2. Teil
Autor: Fu-Dragon
 

"Sieh mal einer an. Ist es nicht toll, was man hier im Wald alles finden kann?", wurden die Griffins rüde in die Wirklichkeit zurück geholt.

Wie Schulkinder, die man bei etwas verbotenem erwischt, fuhren sie auseinander. Kermit drehte sich herum und entdeckte zwei junge Männer. Sie standen knapp einen Meter neben ihm und, er konnte es kaum glauben, einer von ihnen hielt seinen Desert Eagle in der Hand und zielte auf sie.

Mit geschultem Blick erfasste er ihre Erscheinung. Die beiden mochten so Anfang 20 sein. Der Blonde mit wässrig blauen Augen und der Waffe in der Hand trug eine abgewetzte Jeans, ein grünes Shirt und einen grauen Parka. Der kleinere, dunkelhaarige war ebenfalls mit einer Jeanshose bekleidet, die schon einige Flecken aufwies, ebenso wie das blaue Hemd und der olivgrüne Mantel. Alles in allem wirkten beide recht verwahrlost.

Zorn übermannte den Detective. Wie hatte er nur so unvorsichtig sein können, die Umgebung um sich herum, nicht in den Augen behalten zu haben? Auch wenn ihm das Liebesspiel mit seiner Frau noch so sehr gefiel. Schon während seiner Ausbildung zum Söldner war ihm eingetrichtert worden, immer und überall die Wachsamkeit zu behalten, ganz egal, was man gerade tat. Er hatte soeben einen kapitalen Fehler begangen und das sollte sich bitter rächen wie es schien.

Die beiden Männer schwankten stark, sie schienen betrunken zu sein. Er fluchte innerlich, denn das machte sie umso gefährlicher, weil sich viele Menschen unter Alkoholeinfluss vollkommen unberechenbar benahmen.

Instinktiv drehte er sich so, dass er Cara mit seinem Körper abschirmte und sagte unwirsch: "Ich rate euch, die Waffe wieder hinzulegen und zu verschwinden. Dann bin ich bereit, das alles hier zu vergessen."

Die beiden lachten laut. "Du hast hier gar nichts zu melden, Kumpel. Wir sitzen eindeutig am längeren Hebel, sofern dir das noch nicht aufgefallen ist.", meinte derjenige mit dem Desert Eagle in der Hand. Der andere fügte in scharfem Tonfall hinzu: "Los, erhebt euch, bevor wir euch Beine machen."

Dem Pärchen blieb nichts anderes übrig, als dem Befehl zu gehorchen. Kermit kam zuerst auf die Beine und zog Cara mit hoch. Es schnitt ihm tief ins Herz, als er spürte, wie sehr sie zitterte. Ein kurzer Blick in ihre weit aufgerissenen Augen bestätigte ihm die Vermutung; sie hatte grässliche Angst. Beruhigend drückte er ihre bebende und schweißnasse Hand und zog sie hinter sich.

"Oh nein, so haben wir nicht gewettet. Der hübsche Käfer stellt sich neben dich, damit das klar ist.", wurde er angeschnauzt.

"Was wollt ihr denn mit ihr? Lasst sie gehen, ihr habt dann noch mich", versuchte Kermit zu handeln.

Der Waffenlose grinste schmierig. "Träum weiter. Zwei sind besser als einer und sie ist gegen dich bestimmt ein tolles Druckmittel."

Kermit gefror das Blut in den Adern, besonders als er Caras entsetzten Aufschrei vernahm. Unter keinen Umständen würde er zulassen, dass die Jungs seiner Prinzessin etwas Zuleide taten.

"Fass sie an, krümm ihr nur ein Haar und ich reiße dir deine Gedärme heraus und wickle sie um deinen Hals, bis du jämmerlich daran erstickt bist", erwiderte Kermit in seinem bedrohlichsten Tonfall.

Der Kleinere Schurke trat vor Schreck zwei Schritte zurück. Man sah ihm deutlich an, wie sehr ihn Kermits selbstsichere und vor allen Dingen mehr als bedrohliche Ausstrahlung verwirrte.

"Mike, lass uns gehen, ist vielleicht doch keine gute Idee", raunte er seinem Kumpel zu.

Dieser allerdings schüttelte nur den Kopf. Er schien deutlich mehr getrunken zu haben, wie sein Freund, denn in seine Worte schlich sich ein lallender Unterton.

