Zitate: aus Songs von Bruce
Guthro (Love lives on, Walk this road, Cheer up buddy) I hit the bottom and bounced back Kapitel 1 Erschöpft stand Peter Caine in der Küche seiner Wohnung, bereitete sich eine warme Mahlzeit zu und versuchte, das nagende Hungergefühl zu ignorieren, das ihn überhaupt erst an den Herd getrieben hatte. In seinem Arbeitseifer hatte er nämlich die Zeit vollkommen vergessen, erst sein knurrender Magen hatte ihn daran erinnert, dass es neben dem Aussortieren nicht mehr benötigter Gegenstände, Kistenpacken und sonstigen Umzugsvorbereitungen auch noch andere wichtige Dinge gab. Er seufzte. Noch vor zwei, drei Wochen hätte er kurzerhand zum Telefonhörer gegriffen und sich eine Pizza bestellt, dann wäre er zu seiner Arbeit zurückgekehrt, um noch möglichst viel zu erledigen, bis das Essen eintraf. Oder er hätte sich einfach ausgeruht, während er auf die Lieferung wartete. Damals war er aber auch noch Polizist gewesen, hatte relativ gut verdient und sich solche kleinen Bequemlichkeiten ohne weiteres leisten können. Nun war er ein unerfahrener Shaolin ohne Einkommen, was bedeutete, dass er – Hunger hin, Müdigkeit her – sich aus Kostengründen sein Essen selbst zubereitete. Doch seine finanzielle Situation war momentan das geringste seiner Probleme. Langfristig würde er sich natürlich darum kümmern müssen, aber derzeit wollte er sich nicht auch noch damit befassen, dafür hatte er zuviel Anderes, weit Wichtigeres, um die Ohren. Noch hatte er ein wenig Geld auf der Bank, genug um sich eine Zeitlang über Wasser zu halten; wenn es wirklich hart auf hart kommen sollte, konnte er immer noch sein Auto und seine Wohnung verkaufen und vom Erlös eine ganze Weile leben. Allerdings wollte er von dieser Möglichkeit nur im äußersten Notfall Gebrauch machen, viel lieber würde er sein Apartment vermieten und sich dadurch ein regelmäßiges kleines Einkommen sichern. Auch ein Shaolin muss schließlich von irgendetwas leben. Außerdem brauchte er dann keine Wohnung zu suchen, falls sein Vater nach seiner Rückkehr aus Frankreich wieder in das alte Backsteingebäude einziehen wollte. Wenn er nur erst wieder da wäre! Bis dahin würden vermutlich Monate, wenn nicht sogar Jahre vergehen. Denn wer konnte schon wissen, wie lange es dauerte, bis er die geheimnisvolle Frau auf Lo Sis Photo fand, die Peters Mutter so ungeheuer ähnlich sah. Wenn ihm das überhaupt jemals gelang – schließlich war das Photo schon sehr alt, und außer dem Eiffelturm im Hintergrund gab es keinen einzigen Hinweis auf ihren möglichen Aufenthaltsort. Verärgert über sich selber, schüttelte der junge Shaolin den Kopf. Jetzt bewegte er sich schon wieder auf die Frage zu, die ihm anfangs regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, auf die er auch jetzt noch keine befriedigende Antwort gefunden hatte: Warum um Himmels willen war sein Vater so schnell verschwunden und hatte ihn – wieder einmal – allein gelassen? Noch dazu in einem solchen Gefühlschaos? Und warum blockierte er seitdem alle Versuche seines Sohnes, eine gedankliche Verbindung aufzubauen? Von einem Tag auf den anderen ohne Job dazustehen, dafür aber mit Brandmalen, die jede Menge neuer Verpflichtungen bedeuteten, hatte Peters ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Doch er hatte den anstehenden Veränderungen guten Mutes entgegengesehen, in der Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Bis – ja, bis er von dem Photo erfuhr, das der Ehrwürdige für seinen Vater aufgehoben hatte und das diesen dazu brachte, Hals über Kopf nach Paris aufzubrechen. Lo Si hatte das Bild doch schon jahrelang in seinem Besitz gehabt; wäre es denn da auf ein paar weitere Tage angekommen? Dass sein Vater sich auf diese Suche begeben und sich Gewissheit darüber verschaf¬fen musste, ob die Frau wirklich Laura war, verstand Peter ja. Voll und ganz. Aber hätte er nicht wenigstens noch ein klein wenig warten können, bis sein Sohn sich etwas an die vielen neuen Aufgaben gewöhnt hatte und sich nicht mehr ganz so überfordert fühlte? Wieso dieser schnelle, fast fluchtartige Aufbruch? Seit Kwai Chang Caines schrecklichem Kampf mit seinem 'alter ego', der dunklen Seite seines eigenen Ich, hatte Peter seinen Vater nur ein einziges Mal gesehen. Der Shambalameister hatte sich sichtlich gefreut, dass sein Sohn jetzt ein wahrer Shaolin war und ihn gefragt, ob er es bereue, die Brandmale angenommen zu haben. Was