Kermit bog Ecke Magnolia Street ab. Die ersten Häuser von Chinatown kamen in Sicht. Cara war, trotz ihrer Lage, fasziniert von der Farbenpracht, die sich ihr hier bot. Obwohl sie schon seit zwei Jahren in Sloanville lebte, hatte sie noch nie die Zeit gehabt, nach Chinatown zu fahren und sich dort umzusehen. Eine gänzlich andere Welt schien sich hier aufzutun, bunt, hektisch und charismatisch. Die meisten Schilder der Läden waren in chinesisch gehalten, mit kleinen englischen Übersetzungen darunter. Asiaten jeden Alters waren auf den Straßen unterwegs, nur vereinzelt konnte sie Europäer entdecken. Offene Stände mit ihr vollkommen unbekanntem Obst und Gemüse säumten sich an der Straße, auf der geschäftiges Treiben herrschte. In den Cafés saßen meist ältere Männer zusammen, hatten Teetassen vor sich stehen und unterhielten sich. Vereinzelt wehten Wortfetzen durch das offene Fenster zu ihr hinüber, die sie nicht verstehen konnte, weil überwiegend chinesisch gesprochen wurde. Kermit hielt auf ein hohes Backsteingebäude zu und parkte den Wagen. "Wir sind da", stellte er überflüssigerweise fest. Wenig später führte er die Blondine in das dreistockige Gebäude. Seine Hand lag auf ihrem Rücken. Seltsamerweise war ihr das gar nicht unangenehm. "Peter, bist du da?", rief Kermit. "Bin auf der Terrasse. Komm hoch", kam die undeutliche Antwort. Kermit geleitete Cara die restlichen Stufen hinauf und gemeinsam betraten sie den obersten Stock. Cara, die erwartet hatte, einen asiatischen Mann zu Gesicht zu bekommen, schaute überrascht drein, als ein sehr gut aussehender junger Mann auf sie zukam. Er war groß und schlank, mit dichtem dunkelbraunem Haar und wunderschönen haselnussbraunen Augen. Den Mann umgab eine Aura, die Cara schlichtweg den Atem nahm. Er schien mit sich im Frieden zu sein, strahlte Ruhe und Vertrauen aus. Wenn nur nicht der traurige Ausdruck in seinen Augen gewesen wäre, der in krassem Gegensatz zu seiner Ausstrahlung stand. Unwillkürlich wich sie einen Schritt vor ihm zurück und prallte dadurch gegen Kermit, der sich noch immer hinter ihrem Rücken befand. Von beiden Männern erntete sie einen fragenden Blick. "Wen hast du denn da mitgebracht?", erkundigte sich Peter und schenkte Cara ein freundliches Lächeln, das von ihr nicht erwidert wurde. "Cara Thompson…Peter Caine. Peter...Cara Thompson", stellte Kermit die beiden förmlich vor. "Angenehm Miss Thompson", erwiderte Peter und reichte ihr die Hand. Cara errötete und wand sich verlegen. "Ich fürchte, sie kann deine Hand nicht schütteln, Peter", kam es sarkastisch von Kermit. Er zog Cara das Jackett von der Schulter, so dass Peter die Handschellen erkennen konnte. "Oh", lautete sein Kommentar. "Warum?" "Reine Vorsicht, Peter." "Kannst du mir das mal näher erklären?" "Warum bin ich wohl hier? Lässt du uns eigentlich noch länger in der Gegend herum stehen?" Peter begriff den Wink mit dem Zaunpfahl schnell. "Na dann macht es euch mal bequem.", Er deutete zur Sitzgruppe hinter sich. "Dort drüben gibt es auch einen Telefonanschluß für deinen Laptop. Ich komme gleich wieder." Kurze Zeit später kehrte Peter zu ihnen zurück, ein Tablett mit Teetassen balancierend. Er stellte drei Tassen auf den Tisch, dann nahm er neben Cara Platz. Kermit, der es sich wie üblich in einem Sessel bequem gemacht hatte, tippte wie wild. "Also, nun heraus mit der Sprache. Was