"Wo denkst du hin? Lass dich von dem Sack nicht einschüchtern. Er kann uns nichts tun. Wir haben das Schießeisen."

"Und wenn doch?"

"Dann durchsieben wir ihn mit Kugeln, ist doch klar."

Der Dunkelhaarige schluckte hörbar. "So war das aber nicht ausgemacht. Wir wollten sie nur beklauen. Ich werde wegen dir nicht zum Mörder."

"Mann, dann hau doch ab, wenn du Schiss hast, du Depp!", schrie der Andere und zielte kurz auf sein Gegenüber, bevor er die Waffe wieder auf Kermit und Cara richtete.

Der junge Mann hob beide Hände in einer unterwürfigen Geste hoch, Angst schlich sich in seinen Blick. "Nein, nein, schon gut. Ich bleibe hier und mache, was du mir sagst."

"Bitte, tun sie uns nichts. W…wenn sie Geld wollen, gebe ich ihnen gerne meine Brieftasche", mischte sich Cara flehend in das Geschehen ein.

Kermit zuckte zusammen. Warum tat sie das? So lenkte sie doch nur die Aufmerksamkeit der beiden Kleinganoven auf sich. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt, wie in dieser Situation. Wäre er mit Peter hier, oder einem seiner Kollegen vom 101., dann hätte er es auf einen Kampf ankommen lassen können. Mit seiner Frau war das unmöglich, denn sie wusste nicht, wie man sich verteidigte. Und beide zusammen konnte er nicht erledigen, ohne sie in Gefahr zu bringen.

Prompt wandte sich der Anführer Cara zu. "Wenn du es schon mal erwähnst, dann kannst du das Teil gleich rüber wachsen lassen. Was das andere betrifft…nun, das kommt darauf an, wie entgegenkommend ihr sein werdet."

"I…ich mache alles, was sie verlangen. Nur tun sie meinem Mann nichts", wimmerte sie.

"Verdammt, lass das", zischte Kermit seiner Frau zu. Sah sie denn nicht, was sie mit solch einem Gerede anrichtete?

"Sehr zuvorkommend von dir", lobte der Typ und rieb sich anzüglich über den Vorderteil seiner Hose. "Vielleicht komme ich auf dein großzügiges Angebot später zurück. Nun will ich aber erst mal Kohle sehen, also her mit dem Zaster."

Eifrig nickend, griff Cara in ihre Hosentasche und zog ihre Geldbörse hervor. "Hier, das ist alles, was ich habe. Nehmen sie nur", wisperte sie, während sie dem Verbrecher das Portemonnaie entgegen streckte.

"Nimm es", befahl Mike dem kleineren Mann.

Dieser tat, was er verlangte. Darauf bedacht, nicht in die Schusslinie zu geraten, ging er um seinen Kumpel herum, näherte sich Cara von der Seite und nahm den Geldbeutel entgegen.

"Und was ist mit dir? Deine Brieftasche will ich auch", wurde Kermit angesprochen.

"Ich habe keine dabei, meine Frau zahlt immer für uns beide", log er, in der Hoffnung der Typ würde in seinem besoffenen Zustand nicht darauf kommen, ihn durchsuchen zu lassen. Ein einziger Blick in seine Brieftasche würde genügen, um die Situation noch viel gefährlicher zu machen.

Mike stieß einen harschen Laut aus und rülpste ausgiebig. Urplötzlich trat er zwei Schritte nach vorne und verpasste Kermit einen harten Faustschlag gegen das Kinn. Der Angriff kam so schnell und wurde mit solcher Kraft ausgeführt, dass der Detective das Gleichgewicht verlor und gegen seine Frau prallte. Scharfer Schmerz explodierte in seinem Kopf. Einige Sekunden lang sah er Sterne vor seinen Augen blitzen. Er bekam nur am Rande mit, wie Cara außer sich vor Grauen auf ihn einredete und ihn stütze, damit er nicht ganz auf den Boden stürzte.

Nur Mühsam richtete er sich wieder zu seiner vollen Größe auf und flüsterte Cara zu: "Alles in Ordnung, beruhige dich."