Peter aus ehrlichem Herzen verneinen konnte. Aber dann war er gegangen. Hatte ihm gesagt, wie stolz er auf ihn sei, dass er, Peter, nun der Meister sei, dass der Platz des Vaters nun zu den Füßen seines Sohnes sei. Hatte ihn liebevoll umarmt und ihm versprochen wiederzukommen. Und dann war er weg. Einfach so. Zu allem Überfluss hatte er seinem Sohn auch noch die Apotheke als Legat hinterlassen. Dabei hatte Peter von Kräuterkunde überhaupt keine Ahnung! Ohne Lo Sis Hilfe hätte er gleich einpacken können. Der Ehrwürdige unterstützte Peter, wo es nur ging. Er hatte sofort Kwai Chang Caines Apotheke übernommen, seinen Sohn jedoch ein paar Tage lang weise in Ruhe gelassen. Hatte ihm Gelegenheit gegeben, über seinen ersten Zorn und seine Enttäuschung hinwegzukommen, bevor er das Gespräch mit seinem jungen Freund suchte und sich dessen bohrenden Fragen stellte. Den vielen Fragen nach dem Warum. Warum hatte er ihm all die Jahre verschwiegen, dass er Ping Hai war? Warum hatte er Peter vorgespielt, er sei todkrank, und ihn ins Waisenhaus gesteckt? Warum hatte er damals Vater und Sohn überhaupt getrennt, ihnen dadurch 15 Jahre gemeinsamer Zeit gestohlen? Warum hatte er dies gerade wieder getan? Warum hatte er Peter nicht wenigstens eine kurze Eingewöhnungszeit in seine neuen Pflichten gegönnt, bevor er seinen Vater um die halbe Welt schickte? Warum? Sie hatten bis tief in die Nacht zusammengesessen und geredet. Vielleicht lag es ja an seinem neuen, erweiterten Bewusstsein als Shaolin, aber Peter konnte fühlen, dass Lo Si wirklich aus bester Überzeugung so gehandelt hatte, damals wie heute. Dass er ihn nicht mit billigen Sprüchen abspeiste, sondern ihm die Wahrheit sagte. Das erleichterte es ihm, zu akzeptieren, was Ping Hai getan hatte, und von sich aus auf den alten Mann zuzugehen. Ehrlichen Herzens verzeihen konnte er ihm noch nicht, dazu saß der lang gehegte Groll einfach zu tief. Doch auch das würde kommen. Mit der Zeit. Im Moment war er ihm einfach dankbar für seine Hilfe. Lo Si führte die Apotheke praktisch im Alleingang. Außerdem hatte er begonnen, Peter Unterricht zu erteilen, denn er wollte ihm nach und nach alles beibringen, was er als Apotheker wissen musste. Vor allem sprach er seinem Schüler immer wieder Mut zu, wenn dieser das Gefühl hatte, nichts auf die Reihe zu bekommen. Wenn Peter zum x-ten Mal ähnlich aussehende Heilkräuter miteinander verwechselte. Wenn er sich über seine Begriffsstutzigkeit beim Erlernen der chinesischen Schriftzeichen ärgerte. Oder wenn – das war am schlimmsten – wieder einmal ein Besucher enttäuscht fortging, der gehofft hatte, Kwai Chang Caine anzutreffen, sich jedoch von dessen Sohn, dem 'hitzköpfigen Hotshot-Cop', nicht helfen lassen wollte. Auch wenn die Jüngeren in der chinesischen Gemeinde dem neuen Shaolin oftmals durchaus aufgeschlossen gegenüberstanden, gingen gerade unter den älteren Leuten nur wenige Hilfesuchende das Risiko ein, ihr Problem dem 'jungen Caine' anzuvertrauen. Ein leicht brenzliger Geruch brachte den frischgebackenen Shaolin schlagartig wieder in die Gegenwart zurück. Das Gemüse brannte an! Das kam davon, dass er ständig an andere Dinge dachte! Glücklicherweise war nicht viel passiert, die Mahlzeit war noch zu retten. Aber nun sollte er sich ausschließlich aufs Kochen konzentrieren und sich nicht mehr ablenken lassen, sonst verbrutzelte doch noch alles zu Kohle. Kurz darauf ließ er sich sein verspätetes Mittagessen schmecken. Nun, da Peter seit Stunden das erste Mal saß, merkte er erst, wie müde er war. Was genau genommen kein Wunder war, denn seit Wochen schlief er wenig, arbeitete schwer und lernte bis tief in die Nacht hinein. Es war wohl besser, wenn er hier Schluss machte und soviel Kisten wie möglich hinüber in das alte Backsteingebäude brachte. Dort konnte er sich bei einer Meditation ein wenig erholen und sich dann in Ruhe auf die nächste Lektion mit Lo Si vorbereiten. Die würde ohnehin wieder anstrengend werden, denn der Ehrwürdige war ein sehr anspruchsvoller Lehrer.
