelang."

"Also übersetz ich das jetzt mal. Deine Brandnarbe hat sich entzündet und setzte dich langsam aber sicher außer Gefecht, weil diese Sing Wah hier in der Stadt sind und irgendein großes Ding planen."

Peter nickte.

"Und dazu brauchen sie diese Gegenstände, von denen du gesprochen hast. Was war es denn noch?"

"Neben der Schatulle habe ich noch eine Art Tonziegel gesehen, eine große Kerze und eine Flasche. Alles mit dem Schlangensymbol."

"Ok. Also dieser Kerl will das alles haben, um irgendwas Fieses damit anzustellen. Und nebenbei vollzieht er einen Rachefeldzug gegen dich, ohne dass du ihm was getan hast. Richtig?"

"So könnte man das sagen. Aber vielleicht hab ich ihm auch was getan. Ich hab wirklich keine Ahnung. Mir fällt aktuell nichts ein. Aber mein Vater und ich haben ja oft genug die Pläne der Sing Wah durchkreuzt, vielleicht irgend so ne alte Geschichte." Peter zuckte die Schultern und rieb sich die Rechte daraufhin mit verzerrten Mundwinkeln.

Kermit sah ihn einen Moment überlegend an. "Wir geben dir Polizeischutz", sagte er schließlich.

Peter fuhr sich durch die Haare. "Ich bitte dich Kermit! Selbst du müsstest doch inzwischen gelernt haben, dass man diesen Kerlen mit der Polizei nicht kommen kann! Ihr seid da machtlos!", entfuhr es ihm plötzlich rüde. Er atmete zweimal kontrolliert.

"Entschuldige. Aber die ganze Sache macht mich ziemlich nervös. Ich bin nur froh, dass Cat nicht in der Stadt ist."

Kermit nickte. "Wann kommt sie wieder?"

"In fünf Tagen." Er sah an seiner Schulter hinunter. "Entweder ist dann alles rum oder ich bin tot."

"HEY!" Er machte einen Satz direkt vor seinen Freund. "Sag so was nie wieder!", zischte er ihn ernst an. Dann trat er wieder zurück. "Jody ist grade dabei, den Aufenthaltsort von dem Hehler ausfindig zu machen. Vielleicht hat sie ja Glück."

Peter verbiss sich einen hoffnungslosen Kommentar und nickte nur.

"Ich fahr aufs Revier und seh nach, wie weit sie ist. Du kommst wirklich klar?"

"Ich muss."

Sie nickten einander mit ernsten und freundschaftlichen Blicken zu. Kermit war schon fast aus dem Türrahmen, als Peter ihn zurückrief.

"Falls es doch... würdest du dich um Cat kümmern?", sagte er und meinte jedes Wort absolut ernst.

Der ehemalige Söldner hingegen schwankte einen Moment zwischen Wut auf den Freund und Verständnis für sein Anliegen. Dann entschied er sich.

"Versprochen."

* * *

"Wo warst du?", fragte Jody forsch, als Kermit an ihr vorbei kam.

Er blieb stehen und sah zu ihr runter. "Nachforschungen", sagte er kurz angebunden und wollte weitergehen, hielt aber inne. "Wie weit bist du?"

Sie zuckte die Schultern. "Ich hab immer noch nichts konkretes, aber so langsam scheint sich das Netz aus Scheinfirmen zu lichten."

"Sehr gut. Irgendwas brauchen wir." Er sah sie ernst an, "Mir schwant übles!" Dann ging er mit ihrem verwirrten Blick im Rücken in sein Büro, wo er die Tür schloss, die Brille auf den Schreibtisch warf und sich in seinen Stuhl fallen ließ.

Er fuhr seinen PC hoch und begann, sich genauer über die Sing Wah zu informieren. Er hasste dieses metaphysische Zeug, bei dem er nicht begriff, nicht begreifen wollte, was um ihn herum passierte.

Nach zwei Stunden des Lesens von Legenden und angeblichen Tatsachenberichten über eine dunkle Macht, deren Existenz nach Aussage des Computers nicht mal sicher festgestellt war, lehnte er sich zurück und rieb sich die Augen.