Ungeachtet, ob er es tun durfte oder nicht, legte er den Arm um seine Frau und zog sie beschützend an sich. Dann fuhr Kermit vorsichtig mit der Zunge über seine Zähne, davon überzeugt, der Kerl hätte ihm einen Zahn ausgeschlagen. Glücklicherweise war dies nicht der Fall. Der ekelerregende Geschmack von Blut in seinem Mund kam von der aufgeplatzten Lippe. Das konnte er gut verkraften. In einer ärgerlichen Geste wischte er sich das Blut ab und schmierte es achtlos an seine dunkle Anzugjacke.

Leider hatte er jenen Moment, an dem er wirklich hätte angreifen können verpasst, denn nun stand der Typ wieder zwei Meter von ihnen entfernt und bedrohte sie mit dem Eagle. Das ärgerte den ehemaligen Söldner maßlos. In Rage zerlegte er den Blonden mit seinen Blicken und wünschte sich, er könne ihm das schmierige Grinsen aus dem Gesicht reißen.

"Das war dafür, dass du gelogen hast", verkündete Mike mit deutlicher Schadenfreude in der Stimme. Nach einem weiteren, lauten Rülpsen fuhr er fort: "Du bist garantiert nicht der Typ, der eine Frau für sich bezahlen lässt. Los, Carl, durchsuch ihn." Er richtete seine Waffe auf Cara. "Und wenn du nur einen Mucks machst, dann erschieße ich deine Tussi. Klar?"

Kermit blieb nichts anderes übrig, als seine Frau wieder los und die erniedrigende Prozedur über sich ergehen zu lassen. Solange sich Cara in direktem Schussfeld befand, konnte er nichts ausrichten.

Natürlich fand dieser Carl die Brieftasche und hielt sie triumphierend in die Höhe. "Ich hab' sie", kommentierte er seinen Fund und trat schnell wieder einen Schritt zurück.

"Dann schau mal nach, wie viel wir erbeutet haben. Wenn ich zufrieden mit der Summe bin, lasse ich euch vielleicht in Ruhe", erklärte Mike süffisant.

Carl öffnete wie geheißen das Lederetui und ließ es eine Sekunde später fallen, als hätte er sich verbrannt.

"Scheiße, der Kerl ist ein Bulle!", rief er aus.

Mike versteifte sich. Der Desert Eagle zitterte einen kurzen Moment in seiner Hand, bevor er sich wieder fasste.

"Verdammter Mist, was machen wir nun?", meinte er mehr zu sich selbst.

"Abhauen", entgegnete Carl.

"Damit wir die gesamte Bullerei auf unseren Fersen haben? Was denkst du denn, was passiert, wenn wir die laufen lassen? Die rufen gleich bei ihren Cop-Freunden an!"

"Mike, beruhige dich um Gottes Willen", wimmerte sein Kumpel, die nackte Furcht stand in seinem Blick geschrieben. "Wir…nun äh, wir könnten die beiden doch einfach irgendwo an einen Baum binden. Bis die wieder los kommen sind wir längst über alle Berge." Als keine Reaktion seitens Mike kam, setzte er hinzu: "Komm, lass uns das machen. Die paar Kröten sind es nicht wert, lebenslang hinter Gitter zu wandern."

Das Wort lebenslang schien einen bleibenden Eindruck auf Blondschopf zu hinterlassen, denn er stieß einen satten Fluch aus. Nachdenklich betrachtete er Kermit und Cara, wobei die Waffe immer von einem zum anderen wanderte.

"Wahrscheinlich hast du Recht. In den Knast werde ich nie wieder gehen." Er atmete tief ein. "Gut, wenn ihr beiden versprecht, dass ihr keine Anzeige erstatten werdet und wir nur euer Geld nehmen, euch die Brieftaschen aber da lassen, dann lass ich mit mir reden."

Kermit drückte warnend Caras Hand zum Zeichen, dass sie nichts sagen sollte. Die Lüge kam ihm leicht über die Lippen: "Klar versprechen wir das. Es ist eh schon so dunkel, dass man eure Gesichter nicht erkennen kann. Von dem her wäre auch später keine Identifikation möglich. Nehmt also das Geld und wir lassen es gut sein."
Innerlich allerdings schwor er sich, die beiden Kleinganoven zur Strecke zu bringen. Niemand jagte seiner Frau solch eine Angst ein und kam damit durch. Niemand!

