5. Teil
Autor: Fu-Dragon

 

Kermit hetzte zu Peters Telefon. Ihm war klar, dass er ohne Hilfe nicht mehr weiter kam. Alleine würde er es nie schaffen, die beiden rechtzeitig zu finden. Die Sing Wah würden keine Sekunde zögern, die beiden umzubringen, wenn sie die erforderlichen Informationen hatten. Bei Peter war er sicher, dass dieser nicht reden würde. Doch wie das bei Cara aussah, konnte er nicht beurteilen.

Kermit hob mit zitternden Fingern den Hörer ab und wählte die Nummer des 101. Reviers. Nicht nur, dass er dringend Verstärkung brauchte, er wollte auch das Revier warnen. Er traute Shin Tao zu, dass dieser auch vor einem Überfall auf das 101. nicht zurückschrecken würde, egal ob Plan oder nicht, sollte er erfahren, wo sich der Schlüssel zum Buch von Shambhala befand.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. "Das...ist keine gute Idee", sagte eine ruhige Stimme hinter ihm.

Kermit wirbelte auf dem Absatz herum, den Desert Eagle im Anschlag.

"Caine!... Wo kommen sie denn so plötzlich her!"

Kermit konnte seine Überraschung Peters Vater so unerwartet vor sich zu sehen, nicht verbergen.

Caine zuckte in seiner typischen Manier die Schulter. "Peter...ist in großer Gefahr", erwiderte er einfach, als würde das alles erklären.

"Aber wie haben sie? Vergessen sie es...die Sing Wah haben ihn und eine junge Frau gekidnappt", erwiderte Kermit, der sich nur schwer von seiner Überraschung erholen konnte.

"Deswegen bin ich zurück gekommen.… Ich spüre, dass mein Sohn in großen Schwierigkeiten steckt. Das Böse ist auf direktem Weg hierher. Wir müssen uns beeilen Kermit", erwiderte Caine in seiner ruhigen Art, die im krassen Gegensatz zu dem stand, was in seinen Augen zu lesen war. Im nächsten Moment war er schon halb zur Türe hinaus.

Kermit beeilte sich hinter ihm herzukommen. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich über Peters Vater zu wundern. Caine neigte dazu, wenn sie in größten Schwierigkeiten steckten, einfach aus dem Nichts aufzutauchen. Kermit hatte keine Ahnung wie er das machte. Bis jetzt hatte er fest angenommen, Caine würde sich noch in Frankreich aufhalten und nun war er wieder hier.

Mit einem leisen Seufzen fügte sich Kermit in sein Schicksal. Für Fragen war wirklich keine Zeit. Jetzt galt es Peter und Cara rechtzeitig zu finden.

****************

Peter erwachte durch ein lautes Stöhnen. Seine eigenes Stöhnen. Augenlider flatterten. Schmerz raste wie wütendes Feuer von seiner Schulter aus durch seine Adern. Er kämpfte darum, vollends zu sich zu kommen, den Nebel zu durchdringen, der sein Gehirn umgab. Tief atmete er ein, konzentrierte sich auf seine Mitte. Er versuchte den Schmerz zu isolieren, ihn zu umarmen und ihn loszulassen, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte. Er schaffte es nur zum Teil, doch es reichte ihm, um seine Augen öffnen zu können, die Welle von Übelkeit zu überbrücken, und zu wissen, dass er nicht lebensgefährlich verletzt war.

Seine Hände befanden sich auf seinem Rücken, gefesselt. Er spürte, wie die Seile tief in seine Haut schnitten. Mit viel Willenskraft schaffte er es, sich trotz seiner misslichen Lage in eine sitzende Position zu bringen und gegen die Gitterwand zu lehnen. Ein weiterer tiefer Atemzug. Er merkte, wie es ihm durch die aufrechtere Lage tatsächlich ein wenig besser ging. Der Rest Übelkeit und der rote Schleier vor seinen Augen verschwanden. Sein T-Shirt fühlte sich irgendwie feucht auf seiner Haut an. Er musste nicht hinunter schauen, um zu wissen, dass es Blut war. Dies teilte ihm schon der typische bleiartige Geruch mit.