Menschen, die durch Gedanken töten konnten, dunkle Kräfte, die von Gegenständen ausgingen, glühende Ringe. Die ganze Angelegenheit war für seine pragmatische Seele einfach zu hoch.

"Oh Gott, wie ich es hasse", murmelte er, als die Tür nach einem kurzen Klopfen geöffnet wurde. Er schnellte aus der Rückenlage nach vorne und sah Jody erwartungsvoll an, deren Lippen sich zu einem Erfolg versprechenden Grinsen verformt hatten.

"Ich hab endlich einen Firmennamen, den es wirklich gibt", säuselte sie ihm entgegen.

Sofort versetzte Kermit seine Finger über der Tastatur in die Schwebe, bis Jody ihn sagte. "Han Tan Import Export. Jetzt bist du dran, was Brauchbares raus zu finden."

Kermit tippte schnell ein und wartete auf das Ergebnis seines Computers.

"Sag mir Bescheid, wenn du was hast", sagte sie abschließend und verließ den ehemaligen Söldner wieder. Der aber verbrachte die nächste Stunde damit, die Firma von oben bis unten, legal wie illegal, zu durchleuchten.

"Das ist es!", hörte man ihn durch das gesamte Revier. Sofort stand er auf, holte die Desert Eagle aus ihrer Schublade und griff sich seine Jacke. Jody folgte ihm wortlos.

Sie stieg zu ihm in die Corvair und Kermit lenkte den Wagen schnell, aber ohne Blaulicht, durch die Straßen Chinatowns.

"Am selben Tag, wie unser Freund hier eingereist ist, hat die Firma eine Wohnung hier gemietet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich dort aufhält. Ruf uns zwei Streifenwagen Verstärkung. 6573 Growing. Und die sollen die Lichtorgel aus lassen."

Sie nickte nur und setzte den Funkspruch ab. Kermit bog in eine Seitestraße ab und parkte den Wagen hinter einer Mülltonne.

Nachdem sie ausgestiegen waren ging er an den Kofferraum und nahm zwei Westen heraus, von denen er eine Jody reichte. Sie hob nur die Brauen und sagte nichts, wenn Kermit schon freiwillig Schutzwesten tragen wollte, musste es wirklich ernst sein.

"Sag mal, haben wir eigentlich irgendwas in der Hand?", fragte sie plötzlich.

Kermit starrte sie an, er hatte sich so in seine Verschwörungstheorie verrannt, dass er gar nicht drüber nachgedacht hatte, dass sie kein neues Verdachtsmoment hatten.

"Außer die falsche Anmeldung mit den Scheinfirmen? Dafür wären wir nämlich nicht zuständig."

Kermit dachte kurz nach, dann kam ihm eine Idee. "Oh yeah", antwortete er geheimnisvoll. Dann stießen die Streifenwagen mit je zwei Beamten hinzu und parkten hinter dem Kermit-Mobil.

"Ok, sie drei folgen uns, sie bewachen diesen Ausgang. Falls er uns entwischen sollte, seien sie vorsichtig, er ist gefährlich", wies er die Streifenpolizisten an und nickte dann Jody zu. Im Entenmarsch betraten sie das Gebäude und schlichen in den dritten Stock.

Lautlos bewegten sie sich durch den Flur, bis Kermit neben der entsprechenden Tür stehen blieb und darauf zeigte. Jody warf einen Blick darauf und tippte ihn dann auf die Schulter.

"Ich hab eine Idee", flüsterte sie. Er sah sie fragend an.

"Ich werd ihn dazu bringen, die Tür aufzumachen."

"Und wenn er erst schießt und dann fragt?", fuhr Kermit ihr leise dazwischen.

"Kein Spion. Ich werde mich nicht vor die Tür stellen müssen."

Sie lauschte kurz, aus einer Wohnung den Gang herunter hallte Musik. Sie grinste Kermit an, der schließlich einverstanden nickte. Ehe sie klopfte nickte sie auch noch einmal den drei anderen Cops zu, die mit gezogener Waffe im Flur standen. Dann ließ sie ihre Fingerknöchel gegen das Holz schlagen.