Diesmal kam dem Pärchen der betrunkene Zustand der beiden zu Hilfe. Keinem der Beiden fiel auf, dass sie sich schon die ganze Zeit mit Namen angeredet hatten und zudem die Laterne im Gras genug Licht spendete, um ihre Gesichter klar und deutlich erkennen zu können. Auch nicht, dass der Blonde Fingerabdrücke auf der Waffe hinterließ. Irgendwie schienen die Zwei sogar erleichtert zu sein, einen Ausweg gefunden zu haben. Allzu oft überfielen die wohl keinen.

Cara und Kermit musste mit anhören, wie die Jungs lang und breit darüber diskutierten, wie man sie fesseln und woran man sie anbinden sollte. Schließlich kamen sie überein, eine der Decken zu zerschneiden und das Paar damit an einen nahe stehenden Baum zu binden. Auf den Befehl von Mike, machte sich Carl gleich daran, das Gesagte in die Tat umzusetzen.

Kermit spürte deutlich das Zittern, das Caras Körper ein um das andere Mal durchlief. Auch wenn die Gefahr augenscheinlich gebannt war, ließ ihre Furcht keinen Moment nach. Der ehemalige Söldner hätte seine Frau am liebsten in den Arm genommen und sie getröstet, aber er getraute sich nicht, sich zu bewegen, denn er wollte unbedingt verhindern, dass die Aufmerksamkeit der beiden Verbrecher erneut auf sie gelenkt wurde. Der Blonde hielt zwar noch immer den Eagle auf sie gerichtet, aber Kermit meinte zu sehen, dass dieser eher seinem Kumpel zusah, als sie im Auge zu behalten.

Einen kurzen Moment überlegte er, doch einen Angriff zu wagen, verwarf den Gedanken allerdings schnell wieder. Die Zwei standen zu weit auseinander, so dass er sie nicht gleichzeitig erledigen konnte. Außerdem wusste er nicht, ob dieser Carl vielleicht doch bewaffnet war. Daher beschloss er letztendlich, still zu halten.

Nachdem Carl die große Decke in mehrere Streifen zerschnitten hatte, testete er deren Festigkeit. "Die halten, keine Chance sie zu zerreißen", tat er seiner Beobachtung kund.

"Gut, bind die beiden dort drüben an den Baum und lass uns dann verschwinden", befahl Mike. Er schwenkte mit der Waffe kurz in die angedeutete Richtung. "Na los, braucht ihr eine Sondereinladung? Bewegt euch schon!"

Widerstrebend machte sich Kermit auf den Weg, seine Frau hinter sich her ziehend. Sie schien so durcheinander zu sein, dass sie kaum laufen konnte. An ihrem Ziel angekommen, musste sich Cara an den Baumstamm lehnen und Carl band sie daran fest. Anschließend wurde Kermit gezwungen, sich vor seine Frau zu stellen und ihm wurde dasselbe Schicksal zuteil. Einen Arm unter und einen Arm über Kermits Arme gelegt, musste Cara den ehemaligen Söldner umarmen, wobei ihre Hände an Kermits Rücken gefesselt wurden. Kermits Hände hingegen wurden soweit es ging um den Baumstamm herum gezogen, so dass er dicht gegen seine Frau gepresst da stand. Anschließend führte Carl noch drei dicke Streifen Decke um ihre Körper und um den Baum herum und sicherte auch diese mit gekonnten Knoten ab. Anschließend überprüfte er seine Arbeit, indem er fest an den Deckenstreifen zog, die keinen Millimeter nachgaben. Zufrieden mit seiner Handarbeit, trat er neben Mike.

"Ich wusste schon immer, dass du eine fesselnde Frau bist", raunte Kermit seiner Prinzessin unhörbar für die beiden anderen ins Ohr, in der Hoffnung, sie ein wenig aufzulockern.

Es zeigte nur mäßig Erfolg. Sie verzog nicht einmal die Lippen bei seinem Scherz, sondern beobachtete mit großen, in Terror geweiteten Augen das Geschehen um sie herum. Ihre Lippen bewegten sich, als wolle sie etwas sagen, aber kein Laut löste sich von ihrem Mund. Kermit konnte nur raten, dass sie gerade betete, das Ganze möge endlich vorüber sein.

"Hast du sie auch richtig fest angebunden?", wurde Kermits Gedankengang durch Mike unterbrochen.

