Teil 2
Autor: Trance

 

Sie erreichten das Gericht zeitgleich mit dem Wagen, in dem Santiago saß. Peter sah sich sofort nach Eve um. Sie kam ihm entgegen, und traf dabei auf ihren Mann.

"Du wirst dich nirgends verstecken können. Ich werde dich finden!"

Peter war inzwischen bei den beiden angelangt.
"Sie werden sie nicht einschüchtern, Santiago!"

"Nein? Nun, dann muss ich sie wohl töten!"
Der Polizist schob ihn einfach weiter in Richtung des Gerichtsgebäudes.

"Alles in Ordnung?"

"Ja! Ich habe Angst, aber das macht nichts. Ich werde mich nicht von meinem Entschluss abbringen lassen."

Peter lächelte sie an.
"Gut! Bevor wir reingehen, musst dir im klaren sein, dass dort alles an Beweisen aufgeführt wird, was wir haben. Auch die Videos."

Kaum merklich zuckte sie zusammen, dann nickte sie.
"Ich werde damit fertig. Hauptsache, er kommt nie wieder auf freien Fuß."

"Dafür werden wir sorgen."

Gemeinsam gingen sie ins Gericht. Alle anderen waren schon vorgegangen.
Captain Simms hatte dafür gesorgt, dass Santiago sofort dem Haftrichter vorgeführt wurde, obwohl es noch so früh war.

"Captain Simms, ich hoffe ihnen ist bewusst, dass, wenn sie keinen triftigen Beweis vorführen können, weswegen ich diesen Mann einsperren sollte, sie dann erheblich Probleme bekommen."

Noch bevor sie dem Richter antworten konnte, meldete sich Eve. Mit klarer, fester Stimme sagte sie: "Ich kann ihnen diese Beweise liefern."

Der Richter sah Eve missbilligend an.
"Wer sind sie, und was haben sie zu diesem Fall zu sagen?"

"Ich bin Eve Santiago, die Ehefrau des Angeklagten. Ich habe mich bereit erklärt gegen meinen Mann auszusagen. Ich kann ihnen Fragen zu seinen Geschäften und zu mindestens zwei Morden an Polizisten beantworten."

"Würden sie das vor Gericht unter Eid aussagen?"

"Ja, euer Ehren."

"Gut, dann erlasse ich hiermit, den Gefangenen bis zu seiner Verhandlung in Gewahrsam zu nehmen. Die Verhandlung wird heute in einer Woche stattfinden."

Natürlich war Santiagos Anwalt längst da, und er meldete sich auch zu Wort.
"Ich verlange, dass mein Mandant auf Kaution freigelassen wird."

"Abgelehnt," sagte der Richter scharf.

Peter grinste Siegessicher und beobachtete, wie Santiago abgeführt wurde.
"Sie sorgen dafür, dass ihre Zeugin wohlbehalten zum Gerichtstermin hier ist!" wandte sich der Richter an Captain Simms.

"Ja, euer Ehren."

Er stand auf und verließ den Saal.

Captain Simms richtete sich an Peter und Kermit.
"Ich möchte sie drei bis zum Gerichtstermin nicht hier in der Stadt haben. Ist das klar?
Ich werde ihnen einen Tag vorher bescheid geben, wann sie stattfindet."

"In Ordnung."

Alle vier gingen sie in Richtung des Mietwagens, den Captain Simms ihnen besorgt hatte und fuhren aus der Stadt.

Nachdem sie bei der Hütte angekommen waren, zeigte Peter Eve ihr Zimmer, während Caine und Kermit die Umgebung begutachteten.

Kermit kehrte allein zur Hütte zurück.
"Zur Sicherheit sollten wir uns als Wachen ablösen, um Überraschungen von Außen zu vermeiden."

"Wir werden wissen, wenn jemand kommt," sagte Caine, der plötzlich wie aus dem Nichts neben Kermit stand. Kermit nickte nur zustimmend.
"Also keine Wachen!"

"Wie geht es Eve?" erkundigte sich Caine bei seinem Sohn.

"Sie ist froh aus der Stadt raus zu sein, aber sie wird sich noch besser nach der Gerichtsverhandlung fühlen. Was hat sie dir in deiner Wohnung gezeigt?"

"Ich habe nicht das Recht, dir diese Dinge zu offenbaren. Wenn sie es für richtig hält, wird sie es dir selbst zeigen. Aber ich denke, du weißt es bereits!"

Peter nickte. Ja, er konnte sich ausmahlen, was Eve seinem Vater gezeigt hatte, hat er doch auf dem Video gesehen, das Santiago offensichtlich auf Sado Maso Praktiken stand, besonders auf Peitschen!

"Bleib bei ihr, sie braucht dich jetzt."

"Ja," presste Peter hervor.

Caine ging in die Küche, um Tee zu kochen. Alles, was er brauchte hatte er sich schon am frühen morgen eingepackt. Proviant hatte Kermit besorgt, der ihn jetzt in die Küche brachte.

"Gibt es da eine Verbindung, zwischen Peter und der Frau? Wenn man die beiden zusammen sieht, hat man das Gefühl, sie kennen sich schon Ewigkeiten."

"So ist es auch."

Kermit hob die Augenbrauen, doch er fragte nicht weiter nach.

"Glauben sie, dass wir bis zur Gerichtsverhandlung Ruhe haben?"

Caine schaute Kermit ernst an. "Glauben sie das?"

"Nein. Dabei hatte ich mich auf eine ruhige Woche vorbereitet."

Caine lächelte. Das war der typische Galgenhumor von Kermit. Selbst wenn er nicht hier wäre, wusste er, das Kermit auf Peter achten würde. Er vertraute dem Ex-Söldner.

Peter klopfte.

"Herein."

"Hallo!"

"Hallo."

Verlegendes Schweigen. Peter wusste nicht, was er sagen sollte, was bei ihm nicht so oft der Fall war. Eve ergriff die Initiative.

"Gehen wir raus? Ich könnte frische Luft gebrauchen."

"Gern."

Es war inzwischen Mittag, und die Sonne wärmte sie. Draußen standen ein Tisch und ein paar Stühle. Sie setzten sich dort hin.

"Wem gehört diese Hütte?"

"Meinem Ziehvater!"

Eve sah ihn überrascht an. "Du bist nicht bei deinem Vater aufgewachsen?"

"Dem größten Teil meiner Kindheit nicht. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in einem Shaolin Tempel in Kalifornien verbracht, bis er zerstört wurde. Ich kam dann in ein Waisenhaus, da man dachte, mein Vater sei Tod. Paul Blaisdell hat mich dann dort rausgeholt. Ich dachte mein Vater sei Tod, und er dachte ich sei Tod, bis wir uns, 15 Jahre später, wieder trafen."

Sie sah ihn bestürzt an. "Das war bestimmt eine harte Zeit!"

"Zuerst ja. Ich war traurig und wütend. Aber ich bin froh, dass ich meinen Vater wieder habe."

