Teil 5
Autor: Fu-Dragon

 

Die plötzliche Stille war fast schwerer zu ertragen, als all der Tumult zuvor. Sowohl Kermit als auch Peter hingen wie erstarrt auf der Couch und versuchten in der Dunkelheit etwas zu erkennen - ergebnislos. Mit angespannten Muskeln warteten sie auf den nächsten Angriff des unbekannten Gegners, doch nichts geschah. Außer dem erstickten Schluchzen der beiden Frauen und dem harschen Atem der beiden Männer konnte man weder etwas hören, noch sehen.

"Licht, wir brauchen Licht", durchbrach Kermit den unwirklich Bann, der sie gefangen hielt. Er beugte sich vor, tastete auf dem Tisch nach einer der Kerzen und versuchte das sich beharrlich weigernde Stück Wachs anzuzünden. Peter nutzte das schwache Flackern des Feuerzeugs, um sich an Kermit vorbei zu schieben und den Weg zum Lichtschalter zu ertasten. Er ignorierte das unangenehme Gefühl, als würde er durch ein dicht gewebtes Spinnennetz fassen, während er den Schalter umlegte. Innerlich glaubte er nicht daran, dass die Elektrizität tatsächlich wieder funktionieren würde, aber zu seiner großen Erleichterung wurde der Raum nun doch in helles Deckenlicht getaucht.

Eilig kehrte er zu Kermit zurück, der sich soeben unter den Tisch beugte und Skalany gut zuredete wieder darunter hervor zu kommen. Peter fackelte nicht lange und zog die vor Angst schlotternde Jody einfach hoch und in seine Arme. Kermit folgte seinem Beispiel und hielt nun seinerseits, die ebenfalls wie Espenlaub zitternde, Skalany beschützend im Arm.

Es dauerte lange, bis sich die beiden Frauen zumindest so weit beruhigten, dass aufhörten zu Schluchzen. Allerdings war keine der Beiden bereit, sich auch nur einen Zentimeter von ihren Beschützern zu lösen. Peter, sanft auf Jody einredend und ihren Rücken streichelnd, warf Kermit einen Blick zu. Obwohl er durch die Sonnenbrille Kermits Augen nicht sehen konnte, wusste er, dass sein Freund dasselbe dachte, wie er.

Jody und Skalany waren auf dem Revier nicht gerade als zimperlich bekannt. Sie traten äußerst selbstbewusst auf, leisteten genauso gute Arbeit, wie die Männer und verhielten sich meist ebenso nervenstark. Die beiden hier nun so zu sehen - reduziert auf ein Häufchen Elend - schnitt Peter tief ins Herz. Er fühlte sich unendlich schuldig. Hätte er nur dieses...Etwas...nicht derart herausgefordert, dann wäre es niemals soweit gekommen. Warum konnte er nicht ein Mal in seinem Leben seine Große Klappe halten oder zumindest zuerst sein Gehirn einschalten?

"Ist es...vorbei?", unterbrach Jodys leise Stimme seinen Gedankengang. Sie hob den Kopf von seiner Schulter und blickte ihn mit tränenfeuchten Augen an.

Peter drückte seiner Partnerin einen Kuss ins Haar. "Ich glaube schon", erwiderte er, bemüht sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Er warf einen angewiderten Blick auf das Holzbrett, "aber um sicher zu gehen, werde ich dieses Ouija Brett inklusive Planchette, Buch und Verpackung unverzüglich verbrennen."

"Meinst du denn, das wird sicher stellen, dass nichts mehr passiert? Was ist, wenn dieses...Ding...schon den Weg in unsere Welt gefunden hat und nicht mehr in seiner Dimension weilt?", ließ sich Skalany vernehmen, die ebenfalls noch immer dicht an Kermit geschmiegt da stand.

"Nun, wenn es tatsächlich hier wäre, dann hätte es wahrscheinlich weitaus mehr Schaden angerichtet. Ich glaube, dadurch, dass wir das Board nicht mehr berührten, war es nur kurzzeitig in der Lage genügend Energie aufzubringen, um uns zu erschrecken. Dann war diese Energie verbraucht und es wurde wieder in seine Dimension zurück gezogen", mutmaßte Peter.

"Bist du sicher?", erkundigte sich Jody.

"Nein", gab Peter nach kurzer Überlegung zu. "Doch für mich ist es die einzig logische Erklärung, warum alles so plötzlich vorbei war."

"Ich hoffe nur, du hast recht", flüsterte Skalany. Sie straffte sich sichtlich und löste sich von Kermit. Als ihr Blick über der Schlachtfeld wanderte, das der Zorn der Wesenheit hinterlassen hatte, verlor ihr Gesicht alle Farbe. "Meine Güte, dieses Ding hat nicht schlecht gewütet."