Als er bei dem alten Backsteingebäude ankam, trug Peter seine Umzugskisten in den zweiten Stock, den er in den letzten Tagen ausgeräumt und neu angestrichen hatte. Hier wollte er seine Möbel und die Eisenbahn einlagern, bis er endgültig wusste, was er mit seinem Apartment machen sollte; gleichzeitig konnte er hier alles, was er nicht sofort im dritten Stock brauchen würde, abstellen. Zufrieden mit sich, ging er nach oben in die Apotheke. Die war zu seinem Erstaunen leer; wahrscheinlich machte Lo Si gerade einen Krankenbesuch. Gerade wollte er in den Meditationsraum hinübergehen, als er jemanden die Treppe heraufkommen hörte. Eine jugendliche Stimme rief: "Hallo? Jemand zuhause?", und schon kam Ricky Nillson hereingestürmt, bepackt mit seinem Schulrucksack, atemlos vom schnellen Laufen. Er strahlte übers ganze Gesicht. Peter mochte den freundlichen, offenen Jungen sehr gerne. Er begrüßte ihn lächelnd. "Hallo, Ricky. Schön, dass du vorbeikommst. Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht gesehen. Wie geht es dir? Du siehst aus, als würdest du dich unbändig über etwas freuen." "Hallo, Peter. Mir geht’s gut, danke." Ricky erwiderte das Lächeln und sah sich dann erwartungsvoll um. "Ist Ihr Vater da? Ich muss ihm unbedingt etwas Tolles zeigen." Er wusste es noch gar nicht! Peter schluckte. Da stand dem Armen eine herbe Enttäuschung bevor. Er entgegnete so natürlich wie möglich: "Nein, er ist unterwegs. Ich wollte mir gerade einen Tee machen, möchtest du eine Tasse mittrinken?" Ahnungslos nickte Ricky. "Gerne." Sie gingen in die Küche. Während Peter den Tee bereitete und sich überlegte, wie er dem Jungen am besten von Caines Abreise erzählen sollte, erkundigte er sich nach Ricky und seiner Familie. Dieser erzählte ausführlich von der Klassenreise, die er vor kurzem mitgemacht hatte, und berichtete dann, wie sehr seinem Vater die Hausmeisterstelle an der 'Roosevelt High' gefiel und welche Erfolge sein großer Bruder gerade feierte. Cam war seit Anfang des Schuljahres Kapitän der 'Roosevelt Rough Riders', des Basketball-Teams, das Peter während eines Einsatzes als verdeckter Ermittler für kurze Zeit trainiert hatte. Als beide ein Schälchen mit Tee vor sich stehen hatten, kam Ricky auf den Grund seines Besuches zu sprechen. "Wissen Sie wann Ihr Vater zurückkommt, Peter? Ich habe leider nur eine halbe Stunde Zeit, deswegen kann ich nicht lange auf ihn warten, aber ich wollte ihm unbedingt meinen Hausaufsatz zeigen." "Ich fürchte, das wird heute nicht mehr klappen. Ich weiß zwar nicht, wann Paps zurückkommt, aber sicher nicht in der nächsten halben Stunde." Ricky blickte enttäuscht drein. "Schade! Und ich hatte mich schon so gefreut... " Aber dann gewann seine gute Laune wieder die Oberhand, und er vertraute Peter stolz seine Neuigkeiten an. "Wir haben nämlich heute den Hausaufsatz zurückbekommen, den wir letzten Monat abliefern mussten. Ich hatte KungFu als Thema gewählt, weil Ihr Vater mir doch Unterricht gibt. Er hat mir für die Hausarbeit auch noch wahnsinnig viel darüber erzählt, das konnte ich alles verwenden. Und mein Aufsatz war der beste!!!" "Wow, das ist toll. Gratuliere!" Kein Wunder, dass Ricky so strahlte. Peter freute sich aufrichtig für ihn. *Wie schade, dass ich ihm gleich seine gute Laune gründlich verderben und ihm die schlechte Nachricht von Paps' Abreise beibringen muss!* Peter unterdrückte ein Seufzen und sagte vorsichtig: "Paps wird sich bestimmt sehr darüber freuen. Aber ich fürchte, es wird eine Weile dauern, bis er es erfährt." "Warum denn? Ist er länger unterwegs?" Ricky sah ihn forschend an. "Sie sehen auf einmal so ernst aus. Was ist denn los, ist ihm etwas passiert? " "Nein, nein, es geht ihm gut. Ich würde spüren, wenn es anders wäre." (*Hoffe ich wenigstens.*) Peter suchte nach den richtigen Worten. "Ricky, mein Vater... ist im Moment nicht in Sloanville. Er musste für einige Zeit verreisen, und wir wissen beide nicht, wann er wiederkommt. Es wird wohl zwei, drei Monate dauern, vielleicht auch länger." Ricky schüttelte entsetzt den Kopf. "Ein paar Monate? Oder noch länger? Nein, das glaube ich nicht. Er wür¬de nicht einfach so lange weggehen, ohne sich zu verabschieden." Als Peter nichts entgegnete, sondern ihn nur voll Anteilnahme ansah, wurde er unsicher. "Oder doch?... Ich meine... er... er ist doch mein Freund, da... da würde er mir doch sagen..." Seine Stimme war immer leiser geworden, bis er schließlich ganz verstummte. Verzweifelt ließ er den Kopf hängen. *O Ricky, ich weiß genau, wie du dich jetzt fühlst. Ich wünschte, ich könnte dir helfen*, dachte Peter, den Rickys Schmerz nur allzu gut an seinen eigene Hilflosigkeit bei Caines Abreise erinnerte. Er strich dem Jungen übers Haar, dann fasste er ihn sanft am Kinn und hob seinen Kopf an, bis er ihm in die