Sie sah seine Freude in seinen Augen.

"Ihr seid euch in gewisser Hinsicht sehr ähnlich."

"Danke."

Sie stand auf, etwas schien sie zu bedrücken.

"Ist alles in Ordnung?"

Peter ging zu ihr. Erst jetzt sah er, dass sie am ganzen Körper zitterte. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Es ist nichts." Doch ihre tränenerstickte Stimme strafte sie Lügen.

Peter nahm sie in den Arm. Jetzt fing sie hemmungslos an zu Weinen. Peter hielt sie fest und strich ihr über die Haare. Als seine Hand über ihren Rücken glitt, zuckte sie zusammen. Sie löste sich sofort aus seiner Umarmung und lief zurück ins Haus. Peter rannte hinter her, doch sie schloss sich in ihrem Zimmer ein.

"Eve!"

Plötzlich spürte er die Hand seines Vaters auf der Schulter.

"Lass sie Peter. Sie wird zu dir kommen, wenn sie bereit ist es dir zu erzählen."

*************

Die Woche war fast zu Ende, niemand hatte sich bisher blicken lassen. Kermit meinte, Santiago würde solange brauchen, um heraus zu finden wo sie sind, da er im Knast nicht die Informationsquellen anzapfen konnte, wie wenn er frei wäre.

"Da wird er wohl seine Schwierigkeiten haben. Der Staatsanwalt hat mit Sicherheit ein Auge auf seine Aktivitäten."
Stimmte Peter ihm zu.

"Wenn wir Glück haben, gibt er auf!"

"Daran glaubst du doch nicht wirklich? Er wird versuchen sowohl sie als auch uns aus dem Weg zu schaffen. Wenn er es nicht hier schafft, wartet er, bis wir wieder in der Stadt sind."

"Du hast vermutlich Recht!"

Kermit schaute Peter von der Seite her an. Er hatte bemerkt, dass er seit ein paar Tagen ziemlich niedergeschlagen war.

"Sie ist immer noch nicht aus ihrem Zimmer gekommen?"

"Nein," lautete Peters knappe Antwort."

"Früher oder später wird sie rauskommen müssen!"

Kermit bemerkte, dass Peter den Kopf hob und in den Wald hinein lauschte. Es war bereits dunkel, aber da es noch warm war, saßen sie draußen.

"Da ist jemand!"

"Wo? Ich sehe niemanden."

"Ich kann seine Anwesenheit spüren."

"Jetzt fängst du schon so an wie dein Vater."

"Danke, das nehme ich als Kompliment."

Wie aufs Stichwort erschien Caine.

"Sie wollen uns vermutlich auch sagen, dass sich im Wald irgendwelche Leute aufhalten!"
meinte Kermit etwas Sarkastisch. Dennoch stand er auf und zog seine Waffe. Er fühlte sich ein wenig in seinem Söldner Stolz verletzt, da er durch seine Kampferfahrung hätte spüren müssen, dass Ärger im Anmarsch ist. Aber er sagte sich, dass er gegen einen Shambala Meister und einem Cop mit einer Shaolin Ausbildung nicht ankam.

"Bringen sie Eve ins Wohnzimmer. Peter!"
Caine deutete seinem Sohn an ihm zu folgen.

Kermit tat wie ihm aufgetragen. Außerdem verschloss er alle Türen und Fenster und löschte das Licht.

"Die beiden werden nicht mehr rein kommen können."

"Oh doch, das werden sie. Vertrauen sie mir, ich weiß wovon ich rede."

Er bedeutete ihr ruhig zu sein, denn er hatte Schritte gehört.

Caine und Peter hatten sich getrennt. Dank seiner Ausbildung, wusste Peter wie viele es waren, und wo sie sich aufhielten. Er setzte sie außer Gefecht, genau wie sein Vater es tat, dann trafen sie sich an der Vorderfront des Hauses.
"Da sind noch ein paar unterwegs."

Caine nickte. Doch bevor sie etwas tun konnten, hörten sie einen Schuss, und splitterndes Glas.
Einer zweiter Schuss, zweifelsohne aus Kermits Waffe. Peter hörte wie Eve schrie, jetzt hielt ihn nichts mehr.

Er stürmte durch die zerbrochene Terrassentür, auf einen der beiden Angreifer zu.
Eve lag bewusstlos auf dem Boden, und Kermit hatte alle Hände mit dem zweiten Angreifer zu tun. Peter sah aus den Augenwinkeln, wie sein Vater Eve aus der Gefahrenzone brachte, und erledigte seinen Gegner. Kermit hatte es inzwischen auch geschafft seinen Widersacher mit einem gekonnten Handkantenschlag außer Gefecht zu setzten.

"Wie sieht es mit den anderen aus?"

"Liegen bewusstlos draußen. Müssen nur noch verschnürt werden."

"Gut, ich kümmere mich darum! Geh schon."

Kermit wies mit dem Kopf in Richtung Tür, ihm war Peters besorgter Blick nicht entgangen.

"Danke." Rief Peter ihm im hinausgehen, über die Schulter zu.

Schon war Peter auf dem Weg zu Eve.

Caine beugte sich über sie, als Peter ins Zimmer kam.

"Mach dir keine Sorgen, es geht ihr gut. Sie ist nur mit dem Kopf aufgeschlagen. Bleib bei ihr. Ich werde mich umsehen."

Peter setzte sich auf den Bettrand, nahm ihre Hand und strich ihr sanft übers Gesicht. Langsam kam sie wieder zu sich. Mit einem Mal war sie wieder hellwach.

"Peter!"

"Alles in Ordnung, sie sind alle wieder fort. Niemand wird dir etwas tun."

Sie ließ sich wieder in die Kissen sinken. "Lass mich heute Nacht nicht allein!"

"Nein, das werde ich nicht."

Er stand auf, doch sie hielt seine Hand fest. Angst zeichnete sich in ihren Augen ab. Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Stirn.

"Ich bin gleich wieder da, versprochen."

Sie ließ ihn los, und er ging ins Wohnzimmer. Nachdem Peter sich bei Kermit erkundigt hatte, ob alles in Ordnung war, ging er zurück zu Eve.

Zusammengerollt lag sie auf ihrem Bett. Als sie ihn reinkommen hörte schrak sie hoch. Erleichtert lief sie ihm in die Arme.

"Ich bin ja hier."

"Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht ausschließen."

Er schob sie ein Stück zurück.
"Schon gut. Du hattest deine Gründe. Wenn du es willst erzähl es mir. So lange werde ich da sein. Immer!"

Sie ergriff seine Hand und ging mit ihm zum Bett. Sie legte sich hin, und er folgte ihr. Eng aneinander gekuschelt schliefen sie ein.

