Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen und sie
waren so gut wie keinen Schritt weiter gekommen. Abgesehen von diesem
einen denkwürdigen Abend hatte sich Kes nicht mehr von ihrer schwachen
Seite gezeigt. Ihr Verhältnis mit Kermit konnte nach wie vor als
angespannt bezeichnet werden, während sie sich mit Peter deutlich
besser verstand.
Das einzige was sich in den zwei Wochen deutlich
verbessert hatte war Kes Gesundheitszustand. Sie war längst nicht
mehr so schwach wie am Anfang , die Prellungen in ihrem Gesicht waren
abgeheilt und das einzige äußere Anzeichen, daß sie je
Verletzt gewesen war, war nach wie vor ihr leichtes Humpeln. Peter hatte
es dann doch übernommen mit ihr die Krankengymnastik durchzuführen,
die sehr gut angeschlagen hatte, zumal er die Übungen auch mit einigen
Kung Fu Moves erweitert hatte. Zusätzlich hatte er ihr diverse Tees
verabreicht, die Lo Si für sie zubereitet hatte.
Da sein Vater noch immer unterwegs war, hatte ihn
Kes gezwungener Maßen öfters in den Dojo begleitet und ihm
zugeschaut als er die Studenten seines Vater unterrichtete. Er bemerkte
schnell ihr Interesse an dieser Kampfsportart, so war es auch zu der Erweiterung
der Krankengymnastik gekommen. Seltsamerweise bekam Peter das Gefühl
nicht los, daß Kes da genau wußte was sie tat, auch wenn sie
das ihm gegenüber verneinte. Er hatte noch nie jemanden erlebt, der
die Übungen so schnell verinnerlichte und auch ausführen konnte,
das kam ihm ziemlich seltsam vor. Das einzige das sie rigoros abgelehnt
hatte war, sich von ihm in die Meditation einführen zu lassen, er
war der Meinung gewesen, daß das ihrer Gesundheit um einiges mehr
helfen konnte, da er ihre innerliche Zerrissenheit deutlich wahr nehmen
konnte, doch in diesem Punkt war sie stur geblieben. Noch ein Punkt, der
ihm seltsam vorkam.
Je mehr Peter darüber nachdachte desto mehr Szenen der vergangenen
zwei Wochen schossen ihm durch den Kopf in denen sie seltsam reagiert
hatte.
Peter wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen
als Skalany ihn ansprach.
"Peter, sie haben eine Frauenleiche gefunden, die solltet ihr euch
mal ansehen."
Mit einem Mal war Peter voll da.
"Wann und wo?"
"Direkt am Hafen, eine mollige junge Frau die ziemlich übel
aussieht wie Nickie mir mitteilte. Er erwartet euch in der Leichenhalle."
"Danke Mary Margret," war Peter Erwiderung der sich schon auf
dem Weg in Kermits Büro befand.
Wie so oft in der letzten Zeit fand er Kermit und
Kes inmitten eines Streitgesprächs. Beide unterbrachen abrupt ihre
Unterhaltung als er in das Büro stürmte.
"Wir haben eine Frauenleiche, kommt mit." rief Peter und drehte
sich schon wieder auf dem Absatz um.
Innerhalb weniger Sekunden folgten ihm Kermit und Kes. Es dauerte nicht
lange bis sie in Kermits Corvette das Leichenschauhaus erreichten.
Nickie Elder erwartete sie schon in der Halle. Peter stellte Kes kurz
vor und das Vierergespann begab sich in Richtung der Leichenhalle. Nickie
nutzte die Zeit um ihnen mitzuteilen wo genau und wie sie die unbekannte
Leiche gefunden hatten.
Kurz bevor sie eintraten konnte sich Kermit einen
Kommentar nicht verkneifen.
"Es ist besser für dich Kes wenn du hier draußen wartest,
eine Wasserleiche ist kein schöner Anblick für eine empfindsame
Frauenseele."
Kes schoß ihm einen eiskalten Blick zu. "Danke für ihre
Fürsorglichkeit Detective Griffin. Aber ich bin sehr wohl in der
Lage diesen Anblick zu verkraften, es ist nicht die erste Leiche die ich
zu Gesicht bekomme, vielleicht sollten sie besser hier draußen bleiben,
wer weiß welche Auswirkungen das auf sie hat." Gab sie mit
zuckersüßer Stimme zurück.