Augen sehen konnte. "In diesem Fall ging das nicht. Weißt du, diese Reise war nicht geplant, Paps musste ganz plötzlich weg." Auf Rickys skeptischen Blick hin beschloss er, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. "Er hat erfahren, dass meine Mutter vielleicht noch lebt und sich möglicherweise in Paris aufhält. Da musste er einfach nach Frankreich aufbrechen, um sie zu suchen und sich Gewissheit zu verschaffen. Verstehst du das?" Nach einer Weile nickte Ricky. Leise sagte er: "Ja. Aber ich bin traurig, dass ich ihm nicht 'Auf Wiedersehen' sagen konnte." Peter erwiderte verständnisvoll: "Das glaube ich. Sich nicht verabschieden zu können, das schmerzt. Und leider kann ich dir nicht einmal sagen, wann er wiederkommt. Ich habe absolut keine Ahnung, wie lange seine Suche dauern wird." Er machte eine kleine Pause, versuchte tröstende Worten zu finden, zu erklären, was ihm selbst immer wieder aus seinem Tief heraushalf. "Aber eines weiß ich ganz sicher: er wird zurückkommen. Das hat er versprochen. Manchmal vermisse ich ihn so sehr, dass es fast schon körperlich weh tut, dass ich meine, ich halte es nicht aus. Aber dann denke ich an sein Versprechen. Das gibt mir neue Kraft." Aus seiner Stimme klang ganz deutlich das Vertrauen in seinen Vater heraus. Das schien auch sein junger Besucher zu spüren, denn er blickte ihn fragend an. Peter glaubte ein bisschen Hoffnung in Rickys blauen Augen aufkeimen zu sehen. "Ich weiß dass du jetzt traurig und enttäuscht bist, dass du das Ganze erst einmal verarbeiten musst. Aber vielleicht hilft es dir ein wenig, zu wissen, dass er wiederkommt. Und wenn du einen KungFu-Partner oder auch nur jemanden zum Reden brauchst, komm einfach hierher. Ich bin für dich da."
An diesem Abend bereitete es Peter mehr Mühe als sonst, sich auf Lo Sis Unterricht zu konzentrieren. Immer wieder musste er an die Verzweiflung in Rickys Augen denken, als er von Caines Abreise erfahren hatte. Peter beschloss, dem Jungen ein paar Tage Zeit zu geben, um über den ersten Schock hinwegzukom¬men, und ihn dann zu besuchen. So wie der Ehrwürdige es bei ihm getan hatte. Doch so lange brauchte er gar nicht zu warten, bis er wieder von Ricky hörte. Am nächsten Tag bemerkte er während seiner Meditation, dass sich jemand der Wohnung näherte. Er konnte Unsicherheit spüren, Zweifel. Also erhob er sich und ging seinem Besucher entgegen. Zu seiner Überraschung sah er Rickys Bruder Cam langsam und zögerlich den Gang entlang kommen. Als er Peter bemerkte, blieb er stehen und grüßte ihn verlegen: "Guten Tag, Mr. Caine." Er wirkte sehr besorgt. Peters erster Gedanke galt Ricky, und sofort machte er sich Vorwürfe, weil er ihn nicht besucht hatte. Er zügelte jedoch seine Ungeduld und Neugier, bis Cam, wie am Vortag sein kleiner Bruder, ihm bei einer Tasse Tee gegenüber saß. Erst dann fragte er: "Wie kann ich dir helfen? Ich spüre, dass dich etwas bedrückt. Ist es wegen Ricky? Er war gestern ziemlich fertig, wie geht es ihm jetzt?" Cam blickte auf seine Teetasse. "Es geht ihm schon wieder besser. Aber er hat mir gestern alles erzählt, was ihm so im Kopf herumging, und das hat mich auf die Idee gebracht, zu Ihnen zu kommen." Dann hob er den Kopf und blickte den jungen Shaolin forschend an: "Es könnte sein, dass ich (oder vielmehr ein Freund von mir) Ihre Hilfe braucht. Aber vorher muss ich etwas wissen..." Peter wartete geduldig, bis Cam fortfuhr: "Ricky sagt, dass Sie jetzt auch ein Shaolin sind, so wie Ihr Vater, und dass Sie Leuten helfen, die Probleme haben?" Als Peter ruhig nickte, aber nichts dazu sagte, tastete Cam sich weiter vor. "Er hat außerdem gesagt, dass Sie bei der Polizei gekündigt haben. Stimmt das?" Abermals nickte Peter. Er war sehr gespannt, worauf der junge Mann hinauswollte. "Und wenn ich Sie um Hilfe bitte und Ihnen ein Geheimnis anvertraue, dann müssen Sie das nicht der Polizei weitersagen, nicht wahr? Auch wenn es um etwas Illegales geht? Ich meine, weil Sie doch gar kein Cop mehr sind, und außerdem sind Sie jetzt so was wie'n Priester... So ähnlich wie beim Beichtgeheimnis..." Das klang gar nicht gut. War Cam in Schwierigkeiten? Vorsichtig entgegnete Peter: "Wenn du mich um Verschwiegenheit bittest, dann erzähle ich es ohne dein Einverständnis niemandem weiter. Auch nicht der Polizei. Und wenn du ein Problem hast oder jemand kennst, der in der Klemme steckt, werde ich gerne versuchen zu helfen." Cam