Jody wagte es ebenfalls einen Blick in den Raum zu werfen. "Ich frage mich, warum wir vorhin überhaupt aufgeräumt haben, nun können wir alles noch mal machen", brachte sie die Sache auf den Punkt.

"Je früher wir anfangen, desto eher sind wir fertig", verkündete Kermit. Er ergriff Skalanys Hand und zog sie in Richtung der Küche. "Wir beide kümmern uns um den Tisch und die Scherben. Du, Peter, und Jody, ihr fangt mit dem Rest an."

Peter nickte zustimmend und alle machten sich sogleich an die Arbeit.

Je mehr Spuren der Verwüstung beseitigt wurden, desto mehr beruhigte sich auch die Stimmung im Raum. Jody und Skalany verhielten sich längst nicht mehr so panisch wie zuvor, dennoch konnte man den beiden deutlich ansehen, dass sie sich nach wie vor nicht wohl fühlten.

Gute zwanzig Minuten später deute nichts mehr auf den Wirbelwind hin, der durch diesen Raum gefegt war. Einzig das Ouija Brett erinnerte noch daran. Kermit und Peter kümmerten sich gemeinsam darum. Während Kermit mit Skalanys Hilfe die sehr fest sitzende Planchette aus der Wand befreite, besorgte Peter einen feuerfesten Eimer. Gemeinsam gingen alle auf den Balkon. Kermit entzündete ein Feuer im Eimer, während Peter das Brett mit viel Kraftaufwand in handliche Stücke zerbrach. Skalany und Jody ließen es sich nicht nehmen, während der gesamten Prozedur inbrünstig zu beten.

Teil für Teil landete im Eimer und verbrannte mehr oder weniger schnell. Es schien, als ob sich das Brett gegen seine Verbrennung wehrte, denn des öfteren schoss eine Stichflamme in den dunklen Himmel empor. Als Peter das letzte Stück, die Planchette, ins Feuer warf erklang ein schauriges Wimmern, bevor die hungrig züngelnden Flammen auch diesen Gegenstand endgültig vernichteten. Unwillkürlich rückte das Grüppchen näher zusammen. Peter und Kermit nahmen die Frauen in die Mitte. Den Arm um die Schulter des jeweils neben ihm stehenden Partners gelegt, starrten sie in die stiebenden Funken bis diese ebenfalls erloschen.

Viele Minuten später, hauchte Peter Jody einen Kuss aufs Haar und löste sich von ihr. Er griff nach dem Eimer mit der erkalteten Asche und leerte ihn kurzerhand über den Rand des Balkons aus. Anschließend wusch er den Eimer gründlich mit Wasser aus der Regentonne aus. Das Schmutzwasser goss er in den am vorderen Rand befindlichen Abfluss der Terrasse und schüttete zur Sicherheit noch frisches Wasser aus der Tonne nach. Ein kollektives Aufatmen ging durch die kleine Gruppe, nachdem auch dies endlich vollbracht war und erleichtert kehrte man in das Apartment zurück.

Jody blickte auf die Uhr. "Wow, es ist schon fünf Uhr durch, kein Wunder bin ich so müde. Andererseits, wenn ich ans Schlafen denke. Alleine in meinem Bett..." Sie ließ den Rest das Satzes offen, ein Schauer lief durch ihren Körper.

"Du kannst gerne hier übernachten, wenn du möchtest", schlug Peter sofort vor.

Jody wich mit einem geradezu entsetzten Gesichtsausdruck vor ihm zurück und streckte beide Hände abwehrend aus. "Oh nein, auf keinen Fall!"

Peter fühlte sich, als hätte er einen heftigen Schlag in die Magengrube bekommen. Unter anderen Umständen hätte Jody sein Angebot jederzeit mehr als freudig angenommen. Es war ein offenes Geheimnis, dass der blonde Detective mehr als Freundschaft für ihn empfand. Dass sie nun so heftig sein Angebot ausschlug, zeigte nur, wie sehr das Erlebte in ihr arbeitete. Er schlug die Augen nieder und murmelte: "Tut mir leid."

Skalany sprang in die Bresche, bevor die Situation noch unangenehmer wurde. "Ich habe auch keine Lust, den Rest der Nacht alleine zu verbringen. Komm doch einfach mit zu mir."

Jody lächelte ihre Kollegin dankbar an. "Sehr gerne, Mary-Margaret. Danke."

Skalany erwiderte ihr Lächeln. "Nichts zu danken. Dann kann ich dir gleich die Schuhe zeigen, die ich mir gestern geleistet habe."

"Gut, dann wäre wohl alles geklärt", mischte sich Kermit ein. "Ich rufe uns ein Taxi und bringe euch zwei Hübschen sicher nach Hause. Peter, wenn du willst, kannst du gerne mit zu mir kommen."