Nickie fiel die Kinnlade herunter bei dieser Unterhaltung.
Hilfesuchend blickte er zu Peter, der halb verzweifelt den Kopf schüttelte.
Daher unterließ es Nickie nachzuhaken. Bevor Kermit zu einer Erwiderung
ansetzen konnte, trat Peter dazwischen.
"Könntet ihr mal für einen Augenblick eure Streitigkeiten
beiseite legen und euch auf das wesentliche konzentrieren?"
Das half. Fast einträchtig betraten sie die Leichenhalle. Nickie
trat an eine der großen Kühlfächer heran und öffnete
es.
Peter konnte nicht verhindern, daß sich ihm der Magen umdrehte.
Der Geruch von Formaldehyd und Verwesung als auch der typische Blutgeruch
trug nicht gerade bei ihm dazu bei, daß er sich wohlfühlte.
Kermit und Kes hingegen schien das absolut nichts
auszumachen. Es war Kes die das Leichentuch zurück schlug.
Der Anblick der Frau war wirklich nicht schön.
Dadurch daß sie laut Nickis Aussage schon mehrere Tage im Wasser
gelegen hatte, war der gesamte Körper aufgedunsen und die körperliche
Farbe driftete mehr ins grünliche da wo sie nicht durch schwarze
Quetschungen und Prellungen entstellt war, außerdem roch sie bestialisch
nach Verwesung, was auch das Formaldehyd nicht ausgleichen konnte. Hinzu
kam, daß die Fische schon angefangen hatten sie anzuknabbern, so
daß speziell in ihrem Gesicht schon einige Hautfetzen fehlten.
"Hast du eine Ahnung woran sie genau gestorben
ist?" erkundigte sich Kermit.
"Ertrunken ist sie jedenfalls nicht, mehr kann ich dir erst sagen
wenn ich die Leiche untersucht habe. Sie ist vorhin erst herein gekommen
und ich dachte ich warte auf euch bevor ich damit anfange." Erwiderte
Nickie.
"Dann nehme ich an weißt du auch nicht wer das ist?"
"Nein leider nicht. Ich hoffe aber anhand der Gebissabdrücke
mehr darüber zu erfahren, von ihrem Gesicht ist ja nicht mehr so
viel übrig."
Peter bemerkte als erster wie Kes immer blasser
wurde. Spontan trat er an ihre Seite und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Kes ich denke es ist doch besser wenn du draußen auf uns wartest."
Diese schüttelte vehement den Kopf und trat noch näher an die
Leiche heran. Erstaunt schauten die drei zu, wie sie sich über die
Frau beugte und ganz genau ihr entstelltes Gesicht betrachtete. Sie hob
die Hand und schob die geschlossenen Lider der Frau in die Höhe.
Endlose Sekunden starrte sie in die leblosen Augen. Alle drei sahen wie
sie zusammen zuckte. Kes schien halb in Trance zu sein, als sie dann nach
dem rechten Handgelenk der Frau griff und es umdrehte. Direkt am Handgelenk
der toten Frau war ein kleines Zeichen, kaum mehr richtig zu erkennen,
eingebrannt.
"Sarah," flüsterte Kes in diesem Moment. "Mein Gott."
Peter, der sah wie Kes bedenklich schwankte griff
schnell zu und stützte sie. "Du kennst die Frau?" erkundigte
er sich vorsichtig.
Sie nickte langsam und holte tief Atem. "Ja, das hier ist....war
Sarah Flint."
"Woher kennst du sie?" hakte er nach.
Kes schüttelte den Kopf. "Nicht jetzt Peter, ich muß erst
noch etwas nachschauen, hilf mir bitte sie auf den Rücken zu legen."
Nicht nur er war überrascht über Kes Stimmungswechsel. Von einer
Minute zur anderen hatte sie wieder in den Polizistenmode geschaltet.
Sie wirkte absolut gelassen und kühl, nicht einmal ihre Hand zitterte
als sie nach der Leiche griff.
Keiner wagte in dem Moment sich ihren Anordnungen zu widersetzen, Kes
schien genau zu wissen was sie tat.
Nickie half ihr die Leiche auf den Bauch zu legen. Was sie dort sahen
raubte ihnen komplett den Atem. Er schien als hätte Jemand etwas
mit einem scharfen Messer in den Rücken der Frau geritzt. Unzählige
Striche und Linien verunstalteten den Rücken der Frau. Wenn man genauer
hinsah, konnte man so etwas wie ein Muster erkennen.