"Natürlich habe ich das!", erwiderte Carl entrüstet. "Die werden Tage brauchen, bis sie frei kommen, sofern ihnen keiner hilft. Ich habe alle Knoten extra stramm angezogen und sie so dicht an diesen Baum gekettet, dass dieser bestimmt Dellen zurück behalten wird."

"Sehr gut, dann machen wir mal Feierabend", verkündete Mike.

Kermit drehte den Kopf und versuchte, so noch einen Blick auf die beiden werfen zu können. Sie standen in einem ungünstigen Winkel, aber immerhin konnte er Mikes Waffenarm sehen. All seine Muskeln verhärteten sich, als er den Blonden plötzlich sagen hörte: "Ob man das Ding hier auch so herum wirbeln kann, wie es die Cowboys mit den Colts immer machen?"

Noch bevor Kermit den Mund öffnen konnte, um diese tolldreiste Tat zu verhindern, versuchte der Typ schon, den Desert Eagle um seinen Zeigefinger herum rollen zu lassen.

Sein scharfes Gehör vernahm das kaum wahrnehmbare Klicken, dann hallte ein lauter Schuss durch die Nacht. Eine Nanosekunde später verspürte Kermit einen heftigen Schlag gegen seinen Oberschenkel. Es riss ihm sein linkes Bein zur Seite. Er wäre gefallen, wenn die Fesselung ihn nicht gehalten hätte. Dann nahm ihm ein scharfes Brennen den Atem. Bunte Punkte tanzten vor seinen Augen.

"Oh Shit, du hast den Cop angeschossen!", drang Carls anklagende Stimme an Kermits umnebeltes Gehirn.

Ein dumpfes Poltern erklang. "Scheiße, weg hier!", schrie Mike.

Dann ertönte nur noch das Getrappel von sich schnell entfernenden Schritten und das Brechen von Zweigen.

Kermit kämpfte darum, trotz des durch seinen Körper rasenden Schmerzes, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Deutlich spürte er warme Flüssigkeit an seinem Bein hinunter rinnen. Mit viel Angstregung zwang er sich dazu, kontrolliert ein und aus zu atmen, damit er nicht ohnmächtig wurde. Kurz darauf ließ das Rauschen in seinen Ohren nach und er schaffte es, sich wieder gerade hin zu stellen.

"Kermit, mein Gott, Kermit, sag doch etwas!", riss ihn Caras Stimme endgültig aus der drohenden Bewusstlosigkeit. Seit wann schrie sie denn so? Da ihre Stimme schon leicht rau klang, musste es schon eine Weile sein. Wieso hatte er das nicht mitbekommen?

"Es geht mir gut", brachte Kermit hervor, wobei er fest stellte, dass er ebenfalls sehr heißer klang.

"Kermit, oh Gott, Kermit", schluchzte Cara erleichtert.

Sie drehte und wand sich in der Fesselung, um einen Blick auf Kermits Bein werfen zu können. In wilder Panik riss sie an den Deckenstreifen und entlockte ihrem Mann so einen Schmerzenslaut, als dessen Gewicht durch ihr Zerren auf das verletzte Bein verlagert wurde. Sofort hielt sie inne und versuchte panisch in seinem Gesicht zu lesen.

"T…tut mir leid", stotterte sie. "Ich wollte dir nicht weh tun. Geht es dir gut?"

"Wenn du nicht weiterhin wie eine Irre an den Teilen herum reißt, dann schon", erklärte er grimmig.

Die batteriebetriebene Laterne auf der Picknickdecke warf nur ein sehr schales Licht auf das Paar. Cara kniff die Augen zusammen, um in dem Schummerlicht Kermits Gesichtszüge erkennen zu können. Dass es ihm absolut nicht gut ging, entdeckte sie sofort. Trotz der zunehmenden Kälte hatten sich kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn gebildet und seine Gesichtsfarbe wirkte wächsern und blass. Außerdem versuchte er viel zu angestrengt, seinen Atem gleichmäßig erscheinen zu lassen.

Gerade dass er versuchte, seine Kondition vor ihr geheim zu halten, steigerte Caras Sorge um ihn ins Unermessliche. Die Kugel musste durch sein Bein geschlagen sein, denn sie hatte den Einschlag der Kugel ebenfalls gespürt. Das Geschoss war dicht neben ihrer Hüfte in das Holz gedrungen und hatte die Rinde abgesplittert. Mit aller Macht drängte sie den Gedanken zurück, was passieren würde, wenn Kermits Hauptarterie verletzt wäre. Er würde hier in ihren Händen verbluten und sie konnte nichts dagegen tun.