ist hier los?", begann Peter das Gespräch. "Kleinen Moment noch, Peter. Ich bin gleich soweit", murmelte Kermit. Peter wandte sich achselzuckend an Cara. "Und was haben sie angestellt?" Sie ahmte seine unbewusste Geste nach. "Wenn ich das nur wüsste", seufzte sie. Peter zog fragend die Augenbraue nach oben. "Wie soll ich das nun verstehen?" Sie hatte nichts unrechtes getan, das stand für Peter fest. Caras Gefühle waren für ihn so leicht zu lesen, wie andere ein Buch lasen. Sie war verängstigt, leicht verärgert, trotzig und hatte leichte Schmerzen, bedingt durch die Handschellen, die sie noch immer trug. "Wie soll ich ihnen etwas erklären, das ich selber nicht verstehe?", kam es von ihr zurück. Beide blickten wie auf Kommando zu Kermit. Der Einzige, der ihre Fragen beantworten konnte. Dieser war gerade dabei den Laptop abzuschalten, ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. "Du kannst Miss Thompson die Handschellen abnehmen, Peter. Sie hat die Wahrheit erzählt." "Aber gerne." Peter umfasste sanft Caras Schultern und drehte sie mit dem Rücken zu sich. Sie spürte so etwas wie einen kleinen Stromschlag an ihren Handgelenken, dann fielen die Handschellen einfach ab. Cara sah ihn mit großen Augen an. "Wie haben sie das denn gemacht? Sie hatten keinen Schlüssel!" Peter grinste von einem Ohr zum anderen. "Ein kleiner Trick, den ich von meinem Vater gelernt habe." Bevor sie es verhindern konnte, rutschte die nächste Frage über ihre Lippen. "Wer oder was sind sie?" "Shaolin Priester", erwiderte er einfach. Man sah Cara an, dass sie mit dieser Antwort nicht viel anfangen konnte. Sie dachte angestrengt nach, wo sie diesen Begriff schon einmal gehört hatte. Dann erinnerte sie sich. "Das sind doch diese Mönche im Kloster, die sich mit Kung Fu, Beten und Meditation beschäftigen und in der Lage sind, unglaubliche Dinge anzustellen. Ich habe mal einen Bericht über Shaolin Mönche im Fernsehen gesehen", platzte sie heraus. "Ich unterbreche ungern euer Gespräch,
aber wir haben wichtigere Dinge zu besprechen als dein Shaolin Ding Peter!",
unterbrach Kermit die beiden. "Warte noch einen kleinen Moment, Kermit. Ich bin gleich wieder da." Cara beobachtete, wie Peter in einen kleinen, vollgepflasterten Raum mit Bechern, Schalen, Kräutern und weiteren für sie undefinierbaren Gegenständen ging. Er kehrte mit einer kleinen Schale zurück, in der sich eine dunkelgraue Paste befand und nahm wieder neben Cara Platz. Sanft ergriff er ihre Hände und begann sorgfältig, die Salbe in ihre Handgelenke einzumassieren. Erneut spürte die junge Frau diesen seltsamen Stromschlag, der sich diesmal in eine wohltuende Wärme verwandelte, die ihren gesamten Körper durchflutete. Sie gleichzeitig beruhigte und ängstigte. "Was machen sie da?", flüsterte sie. Peter unterbrach seine Tätigkeit für einen Moment und studierte ihr Gesicht. "Ich nutze meine Energie, um die Heilung zu beschleunigen. Es wundert mich, dass sie das spüren. Sie müssen sensitiv veranlagt sein." Cara lachte leise. "Das glaube ich weniger. Meine Freunde bezeichnen mich wohl eher als Trampel." "Können wir zum eigentlichen Thema zurück kehren?", mischte sich Kermit ein, dem das Gespräch der beiden sichtlich auf die Nerven ging. Peter entließ Cara nachdenklich aus seinem Griff, stellte die Schale auf den Tisch zurück, schlug die Beine übereinander, lehnte sich