Was war geschehen? Wie war er hierher gekommen? Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Peter schüttelte den Kopf. Hoffte, so die restlichen Spinnweben aus den Gedanken zu vertreiben, trotz der heftigen Schmerzen, die er durch diese winzige Bewegung erneut seiner Schulter zufügte. So wie sich das anfühlte handelte er sich entweder um einen Messerstich oder eine Schusswunde. *Denk nach Peter, denk nach*, befahl er sich selbst.

Seine Denkfähigkeit kehrte zurück. Stück für Stück fügten sich die Gedankenfetzen zu einem Ganzen und trafen ihn mit voller Wucht. Cara, Kermit, das Buch von Shambhala, der Schlüssel, Mr. Singer, vier bullige Typen in seinem Schlafzimmer, der Kampf, Cara die aus ihrem Schlafzimmer gezerrt wurde, ein heftiger Schmerz in seiner Schulter, doch ein Messerstich, und dann nur noch absolute Dunkelheit.

Peter fluchte leise, als ihm die Bedeutung des Ganzen klar wurde. Die Sing Wah hatten ihn und Cara geschnappt!

Furcht erfasste ihn. Wo war Cara? Was hatten sie mir ihr gemacht? Mit weit aufgerissenen Augen versuchte er die tiefe Dunkelheit, die ihn umgab, zu durchdringen. Er konnte so gut wie nichts erkennen, vernahm auch kein Atmen außer seinem eigenen.

Ganz entfernt kehrte die Erinnerung an eine Lektion zurück, die ihm sein Vater in seiner Kindheit in vielen mühevollen Stunden beigebracht hatte. Er hatte diese Fähigkeit schon vergessen gehabt und später nur noch einmal angewandt. Damals, als die Vernissage überfallen wurde und er und sein Vater sich auf die Suche nach den Verbechern, die eine Frau als Geisel genommen hatten, machten. Auch da war es stockfinstere Nacht gewesen. Die Verbrecher hatten die Stromversorgung der Stadt lahm gelegt. Sein Vater hatte ihn angehalten seine Pupillen so zu kontrollieren, dass er trotz der Dunkelheit sehen konnte. Damals hatte er es geschafft, also konnte er es auch jetzt. Allerdings war er da in wesentlich besserer Verfassung als jetzt gewesen, ganz zu schweigen davon, dass sein Vater zugegen gewesen war.

Peter schloss die Augen und konzentrierte sich erneut. Er versuchte, sämtliche Gedanken an die Furcht und sein Versagen Cara gegenüber aus seinen Gedanken zu verbannen. Er sammelte sein Chi, stellte sich mental vor, wie sich seine Pupillen weiteten und wie der Raum langsam Kontur annahm. Ein tiefer Atemzug. Er öffnete erneut seine Augen.

Nichts!

Peter stieß enttäuscht die Luft aus, die er unmerklich angehalten hatte. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht. Die Aktion hatte ihn mehr angestrengt als er zugeben wollte. Er blinzelte, um zu verhindern, dass der Schweiß in seine eh schon brennenden Augen lief. Plötzlich wurde der Raum um ihn heller und heller. Gerade so, als hätte jemand eine schwache Glühbirne angeknipst. Die Konturen rund um ihn nahmen an Schärfe zu. Er erkannte, dass er sich in einer Art Käfig befand und dass dieser Käfig mitten in einem Raum hängen musste, da die gemauerten Außenwände sich weiter entfernt befanden. Mehr war von seiner Position aus nicht zu erkennen.

Vorsichtig drehte er seinen schmerzenden Kopf nach rechts. Zusammengekrümmt in der anderen Ecke des Käfigs befand sich ein weiterer Körper. Klein, zierlich mit langen Haaren. Es konnte sich nur um Cara handeln.

Leise rief er ihren Namen. Sie rührte sich nicht. Noch einmal sprach er sie an, lauter diesmal. "Cara, Cara komm zu dir!"