Peter wachte auf, es wurde bereits Hell. In seinen Armen lag Eve. Erst jetzt bemerkte er, dass sie nur einen Morgenmantel trug, der jetzt verrutscht war. Sein Blick fiel auf ihre entblößten Schultern. Etwas irritierte ihn da, und er wusste auch was. Mehrere rötliche Striemen zeichneten sich dort ab. Behutsam zog er den Stoff zur Seite, und hatte jetzt den Blick auf einen Teil ihres Rückens frei. Unwillkürlich drückte er eine Hand gegen den Mund. Sie wurde wach, und sah in seine Augen, die Entsetzten widerspiegelten.

Sofort löste sie sich aus seiner Umarmung, sprang aus dem Bett und raffte den Morgenmantel eng um ihren Körper. Mit gesenktem Kopf stand sie vor ihm.

"Ich wollte bis jetzt nicht glauben, das er dir das tatsächlich angetan hat," hörte sie Peters zitternde Stimme.

Als sie aufschaute, sah sie kein Entsetzten mehr in seinen Augen, sondern Ungläubigkeit. Sie ließ den Morgenmantel fallen, unter dem sie nur einen Slip trug.

"Oh mein Gott!"

Peter konnte es nicht glauben. Auf ihrem gesamten Körper konnte er diese Striemen sehen, manche verblassten schon, andere waren noch nicht richtig verheilt.

"Das sind Striemen von Peitschenhieben!"
Ungläubigkeit in seiner Stimme.

"Ja, er steht auf gewaltsamen Sex."

Jetzt war es ihre Stimme, die zitterte. Er sah dass sie weinte. Schnell zog sie den Morgenmantel wieder an. Sie wollte ins Bad. Sie schämte sich für diese Entstellung. Doch Peter versperrte ihr schnell den Weg und zog sie in seine Arme. Sie bemerkte dass auch er weinte.

"Warum weinst du?"

"Ich kann deinen Schmerz spüren, nicht nur den Körperlichen."

Jetzt war es an ihr, ihm beruhigend über das Haar zu streichen.
"Scht, es ist gut!"

"Nichts ist gut."

Peter war wütend. Auf Santiago, weil er ihr das angetan hatte, und auf sich, weil er nicht bemerkt hatte welche Qualen sie litt.

"Ich hätte es verhindern müssen."

"Du konntest es nicht verhindern, Peter. Es ist nicht deine Schuld."

Sie spürte, wie er darunter litt.
"Es tut mir leid, dass du meinetwegen leidest."

Ihre Hand strich sanft über sein Gesicht, und ihre Lippen fanden die seinen. Sie küssten sich Leidenschaftlich, und doch voller Zärtlichkeit.
Gemeinsam legten sie sich wieder hin. Eng umschlungen schliefen sie wieder ein. Jeder gab dem anderen Halt und Sicherheit.

Caine spürte sofort, dass sich etwas verändert hatte, und auch Kermit sah es den beiden an.

"Ich habe mit dem Captain telefoniert, und ihr alles erzählt. Sie hat sich sofort an die Strippe gehängt um den Gerichtstermin vorzuverlegen. Ich warte nur noch auf ihren Rückruf."

Just in dem Moment klingelte Kermits Funktelefon. Er hörte der Person am anderen Ende aufmerksam zu. Mit einem befriedigten Gesichtsausdruck legte er auf.

"Die Gerichtsverhandlung wurde auf heute vorverlegt, wir sollten sofort aufbrechen."

Alle machten sich zum Aufbruch bereit und keine halbe Stunde später waren sie unterwegs.

Am Gerichtsgebäude trafen sie schon auf Captain Simms.

"Ich habe bereits Streifenwagen zu Blaisdells Hütte geschickt, die ihre Besucher holen."

"Weiß Santiago bescheid?"

In Peter kam wieder diese Vorahnung auf, die er schon bei Santiagos Verhaftung hatte, doch konnte er nicht sagen worauf sie beruhte.

"Er wird in diesem Moment informiert. Machen sie sich keine Sorgen Detektive, so kurzfristig kann er nichts planen."

Peter war sich nicht sicher.

"Ist alles in Ordnung, mein Sohn?"
Neben ihm stand sein Vater und sah ihn besorgt an.

"Kennst du das Gefühl, etwas Wichtiges zu wissen, dich jedoch nicht mehr daran zu erinnern was es war?"

"Ja."

"Im Moment habe ich dieses Gefühl. Irgendetwas sagt mir, dass hier was nicht stimmt. Doch ich kann es nicht definieren."

Peter schaute sich die ganze Zeit um, als erwarte er, dass jemand auftauchen könnte um die Gerichtsverhandlung zu unterbinden.

"Ich werde hier noch auf Santiago warten. Geh bitte schon mit Eve rein. Wenn du bei ihr bist, weiß ich, sie ist sicher."
Und an Eve gewand, die immer noch neben ihm stand sagte er: "Geh mit meinem Vater. Ich komme gleich nach."

Er küsste sie, dann ging sie mit Caine ins Gebäude.

"Geht's dir gut? Du siehst furchtbar aus."

Kermit stand neben Peter und schaute ihn eindringlich durch seine grünen Gläser an.

"Halt mich für verrückt, aber irgendetwas ist hier faul."

Sein Blick streifte das Gerichtsgebäude, und plötzlich war ihm, als würde ihm Jemand den Boden unter den Füßen fortreißen.
Sofort lief er los, gefolgt von Kermit, der zwar nicht verstand was los war, jedoch auf den Spürsinn von Peter vertraute.

"Paaps!"

Verzweiflung schwang in seiner Stimme. Alle drehten sich um. Da geschah es.
Eine Explosion erschütterte das Gerichtsgebäude und die Straße und warf Kermit und Peter zu Boden. Beide waren fast zur gleichen Zeit wieder auf den Beinen, und Kermit konnte gerade noch verhindern, dass Peter Hals über Kopf in das brennende Gebäude stürmte.

"Lass mich verdammt noch mal los!" schrie er Kermit an, doch dieser hielt ihn fest umklammert.

"Peter, du kannst da jetzt nicht rein. Du nützt den beiden nichts, wenn du stirbst."

Peter wusste dass Kermit recht hatte, und beruhigte sich etwas. Keine fünf Minuten waren vergangen, als auch schon Rettungswagen und Feuerwehr eintrafen.
Kermit und Peter gesellten sich zum Rest des Teams vom 101. Revier. Alle hatten ein paar Schrammen davongetragen. Mary Margaret kam auf Peter zu, sie sah geschockt aus.

"Peter, dein Vater!"

Mehr konnte sie nicht sagen. Peter wusste, dass Skalany seinen Vater liebte und nahm sie in den Arm.

"Es geht ihm gut, ich weiß es. Es muss so sein!"

Peter redete sich das selbst immer wieder ein. So sehr er sich auch konzentrierte, er konnte nicht spüren wo sich sein Vater jetzt befand.

"Peter!"

Das war Kermit. Er zeigte auf etwas. Peter wandte seinen Blick in die angegebene Richtung und entdeckte seinen Vater, der mit Eve auf den Armen, aus den Trümmern kam Beide bluteten.

"Paps, Eve."