lässig zurück und grinste Kermit an. "Ich bin ganz Ohr. Was ist los Kermit?" "Dir wird das Lachen gleich vergehen. Die Lage ist Ernst", versetzte Kermit scharf. "Sorry Kermit", entschuldigte sich Peter. "Lass hören." "Die Sache ist folgende: Ich habe eine E-Mail erhalten, die besagt, dass Shin Tao auf dem Weg nach Sloanville ist." Peter pfiff leise durch die Zähne und atmete tief ein. "Shin Tao kommt hierher? Persönlich? Ich habe gehört gegen ihn soll sogar Bon Bon Hai ein Waisenknabe sein. Da muss ein megagroßes Ding laufen, wenn der oberste Anführer der Sing Wah in die Stadt kommt. Es scheint ja gerade so, als würde er dem ortsansässigen Leader, Bon Bon Hai, nicht zutrauen, dass er die Sache lösen kann, was immer es ist. An einen Anstandsbesuch glaube ich nicht." "Denselben Gedanken hatte ich auch. Ich bin sicher, dass Shin Tao alles versuchen wird, dich aus dem Weg zu räumen. Du bist der Shaolin, der ihm gefährlich werden kann, nachdem dein Vater nicht mehr hier ist. Euer Sieg über den Dunklen Krieger hat den Sing Wah eine empfindliche Schlappe eingebracht. Sie werden das sicher kein zweites Mal riskieren wollen." Einen Moment lang verdüsterte sich Peters Miene bei der Erwähnung Caines. Er war noch lange nicht darüber hinweg, dass ihn sein Vater wieder einmal alleine gelassen und sich ohne ihn auf die Suche nach Laura gemacht hatte. Ja, er hatte ihn regelrecht von sich gestoßen, als Peter ihm angeboten hatte, ihm bei der Suche zu helfen. So sehr sich Peter auch bemühte, diesen inneren Schmerz konnte er einfach nicht verdrängen. Da half weder sein Training als Shaolin, noch seine neue Tätigkeit als Shaolin Priester. Mit viel Anstrengung schob er die störenden Gedanke zur Seite und konzentrierte sich auf das, was Kermit ihm mitteilte. "Und du bist nun hier, um mich zu warnen nehme ich an." "Unter anderem. Ich brauche auch deine Hilfe, um in dem Fall weiter zu kommen. Du weißt, wie die Einwohner Chinatowns auf Fremde reagieren. Wir gehen hier immer nur gegen eine Mauer des Schweigens an. Außerdem will ich dich unter Bewachung stellen, um deine Sicherheit gewährleisten zu können." Peter lachte amüsiert. "Und wen willst du dazu abstellen? Ihr habt im Revier niemanden, der es mit den Sing Wah aufnehmen kann. Sie wären nur billige Zielscheiben für die Handlanger, die Shin Tao ohne Zweifel hierher schicken wird." "Ich habe nicht vor, jemanden vom Revier abzustellen. Die Überwachung übernehme ich persönlich." Kermit verzog den Mund zu einem breiten Haifischgrinsen. "Ich fürchte, du wirst mich die nächste Zeit nicht loswerden." Peter machte eine weitausholende Geste mit der Hand. "Ich werde dich nicht aufhalten, sie mein Gast. Außerdem kann ich dich eh nicht daran hindern." "Am liebsten würde ich dich in eines unserer Häuser aus dem Zeugenschutzprogramm stecken, doch ich weiß, dass das in dem Fall nutzlos ist. Wir sind auf bekanntem Terrain wohl besser dran." "Das stimmt. Mit den Verbindungen, die Shin Tao hat, hätte er den Ort innerhalb von einer Stunde gefunden. Wenn nicht sogar noch schneller." Sein Blick fiel auf Cara, die das Gespräch mit großen Augen verfolgte und merklich blasser geworden war. "Und wie passt sie hier hinein?" "Sie hatte leider das Pech die E-Mail zu empfangen. Sie wurde irrtümlicherweise an sie geschickt..." Peter unterbrach Kermit mit der nächsten Frage, bevor dieser seinen