"Wer ist da?", fragte eine ausländisch klingende Stimme hinter der Tür. Die zwei Detectives nickten sich zu, das war ganz sicher ihr besonderer Freund.

"Ich bin ihre Nachbarin. Könnten sie die Musik bitte leiser machen?"

"Sie müssen sich in der Tür geirrt haben!", entgegnete er rüde.

"Machen sie sie doch bitte einfach leiser."

"Ich habe keine Musik!"

"Wenn sie sie einfach leiser machen, ist doch alles in Ordnung."

"Verdammt noch mal, verpissen sie sich!"

"Aber ihre Musik stört mich!", trieb Jody ihn grinsend auf die Palme. Offensichtlich reichte es jetzt auch dem Asiaten, denn er riss wütend die Tür auf.

"ICH HABE DOCH GESAGT, ICH…" brüllte er, kam aber nicht weiter, weil Kermit ihm seine Waffe unter die Nase hielt.

"So sieht man sich wieder", sagte er grinsend, "brav die Hände hoch. Und zwar ganz langsam."

Die Officers sicherten ihren Kollegen, sodass Jody sich langsam an ihm vorbei schob und in das Innere der Wohnung vordrang, einer der Streifenbeamten in ihrem Rücken. Sie hörte Kermits Polizistenpredigt.

"Mr. Sung, ich verhafte sie wegen der Anstiftung zum Diebstahl!"

"Das hatten wir doch schon", gab dieser fast belustigt zurück.

"Ja, für die Schatulle. Aber was ist mit der Flasche, der Kerze und dem Tonziegel?" Kermit starrte grinsend in die Augen des entsetzten Chinesen.

"Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was sie sagen…"

"Das Badezimmer ist sauber", rief Jody, nachdem Kermit seine Rede beendet hatte.

"Sauber. Aber das sollten sie sich ansehen!", rief der Officer aus dem Wohnzimmer.

Jody trat ein, Kermit folgte auf dem Fuß, den mit Handschellen gefesselten Hin Sung am Arm. Geschockt starrten sie auf das Scharfschützengewehr, das vor dem Fenster stand. Kermit schubste den Verdächtigen aufs Sofa und trat näher, um sich die Waffe genauer zu betrachten. Sie war auf die Einkaufsstraße in Chinatown ausgerichtet. Dann nahm er das Projektil aus dem Einschubfach und betrachtete es sich genauer.

"Kermit!", sagte Jody leise, er drehte sich zu ihr um.

Sie hielt die angekokelten Überreste eines großen Fotos in der Hand, auf dem nur noch ein winziges Stück Stirn, ein braunes Auge, die Nasenspitze, Mund und Kinn zu sehen waren. Dennoch erkannten beide ihn sofort und starrten sich an. Dann hielt Kermit das Geschoss hoch.

"Betäubungsprojektile."

Jody wirbelte zu dem grinsenden Chinesen herum. "Was zum Teufel hat das zu bedeuten?", setzte sie forsch an. Der Verdächtige aber lachte nur.

"Schaffen sie ihn raus und warten sie dort auf uns!", sagte Kermit zu den Uniformierten. Als sie die Wohnung verlassen hatten, sah er seine Partnerin ernst an.

"Was hat Peter damit zu tun? Was wollen die von ihm?", fragte sie heiser.

"Das weiß er selbst nicht so genau", gab Kermit zurück.

"Moment. Du wusstest davon?" Er nickte nur. "Verdammt Kermit! Warum hast du mir das nicht gesagt?"

Er sah sie ernst an, die aufkeimende Wut unterdrückend. "Weil das wieder so eine verfluchte Shaolin-Kiste ist, bei der wir nicht viel machen können! Mir passt das selbst nicht, ok?", zischte er sie an.

Sie fuhr sich kurz übers Gesicht, beide beruhigten sich wieder. Kermit kramte sein Handy raus und wählte Peters Nummer, aber der Freund nahm nicht ab. Mit angehaltenem Atem verfolgte Jody die Aktion, bis ihr Partner sein Handy resignierend zu klappte.

"Woher wusstest du von den anderen Sachen?", fragte sie auf dem Weg die Treppe hinunter und beobachtete ihn prüfend mit einem Seitenblick.