"Verdammt, er hat es tatsächlich getan,"
hörten sie Kes murmeln.
"Was getan?" erkundigte sich Kermit.
"Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen, ich brauche ein
Blatt Papier und etwas zu schreiben."
"Hör mal junge Dame, wenn es etwas zu bereden gibt, dann halte
damit nicht hinter dem Berg," grollte Kermit erbost. Er haßte
es im Unklaren gelassen zu werden.
Kes Stimme hatte einen rasiermesserscharfen Klang als sie sprach. "Kermit,
tu mir einen Gefallen und halte dich da heraus. Ich bin mir selbst noch
nicht ganz sicher was los ist und ich verspreche dir auch, daß ich
euch nachher alles sage was ich weiß, aber jetzt laß mich
verdammt noch mal arbeiten und misch dich nicht in etwas ein wovon du
keine Ahnung hast!"
Kermit wurde einer geharnischten Antwort erhoben,
da Nickie mit den gewünschten Sachen zu ihr zurück kehrte. In
derselben Sekunde fielen einige Akten von Nicks Schreibtisch herunter,
der am anderen Ende der Leichenhalle stand. Alle drei, außer Kes,
zuckten zusammen.
"Mist, haben wir nun auch schon Geister hier,"
hörten sie Nickie murmeln.
"So etwas ähnliches," gab Kes zu aller Überraschung
zurück.
Da aller Aufmerksamkeit sich auf Nicks Schreibtisch wandte, bekam Peter
nur aus den Augenwinkeln mit, wie Kes irgend etwas mit ihren Händen
machte. Er war sich nicht sicher, aber ihm war als hätte sie irgend
ein Zeichen in die Luft gemalt. Er beschloß sie später darauf
anzusprechen, nun wollte er sie arbeiten lassen.
Nachdem Kes die Zeichen vom Rücken der Frau
abgemalt hatte gab sie Nickie die Erlaubnis die Leiche wieder in das Fach
zurück zu schieben. Dann schärfte sie ihm ein, die Frau nicht
ohne ihr Beisein zu untersuchen oder bevor sie ihm Bescheid gegeben hatte.
Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort einfach den Raum und ließ
drei vollkommen verdutzte Männer hinter sich.
"Was war denn das?" erkundigte sich Nickie.
"Ich habe schon viel erlebt, aber das hier. Warum soll ich die Leiche
nicht untersuchen, das ist doch mein Job."
"Keine Ahnung Nickie, aber ich habe das Gefühl, als ob du auf
Kes hören solltest." Erwiderte Peter nachdenklich.
Kermit mischte sich ein. "So ein Blödsinn. Was soll schon mit
der Leiche sein, die wird sicher nicht aufstehen und davon laufen wenn
Nickie sie aufschneidet. Die Frau ist tot, schlicht und einfach tot."
Wiederum antwortete ihm Peter. "Ich bin mir da nicht so sicher Kermit.
Sicher lebt die Frau nicht mehr, aber...." Er beendete den Satz nicht.
"Was aber? Sag bloß du glaubst den Blödsinn den Kes hier
verzapft hat." Stichelte Kermit.
Peter schoß ihm einen bösen Blick entgegen. "Wart doch
erst einmal ab was Kes uns zu erzählen hat, dann kannst du noch immer
urteilen, oder hast du eine Erklärung weshalb plötzlich die
Akten auf dem Boden landen?"
"Eine? Dutzende... angefangen von einer schlampig hingelegten Akte
bis hin zu Bodenunebenheiten, was möchtest du denn gerne zuerst hören?"
Peter seufzte, er kannte Kermit zu gut, als daß er wußte,
daß mit Kermit in dieser Stimmung nicht zu reden war.
"Schon gut, schon gut... belassen wir es im Moment einfach dabei.
Ich denke wir sollten jetzt zu Kes gehen um heraus zu bekommen was hier
los ist und du Nickie," er deutete auf ihn. "du kannst zwar
tun und lassen was du willst, aber ich würde dir wirklich raten auf
Kes zu hören, sie schien keine Scherze zu machen."
Nickie zuckte nur die Schultern, man merkte ihm an, daß es sich
äußerst unwohl fühlte.