Satz zu Ende führen konnte. "Von wem stammt die E-Mail überhaupt? So eine Warnung ist schon außergewöhnlich." "Von einem gewissen Paul", warf Cara ein, die sich von seiner Frage angesprochen fühlte. Kermit schoss ihr einen harten Blick durch die grünen Gläser zu, der sie unwillkürlich den Kopf einziehen ließ. Peter sprang auf die Füße. "Paul??? Du stehst mit Paul in Kontakt und sagst mir nichts! Was bist du für ein Freund?!" rief er erregt aus. "Nun mal ganz ruhig, Junge. Du weißt, wie es in dem Geschäft läuft." Peter lief wie ein Tiger durch den Raum. In altbekannter Manier fuhr er sich nervös durch die Haare. "Ich glaube das einfach nicht! Paul ist mittlerweile seit fast zwei Jahren verschwunden. Wir alle machen uns große Sorgen. Vor allem Annie ist schon völlig verzweifelt, weil sie in der ganzen Zeit noch keinen Piep von ihm gehört hat. Und du sagst keinen Ton?" "Hör mal, Peter. Es muss dir klar sein, dass ich zu dem Thema nichts sagen kann. Es würde sowohl Paul, als auch sein gesamtes Umfeld in höchste Gefahr bringen. Was glaubst du, warum er weg gegangen ist? Du weißt genauso gut wie ich, dass Paul lieber sterben würde, als seine Familie in Gefahr zu bringen. So schmerzlich das für alle Parteien auch ist." "Das ist einfach nicht fair, Kermit!" "Was ist schon fair? Söldnerregeln, Peter." "Ich pfeife auf deine verdammten Regeln, Kermit! Am liebsten würde ich…." Kermit sprang ebenfalls auf und stand Peter nun direkt gegenüber. Die gesamte Körperhaltung der beiden Männer zeugte von großer Anspannung. Aus nächster Nähe standen sie sich wie zwei Kampfhähne gegenüber. Kermit griff nach seiner Brille und schob sie ein wenig hinunter. Sein stahlharter Blick bohrte sich in den nicht minder harten Blick von Peter. "WAS würdest du…Junge?", fragte er grollend in jenem extrem leisen Tonfall, der dadurch umso bedrohlicher wirkte. "Hört auf! Beide!", schrie Cara in dem Moment. Aus den drei Worten war deutlich zu vernehmen, wie ängstlich und angespannt sie sich fühlte. Sie zitterte am ganzen Körper. Die Worte brachten die beiden Männer wieder zu sich. Peter senkte als Erster den Blick und atmete ein Mal tief ein und aus. "Die Sache ist noch nicht ausgestanden", warnte er Kermit, der ihm mit einem leichten Kopfnicken antwortete. Der junge Shaolin setzte sich wieder neben Cara und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Sie zuckte vor seiner Berührung zurück. "Hey, schon gut, es ist alles in Ordnung", meinte er so beruhigend er konnte. "Nichts ist in Ordnung. Ich verstehe nur Bahnhof. Alles, was ich weiß ist, dass hier gerade zwei Männer, die eigentlich zusammen arbeiten sollten, aufeinander losgehen wollten. Ich will nur noch eines und das ist nach Hause und das Ganze hier vergessen!", rief sie mit erstickter Stimme. Peter erkannte wie dicht die Frau neben ihm vor einem Zusammenbruch stand. Es wunderte ihn nicht bei dem, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte. Mit einer kurzen Handbewegung teilte er Kermit mit, dass er sich ruhig verhalten sollte. "Schon gut. Atmen sie tief ein und aus und sehen sie mich an", bat er in ruhigem Tonfall. Nur zögernd kam Cara seiner Bitte nach und
wandte sich ihm zu. Peter streckte die Hände aus und umfasste ihr