So schnell er konnte rannte er zu ihnen. Er nahm seinem Vater Eve ab.
"Ich brauch hier einen Arzt, sofort!"

Kermit hatte sich bereits einen geschnappt und schleifte ihn zu Caine. Als der Doktor sah, wo er hingebracht wurde, rief er sofort die Sanitäter. Als erstes kümmerte er sich um die bewusstlose Eve.

"Paps, geht's dir gut?"

Peter stützte seinen Vater, er sah, dass Caines Blick vor Schmerz getrübt war.

"Paps, sag doch was."

Doch Caine kam nicht mehr dazu, auch er brach zusammen.

"Warum hilft mir denn keiner, verdammt!" schrie Peter.
Er hielt seinen Vater im Arm und strich ihm beruhigend übers Gesicht.

Sofort waren die Sanitäter da um sich um Caine zu kümmern.
Kermit hielt seinen Freund an der Schulter zurück.

"Wir nehmen meinen Wagen, komm."

Er wusste, dass es wichtig war, dass Peter jetzt in der Nähe seines Vaters bleib, sonst würde er vermutlich etwas Unüberlegtes tun. Aber auch Kermit selbst wollte von diesem Ort fort, denn wenn ihm Santiago über den Weg lief, würde er ihn vermutlich selbst umbringen. Er war sich sicher, dass dies auf seinem Mist gewachsen war.

Peter tigerte im Krankenhausflur auf und ab. Sowohl Eve wie auch sein Vater, waren im OP. Kermit war losgegangen, um Kaffe zu besorgen, als er zurückkam, hatte er den Ehrwürdigen im Schlepptau.

"Peter was ist passiert."

"Ich weiß es nicht genau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater die Gefahr nicht gespürt hat."

Er schüttelte den Kopf, während er gleichzeitig versuchte das Ganze zu verarbeiten, und zu verstehen.

"So wie ich deinen Vater kenne, hat er versucht, die anderen Menschen zu retten."

"Ja, ohne dabei an sein eigenes Leben zu denken, das würde ihm ähnlich sehen."

Wieder schüttelte er den Kopf, der Gedanke, seinen Vater diesmal für immer verlieren zu könnte wollte einfach nicht weichen.

"Hey, nun mach dir nicht zu große Sorgen, dein Vater ist zäh, er wird das schaffen!"

Kermit legte beruhigend seine Hand auf Peters Schulter. Er sah ihn dankend an. Von der anderen Seite kam Mary-Margaret, mit besorgtem Blich auf Peter zu.

"Wie geht es ihm?"

"Sie sind noch im OP!"

Sie ließ sich neben dem Ehrwürdigen nieder, der ihr sorgenvoll die Hand tätschelte und aufmunternd ansah. In diesem Moment kam der Arzt.

"Detektive Caine! Ich bin Dr. Ryans, der behandelnde Arzt. Ihrem Vater geht es den Umständen entsprechend gut. Er hat einige Schürfwunden, eine Gehirnerschütterung und zwei angeknackste Rippen. Ich weiß nicht, wo ihr Vater seine Kraft hernimmt, aber jeder andere wäre nicht so gut weggekommen."

"Das heißt er überlebt?"

"Auf jeden Fall. Er ist im Aufwachraum. Sie dürfen zu ihm, aber nur sie."

Dankbar schüttelte er dem Doktor die Hand, doch dann fiel ihm Eve ein. Sie hatte er, in der Sorge um seinen Vater, total vergessen.

"Was ist mit Eve Santiago?"

"Nun, sie wird noch operiert, aber soweit ich das weiß, muss sie einen Schutzengel gehabt haben."

Während der Arzt weiterging, hörte Peter hinter sich wie Kermit sagte:
"Oh ja, und ich kenn auch seinen Namen!"

Er hielt Mary-Margaret im Arm, die vor Glück weinte. Der Erwürdige sah Peter munter an und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er zu seinem Vater gehen sollte.

Peter folgte der Schwester. Caine schlief noch. Peter nahm sich einen Stuhl und stellte ihn so dicht an das Bett, wie es ihm möglich war. Er nahm die Hand seines Vaters in die seine und ließ sie die ganze Zeit nicht mehr los. Er versuchte ihm etwas von seiner Lebenskraft, seinem Chi zu geben, wie es sein Vater schon bei ihm getan hatte. Erst jetzt bemerkte Peter, wie müde er war, und ohne die Hand seines Vaters los zu lassen, schlief er auf dem Stuhl, mit dem Kopf auf dem Bett ein.

Peter schreckte auf. Wie lange hatte er geschlafen? Wieder einmal hatte er seinen alten Kindheitstraum, von der Zerstörung seines Tempels.

"Peter."

Leise, jedoch kraftvoll, hörte er die Stimme seines Vaters. Er hob den Kopf und sah in das lächelnde Gesicht von Caine.

"Paps!"

Peter umarmte seinen Vater, der die Umarmung erwiderte. Dann schaute Peter ihn ernst an.

"Mach das nie wieder."

"Ich gebe mir mühe."

"Ich habe mich wieder wie in meiner Kindheit gefühlt - als der Tempel zerstört wurde. Ich hoffte immer, dass ich so etwas nie wieder durchmachen müsste."

Tränen schimmerten in Peters Augen, und Caine nahm ihn erneut in die Arme.

"Mach dir keine Sorgen Peter. Es geht mir gut."

Davon war Peter überzeugt, jetzt. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er daran dachte, wie es Eve ging. Vorerst war sein Vater wichtiger gewesen als alles andere.

"Geh zu ihr."

Peter war etwas überrascht. Caine nickte ihm aufmunternd zu. Er gab seinen Vater einen Kuss auf die Stirn, dankbar darüber, dass er ihn verstand.

Draußen warteten immer noch Kermit, Mary-Margret und der Alte.

"Es geht ihm gut."

"Ja, aber natürlich!" war alles, was der Ehrwürdige lächelnd sagte, dann ging er, die Anweisung des Arztes missachtend, zu Caine ins Zimmer.
Peter nahm Mary-Margaret in den Arm und sah Kermit dankend an, dieser nickte nur.

"Sie ist noch auf der Intensiv Station, aber sie wird durchkommen. Der Arzt sagte, dass du auch zu ihr kannst, wenn du willst," informierte Kermit Peter und zeigte in die Richtung, in die er gehen musste.
Peter machte sich sofort auf den Weg.

Auf der Intensivstation erkundigte er sich als Erstes beim Arzt, über Eves Zustand.

"Sie hatte nicht ganz soviel Glück wie ihr Vater. Mehrere Knochenbrüche, die aber schnell verheilen, Prellungen, einige Schürfwunden, ein paar blaue Flecke und eine schwere Gehirnerschütterung. Wir werden sie morgen schon auf die normale Station verlegen können. Alles in allem kann man aber sagen, dass sie froh sein kann, so glimpflich davon gekommen zu sein."

"Danke."