Er hörte ein leises Stöhnen und konnte sehen, wie ihre Beine zuckten. Peter ließ ihr einen Moment Zeit, damit sie zu sich kommen konnte, bevor er erneut redete.

"Cara?"

"Peter?"

Die Antwort kam leise, ihre Stimme überschlug sich vor lauter Angst.

"Ja, ich bin es. Wie geht es dir, Cara?"

Erneut ein Stöhnen. Er beobachtete, wie sie sich langsam in eine sitzende Position aufrichtete und ihren Kopf mit beiden Händen umfasste. Erleichtert stellte er fest, dass sie nicht gefesselt war. Wahrscheinlich stellte sie in den Augen der Sing Wah keinerlei Bedrohung dar.

"Mein Kopf. Ich glaube, er zerspringt gleich. Dämliches Chloroform. Wo bist du, Peter? Es ist so dunkel hier."

"Ich bin rechts von dir in der anderen Ecke. Kannst du dich bewegen?"

"Ja. Wo bist du genau? Ich kann überhaupt nichts erkennen."

"Folge einfach dem Klang meiner Stimme. So groß ist dieser Käfig ja nicht, als dass du dich verlaufen könntest", versuchte er zu scherzen.

Der Scherz kam nicht an. Cara war viel zu verwirrt und verängstigt, um den eigentlichen Sinn der Worte zu verstehen.

"Sprich bitte weiter, damit ich dich finden kann", gab sie kaum hörbar zurück.

"Sicher doch. Versuche bitte nicht zu stehen, der Käfig ist zu niedrig."

"Wie kommt es, dass du sehen kannst, ich aber nicht?" erkundigte sie sich, als ihr die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde.

"Ein Shaolin Trick.…"

Peter redete weiter, während er beobachtete, wie sie sich auf Hände und Füße niederließ und sich langsam in seine Richtung vortastete. Durch die Gewichtsverlagerung fing der Käfig an zu schwingen. Cara schrie auf. Peter hatte seine liebe Not, sie dazu zu bewegen weiter zu ihm zu kriechen. Selbst in dem Dämmerlicht, mehr war es für ihn auch nicht, konnte er das Zittern ihres Körpers erkennen. Nach endlos erscheinender Zeit ertasteten ihre suchenden Hände den Stoff einer Jeanshose.

Die Erleichterung endlich wieder jemanden neben sich zu spüren, entlud sich in einem kurzen Aufschluchzen. "Oh Gott, Peter. Was ist nur geschehen?” brachte sie hervor.

"Wir sind gekidnappt worden und befinden uns in einem Käfig. Mehr weiß ich im Moment leider auch nicht", sagte er so beruhigend wie er konnte.

"Bist du gefesselt?"

"Ja. Sonst wäre ich zu dir gekommen."

Caras tastende Finger glitten über sein Gesicht, als wollte sie sicher sein, dass er es war und rutschten dann tiefer. Er zuckte zusammen, als sie der Wunde an seiner Schulter zu nahe kam. Sie bemerkte die feuchte Nässe unter ihrer rechten Hand.

"Um Himmels Willen Peter, du bist ja verletzt. Ich habe nicht einmal daran gedacht, dich zu fragen wie es dir geht!" Ihre Stimme nahm einen panischen Klang an.

"Scht, ganz ruhig Cara, so schlimm ist es nicht. Ich hatte schon schlimmere Verletzungen. Atme bitte ganz tief durch. Es ist wichtig, dass du dich nicht von deiner Angst beherrschen lässt. Du musst einen klaren Kopf bewahren."

Irgendwie drangen Peters Worte durch ihren umnebelten Verstand und sie tat automatisch, was er von ihr verlangte. Sie merkte, wie sie ein wenig ruhiger wurde und auch das Denken wieder einsetzte. Peter beobachtete sie atemlos.

"Okay, bin wieder da. Und was jetzt?", meinte sie mit leicht zitternder Stimme.