Der dunkelhaarige Detective überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. Seine Sturköpfigkeit stand ihm in Weg, denn er wollte sich keinesfalls von den Vorkommnissen aus seinem Refugium vertreiben lassen, auch wenn er sich bei dem Gedanken alleine in der Wohnung bleiben zu müssen gar nicht wohl fühlte. Leicht zögerlich erwiderte er: "Danke für das Angebot, aber ich ziehe es vor hier zu bleiben."

Kermit zuckte die Schultern. "Wie du willst." Dann drehte er sich herum und ging zum Telefon.

***

Peter verabschiedete sich mit Küsschen von den Frauen und von Kermit mit einem festen Händedruck. Nachdem sich die Türe hinter dem Dreigespann geschlossen hatte, kehrte der junge Mann nachdenklich in seine Wohnung zurück. Die ganze Zeit beschäftigte ihn nur ein Gedanke: War es wirklich vorbei?

Ihm fiel ein, dass ihm Dennis, einer seiner Freunde aus dem Tempel, einmal erzählt hatte, dass man einen Raum mit Hilfe von Sandelholz und Weihrauch von Fremdenergien reinigen konnte. Einen Augenblick lang wunderte er sich, warum ihm das nicht früher eingefallen war, denn nicht umsonst wurde beides gerne zur Vorbereitung auf eine Meditation benutzt. Wie sein Vater auch, hatte er es immer vorrätig. Kurzerhand wandte er sich einer Schublade zu, öffnete sie und zog einige Räucherstäbchen daraus hervor. Er holte sich ein Glas aus der Küche, platzierte es in der Mitte des Wohnzimmertisches, stellte die Räucherstäbchen hinein und zündete sie an. 'So, das sollte helfen, auch den Rest der negativen Energie zu vertreiben. Dann gibt es nichts mehr zu befürchten.'

Peter setzte sich auf die Couch und betrachtete sinnend die schmalen Rauchfäden, die von den Stäbchen aufstiegen. Sie stiegen kerzengerade in die Luft und kräuselten sich erst weiter oben, um sich dann schwerfällig im ganzen Raum zu verteilen. Der aromatische Duft stieg Peter in die Nase, er erinnerte ihn an die Gerüche im Loft seines Vater.

Unwillkürlich kehrten die Ereignisse des Abends in sein Gedächtnis zurück. Klar und deutlich zog alles noch einmal vor seinem inneren Auge vorbei und der dunkelhaarige Cop erschauerte. Er beschloss so bald als möglich seinem Vater von dem ganzen Geschehen zu berichten. Irgendwie verstand er die gesamten Vorgänge noch immer nicht. Wie konnte ein harmloses Spiel nur so ausarten? Sie hätten auf Kermits Warnung hören und gar nicht damit anfangen sollen. Wie es schien, hatten sie beim Spielen alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Nichtsdestotrotz erklärte das nicht diese mehr als seltsamen Vorkommnisse.

Noch immer machte er sich die heftigsten Vorwürfe, dass er durch seine Unbedachtheit seine beiden Kolleginnen regelrecht zu Tode erschreckt hatte, gar nicht zu reden von Kermits Beinahe-Strangulierung. Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, musste er zugeben, dass es ihm gefühlsmäßig auch nicht viel anders erging. Er konnte es nur besser wegstecken, das war alles. Sicher war auch Kermit nicht davon unberührt geblieben, doch bei dem Ex-Söldner konnte man vor Überraschungen nicht sicher sein. Zumindest schien Kermit am unbeeindrucktesten von den Geschehnissen gewesen zu sein. Wie es im Seelenleben des älteren Detectives aussah, wagte sich Peter nicht vorzustellen.

Der erste Silberstreif zeigte sich am Horizont. Peter fühlte eine überwältigende Dankbarkeit in sich aufsteigen, dass sie den neuen Tag noch erleben durften. Zeitweise war er sich dessen am heutigen Abend nicht sicher gewesen. Mit einem müden Seufzer erhob er sich, öffnete die Terrassentüre und trat auf den Balkon hinaus. Tief zog er die frische, reine Luft in die Lungen ein und blickte nach unten. Ein gelbes Auto hielt gerade vor dem Apartment und drei Personen stiegen ein. Das konnten nur Mary-Margaret, Jody und Kermit sein. *Ich hoffe nur, ihr bekommt keine Albträume*, dachte er.

Ein gewaltiges Gähnen unterbrach Peters Beobachtung. Er schloss die Augen und gab dem Drang nach, sich ausgiebig zu strecken. Dabei entging ihm vollkommen der schwarze Schatten, der in den Kofferraum des Taxis eindrang. Ebenso wenig sah er den dunklen Schatten, der durch die geöffnete Terrassentüre ins Innere seines Apartments huschte.

Im guten Glauben, alles überstanden zu haben, kehrte Peter schließlich in seine Wohnung zurück, tapste ins Schlafzimmer, zog sich aus und fiel wie ein Stein ins Bett. Keine zehn Sekunden später schlief er tief und fest.


Ende.....oder doch nicht?

 

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