Peter machte sich auf den Weg in ihr Zimmer. Wenn sie nicht die blauen Flecke im Gesicht hätte, würde man gar nicht erkennen, dass sie vor ein paar Stunden dem Tod entkommen war, so friedlich sah sie aus.

Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

"Das wird er mir büßen."

Ein Stöhnen kündigte an, dass sie im Begriff war auf zu wachen. Unendlich sanft strich er ihr übers Gesicht.

"Eve!"

Es war nur ein Flüstern, doch sie schlug ihre Augen auf. Verwirrung spiegelte sich in ihren Augen. Sie versuchte zu sprechen.

"Ist schon gut, es ist vorbei."

"Wer sind sie?"

Leise, so dass selbst Peter mühe hatte es zu verstehen, drangen die Worte aus ihrem Mund. Doch sie trafen ihn mitten ins Herz. Das konnte doch nicht sein.

"Eve, ich bin es, Peter!"

Kein Wiedererkennen in ihren Augen! Er ließ ihre Hand los. Sie schloss ihre Augen wieder. Fassungslos verließ er das Zimmer. Auf dem Flur begegnete er dem Arzt.

"Sie kann sich nicht an mich erinnern! Wie ist das möglich?"

"Das kann ich ihnen zu diesem Moment noch nicht sagen, es wäre möglich, dass es mit ihrer Kopfverletzung zusammenhängt. Wir müssen die weitere Untersuchungen abwarten. Entschuldigen sie mich."

Der Arzt ging weiter, dafür kam ihm Kermit entgegen, mit einem Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verhieß.
"Sie haben ihn freigelassen!"

"Wen?

Im ersten Moment konnte sich Peter nicht denken, von wem Kermit sprach, doch plötzlich breitete sich Erkenntnis aus.

"Das ist doch wohl nicht wahr?"

"Doch. Ich habe grad mit Captain Simms telefoniert. Sein Verteidiger hat es geschafft ihn auf Kaution frei zu bekommen, da die Verhandlung auf unsehbare Zeit verschoben wurde und Eve keine Aussage machen kann. Ohne Zeugenaussage keine Verhandlung."

"Verdammt noch mal!"

Peter schlug mit voller Wucht seine Faust gegen die Wand.

"Hey, nun komm. Sobald es ihr wieder gut geht, kriegen wir ihn dran."

"Da bin ich mir nicht so sicher. Auch wenn er sie nicht getötet hat, so hat er zumindest sein Ziel fürs Erste erreicht!"

"Wie meinst du das?"

"Sie hat nicht mehr gewusst, wer ich bin. Wer weiß, was sie noch alles vergessen hat!"

"Na toll!"

Kermit konnte es nicht fassen. Alles was schief laufen konnte, war heute schief gelaufen.

"Ist der Ehrwürdige noch bei meinem Vater?"

"Ja."

Ohne ein weiteres Wort eilte Peter an Kermit vorbei. Wenn er aber dachte, dass der Ex-Söldner jetzt nach Hause gehen würde, so hatte er sich geirrt. Kermit überprüfte noch mal seine Waffe, nahm sich einen Stuhl und platzierte sich vor dem Krankenzimmer von Eve. Keiner machte Anstallten ihn daran zu hindern.

Peter sah, den Ehrwürdigen bei seinem Vater sitzen. Caine schlief.

"Er wird schnell wieder gesund sein."

"Davon bin ich überzeugt."

Ein wissendes Lächeln machte sich auf Peters Gesicht breit, doch der Alte übersah nicht, dass Peter etwas quälte.

"Du machst dir doch nicht immer noch Sorgen um deinen Vater?"

"Nein, es ist Eve. Es sieht so aus, als hätte sie ihr Gedächtnis verloren! Ohne ihre Erinnerungen kann sie nicht gegen Santiago aussagen."

Der Alte wusste, dass Peter nicht nur was an ihrer Aussage lag.

"Kannst du ihr nicht Helfen?"

"Wenn die Zeit dafür da ist, werden dein Vater und ich ihr helfen, sofern es uns möglich ist."

Peter nickte.

"Geh nach Hause Peter. Ruh dich aus."

Wieder nickte Peter. Mit einem Seufzen drehte er sich um. Er wusste das der Ehrwürdige recht hatte. Im Moment konnte er nichts weiter tun.

Auf dem Weg zu seiner Wohnung legte Peter einen Stopp im Revier ein. Jody kam ihm entgegen.

"Peter, du solltest nicht hier sein!"

"Ist schon gut Jody, ich bin gleich wieder weg."

Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, als Dank dafür, das sie sich um ihn Sorgte. Dann ging er zum Captain.

"Detektive Caine, ich dachte sie sind im Krankenhaus!"

"Eigentlich bin ich auf den Weg nach Hause. Ich möchte, dass ein Beamter vor dem Zimmer von Eve Santiago postiert wird!"

"Ist nicht mehr nötig, das hat Kermit bereits übernommen."

"Danke Kermit!" sagte Peter zu sich selbst.

"Gut, dann wäre das geklärt. Ich gebe ihnen zwei Tage frei, aber halten sie sich von Santiago fern. Ist das klar?"

"Ja."

Captain Simms bemerkte die Halbherzigkeit in Peters Antwort.
"Detektive Caine, wenn auch nur gerüchteweise höre, dass sie Santiago zu nahe kommen, werde ich sie vom Dienst suspendieren. Habe ich mich da klar ausgedrückt?"

"Ja, das haben sie!"

"Gut!"

Peter verließ das Büro, während der Captain ihm nachsah und hoffte, dass ihr bester Cop keine Dummheiten beging!

********************

Zwei Tage später:

Caine hatte, trotz des Protestes des behandelnden Arztes, das Krankenhaus bereits verlassen, Peter hingegen verbrachte fast seine ganze Zeit im Krankenhaus bei Eve, ebenso wie Kermit.

Peter war immer in Eves Nähe, bedrängte sie aber nicht. Es betrübte ihn sehr, dass Eve nicht mehr wusste, wer er war.

Als Peter sich am Vortag nach Eve erkundigte hatte, hatte der Arzt gesagt: "Es ist mehr psychisch als physisch. Es scheint, als wolle sie bestimmte Dinge verdrängen. Die Explosion war in diesem Fall der Katalysator dafür. Sie kann sich sowohl an ihren Namen, wie auch an ihr Elternhaus erinnern. Aber alles was in ihrem Leben mit Diego Santiago zu tun hat, hat sie vergessen, von der Hochzeit bis zu der Explosion. Sie hat nicht einmal gewusst, warum sie hier im Krankenhaus ist."

"Wird sie ihre Erinnerung wiedererlangen?"

"Das ist schwer zu sagen. So was kann man nie im Voraus sagen. Die meisten Patienten mit einer Teilamnesie bekommen ihr Gedächtnis wieder. Manchen früher manche später. Allerdings gibt es auch welche, die die gelöschten oder verdrängten Erinnerungen nie wieder erlangen."