Gesicht, um Blickkontakt mit ihr herzustellen. Sie seufzte leise. Erst als Peter sicher war, dass sie sich vollkommen beruhigt hatte, ließ er sie langsam los und lächelte sie an. Sie erwiderte sein Lächeln. Kermit räusperte sich vernehmlich. Ihm kam es ziemlich suspekt vor, was Peter da machte, auch wenn es Erfolg zeigte. "Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich habe noch nicht heraus gefunden wann Shin Tao ankommen wird und was er vorhat. Wir müssen vorbereitet sein." Cara antwortete. "Bevor sie hier weiter machen, würde ich gerne nach Hause zurückkehren. Ich will nicht unbedingt zum Mitwisser werden." "Ich fürchte, so einfach ist das nicht, Miss Thompson", erwiderte Kermit. Caras Kopf ruckte hoch, Unglauben spiegelte sich in ihrem Blick. "Was soll das nun wieder heißen Detective Griffin? Sie haben doch selbst bestätigt, dass meine Angaben korrekt waren. Warum wollen sie mich noch immer nicht nach Hause lassen?" "Zuerst noch eine Frage. Sie haben nicht zufällig eine professionelle Firewall auf ihrem Computer installiert, oder?" "Nein, ich bin nicht so oft im Internet. Eigentlich nur, um E-Mails zu verschicken oder abzuholen, oder auch mal zum chatten und das war es dann schon. Warum?" "Nun Miss Thompson, sie sind hier in eine Sache hinein gerutscht, die sehr gefährlich ist. Dadurch, dass sie diese E-Mail empfangen haben, hängen sie nun mit drin, ob sie wollen oder nicht. Ich vermute, dass sie Zuhause nicht mehr sicher sind. Es ist ein leichtes, Zugriff auf ihren Computer zu erlangen, wenn sie keine Firewall haben, die solche Angriffe unterbindet. Das bedeutet wiederum, dass es für den Fachmann ein Leichtes ist, ihre Adresse heraus zu bekommen" "Aber es ist längst nicht gesagt, dass so ein Zugriff auf meinen Computer statt gefunden hat", warf Cara ein. "Dieses Risiko bin ich nicht bereit einzugehen. Solange der Fall nicht abgeschlossen ist, bleiben sie unter Peters und meiner Obhut. Was für Peter gilt, gilt ebenfalls für sie. Wir beide, sie und ich, werden nachher zu ihnen fahren, damit sie das Nötigste packen können. Ich werde ihren Computer mitnehmen, dann kann ich ihnen bald sagen, ob dieser angezapft wurde oder nicht", erwiderte Kermit sehr bestimmt. Cara sprang auf die Beine. "Das glaube ich doch wohl nicht. Sie können mich doch nicht einfach gegen meinen Willen hier behalten!" "Ich kann und ich werde sie in Sicherheitsverwahrung nehmen, Miss Thompson. Und nun Ende der Diskussion. Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass ihnen die Unterbringung hier bei Peter mehr zusagen wird, als irgendwann ihn ihrer Wohnung tot aufgefunden zu werden. Oder ziehen sie die Unterbringung in einer Einzelzelle vor?" Kermit legte seine gesamte Autorität in seine Stimme, die ihre Wirkung auf Cara nicht verfehlte. Sie sank stumm auf die Couch zurück und schüttelte den Kopf. "Und was nun?" warf Peter ein, der das Ganze mit einem leichten Grinsen verfolgt hatte. Er kannte Kermit lange genug, um zu wissen wie bestimmend er sein konnte und dass man sich ihm nicht widersetzte. Es sei denn man war in der Lage, das Echo zu ertragen. Allerdings kannte er niemanden, der dieses Risiko je auf sich genommen hatte. Kermit kannte viele Mittel und Wege sich durchzusetzen und er hatte keinerlei Skrupel auch schmutzigere Methoden anzuwenden, um das zu Erreichen, was er sich vorgenommen hatte. Man legte sich eben nicht einfach mit einem Ex-Söldner an. "Peter, du wirst auf dem 101. Bescheid geben und alles notwendige veranlassen. Auch