"Was soll es. Ob ich nun einen Tag früher oder später anfange
die Leiche zu untersuchen macht auch keinen Unterschied, ich werde mich
zuerst um den Namen kümmern den wir jetzt haben. Ruft mich an wenn
ihr mehr darüber wißt."
"Geht in Ordnung, wir schicken dir die Unterlagen zu."
Mit diesen Worten verabschiedeten sich die beiden
Detectives von Nickie und machten sich auf die Suche nach Kes, die schon
am Wagen auf sie wartete, tief in die Zeichnung versunken. Auch jetzt
schien sie sich äußerst professionell zu verhalten, ihre Körperhaltung
als auch ihre Gehsichtszüge wirkten vollkommen ausdruckslos.
"Die Frau hat ein Herz aus Stein sage ich dir," raunte ihm Kermit
zu während sie zum Wagen gingen. Peter erwiderte nichts darauf, seine
Sinne teilten ihm mit, daß Kes längst nicht so ruhig war wie
sie sich gab.
Auch jetzt verweigerte sich Kes über den Fall
zu sprechen. Sie bestand darauf, daß sie zu ihrer Wohnung fuhren
und nicht zum 101ten. Kermit und Peter stimmten wohl oder übel zu,
beide verärgert darüber, daß Kes noch immer nichts zu
den Vorkommnissen heraus ließ.
Während der gesamten Fahrt wurde nicht gesprochen, Kes war noch immer
total in die Zeichnung vertieft und Peter als auch Kermit waren zu sehr
mit ihren Gedanken beschäftigt.
Kaum waren sie an der Wohnung angekommen, sprang
Kes aus dem Wagen und hetzte die Stufen hinauf. Peter konnte sie kurz
vor der Wohnungstüre gerade noch abfangen damit Kermit seine übliche
Durchsuchung der Räume durchführen konnte.
Anschließend sahen sie Kes wie ein Tiger durch die Wohnung stürmen.
Sie riß diverse Schubladen und Schränke auf bis sie gefunden
hatte was sie suchte. Es war ein altertümlich aussehendes Buch mit
dem sie sich auf das Sofa setzte und anfing es durchzublättern, dabei
murmelte sie irgend etwas vor sich hin, was weder Kermit noch Peter verstanden.
Peter seufzte leise und machte sich auf den Weg
in die Küche um einen Kaffee aufzusetzen, es schien als würde
das ein langer Abend werden. Er kam gerade mit drei Tassen der dampfenden
Brühe zurück als er Kes ausrufen hörte: "Da ist es,
ich wußte es."
"Was hast du gewußt?" hakte Kermit sofort nach, der hart
an der Grenze zu seiner Geduld war.
"Moment noch, ich bin gleich soweit," murmelte sie abwesend.
Es war nur Peter zu verdanken, daß Kermit Kes nicht an den Kragen
ging, da dieser ihm einfach den Kaffee in die schon nach Kes ausgestreckte
Hand drückte.
Wenige Minuten später hörten sie einen erleichterten Seufzer
von Kes. "Gott sei dank, es ist der falsche." Dann schlug sie
das Buch wieder zu und legte es zur Seite bevor beide auch nur die Gelegenheit
dazu hatten den Titel des Buches zu entziffern.
"Jetzt reicht es mir aber," lies sich
Kermit gefährlich leise hören.
Kes hob in einer abwehrenden Geste die Hand.
"Tut mir leid ihr Beiden, nun können wir reden. Ich mußte
nur zuerst sicher sein bevor ich euch das mitteile und ich kann nur hoffen,
daß ihr das was ihr jetzt zu hören bekommt überhaupt glaubt."
Kermit der keine Lust mehr auf Spielchen hatte meinte. "Nun rück
endlich mit der Sprache heraus, wer ist die Frau und was soll diese ganze
Geheimnistuerei überhaupt."
Kes Blick verschleierte sich leicht. "Die Frau ist Sarah Flint wie
ich schon sagte. Eine Bethra."
"Eine was?" fragte Kermit.
"Eine Bethra. Hm, das Wort Hexe würde es wohl am ehesten treffen."
"Nun hör aber auf Kes, du willst uns doch wohl nicht allen Ernstes
sagen, daß die Leiche in Nicks Leichenhalle eine Hexe ist? So etwas
existiert nicht." Platzte Kermit heraus, der das einfach nicht glauben
konnte.