atmete auf. "Wunderbar, genau diese Antwort hatte ich erhofft. Vielen Dank, Mr. Caine." "Nenn mich ruhig Peter. Das heißt, wenn du magst." "Vielen Dank, Peter", wiederholte Cam. "Dann darf ich nochmal wiederkommen, ja? Ich würde Sie nämlich gerne um Hilfe bitten, aber ich muss vorher meinen Freund fragen, ob ich Sie in sein Geheimnis einweihen darf. Er sitzt ziemlich in der Tinte, das habe ich vor ein paar Tagen zufällig mitbekommen. Mir ist einfach nichts eingefallen, was ich tun könnte, bis Ricky gestern Abend ganz aufgeregt heimkam und erzählte dass Sie jetzt nicht mehr bei der Polizei sind... Und da dachte ich.... na ja...", er geriet ins Stottern, ".. weil Sie uns doch schon einmal geholfen haben, gegen Mackie Adams und seine Bande,... da hoffte ich einfach, Sie würden uns jetzt vielleicht wieder helfen." Nach den vielen Zurückweisungen, die Peter in den letzten Wochen erfahren hatte, tat ihm dieser Vertrau¬ensbeweis besonders gut. Er musste schlucken. Dennoch klang seine Stimme belegt, als er endlich antworten konnte. "Aber natürlich. Ich würde mich freuen, wenn ich etwas für deinen Freund tun könnte. Komm wieder, wenn du mit ihm gesprochen hast. Oder noch besser, bring ihn einfach mit." Cam stand auf und reichte Peter die Hand. "Das werde ich. Wann können wir denn vorbeikommen?" "Eigentlich jederzeit. Ich bin jeden Tag hier, denn ich bekomme Unterricht beim Ehrwürdigen Lo Si und helfe ihm in der Apotheke. Aber am sichersten erreicht ihr mich ab vier, fünf Uhr am Nachmittag. Vorher bin ich manchmal unterwegs, weil ich auch noch meinen Umzug hierher vorbereiten muss." * Etwa zwei Stunden später saß der junge Priester am Küchentisch und brütete über ein paar chinesischen Spruchweisheiten, die der Ehrwürdige für ihn zur Übung aufgeschrieben hatte. Mühsam, Zeichen für Zeichen, kämpfte er sich durch die kurzen Texte. *Uff, geschafft! Aber jetzt kommt der schwierige Teil, das Abschreiben.* Peter hatte kaum drei Sprüche aufs Papier gemalt – als Schreiben wollte er das noch nicht bezeichnen – als er Schritte auf der Treppe hörte. Kurz darauf erklang Cams Stimme: "Peter? Sind Sie da?" "Ja, ich bin in der Küche, kommt rein." Er räumte das Schreibzeug zur Seite, setzte Teewasser auf und stellte drei Schälchen auf ein Tablett. Plötzlich musste er schmunzeln. *Wenn mir früher jemand gesagt hätte, ich würde so viel Tee trinken, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Höchste Zeit, dass ich meine Kaffeemaschine hierher bringe!* Cam betrat die Küche und zog einen finster dreinschauenden Jugendlichen hinter sich her, der sich misstrauisch umsah. Seine ganze Körperhaltung drückte Abwehr und Skepsis aus. "Hallo, Peter. Das ist mein Freund Tommy Wu, er spielt auch bei den 'Rough Riders'. – Tommy, das ist der Mann, von dem ich dir erzählt habe, Peter Caine. Er wird dir helfen." Peter nickte den beiden zu. "Hallo, Cam, hallo, Tommy. Möchtet ihr eine Tasse Tee?" Einladend wies er auf die Schälchen. "Am besten gehen wir nach nebenan, da ist mehr Platz. Kommt, ich zeige es euch." Sie gingen in den Meditationsraum, wo Peter ihnen ein paar Kissen gab, auf die sie sich setzen konnten, und ein niedriges Tischchen in die Mitte stellte. Dann ging er zurück in die Küche, um den Tee aufzugießen. Als er mit dem Tablett wiederkam, waren Tommy und Cam in eine leise geführte, sehr lebhafte Diskussion vertieft. Vermutlich ging es dabei um ihren Gastgeber, denn als die beiden den jungen Shaolin bemerkten, verstummten sie. Eine verlegene Stille trat ein, die schließlich von Tommy gebrochen wurde. Er machte eine weit ausholende Armbewegung, blickte Peter provozierend an und sagte: "Mann, für einen Ex-Cop ist die Hütte hier aber ganz schön abgefahren! Das sieht fast so aus wie auf den Bildern in den uralten Wälzern meiner Oma über Shaolinklöster, Tao und so'n verstaubtes Zeug. Wie sind Sie denn auf den Trip geraten?" Peter spürte, dass Tommy ihn mit seinem respektlosen Gehabe nur aus der Reserve locken wollte; er nahm deutlich eine gewisse Neugier wahr, die der junge Mann hinter seinem demonstrativen Misstrauen zu verbergen versuchte. Doch er wollte erst noch mehr über den Unbekannten wissen, zu dem Cam ihn geschleppt hatte, bevor er sich ihm anvertraute. Also ignorierte Peter den frechen Tonfall und entgegnete einfach: "Es ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, das stimmt." Er setzte sich, schenkte seinen Gästen ein