"Oh Gott", stieß die junge Frau in erneuter Panik aus. Selbst wenn die Hauptarterie unverletzt geblieben war, konnte er hier dennoch verbluten. "Liebling, bitte, sag mir die Wahrheit. Wie fühlst du dich?", flehte sie.

Es dauerte einige Sekunden, bis eine Antwort kam. "Es ging mir schon einmal besser", gab der ehemalige Söldner schließlich zu.

"Oh Gott. Blutet es noch?"

"Woher soll ich das wissen? Ich kann genauso wenig hinschauen wie du. Nass ist eh schon alles vom Blut und Gott wird dir hier nicht helfen, auch wenn du ihn noch so oft erwähnst", blaffte Kermit plötzlich los.

Seine harsche Reaktion trieb Cara die Tränen in die Augen. Fassungslos starrte sie ihren Mann an. So hart und unfair war er sie noch nie angegangen. Sie konnte sich nicht erklären, womit sie ihn gerade so provozierte. Die vorhin noch gefühlte Panik kehrte mit aller Macht zurück und zeigte sich deutlich in ihrem Blick.

Kermit stöhnte auf und seufzte gleich darauf. In einer hilflosen Geste, ließ er seinen Kopf auf die Schulter seiner Frau sinken.

"Cara, Prinzessin, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anfahren. Es ist nur…"

Die Hände der jungen Frau zuckten in der Fesselung. In reinem Reflex wollte sie ihrem Mann über die Haare streichen, aber es ging nicht. Ihrer Kehle entrang sich ein kleiner Schluchzer.

"Es…es ist schon gut, Liebling. Ich verstehe das", brachte sie hervor. "Du…du bist verletzt und reagierst nun wie ein verwundetes Tier."

"Ja, so ähnlich ist es", gab Kermit zu.

Er hob den Kopf und blickte ihr tief in die Augen. Federleicht strich er mit seinen Lippen über die Ihren. Die kleine Geste sagte mehr aus, als alle Worte der Welt. Er bat stumm um Verzeihung und sie wurde ihm gewährt.

Seltsamerweise trug dieser kleine Kontakt viel dazu bei, dass Caras Panik nachließ. Ihr Verstand setzte wieder ein und sie kam sehr schnell zu dem Entschluss, dass ihnen nur analytisches Denken weiter helfen konnte, wollten sie sich befreien.

Kermit schien zu merken, was in ihr vorging. Dass er starke Schmerzen hatte, konnte Cara ihm ansehen, denn er verzog immer wieder das Gesicht, sobald er sich nur leicht bewegte. Aber wenn er es nicht ansprach, dann würde sie es ebenfalls nicht tun. Sie spürte das heftige Heben seines Brustkorbes, gleich darauf meinte er: "Wir müssen uns überlegen, wie wir hier heraus kommen."

"Wir könnten um Hilfe rufen", schlug Cara vor.

"Und wer wird uns hören? Wie du weißt, sind wir hier ganz alleine, der Parkplatz war leer. Außerdem befinden wir uns weitab des Wanderweges. Nein, mit Rufen lockst du höchstens wilde Tiere an. Das lassen wir besser bleiben."

"Und was schlägst du vor?"

"Es bleibt uns nur die Möglichkeit, durch ständiges Dehnen und Strecken die Streifen zu lockern. Es sei denn, du hättest zufällig ein Messer in der Tasche", setzte er nur halb im Scherz hinzu.

"Nein, leider nicht. Das Messer liegt im Picknickkorb", bekannte Cara. "Wie lange meinst du, brauchen wir, bis wir die Dinger so locker haben, dass zumindest ich irgendwie durchschlüpfen kann?"

Kermit zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Die Nacht und der Bach kommen uns Zugute, wenn wir Glück haben. Werden die Streifen nass, lassen sie sich schneller dehnen. Ich fürchte, es wird dennoch einige Stunden brauchen."

"Die Zeit haben wir aber nicht. Bis dahin bist du verblutet!", rief Cara aus.

"Oder auch nicht. Ich meine, es hätte schon aufgehört", hielt Kermit dagegen.

Cara schnaubte durch die Nase. "Ja klar, als ob du das wissen würdest. Das sagst du nur, um mich zu beruhigen."