"Von Peter, er hat sie… in einer Vision gesehen. Wir hatten verdammtes Glück, dass er damit richtig lag."

Jody nickte nur, dann stellten sie sich zu den Officers, die Hin Sung noch immer am Arm festhielten und nicht so recht wussten, was sie mit ihm anstellen sollten. Kermit überlegte kurz, dann wusste er, was er jetzt tun würde.

"Der Verdächtige fährt mit mir. Würden sie Detective Powell auf dem Revier absetzten?", sagte er zu den Beamten.

Jody starrte ihn fassungslos an und zog ihn bei Seite. "Was hast du vor, Kermit?" fragte sie leise und eindringlich.

"Ich werde herausfinden, wo Peter steckt, falls du das meinst!", gab er angriffslustig zurück.

"Dexter wird dich zerfleischen! Du ruinierst damit dein ganzes Leben!", sagte sie, wohl wissend, was Kermit vorhatte.

Er starrte sie überzeugt an. "Ich wette mit dir, dass unser Freund hier bald die Staaten auf verworrenen Wegen verlassen haben wird. Und wo kein Kläger…"

"…da kein Richter", ergänzte sie missmutig und sah noch einmal zu ihm rüber.

"Ich hoffe, du hast Recht, Partner!" sagte Jody besorgt. Kermit schlug ihr kameradschaftlich auf die Schulter, packte den Verdächtigen und zerrte ihn in die Corvair.

* * *

"Ja?", meldete sich Peter am Telefon, etwa eine Stunde nachdem sein Freund gegangen war.

"Hallo Peter."

"Mom!"

"Ich wollte fragen, ob du vielleicht mal vorbeikommen könntest."

"Ist was passiert?", fragte Peter sofort hektisch. Die plötzliche Vorstellung, dass irgendjemand bei Annie sein und ihr etwas antun könnte, bereitete ihm Magenschmerzen.

"Nein. Das heißt ja. Im Gegenteil. Ist am Telefon wirklich schlecht."

"Mom, ich…"

"Alles in Ordnung, Junge?", hakte sie bei seinem Tonfall sofort nach.

Peter biss sich auf die Zunge und atmete tief durch. "Ja, mir geht's gut." Er nickte resignierend. "Also gut, ich komm vorbei."

"Schön, Peter, ich freue mich, bis nachher."

"Ja, bis dann, Mom", murmelte er und legte auf. Das fehlte jetzt auch noch. Aber auf der anderen Seite rief sie nicht ohne Grund an. Er hoffte inständig, dass es wirklich gute Nachrichten waren und ihr niemand eine Waffe an den Kopf gehalten hatte, damit sie die Worte zu ihm sagte.

Er griff den Autoschlüssel aus der Schale, in der sie ihn aufbewahrten und eilte die Treppe hinunter. Der Motor drehte und drehte.

"Komm schon, du verdammte Dreckskiste!", brüllte er in den Innenraum, dann sprang der Wagen endlich an. Aus dem Radio begrüßten ihn die Red Hot Chili Peppers mit der CD, die Cat am Tag zuvor eingelegt hatte. Er schaltete es ab.

Einhändig steuerte er den Kombi durch den dichter werdenden Feierabendverkehr, die Sonne schob sich langsam dem Ende ihres Tages entgegen. Permanent überlegte er, was ihn wohl in seinem Ersatz-Elternhaus erwartete.

Als sich der Verkehr an einer der Hauptkreuzungen Chinatowns staute, bog er spontan in eine Seitenstraße ab und bemerkte einen schwarzen Wagen, der ihm folgte. Zum unzähligsten Male wünschte er sich heimlich den Stealth zurück, denn mit dem Kombi konnte er keine Fluchtmanöver starten, der Motor war einfach zu schwach.

Der Wagen kam immer näher, und Peter steuerte immer weiter auf ein verlassenes Gebiet zu, durch das die Abkürzung zwangsläufig führte. Er hörte dem Motor hinter sich aufheulen, dann wurde er gerammt.