"Ich sagte ja schon vorhin, ihr werdet mir höchstwahrscheinlich
nicht glauben, doch es ist die reine Wahrheit. Kermit, es gibt Dinge zwischen
Himmel und Erde die mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen sind."
Peter mischte sich ein. "Kermit, denk doch nur an meinen Vater. Du
hast doch selbst schon mehr als einmal unglaubliche Dinge gesehen. Und
ich...." er stockte.
Kermit hob die Hände hoch. "Schon gut, schon gut, ich bin bereit
mir alles anzuhören."
Kes schenkte ihm ein halbes Lächeln. "Danke Kermit."
"Also nun noch mal von vorne Kes, was hat
es mit dieser Frau auf sich, woher kennst du sie, hat es etwas mit Sanders
zu tun und wie bist du in die Geschichte verwickelt."
Kes konnte nicht anders und mußte lachen. "Ziemlich viele Fragen
auf einmal. Ich werde versuchen sie so gut wie möglich zu beantworten,
und noch eines: Was ihr hier seht oder hört muß unter uns bleiben,
kein Wort nach draußen, auch nicht zum Captain."
"Du verlangst da einiges von uns Kes," beschwerte sich Peter.
"Wenn es wichtig für den Fall ist, dann wäre das böswillige
Verschweigung von Beweisen."
"Peter, es ist für den Fall wichtig, aber nicht so wie du das
denkst. Allerdings sage ich kein Wort mehr wenn ihr mir nicht versprecht,
daß das hier unter uns bleibt und außerdem sind nur wir drei
an dem Fall dran, warum also das hier weiter geben? Es würde nur
zu Verwirrungen führen, wichtig ist nur, daß Sanders wieder
hinter Gittern kommt."
Sowohl Kermit als auch Peter merkten Kes an, daß
es ihr todernst war mit dem was sie sagte. Schließlich willigten
sie ein und versprachen ihr nichts nach draußen dringen zu lassen.
Kes seufzte erleichtert und lehnte sich zurück,
dann begann sie zu sprechen.
"Ich traf Sarah zum ersten Mal auf einer Tagung in Denver vor ungefähr
zwei Jahren. Sie leitete den Kongreß. Wir kamen dort ins Gespräch
und verstanden uns gut. Dort erfuhr ich auch, daß die eine Bethra
war. Das ist eine Art Kult der sich mit der weißen Magie und dem
Mond beschäftigt. Eigentlich nichts weltbewegendes, mehr eine Spielerei,
die sie jedoch sehr ernst nahm. Es gibt nicht viele "wirkliche"
Bethra, die sind so selten wie ein Eisblock in der Hölle. Die meisten
beschränkten sich darauf ihre Zaubertränke zu brauen und Sprüche
aufzusagen, meist ohne Wirkung.
Sarah gehörte zu den wenigen, die tatsächlich weiter reichende
Kräfte besaß. Sie besaß die Gabe in die Zukunft zu sehen,
konnte es allerdings nicht kontrollieren, außerdem war sie in der
Lage Gegenstände zu bewegen indem sie sie einfach nur anschaute.
Wir blieben die ganze Zeit lose in Kontakt bis sie mich vor ungefähr
einem Jahr sehr aufgeregt anrief.
Sie meinte zu mir, sie hätte eine Vision gehabt über einen Mann
und einen Stein und dieser Mann müßte unbedingt aufgehalten
und der Stein vernichtet werden."
"Was für ein Stein?" fragte Peter
dazwischen.
"In der Mythologie ist es als Merlins Stern bekannt." Gab Kes
zurück.
Nun mischte sich Kermit ein. "Von dem habe ich schon einmal etwas
gehört. Es ist ein Edelstein der unwahrscheinliche Kräfte in
sich bergen soll. Es heißt, daß die Person die ihn besitzt
und weiß wie sie ihn aktivieren kann sämtliche Macht dieser
Welt in Händen birgt. Doch das ist nur eine Sage."
Kes schaute ihn sehr ernst an. "Das hast du gut zusammen gefaßt
Kermit. Doch es ist nicht nur eine Sage, es gibt den Stein tatsächlich."
"Und woher willst du das wissen?" fragte Kermit.
"Weil ich ihn schon gesehen habe und auch weiß wer ihn hat."
Erwiderte sie einfach.
Für einen Moment herrschte tödliche Stille.
Es fiel nur ein Wort von Peter. "Sanders."