Peter gingen diese letzten Sätze immer wieder durch den Kopf. Was, wenn sie sich nicht wieder erinnerte? Dann würden sie Santiago niemals bekommen, was für ihn im Moment zweitrangig war. Was ihn besonders beschäftigte, war die Tatsache, dass ihm nach der Explosion klar geworden war, dass er diese Frau mehr als sein Leben liebte und dass er sie auf keinen Fall verlieren wollte. Doch wenn sie sich nicht an die gemeinsame Zeit, ihn eingeschlossen, erinnerte? Was würde passieren?

"Du zermaterst dir schon wieder den Kopf, wegen dieser Dinge," hörte er Kermit neben sich.

Peter schaute ihn müde an. Er fragte sich, ob der Ex-Söldner in den letzten zwei Tagen überhaupt geschlafen hatte. Einen Rasierapparat hatte er jedenfalls nicht gesehen.

"Habe ich dir eigentlich schon gedankt?"

"Nein! Das brauchst du auch nicht."
Entschlossenheit klang in Kermits Stimme.

Peter nickte.
"Ich werd hier die Stellung übernehmen. Du brauchst bestimmt ein paar Stunden Schlaf."
Peter trat näher an seinen Freund heran. "Und eine Dusche!" setzte er grinsend hinzu.

"Mach dich nicht unbeliebt! Was den Schlaf angeht, hast du allerdings recht."

Kermit klopfte Peter freundschaftlich auf die Schulter und ging Richtung Ausgang.
Peter ging in das Zimmer der jungen Frau und sah dass sie schief. Die blauen Flecke waren bereits am verblassen, doch ihr rechter Arm war in Gips, und Peter wusste, dass ihre Rippen bandagiert waren, da sie sich mindestens eine gebrochen hatte und zwei weitere angeknackst waren. Er schloss die Tür und nahm davor auf dem Stuhl Platz.
Er hatte zwischenzeitlich schon mit Captain Simms telefoniert, die ihn darüber in Kenntnis setzte, dass das 101. die Aufgabe der Bewachung, von Eve, übernommen hatte, da man davon ausgehen konnte, dass Santiago sie aus dem Weg räumen würde.

*************

Eine Woche später wurde Eve aus dem Krankenhaus entlassen. Peter hatte sich um eine Wohnung für Eve gekümmert, in die er sie jetzt brachte. Während der gesamten Zeit im Krankenhaus hatten sie keine zwei Sätze mit einander gewechselt. Eve hatte es konsequent vermieden, mit dem, ihr fremden, Mann zu reden. Aber immer wenn sie meinte, dass Peter es nicht bemerken würde, hatte sie ihn aufmerksam beobachtet. Und obwohl er ihr fremd war, ging von ihm eine Vertrautheit aus, die sie nicht erklären konnte. Dies und seine traurigen Augen, veranlassten sie dazu, ihn nicht weg zu schicken. Außerdem wurde ihr erklärt, dass sie in Gefahr sei, da ihr Mann, an den sie sich nicht erinnerte, sie vermutlich umbringen lassen würde.

Vor der Wohnung trafen sie auf Peters Vater.
Forschend schaute sie ihn an.

"Das ist mein Vater, Kwai Chang Caine."

"Kennen wir uns?"

"Ja, auch wenn sie sich im Moment nicht daran erinnern."

Sie legte ihren Kopf schief, als würde sie über etwas nachdenken, dann sagte sie plötzlich: "Sie sind Shaolin Priester."

"Ja, das ist richtig."

"Du kannst dich daran erinnern?" fragte Peter hoffnungsvoll.

"Nein. Ich glaub nicht. Es schien mir aber irgendwie richtig zu sein! Können wir reingehen?"
An Caine gewand sagte sie: "Sie sind herzlich eingeladen."

Peter ging in die Küche und kochte Tee, sein Vater hatte ihm eine Mischung gegeben, die er zubreiten sollte. Caine begleitete Eve ins Wohnzimmer.

"Ihr Sohn ist ein wirklich netter Mensch. Er respektiert, dass ich mich nicht an ihn erinnere, obwohl es ihm anscheinend Kummer bereitet. Waren wir ein… Paar?"

"Das ist etwas, was sie meinen Sohn fragen sollten," antwortete Caine ihr.

"Ich habe gehört, wie ein paar Krankenschwestern ihren Namen erwähnten, und dass sie irgendetwas mit meiner Rettung zu tun hatten."

Caine hob die Schultern und meinte bescheiden: "Ich war zur rechten Zeit am rechten Ort."

"Danke!"

Peter kam aus der Küche zurück.
"Mein Vater ist nicht ganz Zufällig hier. Er könnte dir helfen deine Erinnerungen wieder zu bekommen. Wenn du nichts dagegen hast."

Einen Moment lang schwieg sie, dann meinte sie zögerlich:"In Ordnung."

Caine nickte, und sie nahmen auf dem Boden Platz. Peter blieb stehen und beobachtete die beiden.

Caine nahm Eves gesunde Hand in seine und legte die andere an ihr Gesicht. "Schließen sie die Augen und denken sie an das Letzte, woran sie sich erinnern können."
Gebannt sah Peter den beiden zu. Eine ganze Weile geschah gar nichts, dann sah er wie Eve anfing zu weinen.

"Es geht nicht!"

Sie lief in die obere Etage.

"Was ist passiert, Paps?"

"Sie hat alle Erinnerungen tief in sich verschlossen, nicht einmal ich komme zu ihnen durch. Es ist zu viel Schreckliches in ihrem Leben passiert, an das sie sich nicht erinnern will."

"Kannst du denn gar nichts tun?"

"Nein Peter. Es liegt an ihr. Aber du kannst ihr helfen."

"Wie?"

"Ich habe gespürt, dass die Erinnerungen an dich nicht so tief verschüttet sind wie die anderen, weil sie mit dir eine glückliche Zeit verbracht hat. Geh an Orte mit ihr, wo ihr zusammen hingegangen seid. Bleib immer in ihrer Nähe, rede mit ihr. Mehr kannst du nicht tun, und ich auch nicht, es tut mir Leid."

Peter wusste nicht was er sagen sollte. Er hatte so sehr gehofft, dass sein Vater etwas erreichen würde, so dass er jetzt etwas enttäuscht war. Aber er gab seinem Vater keine Schuld.

"Danke dass du es versucht hast."

Caine nickte, dann ging er nach Hause. Peter ging wieder in die Küche, der Tee war inzwischen fertig. Er machte ein paar Sandwichs, und ging zu Eves Schlafzimmer. Er klopfte. Zaghaft öffnete sie die Tür und schaute Peter aus verweinten Augen an.

"Hast du Hunger?"

Er zeigte ihr das Tablett, das er mit sich trug, und sie öffnete ihm die Tür. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Tisch, auf dem er das Tablett stellte. Er wollte schon wieder gehen, als sie ihn ansprach.

"Es tut mir Leid!"

"Was denn?"

"Dass es nicht geklappt hat."