und fügte dann erklärend hinzu: "Das ist die Wohnung meines Vaters. Er ist gerade für längere Zeit in Europa, deshalb wohne ich vorläufig hier. Und ja, du hast Recht, Tommy, es sieht ein wenig nach Kloster aus. Mein Vater ist schon Shaolin seit ich denken kann. Einen Großteil meiner Kindheit habe ich mit ihm in einem Tempel verbracht." "Wirklich? So richtig mit Glatzen, orangen Klamotten, langen Ketten, Räucherstäbchen und allem Drum und Dran? So wie in den Büchern?" Peter nickte. "Ja." Während Cam große Augen bekam – Peter Caine oder seinen Vater mit Glatze und in Mönchskutte, das konnte er sich überhaupt nicht vorstellen – runzelte Tommy die Stirn. Er sah sehr skeptisch drein. "Aber wieso haben Sie denn jetzt Haare und ganz normale Sachen an? Und wieso sind Sie vom Kloster weg und ausgerechnet bei der Polizei gelandet?" "Als ich zwölf war, wurde unser Tempel durch einen Brand zerstört. Mein Vater und ich wurden voneinander getrennt, und wir glaubten beide, der andere sei in den Flammen umgekommen. Weil ich sonst keine Ver¬wandten mehr hatte, kam ich ins Waisenhaus, wo ich die drei schlimmsten Jahre meines Lebens verbringen musste. Aber ich hatte noch Glück im Unglück, denn ich lernte dort meinen Pflegevater kennen. Er holte mich nicht nur aus dem Waisenhaus heraus, sondern weckte in mir auch den Wunsch, Polizist zu werden wie er. Ich war lange Zeit glücklich in meinem Job und wollte mit dem ganzen 'mystischen Kram' nichts mehr zu tun haben. Doch vor ein paar Jahren habe ich zufällig meinen Vater wiedergefunden. Er hat mir die Lebensweise meiner Kindheit wieder nähergebracht, und so habe ich meine Shaolinausbildung abgeschlossen und bei der Polizei gekündigt." Bei seinen letzten Worten schob Peter die Ärmel seines Sweatshirts nach oben, so dass seine Brandmale zu sehen waren. Trotz seiner zur Schau gestellten Abwehrhaltung hatte Tommy aufmerksam zugehört. Peter meinte in seinen Augen so etwas wie Entgegenkommen zu erkennen, als er widerwillig-bewundernd feststellte: "Cool! Erst Bulle, dann Priester – das ist aber ein ganz schön heftiger Gegensatz!" Peter widersprach: "Auf den ersten Blick ja. Aber das sieht nur so aus. Wenn man von der Arbeit als Apothe¬ker absieht, von der ich noch nicht allzu viel Ahnung habe, mache ich eigentlich das Gleiche wie vorher. Nur auf eine etwas andere Weise. Ich bin Polizist geworden, um Menschen zu helfen, das kann ich auch als Shaolin tun. Nur eben ohne Waffe und Polizeimarke." Er sah Tommy nun direkt in die Augen. "Das bringt uns zurück zu dir. Was kann ich für dich tun?"
Abwechselnd erzählten die beiden Teenager, wie Tommy kurz nach dem Umzug seiner Familie nach Sloan¬ville die Bekanntschaft einer ziemlich cool wirkenden Clique junger Leute gemacht hatte. Den Mittelpunkt bildeten zwei Jungs aus Tommys Klasse, Phil und Eddy. Die beiden hatten sich mit Tommy angefreundet – "besser gesagt, sich an ihn rangemacht", warf Cam ein – und dieser war zunächst geschmeichelt und stolz darauf, dazuzugehören. "Na ja, eigentlich fand ich die gar nicht so cool, aber ich habe gemerkt, dass mein Vater Phil überhaupt nicht mag, und da habe ich mich extra viel mit ihnen getroffen, schon um Dad zu ärgern. Wir haben nämlich ständig Stress miteinander, weil er immer in alles reinredet und meint, er könnte mich herumkommandieren wie ein kleines Kind. Früher hat Mom zwischen uns vermittelt, aber sie ist vor einem halben Jahr gestorben. Und seitdem wird Dads Kontrollfimmel immer schlimmer. Wahrscheinlich meint er, er müsste jetzt doppelt gut auf mich aufpassen, wo Mom nicht mehr da ist. Dabei vergisst er völlig, dass ich das nicht mehr brauche. Mein Gott, in drei Monaten bin ich volljährig, und er tut so, als wäre ich ein Baby!" Dummerweise bestand Phil auf einer Mutprobe, sozusagen als Aufnahmeritual in die Clique. Wenn Tommy dazugehören wollte, musste er in einem Musikgeschäft eine CD 'mitgehen lassen'. "Zuerst wollte ich nicht, weil das doch Diebstahl ist. Aber dann habe ich mich doch dazu überreden lassen", gab Tommy kleinlaut zu. "Ich wusste, dass es nicht richtig war, aber ich habe mir eingeredet, das sei eine einmalige Sache, und das sei schon nicht so schlimm. Ich wollte halt unbedingt dazugehören. Es lief wie am Schnürchen, niemand in dem Laden merkte etwas, und ich brachte den anderen die CD. Sie taten alle ganz beeindruckt und nahmen mich nun offiziell in die Clique auf. O Mann, war ich