wenn du jetzt Shaolin Priester bist, wirst du wohl nicht vergessen haben was in diesem Fall von Nöten ist. Und sie", er deutete auf Cara. "werden mit mir kommen, damit wir ihre Sachen holen können." Mit diesen Worten war die Unterredung der Drei fürs Erste beendet. Peter griff zum Telefonhörer und Kermit führte die leicht widerstrebende Cara aus dem Haus. *************** Kermit achtete auf der Fahrt zu Caras Haus sehr auf etwaige Verfolger. Ihm gefiel es absolut nicht, dass sie am anderen Ende der Stadt wohnte, noch dazu in einem etwas abgelegenen Waldgebiet. In seinen Augen ein idealer Ort, um einen Überfall zu planen. Es gab zu viele Verstecke und vor allen Dingen, keine etwaigen Zeugen, da das Haus zu allem Überfluss gute zweihundert Meter vom Nachbarhaus entfernt stand. Mit gemischten Gefühlen parkte er das Kermitmobil vor ihrem Haus. Obwohl nichts daraufhin deutete, dass Gefahr drohte, wollte sein mulmiges Gefühl in der Magengegend nicht weichen. Kermit konnte nicht genau bestimmen, was es war, aber irgend etwas stimmte hier nicht. Mit Sicherheit wusste er nur, dass sich keine Menschen in der Nähe aufhielten, dazu waren seine Instinkte zu ausgeprägt und hätten ihn sofort gewarnt. Doch es lag hier etwas in der Luft, das ihn einfach beunruhigte. Auch Cara schien etwas zu bemerken, er sah aus dem Augenwinkel wie sie von einem Schauer ergriffen wurde. "Was ist?", erkundigte er sich. Sie neigte verlegen den Kopf zu Seite. "Es ist nichts. Nur ein Windhauch, der mich streifte." Kermit warf ihr einen skeptischen Blick zu. Wie konnte in einem geschlossenen Wagen ein Windhauch entstehen? Er beschloss im Moment nicht näher darauf einzugehen und streckte ihr die rechte Hand entgegen. "Geben sie mir ihren Schlüssel. Ich werde zuerst allein in ihr Haus gehen und mich versichern, dass sie keinen ungebetenen Besucher haben. Sie bleiben so lange im Wagen und kommen erst, wenn ich sie rufe!" "Aber ich…." "Kein aber.", schnitt der Detective ihr die Antwort ab. "Tun sie, was ich ihnen sage." Wieder schlich sich dieser autoritäre Klang in seiner Stimme, dem sie nichts entgegenzusetzen hatte. Cara griff in ihre Tasche und reichte ihm den verlangten Schlüssel. Kermit nahm ihn entgegen und verließ das Fahrzeug, nicht ohne ihr noch einen warnenden Blick zuzuwerfen, sich an seine Anweisungen zu halten. Mit gemischten Gefühlen verfolgte Cara seinen Abgang. Sie sah noch, wie er seine Waffe aus dem Halfter zog, dann verschwand er in ihrem Haus. Kaum, dass Kermit das Haus betreten hatte, wusste er, was dieses seltsame Gefühl in seiner Magengegend bedeutet hatte. Ihn erwartete ein totales Durcheinander. Cara hatte ohne Zweifel ungebetenen Besuch gehabt, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihre Wohnung immer in so einem Zustand verließ. Sämtliche Schubladen waren aus ihrer Verankerung gerissen, der Inhalt lag über den gesamten Boden verstreut. Die Sofakissen ruhten aufgeschlitzt auf der Couch, der Tisch war umgeworfen und der Platz, an dem normalerweise ihr Computer stand war leer. Es war nur noch der Monitor, Tastatur und Maus vorhanden. Ein roter Fleck auf dem Fußboden erregte seine Aufmerksamkeit. Wenn ihn nicht alles täuschte, handelte es sich bei der Flüssigkeit um Blut. Sein Blick glitt zur Decke. Kermit schluckte hart. Dort baumelte eine tote Katze. Ihr ehemals weißes Fell war blutverschmiert. Man