"Das muss dir nicht Leid tun. Ich kann dich verstehen. Es gibt Dinge in meinem Leben, die ich auch gern vergessen würde. Andererseits haben mich diese Dinge geprägt, und aus mir den gemacht, der ich heute bin. Mein Vater würde vermutlich sagen, dass das alles zu meiner Reise gehört."

"Welche Reise?"

"Die zu mir Selbst, um zu erkennen, wer ich bin!"

"Und ist ihre Reise schon beendet?"

"Nein, sie endet erst mit dem Tod!"

Er schloss die Tür hinter sich, und überließ sie ihren Gedanken.
In dieser Nacht hatte sie einen seltsamen Traum. Sie träumte von einem Mann, den sie über alles Liebte, dessen Gesicht sie aber nicht sehen konnte. Schweißgebadet wachte sie auf. Sie ließ sich zurück in die Kissen sinken. Als sie auf die Uhr schaute, bemerkte sie, dass bald die Sonne aufgehen würde. Also entschloss sie sich aufzustehen, da sie eh nicht mehr schlafen konnte.

Duschen erwies sich als etwas schwierig, mit dem Arm, in Gips, doch sie schaffte es. Beim Abtrocknen erblickte sie ihr Spiegelbild. Zum ersten Mal betrachtete sie die Striemen auf ihrem Körper genauer. Bisher hatte sie sie der Explosion zu geschrieben, doch plötzlich fiel ihr etwas ein.

"Er mag gewaltsamen Sex!"

Bilder schossen ihr durch den Kopf. Bilder von einem Mann mit einer Peitsche in der Hand, deren Lederriemen er ins Wasser tauchte. Rasende Schmerzen erfassten ihren Kopf, weinend kauerte sie sich in eine Ecke.

*************

Peter wachte früh auf. Etwas beunruhigte ihn. Er setzte sich auf und horchte in die Stille des Hauses. Nichts! Dennoch spürte er, dass da etwas war.
Er zog sich seine Hose an und ging hinauf zu Eves Schlafzimmer. Als er hineinsah, sah er, dass ihr Bett leer war.

"Eve?"

Keine Antwort.

Unruhig betrat er das Zimmer, im angrenzenden Bad sah er Licht. Er trat weiter in das Zimmer und konnte nun durch die offene Badezimmertür blicken. Mit zwei großen Schritten war er bei ihr. Eve kauerte in einer Ecke und hielt sich beide Hände an den Kopf. Peter schnappte sich den Morgenmantel der neben dem Waschbecken hing, und kniete sich zu der vollkommen nackten Eve.

Als er ihr den Morgenmantel über die Schulter legen wollte, fing sie in wilder Panik an zu schreien. Sie schlug um sich, und Peter bekam einige Kratzer im Gesicht ab. Doch das interessierte ihn nicht.

"Eve, ich bin es, Peter. Du brauchst keine Angst zu haben, hier wird dir niemand etwas tun."

Die Haustür wurde aufgetreten und er hörte Kermit rufen, doch er kümmerte sich nicht um ihn. Stattdessen zog er die immer noch um sich schlagende, schreiende Eve in seine Arme. Nur langsam ebbten ihre Schreie wie auch ihre Fausthiebe ab. Beruhigend strich er ihr immer wieder über die nassen Haare.

"Peter, was ist denn hier los?"

Kermit stand, außer Atem hinter ihm, seine Waffe im Anschlag.

"Alles in Ordnung. Sie hatte so etwas wie einen Anfall, ich bin mir nicht ganz sicher. Tu mir den Gefallen, und bring meinen Vater her."

Kermit machte auf den Absatz kehrt, und lief zu seinem Wagen.

Nachdem Peter sicher war, dass sich Eve beruhigt hatte, trug er sie zum Bett. Er strich ihr die wirren Strähnen aus dem Gesicht und sah in ihre schreckensweiten Augen.

"Was ist denn passiert?"

Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie böse Erinnerungen loswerden, doch sie antwortete ihm nicht. Stattdessen rollte sie sich wie ein kleines Kind zusammen und schluchzte in die Kissen. Er kam nicht mehr an sie heran.

Verzweifelt blieb er neben ihr sitzen. Als er abermals die Türe unten hörte, legte er eine Decke über sie und schloss leise die Tür.

"Paps, sie hat völlig durchgedreht. Ich konnte nicht aus ihr herausbekommnen was passiert ist."

Caine kam auf ihn zu und besah sich Peters Gesicht. Er blutete an der Stirn.

"Das ist nichts. Sie hat mich mit ihrem Gips erwischt."

"Wie geht es ihr jetzt?"

"Schwer zu sagen. Sie reagiert nicht. Ich glaube sie hat einen Schock!"

"Ich werde zu ihr gehen!"

Während Caine nach oben ging, zog Peter sich an.

"Hier!"
Kermit reichte Peter ein nasses Tuch, womit er sich das Blut aus dem Gesicht waschen konnte.

"Möchte nur mal wissen, was da passiert ist."

"Vielleicht hatte sie einen Alptraum!" meinte Kermit.

Peter sah seinen Vater die Treppe runterkommen.
"Ich habe ihr ein paar Kräuter gegeben, sie wird jetzt ein paar Stunden schlafen."

"Hat sie was gesagt?"

"Nein, sie war völlig abwesend. Möglich, dass sie sich nachher gar nicht mehr daran erinnert, was sie so sehr erschreckt hat. Du solltest bei ihr bleiben."

"Denkst du, sie hat sich an etwas erinnert?"

"Das kann ich dir nicht sagen Peter. Ihr Geist hatte sich vollkommen verschlossen. Wenn es so war, dann war es eine sehr schlimme Erinnerung! Ich werde mich mit dem Ehrwürdigen beraten."

Mit diesen Worten ging Caine.

"Willst du auch einen Kaffee? Ich kann jetzt dringend einen gebrauchen."

"Klar."

Kermit folgte Peter in die Küche. Er sah Peter aufmerksam zu. Schon im Krankenhaus hatte er bemerkt, dass ihm diese Situation sehr zu schaffen machte. Er dachte sich, Peter könnte eine kleine Aufmunterung gebrauchen.
Ganz beiläufig erwähnte er: "Ich habe Santiago eine von Blakes Wanzen verpasst!"

Überrascht drehte sich Peter zu Kermit um.
"Wenn das Captain Simms wüsste, würde sie dir den Kopf abreißen."

"Willst du es ihr sagen!"

"Nein, sicherlich nicht. Was hast du raus gefunden?"

"Nun, im Moment verhält er sich ruhig, und falls er was plant, hab ich davon nichts mitbekommen. Es ist schwierig. Dadurch, dass uns die Hände gebunden sind, können wir nichts weiter unternehmen."

Kermit setzte ein verschmitztes Lächeln auf.

"Was?"

"Ich habe einen Freund von mir auf Santiago angesetzt, der ihn nicht aus den Augen lässt. Somit waschen wir unsere Hände in Unschuld, wissen aber über alles bescheid."