"Schau, ob du mich von den Fesseln befreien kannst", schlug er vor.

Er spürte, wie ihre Finger sich an seinem Rücken entlang tasteten und die Seile fanden, die seine Handgelenke zusammen hielten. Es erwies sich als sehr schwierig in der Dunkelheit die Knoten zu lösen. Sie fummelte ungeschickt an dem Seil herum, doch nach einigen anstrengenden Minuten, die Peter wie eine Ewigkeit vorkamen, hatte sie es geschafft.

Peter seufzte erleichtert, als der Druck an seinen Handgelenken endlich nachließ. "Danke, Cara."

"Nichts zu danken."

Peter hörte am Zittern ihrer Stimme, dass sie noch immer mit ihrer Angst zu kämpfen hatte. Er schlang seinen unverletzten Arm um ihre Schultern und zog sie dicht an sich. Er hörte sie seufzen und merkte, wie sie sich wie ein verirrtes Kätzchen an ihn schmiegte, konnte förmlich spüren, wie sie nach seinem Schutz suchte. Er fing an, soviel positive Energie in sie zu transferieren, wie er erübrigen konnte ohne sich selbst zu schwächen. Er ahnte, dass sie das noch bitter nötig haben würde.

Ohne Vorwarnung wurde der gesamte Raum in grelles Licht getaucht. Beide stöhnten und schlossen fest ihre Augen vor dem Schmerz, den das Licht verursachte.

"Och, ist das nicht süß, wie die Beiden da zusammen kuscheln", ertönte eine tiefe Stimme spöttisch im Raum.

Peter öffnete seine Augen einen Spaltweit, bis das Licht nicht mehr so intensiv war und öffnete sie dann ganz. Endlich konnte er die Umgebung deutlich wahr nehmen. Was er sah gefiel ihm ganz und gar nicht, vor allem, als er nach unten blickte. An Caras erschrecktem Stöhnen konnte er erkennen, dass sie eben genau dieselbe Entdeckung gemacht hatte.

Wie er es vermutet hatte, hingen sie in einem Käfig mitten in einem hohen Raum. Der stählerne Käfig war mit mehreren Seilen über eine Art Flaschenzug mit der Wand verbunden. Bei jeder kleinen Bewegung fing er an zu schwanken und verursachte in Peter eine Art Seekrankheit. An der ihm gegenüberliegenden Wand befand sich eine Plattform, auf der nun ein ziemlich großer, dunkel gekleideter und maskierter Mann zu ihnen hinüber starrte. Und direkt unter ihnen, bei der Erkenntnis wurde es Peter, der Höhen noch nie gemocht hatte, übel, gähnte ein, wie es ihm schien, unendlich tiefer Abgrund, in dem jetzt ein helles Feuer loderte.

Peter brauchte nicht viel Fantasie, um das Bizarre an der Situation zu erkennen. Über den Flaschenzug konnte der Käfig gehoben oder gesenkt werden. Je tiefer man den Käfig senken würde, desto näher würde er an das Feuer heran reichen und die Eisenstäbe würden sich erhitzen. Entweder konnte man sie mit der entstehenden Hitze foltern oder, wenn man noch näher an dieses Feuer heran kam, konnten sie wie ein Steak über offener Flamme geröstet werden. Ein ziemlich qualvoller Tod.

*Frechheit siegt*, dachte sich Peter und sagte laut: "Ja, ist ganz gemütlich hier. Fehlt nur noch ein langer Ast und ein paar Kartoffeln, die wir über dem Feuer rösten könnten."

Der Mann auf der Plattform war sichtlich erbost über diese freche Antwort. "Das Lachen wir dir bald vergehen, Shaolin. Wo ist der Schlüssel, das Sonnenzeichen von Shambhala?"

"Was für ein Schlüssel?", spielte Peter den Naiven und zog Cara unbewusst noch ein wenig näher an sich heran.

"Das Spielchen wird dir nicht viel nützen, Shaolin. Wir haben Mittel und Wege, dich zum sprechen zu bringen", kam die prompte Antwort.