hatte sie mit einem dünnen Draht an der Kehle aufgehängt. Dieser hatte sich in ihren Hals geschnitten und hatte die arme Katze auf grauenvolle Weise verbluten lassen. Gewaltsam wandte Kermit den Blick von der toten Katze ab. Er beschloss, sie nachher abzunehmen, doch zuerst musste er die weiteren Räume durchsuchen. Vorsichtig setzte er seinen Rundgang durch das Haus fort. Die restlichen Räume im oberen Stockwerk sahen auch nicht sehr viel besser aus als die in der unteren Etage. Im Badezimmer lagen sämtliche Fläschchen und Flakons zerbrochen in der Badewanne, und in ihrem Schlafzimmer war ihre Wäsche aus den Schränken gerissen und über das gesamte Zimmer verteilt worden. Wer hier gewütet hatte, musste eine ungeheure Wut gehabt haben. Nachdenklich machte sich Kermit auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Er wollte den Kater beiseite schaffen, bevor er Cara ins Haus ließ. Sosehr es ihm gegen den Strich ging sie in dieses Chaos zu führen, er musste wissen, ob noch mehr fehlte als der Computer. Shin Taos Männer hatten schnell reagiert. Zu schnell für seinen Geschmack. Es war offensichtlich was sie gesucht und auch gefunden hatten – den Computer - aber wozu die blinde Zerstörungswut? Und warum hatten sie die Katze auf diese grausame Art getötet? Oder hatten sie doch nicht alles gefunden und die Wut an der hilflosen Kreatur ausgelassen? 'Das sind die Sing Wah', gab er sich selbst die Antwort. Sie waren fast genauso kraft- und machtvoll wie die Shaolin, nur dass sie auf der absolut dunklen Seite standen. Sie waren besessen von blinder Zerstörungswut und wollten alles Gute von dieser Welt verbannen, wie Peters Vater es einmal ausgedrückt hatte. Ihr Ziel war es, die Welt an sich zu reißen und sie in Dunkelheit zu tauchen. Es gab kaum ein mieses Verbrechen, in dem sie nicht die Finger mit im Spiel hatten. Kermit fragte sich, was sie nun im Schilde führten, um noch mehr Macht zu erlangen. Bis jetzt hatte es noch keine Anzeichen dafür gegeben, dass etwas im Gange war. Aber wenn Shin Tao persönlich auftauchte, dann musste es etwas großes sein. Und genau das galt es heraus zu finden und zu verhindern. "Benny!" Ein lauter Schrei ließ Kermit die Treppe hinunter stürmen. Mitten im Wohnzimmer stand Cara. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen und starrte mit weit aufgerissenen Augen voller Horror auf den blutverschmierten Körper der Katze. "Verdammt, ich habe ihnen doch gesagt sie sollen im Wagen warten!", herrschte Kermit Cara an. Sie hörte ihn gar nicht. Mit hölzernen Bewegungen zog sie einen Stuhl heran, kletterte auf ihn, band die tote Katze los und ließ sich mit ihr auf den Boden sinken. Sie hielt den toten Körper fest an sich gedrückt, vergrub das Gesicht in seinem Fell und wiegte ihn hin und her wie eine Mutter es mit ihrem Baby tat. Dabei strich sie immer wieder liebevoll über das blutverschmierte Fell und flüsterte leise Worte, die Kermit nicht verstand. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste der Detective nicht, wie er reagieren sollte. So stand er nur stumm da und beobachtete die unwirkliche Szene, die sich vor seinen Augen abspielte. Mehrere Minuten verstrichen, in denen nur Caras trockene Schluchzer und ihr leises Flüstern zu vernehmen waren. Die Katze hielt sie noch immer dicht an sich gepresst. Kermit hatte genug davon. Die Szene ging ihm mehr zu Herzen, als er es sich eingestehen wollte. Cara behandelte die Katze, als ob sie ein Mensch gewesen wäre. Mit wenigen Schritten überbrückte er die Entfernung zu Cara und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Sie ist tot. Sie können nichts mehr für sie tun", meinte er schroffer als beabsichtigt. Cara zuckte zusammen und hob den Blick. Rotgeweinte, trübe Augen, voller Verzweiflung, Trauer und tiefem Schmerz sahen zu ihm hoch. "Warum...warum haben sie das getan? Das ist nur grausam und sinnlos", flüsterte sie heiser. "Darauf kann ich ihnen keine Antwort geben. Das Tier soll wohl eine Warnung für uns darstellen, uns nicht einzumischen", erwiderte Kermit, erleichtert dass seine Stimme nicht zitterte. "Wie kann man nur einem Lebewesen aus Fleisch und Blut so etwas antun? Das hat er nicht verdient." Cara strich der toten Katze dermaßen liebevoll über das Fell, dass sich alles in Kermit zusammen zog. Ihre Geste erinnerte ihn an all die Kameraden, die in der Vergangenheit in seinen Armen gestorben waren. Sie hatten niemanden gehabt, der so um sie trauerte, wie Cara es bei dieser Katze tat. "Verdient hat so etwas Niemand, trotz allem bleibt es nur eine Katze. Es wäre weitaus schlimmer, wenn ein Mensch hier gehangen hätte", gab Kermit ruppig zurück. "Tiere sind treuer als Menschen, Detective Griffin. Sie lügen einen niemals an. Sie schenken all ihre Liebe und zeigen offen ihre Freude. Alles was man tun muss, ist sie gut zu behandeln. Sie geben so viel und verlangen so wenig. Ich würde jederzeit ein Tier einem Menschen vorziehen", versetzte Cara scharf. Kermit holte tief Luft. Er musste zugeben, dass Cara zum großen Teil recht mit ihrer Argumentation hatte. Menschen hatten ihn schon oft betrogen, ein Tier noch nie. Dennoch war es höchste Zeit zum eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit zurück zu kehren. Sie hatten sich schon viel zu lange hier aufgehalten. Es war gut möglich, dass die Sing Wah noch einmal zurück kehrten. Abrupt wechselte er das Thema. "Ihre Trauer in allen Ehren, Miss Thompson, aber wir müssen uns beeilen. Geben sie mir die Katze und packen sie ihren Koffer, auch wenn es im Schlafzimmer nicht besser aussieht als hier. Außerdem muss ich wissen, ob sonst noch etwas fehlt." Cara kam mit einem eleganten Schwung auf die Beine. Sie wich vor ihm zurück, als er nach dem Tier greifen wollte. Beschützend drückte sie die Katze noch enger an sich. "Ich werde überhaupt nichts tun. Nicht, bevor ich Benny an seinem Lieblingsplatz begraben habe!", rief sie aus. "Seien sie doch vernünftig, Miss Thompson, es ist keine Zeit dafür." "Dann nehme ich mir einfach die Zeit. Wenn sie mir nicht gestatten meinen Benny zu vergraben, dann werde ich ihnen das Leben zur Hölle machen. Das schwöre ich ihnen so wahr ich hier stehe und es ist mir vollkommen egal, was dann mit mir passiert", gab Cara zu allem entschlossen zurück. Sie wirkte auf ihn wie eine Tigermutter, die ihr Junges verteidigte. Kermit sah ein, dass es diesmal besser war nachzugeben, bevor die Situation noch weiter eskalieren konnte. "Gut, einverstanden. Sie dürfen ihre Katze begraben, aber dann tun sie das, was ich von ihnen verlange. Ist das klar?", knurrte er. "Verstanden Detective. Das verspreche ich ihnen."
|
Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Epilog zurück zum Serien Index Zurück zum Story Index
|