naiv! Ich habe überhaupt nicht gemerkt, dass die mich beim Klauen fotografiert hatten, um mich später erpressen zu können!" Ein paar Wochen später besuchte Phil Tommy zu Hause und verlangte von ihm, die Aufgaben und Musterlösungen für die anstehende Matheklausur zu 'organisieren' – er arbeite ja ein paar Stunden pro Woche als Hilfskraft im Sekretariat der Schule, da sei es wohl kein Problem für ihn, an die Aufgaben zu kommen und sie zu kopieren. Sozusagen als Absicherung für Eddy, der die letzten beiden Arbeiten bereits verpatzt hatte und das nicht noch einmal riskieren wollte. Als Tommy sich weigerte, versuchte Phil ihn zunächst zu überreden. Als Mitglied der Clique sei er verpflichtet, Eddy zu helfen. Als das nichts fruchtete, präsentierte er ihm einige Fotos, die Tommy beim Diebstahl der CD zeigten. Wenn Tommy ihm die Matheaufgaben besorge, bekäme er zum Ausgleich dafür die Bilder samt Negativen. Andernfalls werde Phil sie dem Ladenbesitzer und Tommys Vater zuspielen. Die Konsequenzen könne er sich sicher vorstellen – polizeiliche Ermittlungen, vielleicht ein gerichtliches Nachspiel und schrecklichen Ärger mit seiner Familie, wenn Tommy als jugendlicher Krimineller bloßgestellt würde. Phil malte seinem Opfer die möglichen Folgen sehr überzeugend in den schwärzesten Farben aus. Also erklärte sich Tommy schweren Herzens und wider besseren Wissen dazu bereit, im Austausch gegen die belastenden Photos die Klausuraufgaben zu beschaffen. Phil hielt Wort und händigte ihm Bilder und Negative aus, die Tommy natürlich sofort vernichtete. Mit Phil und Eddy und ihrer Clique wollte er von da an nichts mehr zu tun haben, und die beiden ließen ihn auch in Ruhe. Eine Zeitlang sah es so aus, als sei für Tommy alles in Ordnung. Seine anfängliche Angst, nachträglich noch entlarvt zu werden, legte sich allmählich. Vor ein paar Tagen kam dann das böse Erwachen: "Phil nahm mich in der Pause beiseite und erzählte mir von einem 'ganz großen Ding'. Er verlangte, ich solle bei einem Einbruch mitmachen! Ich meinte nur, er sei ja wohl nicht bei Trost, und wollte ihn stehen lassen, aber da sagte er mir, er hätte die Kopien der Klausuraufgaben noch, die ich ihm besorgt hatte, und da seien meine Fingerabdrücke drauf. Wenn ich bei dem Bruch nicht mitmachen wolle, sei das schon ok, aber dann bekomme halt der Schulleiter die Kopien mit einem entsprechenden Begleitschreiben. Außerdem habe Phil zufällig noch ein paar Bilder von der Mutprobe bei sich gefunden, die könne er ja immer noch dem Ladenbesitzer zuspielen. Ich solle mir alles gut durch den Kopf gehen lassen, er werde wieder auf mich zukommen. Und ich solle mir ja nicht einfallen lassen, irgendjemand davon zu erzählen, sonst sei ich dran, und der Brief an Direktor Lake werde umgehend abgeschickt." Tommy fuhr sich verzweifelt durchs Haar. Ein Hauch von Panik lag in seiner Stimme, als er fortfuhr: "Das war's dann für mich! Ganz gleich was ich tue, ich kann nur verlieren. Die werden mich immer weiter erpressen und immer schlimmere Dinge von mir verlangen. Ich will da auf keinen Fall nochmal mitmachen! Aber ich wenn ich mich weigere, fliegt alles auf. Wer weiß, vielleicht hat Phil schon herausbekommen, dass Cam zufällig unser Gespräch auf dem Pausenhof mitgehört hat, und spielt jetzt dem Direktor die Klausur¬angaben mit meinen Fingerabdrücken zu... Wenn das passiert, bin ich geliefert. Dann kann ich mich einsargen lassen. Ich meine, die CD zu klauen, war ja schon eine Riesendummheit, aber ist noch gar nichts gegen die Sache mit dem kopierten Test. Dafür fliege ich hochkant von der Schule! Dann kann ich alle meine Träume vom College und vom Medizinstudium begraben. Ganz abgesehen davon, dass mein Vater mich umbringt, wenn er erfährt, was ich angestellt habe und welche Schande ich über die Familie gebracht habe. Was soll ich nur tun?" Peter schloss die Augen und dachte angestrengt nach. Ihm schien die Situation zwar sehr ernst, aber nicht hoffnungslos verfahren. Direktor Lake war ein engagierter Pädagoge, dem das Wohl seiner Schülerinnen und Schüler am Herzen lag, der würde bestimmt mit sich reden lassen. Wenn auch der Ladenbesitzer auf eine Anzeige verzichtete, käme Tommy mit einem blauen Auge davon. Blieben Phil und Eddy und ihre Clique. Diese Erpressungen mussten aufhören. Peter konnte sich nicht vorstellen, dass sie vollkommen auf eigene Rechnung arbeiteten, dazu roch die ganze Angelegenheit