Der Versuch, sich mit der rechten Hand am Lenkrad abzustützen brachte ihm nichts als teuflische Schmerzen. Der zweite Kontakt zwischen den Autos ließ ihn dann so geschwächt die Kontrolle verlieren. Der Kombi rauschte in den Graben, wo er mit der vorderen rechten Ecke in die Erde stieß und sich daraufhin überschlug.

Bevor der junge Shaolin sich sortieren konnte, wurde er schon unter den Armen gepackt und aus dem Wrack gezogen. Er versuchte, sich zu wehren, aber seine Kraft reichte nicht aus. Er hörte zwei Männer, die sich auf chinesisch unterhielten, aber er konnte sie nicht verstehen. Erneut versuchte er, sich aus ihrem Griff zu befreien, wurde dann aber hart auf die Schulter gedrückt, was ihm einen Schrei entlockte und dann ohnmächtig werden ließ.

* * *

Kermit nahm das klingende Handy aus der Tasche und ging ran, den Mann im Rückspiegel nicht aus den Augen lassend.

"Was ist?", bellte er hinein.

"Ich bin's, Jody." Ihre Stimme klang unglücklich. "Wir sind grad bei Peter vorbei gefahren. Er ist nicht da. Und der Wagen auch nicht."

Kermit warf einen weiteren, finsteren Blick in den Spiegel. "Gib die Fahndung nach dem Kombi raus. Sollte ich was rauskriegen, melde ich mich."

"Ist gut."

Er legte auf und fixierte Hin Sung. "Wenn ihm was passiert ist, bring ich dich um!", sagte er in das Spiegelbild des grinsenden Chinesen. Dann steuerte er seinen Wagen in eine verlassene Gegend, ließ ihn in einer Halle mit zerfallenen Toren verschwinden und zog den Gefesselten vom Rücksitz.

"Wo ist er?", fragte er drohend.

Der Chinese blickte ihm aufrecht ins Angesicht und grinste. "Vielleicht ist er schon tot", sagte er gleichgültig.

Kermit schlug ihm ohne Vorwarnung in den Magen. "Meine Frage lautete, wo er ist!", sagte er und packte den anderen am Kragen.

"Du kannst ihn nicht retten."

Wieder versenkte der ehemalige Söldner seine Faust im Unterleib des Chinesen. "Das war auch nicht meine Frage!"

"Du bist ein Cop. Du kannst mich nicht einschüchtern", konterte er mit triumphierendem Tonfall.

Kermit ließ sein Knie in die Front des Mannes sausen und schlug ihn anschließend mit dem Ellenbogen auf dem Rücken zu Boden. Sofort holte er ihn wieder auf die Beine.

"Aber ich war früher Söldner, und die spielen nach anderen Regeln", zischte er ihm jetzt wütend entgegen. Er konnte die ersten Zweifel in seinem Gesicht sehen, dann aber legte sich wieder das selbstzufriedene Grinsen darauf.

"Was willst du machen? Mich umbringen?"

Der Cop grinste plötzlich so diabolisch, dass Hin Sung das Lächeln aus dem Gesicht fiel.

"Oh nein. Dann kannst du mir ja nichts mehr erzählen. Aber mir fallen da ganz andere Sachen ein", säuselte er.

Als nach wenigen Sekunden keine Antwort kam schleuderte er ihn heftig am Kragen herum und ließ los. Der Sing Wah taumelte, fiel und rollte über den Boden. Aber Kermit stand sofort wieder neben ihm um ihn in den Stand zu hieven.

"Also?"

Wieder kam keine Antwort, wieder versetzte er ihm heftige Schläge in den Magen, die ihn vornüber sacken ließen.

Der Chinese trat zwei Schritte zurück und richtete sich wieder auf. Kermit ließ ihn gewähren und hoffte auf eine Antwort, bekam aber wieder nur ein abartiges Grinsen. Wütend ging er auf ihn zu und schlug ihn mit aller Kraft ins Gesicht, auch wenn er nicht wusste, wie er das später erklären sollte, wenn er ihn im Revier ablieferte. Aus diesem Grund hatte er bisher sichtbare Blessuren vermieden.