Cara, die sich mittlerweile ein wenig von ihrem Schreck erholt hatte, rief erregt aus: "Den wirst du niemals bekommen, er ist sicher aufbewahrt."

Peter zog scharf die Luft ein. Ihre Bemerkung hätte ungünstiger nicht sein können. Damit lenkte sie seine Aufmerksamkeit nur auf sich selbst. Außerdem hatte sie ihm damit verraten, dass sie den Aufenthaltsort des Schlüssels kannte.

"Sei bloß ruhig Cara", zischte er ihr leise zu.

Cara, der bewusst wurde, welchen Schnitzer sie sich in ihrer Wut geleistet hatte, blickte betreten zu Boden, doch es war zu spät.

"Sieh an, sieh an, die Kleine kennt also auch den Aufbewahrungsort. Das ist doch nett und die ist sicher leichter zu brechen als du, Shaolin", meinte der Mann spöttisch.

"Darauf würde ich nicht wetten", hörte Peter Cara murmeln, doch das so leise, dass die Bemerkung zum Glück nicht auf der anderen Seite ankam.

Warnend drückte er ihre Schulter. "Sie irrt sich, sie kennt ihn nicht. Wir haben den Schlüssel woanders hin gebracht", sagte Peter in der Hoffnung, den Mann von Cara abzulenken.

Der Mann riss sich wutentbrannt die Maske vom Kopf. Peter schluckte schwer, als er sich dem Führer der Sing Wah, Shin Tao, höchstpersönlich gegenüber sah.

"Was? Du wagst es mich anzulügen? Das gestatte ich weder meinen Untergebenen noch dir", schrie er.

Shin Tao hob die Hand. Ein schwaches dunkles Glühen schien von ihr auszugehen. Peter spürte den Aufbau der Energie und auch wie sie losgelassen wurde. Er konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als die komprimierte Luft ihn mit aller Wucht in die Rippen traf. Die Atemluft wurde richtiggehend aus ihm herausgepresst. Der Schmerz, als seine Rippe diesem irrsinnigen Druck nachgab und brach, ließ bunte Schleier vor seinen Augen tanzen.

Der heftige Schlag brachte den Käfig zum Schwanken. Eines der Seile, die den Käfig in der Verankerung hielt, riss und sie rasten einen Meter in die Tiefe. Er hörte Cara aufschreien. Noch waren sie nicht im Gefahrenkreis des Feuers, es befand sich mehrere Meter unter ihnen, doch das konnte sich schnell ändern.

Peter atmete so tief durch, wie er konnte, um mit dem Schmerz fertig zu werden. Nur undeutlich hörte er die nächsten Worte Shin Taos.

"Das wird dich lehren, mich noch einmal belügen zu wollen. Das nächste Mal kommst du nicht so glimpflich davon."

Shin Tao wurde abgelenkt, als einer seiner Männer zu ihm trat und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Man sah ihm an, dass er nicht glücklich über die Unterbrechung war. Dennoch machte er Anstalten die Plattform zu verlassen. An der Türe drehte er sich noch einmal herum.

"Ach ja, eines habe ich noch vergessen zu erwähnen. Jedes Mal, wenn ihr den Käfig bewegt und er zu sehr schaukelt, löst sich eines der Seile und ihr werdet immer tiefer hinunter gerissen."

Cara und Peter saßen stocksteif und geschockt da. Diesmal war es Cara, die sich zuerst erholte. Ihr war die Blässe in Peters Gesicht nicht entgangen.

"Peter, ist mit dir alles in Ordnung?", erkundigte sie sich ängstlich.

Peter versuchte ihr beruhigend zuzulächeln, was kläglich misslang. Der Schmerz in den Rippen war noch zu übermächtig und kaum unter Kontrolle zu bringen.

"Sicher, Cara, mir geht es gut", erwiderte er.

Dass dem nicht so war, konnte man ihm deutlich ansehen.

"Was hat dieser Typ mit dir gemacht? Warum hat der Käfig so geschaukelt? Wer ist das überhaupt?"