viel zu sehr nach einer größeren Organisation. Ein paar Jahre zuvor hatte einmal eine Bande Jugendlicher ihr Unwesen getrieben, die genauso operierte wie von Tommy beschrieben. Die Bande war zwar von der Polizei zerschlagen worden, aber leider hatten sie dem Boss, Malcolm Watts, nichts nachweisen können und er war ungeschoren davongekommen. Er hatte damals Sloanville verlassen, aber vielleicht war er jetzt wieder da und versuchte, seine Organisation neu aufzubauen? Das musste unbedingt verhindert werden! Wenn Peter nur nähere Einzelheiten über den geplanten Einbruch wüsste! Dann könnte es dank dieser Informationen vielleicht gelingen, dem Verbrecher diesmal das Handwerk zu legen. Der junge Priester öffnete die Augen und sah Tommy prüfend an. "So wie ich es sehe, hast du zwei verschiedene Probleme: den Einbruch, bei dem du mitmachen sollst, und die Erpressung von Phil und seiner Clique. Wobei sich das zweite Problem automatisch erledigt, wenn du zu Rektor Lake und Mr. Wang gehst und alles freiwillig zugibst." Tommy wurde kreidebleich und wollte erschreckt protestieren, doch Peter hob die Hand und bedeutete ihm damit, dass er noch nicht fertig war. "Nein, nein, lass mich ausreden. Bist du bereit, dich bei Mr. Wang zu entschuldigen, die CD zu bezahlen und zusätzlich eine Wiedergutmachung zu leisten, die er festlegt? Zum Beispiel in Form von unbezahlter Arbeit in seinem Geschäft oder bei einem Projekt in der Gemeinde?" "Ja, natürlich." Tommy nickte. "Und in der Schule ebenfalls?" "Alles, was Sie wollen, solange ich nicht von der Schule fliege oder womöglich sogar ins Gefängnis muss." Zaghafte Hoffnung schwang in seiner Stimme mit, als er fragte: "Glauben Sie, dass das möglich wäre?" Peter erwiderte schlicht: "Ja." Tommy seufzte erleichtert auf. Damit er sich jedoch keine übertriebene Hoffnungen machte, hielt Peter es für angebracht, genauer zu erklären, wie er sich das gedacht hatte: "Ich kann dir natürlich nichts versprechen, aber ich halte es für recht wahrscheinlich, dass du auf der Schule bleiben darfst. Damit Phil und seine Bande nichts spitzkriegen, schlage ich vor, dass du selbst erst einmal nichts unternimmst. An deiner Stelle werde ich mit Mr. Wang und Direktor Lake sprechen – unter der Bedingung, dass du jede Strafe akzeptiert, die ich mit ihnen aushandle. Wenn die beiden mit sich reden lassen, ist der Erpressung die Grundlage entzogen, und Phil kann dir nichts mehr anhaben. Ob du mit deinem Vater über die Sache sprichst, überlasse ich dir. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es gut wäre, keine Heimlichkeiten vor ihm zu haben und ihm reinen Wein einzuschenken. Zuerst ist er wahr¬scheinlich wütend, aber nach der ersten Aufregung wird er erkennen, dass er stolz auf dich sein kann. Denn du hast zwar eine Dummheit begangen, aber du hast daraus gelernt und machst es wieder gut. Vor allem hattest du den Mut, dir Hilfe zu holen, als du allein nicht mehr weiter kamst." Die Vorstellung, seinem Vater alles zu beichten, war Tommy sichtlich unangenehm. Er blickte zu Boden und schwieg nachdenklich. Nach einer Weile sagte er leise: "Sie kennen den strengen Ehrbegriff meines Vaters nicht, sonst kämen Sie gar nicht erst auf die Idee, er könnte nach dem ganzen Schlamassel hier stolz auf mich sein." Er hob den Kopf und blickte dem jungen Shaolin ernst in die Augen: "Aber wenn ich heil aus der Sache herauskomme, werde ich auch mit Dad sprechen. Dann habe ich überall reinen Tisch gemacht." Peter wurde warm ums Herz. Der Junge hatte offensichtlich verstanden, worauf es ihm ankam. "Dann erst bist du wirklich frei. Genau deswegen habe ich dir das vorgeschlagen." Doch gleich darauf wurde er wieder ernst. "Allerdings ist ein Problem dann immer noch ungelöst: Phil und seiner Clique laufen immer noch frei herum und können weiterhin andere erpressen. Ich würde den Bur¬schen liebend gerne das Handwerk legen, und vor allem eventuellen Hintermännern gleich dazu. Doch das kann ich nicht alleine, dazu brauche ich deine Hilfe: Ich möchte mit meinen früheren Kollegen über die Erpressung sprechen, gemeinsam können wir bestimmt den Verbrechern eine Falle stellen. Dafür muss ich aber unbedingt wissen, wo und wann der Einbruch stattfinden soll. Traust du dir zu, diese Information für mich zu beschaffen, indem du Phil glaubhaft vorspielst, bei dem Bruch doch mitmachen zu wollen?"
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