Hin Sung schwankte und wäre fast gestürzt, erst im letzten Moment konnte er sich fangen; sein Gesichtsausdruck aber hatte sich nicht verändert. Dem früheren Söldner platzte der Kragen. Mit unbändigem Zorn im Bauch prügelte er auf den Mann ein, unzählige Schläge hagelten in dessen Gesicht und auf seinen Körper. Der Cop ließ erst von ihm ab, als er aus der Puste war.

"OK!", hustete Hin Sung gekrümmt. Kermit zog ihn ganz nah vor sein Gesicht und funkelte ihn böse an.

"Und wenn du mich verarschst, überleg mir das mit dem Umbringen noch mal!", warnte er.

Der Chinese nickte. "Sie sind im Keller des Han Tan Büros. Aber du kannst ihn nicht retten! Da sind Mächte am Werk, die du nicht einmal verstehst!"

Der Ex-Söldner schleuderte ihn hart gegen die Beifahrertür des Wagens. "Ja, ja, ich weiß. Die Shaolin und die Sing Wah und die Zerstörung der Welt und was-weiß-ich nicht noch alles", sagte er gleichgültig, während er ihn wieder auf den Rücksitz verfrachtete und die Corvair mit quietschenden Reifen aus der Halle steuerte. Er dachte nicht im Traum daran, seine Kollegin anzurufen.

***

Sie dachte es schon und ließ Kermits Handy auf dem Weg zum Hafen erneut klingeln. Diesmal blickte er zu erst aufs Display, ehe er abnahm.

"Habt ihr Peter gefunden?", fragte er, obwohl Hin Sung ihm bereits etwas anderes erzählt hatte.

"Nein, aber den Wagen. Zumindest das, was davon übrig ist."

Kermit schluckte schwer. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie der Kombi eventuell aussah, auch wenn er es gar nicht wissen wollte.

"Aber keine Spur von Peter."

"Verdammt!", donnerte er ins Telefon und klappte es zu, ehe Jody ihn fragen konnte, ob er etwas herausgefunden hatte. Vermutlich konnte alle polizeiliche Unterstützung dieser Stadt weder ihm noch Peter helfen.

"Ich hab doch gesagt, dass du zu spät bist, Bulle!", kicherte Hin Sung hinter ihm, das Gesicht angeschwollen und verfärbt.

"HALT'S MAUL!", fuhr Kermit ihn an und trat das Gaspedal durch. Die letzten Kilometer bis zum Hafen zogen sich schier endlos hin. Dann endlich brachte er die Corvair vor dem grauen Gebäude zum Stehen. Auf dem Dach des einstöckigen Bungalows aus den Sechzigern stand ein altes Schild mit dem Firmennamen, das nur noch schwer zu lesen war.

Kermit drehte sich auf dem Sitz und zog den Chinesen nah vor sich.

"Ich hoffe für dich, dass es Peter gut geht. Und jetzt: Bleib schön brav!", drohte er und schlug ihm mit dem Griff der Desert Eagle auf den Hinterkopf, sodass er bewusstlos auf die Rücksitzbank sackte.

Mit der Waffe im Anschlag stieg er aus und sah sich um. Langsam trat er auf die Tür zu, er konnte weder Geräusche noch sonst irgendeinen Hinweis auf Menschen wahrnehmen. Allerdings war es mittlerweile auch dunkel geworden. Entfernt hörte er das Nebelhorn eines Frachters, sonst herrschte Stille.

Schnell stieß er dir Tür auf und schwenkte die Waffe. Aber außer einer brennenden Schreibtischlampe, die diffuses Licht an die Wände warf, war das Büro fast nahezu leer. Leise pirschte sich Kermit durch den Raum auf eine weitere Tür zu, die er auch rüde aufwarf, aber wieder nur Leere erntete.

"Ok, wo geht's hier in den Keller?", flüsterte er leise in den Raum, als er plötzlich den Lauf einer großkalibrigen Waffe an seinem Nacken spürte.

"Dort", sagte der Mann hinter ihm, ein zweiter trat vor und hielt Kermit bösartig galant eine kleine Holztür auf. Der frühere Söldner hob die Hände und ließ sich die Waffe abnehmen, mit zwei Männern konnte er es nicht aufnehmen. Vor allem nicht, wenn der eine mit einer Uzi im Anschlag drei Meter von ihm entfernt stand.

 

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