Erneut suchte Kermit ihren Blick. "Nein, das sage ich, weil ich denke, dass es so ist. Ich habe nichts davon, wenn ich dich in dieser Situation anlüge. Oder?"

Cara verkniff sich eine geharnischte Antwort. Natürlich hätte er etwas davon, wenn er sie anlog…sie würde sich nicht so aufregen. Ob es so war, konnte sie leider nicht sagen. Die Sorge um ihn gewann wieder die Oberhand. Diesmal war sie es, die kurz seine Lippen streiften.

"Ich mache mir doch nur Gedanken um dich. Das musst du verstehen", flüsterte sie.

"Ich weiß", flüsterte der ehemalige Söldner ebenso leise zurück. "Fangen wir an?"

"Ja. Arbeiten wir abwechselnd oder beide gleichzeitig?"

"Lass uns ausprobieren, wie es ist, wenn wir beide zusammen versuchen, die Fesseln zu lösen. Aber denk dran, reiße nicht zu fest an den Streifen, sonst verausgabst du dich zu schnell. Wir werden unsere Kräfte noch brauchen."

Cara nickte zustimmend. Aufmerksam lauschte sie Kermits Erklärung, wie sie am Besten die Handgelenke drehen musste, um den Stoff zu dehnen und setzte das Gesagte sofort in die Tat um.

Eine gute halbe Stunde arbeiteten sie konzentriert an der Aufgabe. Beide ignorierten den Schmerz, den die rauen Stofffetzen an ihren Handgelenken ausübten. Mittlerweile hatte die batteriebetriebene Laterne ihren Geist aufgegeben. Der Mond versteckte sich hinter einer Wolkenschicht und um sie herum erstreckte sich tiefste Dunkelheit. In der Ferne erklang das leise Heulen eines Wolfes und jagte Cara einen Angstschauer über den Rücken.

Mit dem Untergang der Sonne wurde es langsam aber sicher immer kälter. Bedingt durch die Nähe des Baches, fraß sich zusätzlich noch Feuchtigkeit durch ihre Kleidung. Die Temperaturen fielen immer schneller, so dass Cara ein um das andere Mal ein Zähneklappern unterdrücken musste. Kermit erging es wohl ebenso, allerdings ließ er es sich nicht anmerken.

Zu allem Übel begann der Wind aufzufrischen. Eine Böe brachte einen metallischen Geschmack mit sich. Cara musste einen Würgereiz unterdrücken, als sich dieser unverwechselbare Geruch auf ihre Zunge legte. Das roch und schmeckte eindeutig nach Blut. Kermits Blut.

Mit aller Deutlichkeit wurde der jungen Frau bewusst, dass ihnen die Zeit unter den Fingern verrann. Sie war sich ziemlich sicher, dass Kermits Befreiungsversuche schon sehr an Intensität nachgelassen hatten. Sie kamen einfach zu langsam voran, das war eine Tatsache. Nachdem sie sich nun wieder etwas mehr auf ihren Mann konzentrierte, fiel ihr das unkontrollierte Zucken seines verwundeten Beines auf. Das konnte kein gutes Zeichen sein. Instinktiv wusste sie, dass er nicht mehr allzu lange würde durchhalten können, sie spürte es einfach.

Niedergeschlagen ließ sie den Kopf an Kermits Schulter sinken. Falls der Mond doch noch die Herrschaft über die Wolken gewänne, sollte er nicht sehen, dass ihr Tränen der Verzweiflung über die Wangen liefen. Fieberhaft überlegte sie nach einem anderen Ausweg. Dann fiel es ihr plötzlich ein.

Cara hielt mitten in der Bewegung inne und rief aus: "Pause, Kermit. Ich habe eine Idee."

Ein erleichtertes Seufzen antwortete ihr. "Und die wäre?", erkundigte er sich leicht außer Atem.

"Nun…Ich könnte versuchen, Peter zu rufen."

"Du könntest was? Wie denn?" Überraschung spiegelte sich in Kermits Stimme.

"Ich…wie soll ich das erklären?" Sie hielt einen Moment inne und sammelte ihre Gedanken. "Uhm…erinnerst du dich noch an jenen Tag, als du Peter und mich in meiner Wohnung über meiner Buchhandlung zusammen auf der Couch angetroffen hast?"