"Das ist Shin Tao, der Anführer der Singh Wah."

"Und weiter?"

"Nichts weiter."

"Verdammt Peter, ich will die Wahrheit wissen. Was hat er mit dir angestellt? Du sitzt hier, dein rechter Ärmel ist voller Blut. Du hältst dir die Rippen und du willst mir wirklich weis machen, dass mit dir nichts ist?" Ihre Stimme enthielt einen eindeutig ärgerlichen Unterton und sie wurde immer lauter.

"Er hat mir eine Rippe gebrochen, bist du nun zufrieden?", gab er genauso ärgerlich zurück.

Als er ihren erschreckten Gesichtsausdruck sah, tat es ihm sofort leid, sie so angeschrieen zu haben.

"Entschuldige. Schau mal, Cara. Wir haben er hier mit Kräften zu tun, die du sehr wahrscheinlich nicht begreifen kannst. Ich nehme stark an, dass du damit noch nie in Berührung gekommen bist. Ich kann dir das alles jetzt nicht erklären, dazu haben wir keine Zeit. Bitte vertrau mir jetzt einfach, wenn ich dir sage, meine Verletzungen sind nicht so schlimm und ich kann damit umgehen."

Cara ließ den Kopf hängen, ihren Ausbruch bereuend. "Tut mir auch leid, Peter. Ich bin nur so...so durcheinander. Ich kann einfach nicht verstehen, was hier gerade vorgeht", die letzten Worte waren immer leiser geworden. Eine einzelne Träne lief ihre Wange herab.

Peter zog sie trotz seiner Schmerzen wieder an sich heran. "Schon gut, Kleines, schon gut", beruhigte er sie leise. "Wir werden das schon schaffen."

Sie hob ihren Kopf, um ihn anzusehen. Ihr bittender Blick traf ihn mitten ins Herz, sie wollte seinen Worten so gerne glauben.

"Bist du sicher?"

"Aber ja", erwiderte er so überzeugt er konnte und hoffte inständig, dass er die Wahrheit sagte. "Aber nun spare deine Kräfte und ruh dich ein wenig aus. Ich fürchte, wir werden sie bald brauchen."

Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn. Sie seufzte leise und kuschelte sich wieder an ihn, vorsichtig darauf bedacht, seinen Rippen nicht zu nahe zu kommen. Ruhe kehrte ein. Obwohl sich keiner von ihnen bewusst darüber war, schenkten sie sich gegenseitig Kraft, das alles durch zu stehen.

Einige Zeit später öffnete sich erneut die Türe zu ihrem Verlies. Peter und Cara beobachteten zwei Männer, welche einen kleinen Altar aufbauten und Kerzen anzündeten. Peter fragte sich, was sie damit bezweckten. Lange musste er sich das nicht fragen. Er erkannte das Buch von Shambhala, das ein dritter Mann herein trug und es vorsichtig zwischen all die Kerzen auf den improvisierten Altar stellte.
Peter fluchte lautlos, das verhieß nichts Gutes. Obwohl das Buch noch geschlossen war, machte sich ein ziemlich ungutes Gefühl in seiner Magengegend breit. Ohne Grund wurde das Buch sicherlich nicht hierher gebracht.

Shin Tao erschien auf der Bildfläche. Nun war er in ein langes, schwarzes, seidenes Gewand gehüllt, das mit goldenen Buchstaben verziert war. Peter identifizierte es als ein traditionelles Opfergewand der Sekte. Die drei Männer stellten sich wortlos hinter ihrem Anführer auf.

"Nun wollen wir doch mal sehen, wo der Schlüssel ist. Das Buch haben wir ja schon", meinte er gefährlich leise.

Auf ein Zeichen von ihm betätigte einer der drei Männer den Flaschenzug und der Käfig in dem Cara und Peter steckten, wurde näher zu der Plattform gezogen. Die Türe des Käfigs öffnete sich. Peter wollte sich erheben, doch ein scharfer Befehl von Shin Tao verhinderte das. Plötzlich waren drei Waffen auf ihn gerichtet.