"Du überraschst mich immer wieder."

"Gut. Ich hasse es berechenbar zu sein."
Inzwischen war der Kaffe fertig, und Peter reichte dem Ex-Söldner eine Tasse.

"Wir werden sie nicht ewig unter Beobachtung haben."
Peter sah Kermit traurig an.

"Ich weiß. Wenn sich nicht bald etwas tut, werden wir wieder abgezogen. Ich habe die Befürchtung, dass Santiago nur darauf wartet."

"Darauf würde ich sogar wetten."

Peter stellte seine Tasse ab. "Ich werde mal nach ihr sehen."

Peter war noch nicht ganz aus der Küche als er Kermit sagen hörte: "Klammere dich nicht zu sehr an die Hoffnung! Du musst sie loslassen, sonst wird sie dich zerstören."

"Ich weiß," antwortete Peter traurig.

Doch im Moment war er noch nicht bereit sie ohne weiteres gehen zu lassen. Er wollte um sie kämpfen. Als er ins Schlafzimmer kam, stand sie am Fenster.
Sie drehte sich um, als sie die Tür hörte.

"Ich werde nach Hause zurückkehren!"

Peter verstand nicht.

"Ich kehre nach Deutschland zurück, so schnell wie möglich."

Eine Welt brach bei ihren Worten für Peter zusammen. Er wollte etwas sagen, sie zum bleiben bewegen, doch er brachte kein Wort raus.

Eve sah, was in ihm vorging, doch sie konnte es nicht ändern. Obwohl sie sich eingestand, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, so war sie doch der festen Überzeugung, dass sie alles was sie hier noch hielt hinter sich lassen müsste.

"Ich muss es tun, Peter, sonst kann ich kein neues Leben beginnen."

"Aber, wenn du deine Erinnerungen wieder hättest, würdest du dann dieselbe Entscheidung treffen?"

"Das ist es ja, ich habe sie nicht wieder. Und wenn es danach geht, was ich heute Morgen erlebt habe, dann will ich sie auch nicht wieder. Es tut mir leid."

Sie wartete auf eine Antwort von Peter. Dass er ihr zustimmte. Doch stattdessen drehte er sich um und ging.
Sie lief ihm hinterher.

"Peter!"

Er reagierte nicht. Er verließ das Haus, ohne sich noch einmal um zu drehen.
Kermit schaute aus der Küche, und war überrascht Peter weggehen zu sehen.

"Was ist denn nun los?"

Er schaute sich um und sah Eve, die weinend an der Treppe stand.

"Können sie mir mal erklären was das zu bedeuten hat?"

"Ich habe ihm gerade gesagt, dass ich die Staaten verlassen werde!"

****************

Caine fand seinen Sohn im Park. Peter war den ganzen Tag umhergelaufen, unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

"Ich habe deine Verzweiflung gespürt. Deine Freunde machen sich Sorgen um dich."

Keine Antwort.

Caine setzte sich neben seinen Sohn.
"Kermit hat mir erzählt was passiert ist."

"Ich bin nicht bereit sie gehen zu lassen."

"Ich weiß. Doch es ist ihre Entscheidung."

Peter konnte es nicht ertragen, er stand auf und ging. Caine wusste, dass er im Moment nichts für seinen Sohn tun konnte.

Peter kehrte zu seiner Wohnung zurück, wo Kermit schon auf ihn wartete.

"Wie kommst du hier rein?"

"Nicht nur dein Vater hat so seine Tricks. Es war nicht grade eine gute Idee, einfach zu verschwinden. Captain Simms war ziemlich sauer."

"Ich werde mich morgen bei ihr entschuldigen. Tu mir den Gefallen und schließ die Tür wenn du gehst."

Peters passive Art machte Kermite ein wenig wütend. Er stand auf.
"Hör zu, Peter Caine. Ich bin hergekommen, weil ich mir Sorgen gemacht habe. Außerdem solltest du wissen, dass der Commissioner sich entschlossen hat, die Steuern der Bürger anders einzusetzen. Er hat die Leute bei Eve abgezogen."

Peter wirbelte herum.

"Das ist doch wohl nicht sein ernst?"

"Oh doch."

Scharf sog Peter den Atem ein.
"Da du dein Auto vorhin stehen gelassen hast, schlage ich vor, wir fahren mit meinem."

Kermit wartete Peters Antwort nicht ab, sondern verließ dessen Wohnung. Wie Kermit nicht anders erwartet hatte, folgte Peter ihm, keine viertel Stunde später waren sie wieder bei Eve. Es war inzwischen dunkel.

"Ich werde hier warten!"

Peter atmete tief durch.

"Danke."

Die paar Stufen zu ihrer Tür, waren schon fast eine Qual für ihn, doch er erklomm sie.
Offensichtlich hatte sie schon auf ihn gewartet, denn kaum hatte er die Tür erreicht, als sie auch schön öffnete. Er folgte ihr in die Wohnung.
Sie stand mit dem Rücken zu ihm als sie anfing zu sprechen.

"Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe, aber meine Entscheidung steht fest."
Sie drehte sich um, und sah ihm in die Augen.

"Lass mich gehen, Peter. Egal was du mir vorher bedeutet hast, jetzt bedeutest du mir nichts mehr. Unsere gemeinsame Zeit gibt es für mich nicht mehr, ich kann mich nicht an dich erinnern. Alles was mal zwischen uns gewesen ist, ist jetzt vorbei. Ich werde dieses Land verlassen und nie wieder zurückkehren."

Peter sah sie an.

"Ich liebe dich!"

"Das ist mir egal, es bedeutet mir nichts."

Peter schaute zu Boden. Er konnte nicht begreifen was sie da sagte. Jede Faser seines Körpers sagte ihm, dass sie nicht aufrichtig zu ihm war.

"Was ist los, Eve? Irgendwas Stimmt hier nicht. Das bist nicht du!"

"Woher willst du wissen, wer ich bin? Vielleicht bin ich ja jemand anderes als vorher. Vielleicht gibt es die Frau die dich geliebt hat nicht mehr."

Ihre Fassade bröckelte, Tränen schimmerten in ihren Augen.

Peter horchte auf.
"Wenn du dich nicht mehr erinnern kannst, woher weiß du dann, das du mich mal geliebt hast?"

"Ich will dich nicht mehr hier sehen, verdammt. Verschwinde und lass mich in Ruhe,"
schrie sie ihn an.

Peter blieb stehen wo er war. Er war so mit ihr beschäftigt, dass er nicht merkte was hinter ihm geschah.

"NEIN!"

Zu spät! Er spürte einen heftigen Schmerz im Nacken. Er sackte in die Knie. Wie durch Watte hörte er Eve neben sich schluchzen.

"Peter, bitte! Vergiss mich. Sie werden ihn töten."

"Wen?"

Er wusste nicht ob er es tatsächlich gesagt hatte, doch bevor er vollkommen das Bewusstsein verlor, wusste er wen sie meinte. Dann wurde alles Schwarz.

 

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