Ein raues Lachen erklang. "Und ob ich mich erinnere. Das war, als dieser Installateur dich mit Drogen vergiftet hat. Ich war außer mir vor Eifersucht und habe Peter recht hart angegangen. Allerdings wusste ich damals nicht, weshalb."

"Oh yeah, so war es", imitierte Cara Kermits Lieblingsausdruck. Erklärend fuhr sie fort. "Jedenfalls an diesem Abend zeigte mir Peter, dass er in Gedanken mit mir reden kann. Ich hörte ganz deutlich seine Stimme in meinem Kopf und konnte ihm sogar antworten. Er meinte, dass ich ihm antworten kann, läge daran, dass er sein Chi mit mir teilen würde und ich würde das alleine wohl nicht schaffen, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen, wenn er nicht in der Nähe wäre. Aber…"

Die junge Frau hielt inne und atmete tief ein. Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern, was Peter ihr genau gesagt hatte.

"Aber was?", hakte Kermit nach.

"Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber ich meine Peter sagte mir einige Zeit später, als wir noch einmal auf dieses Thema kamen, wenn ich in einer Notsituation wäre und ich ganz laut in Gedanken schreien würde, könnte er mich vielleicht hören. Auch wegen dieses Bandes, das uns verbindet, was auch immer das genau sein mag.", endete Cara ihre Ausführung.

"Ob das klappt, wage ich zu bezweifeln. Peter und Caine sind die Shaolin, nicht wir beide", gab Kermit seinem Unglauben Ausdruck.

"Das weiß ich selbst, aber ein Versuch ist es wert. In einer Notsituation befinden wir uns eindeutig. Es ist nur so…ich brauche dazu deine Hilfe."

"Und was soll ich machen?"

"Ich möchte, dass du deine Gedanken auf Peter richtest. Ich werde das auch tun. Konzentriere dich nur auf ihn und auf unsere Rettung und halte ansonsten still. Kannst du das für mich tun, auch wenn dir das alles suspekt erscheint?"

Cara merkte deutlich, dass Kermit einen inneren Kampf ausfocht. Es war kein Geheimnis wie Kermit diesem 'Shaolin-Kram', wie er sich auszudrücken pflegte, gegenüber stand. Obwohl er schon viel mysteriöses und mystisches innerhalb des Caine-Clans erlebt hatte, blieb er skeptisch. Das hatte sich auch nach all den Jahren noch nicht geändert. Cara konnte nur hoffen und bangen, dass sich der ehemalige Söldner zu dem Experiment überwinden konnte. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich antwortete.

"Was bleibt mir anderes übrig? Tu, was du tun willst, Prinzessin."

"Du musst aber mitmachen", meinte sie eindringlich.

"Das werde ich. Versprochen. Sage mir einfach, wann es los geht."

"Werde ich, ich muss mich nur konzentrieren. Vielleicht gelingt es mir, in eine leichte Meditationsphase zu gelangen. Wenn es soweit ist, drücke ich meine Finger gegen deinen Rücken."

Den abfälligen Laut seitens Kermit überhörte Cara großzügig. Sie wusste auch so, dass sich Caine und Peter schon seit einigen Wochen bemühten, sie in die Geheimnisse der Tiefenmeditation einzuführen. Leider mit geringem bis gar keinem Erfolg. Das lag daran, dass es Cara einfach nicht gelang, sich vollkommen fallen zu lassen. Allenfalls gelang ihr eine leichte Meditation, mehr schien bei ihr nicht drin zu sein.

*Wenn es auch sonst nicht funktioniert, heute muss es einfach klappen*, machte sie sich in Gedanken Mut.

Mit viel Willensanstrengung drängte sie alle negativen Gefühle und die jetzige Situation in den hintersten Winkel ihres Denkens zurück. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Atmung, um ihre Mitte zu finden und dort eintauchen zu können. Wie immer gelang ihr das nur zum Teil. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie das Gefühl hatte, nun einen Versuch starten zu können. Sie gab Kermit das vereinbarte Zeichen und sammelte all ihre Kräfte.

Eine Minute später schrie sie mit dem Mut der Verzweiflung so laut sie konnte: "Peter! Hilfe!" in ihren Gedanken. Immer und immer wieder wiederholte sie die beiden Worte, wobei sich immer mehr Aufregung und Angst beimischte. Es musste einfach klappen, es war ihre einzige Chance.

 

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