"Du bleibst schön sitzen, Shaolin, ich will die Kleine. Komm her!"

Peter hielt Cara an den Schultern fest und drückte sie neben sich herunter. "Sie bleibt hier bei mir", sagte er fest.

"Wollt ihr eine Kugel in den Kopf?", erkundigte sich Shin Tao zuckersüß.

"Wenn du uns umbringst, weißt du noch immer nicht, wo sich der Schlüssel befindet", bekannte Peter.

Dies hatte zur Folge, dass ihn ein weiterer Schlag von Shin Tao traf, so dass ihm sekundenlang schwarz vor Augen wurde. Er keuchte und schnappte nach Luft, sein Griff um Caras Schultern lockerte sich.

"Komm her, oder willst du, dass ich deinem Freund noch mehr weh tue?", kam es eiskalt von Shin Tao.

Cara nahm all ihren Mut zusammen, entwand sich mit einer kurzen Drehung aus Peters schwachem Griff und kletterte aus dem Käfig. Unter allen Umständen wollte sie vermeiden, dass Peter noch mehr weh getan wurde. Dieses Mal hatte sie den Schlag fast selber körperlich spüren können und sie wusste, dass er Peter dieses Mal schwerer verletzt hatte.

Sofort wurde die Türe wieder geschlossen. Peter konnte nur ohnmächtig zuschauen was mit ihr passierte. Seine eigenen Verletzungen interessierten ihn nicht, nun war er nur in großer Sorge um Cara.

Einer der Männer schob sie zu Shin Tao, der ihr in die Haare griff und sie mit einem kurzen Ruck daran unsanft zu Boden riss. Peter sah ihr schmerzverzerrtes Gesicht, aber auch die Entschlossenheit in ihren Augen funkeln.

"Willst du mir freiwillig sagen, wo der Schlüssel ist, oder muss ich nachhelfen?", erkundigte sich Shin Tao.

"Nein", erwiderte sie so leise, dass man es kaum hören konnte.

"Na, dann eben nicht", meinte Shin Tao sanft und wandte sich halb ab, ließ dabei ihre Haare los. Cara, die auf seine Finte herein fiel, stieß erleichtert die Luft aus.

"Dann werde ich mir das Wissen anders holen", rief er aus und wirbelte auf dem Absatz herum. Seine Augen funkelten vor Bosheit.

Bevor Cara reagieren konnte, umfasste er mit umbarmherzigem Griff ihren Kopf. Der Griff war so fest, dass sie keinen einzigen Muskel rühren konnte. Sie spürte, wie fremde Gedanken in ihren Kopf eindrangen und roh in ihrem Gedächtnis wühlten. Es fühlte sich an, als würden ihr glühende Messer ins Gehirn gestoßen. Sie schrie vor Schmerz und Qual. Dieser Schmerz war schlimmer als alles, was sie je erlebt hatte. Das kam einer seelischen Vergewaltigung gleich und das Schlimmste war: Sie bekam jeden Moment klar mit. Sie konnte spüren, wie sich seine Gedanken einen Weg durch ihren Kopf bahnten und meinte verrückt zu werden. Dass so etwas möglich war, hätte sie in ihren wildesten Träumen nicht geglaubt. Gerade als sie glaubte, es keinen Moment länger aushalten zu können, ließ er sie los. Cara sank schluchzend auf den Boden, den Körper von heftigen Krämpfen geschüttelt.

Ein triumphierendes Lächeln umspielte Shin Taos Lippen. Die junge Frau hatte es ihm sehr leicht gemacht die gesuchten Informationen zu bekommen. Nur schade, dass nicht all seine Gegner dermaßen wehrlos waren. Mitleidlos blickte er auf die zusammen gekrümmte Gestalt zu seinen Füßen herunter. Mit der Fußspitze trat er gegen ihre zitternde Form als wäre sie ein wertloses Insekt.

"Bringt sie zurück in den Käfig."

 

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