"Richtig Peter. Es war purer Zufall, daß ich da dahinter kam.
Ich war nämlich bei Sanders eingeschleust und habe gesehen wie er
den Stein aus dem Tresor holte. Ich habe sofort gewußt was es war.
Zum Glück wußte Sanders nicht genau was er da in den Händen
hielt, doch wie ich anhand von Sarah sah, hat er nachgeforscht."
"Wow, wow nun mal langsam Kes. Ich komme nicht mehr ganz mit, bitte
erzähle mal der Reihe nach. Was passierte nach Sarahs Anruf bei dir."
Meldete sich Kermit.
"Sorry, wir sind abgeschweift. Also, Sarah
hat mich angerufen und teilte mir das vorher erwähnte mit. Meine
Innere Stimme sagte mir, daß Sarah allen Grund dazu hatte ängstlich
zu sein. Leider konnte sie mir nicht allzu viele Informationen geben,
die es mir leichter gemacht hätten, doch ich wußte daß
ich mich auf die Suche machen mußte.
Meine damaligen Arbeitgeber waren nicht sehr begeistert darüber,
sie meinten ich würde einem Hirngespinst hinterher jagen und ich
sollte mich lieber mit den aktuellen Fällen beschäftigen. Daraufhin
kündigte ich und machte mich auf die Suche.
Ich telefonierte oft mit Sarah, doch sie hatte nie wieder eine Vision
in der Richtung. Selbst mit Hilfe von mir konnten wir nichts weiter erreichen.
So kam es, daß ich ein halbes Jahr einem Mythos nachjagte und irgend
wann selber dachte, es würde ihn nicht geben.
Ich beschloß die Suche danach aufzugeben und bin in den Polizeidienst
eingetreten. Der Fall Sanders landete auf meinem Schreibtisch. Ich wurde
als Undercover Agent eingesetzt und es gelang mir ziemlich nahe an Sanders
heran zu kommen.
So sah ich ihn auch eines Tages den Stein aus dem Tresor nehmen. Ich beschloß
dann Sanders wegen seiner anderen Delikte auffliegen zu lassen und mir
dann den Stein zu holen um ihn endgültig zu vernichten, er ist zu
kraftvoll, als daß man ihn weiter existieren lassen kann, so sehr
mir das auch Leid tut, denn in der Hand eines guten Menschen könnte
er viel Leid auf dieser Welt lindern.
Leider hat der Stein aber auch die unangenehme Eigenschaft, daß
er sich negativ auf den Besitzer auswirkt, so daß selbst die reinste
Seele mit der Zeit vergiftet wird und das Unglück seinen Lauf nehmen
würde."
"Kes, nun schweifst du wieder ab," beschwerte
sich Peter.
"Du hast recht. Okay, also ich beschloß Sanders auffliegen
zu lassen und bereitete alles in diese Richtung vor. Dann machte ich wohl
einen Fehler, den Sanders auf mich aufmerksam werden ließ. Ich schickte
nämlich Sarah ein Foto von Sanders um sicher zu sein, daß er
der Mann war den sie in ihrer Vision gesehen hatte. Ich denke das ist
nämlich der Punkt wo er mir auf die Schliche kam, anders kann ich
mir auch nicht erklären wie Sarah hierher kommt. Denver ist ziemlich
weit von Sloanville weg.
Aber nun weiter.... also es gelang mit Sanders eine Falle zu stellen und
die schnappte auch zu. Wie ihr wißt wurde Sanders der Prozeß
gemacht und er kam hinter Gittern. Ich war ziemlich froh darüber
dem Mann das Handwerk gelegt zu haben und gleichzeitig noch mein persönliches
Ziel zu erreichen, doch meine Freude weilte nur kurz. Als ich nämlich
zurück in Sanders Haus schlich um mir den Stein zu greifen, war er
nicht mehr da. Durch meine Dummheit mit dem Foto muß er wohl dahinter
gekommen sein, daß der Stein mehr wert war als nur den Preis für
einen Edelstein.
Wenig später gelang es Sanders zu fliehen,
aber das wißt ihr ja auch schon. Was ihr nicht wißt, aber
ahnt, ist, daß es ihm gelungen ist mich zu schnappen. Meine schlimmste
Befürchtung wurde wahr, er wußte über den Stein tatsächlich
bescheid und er wußte auch, daß ich das Wissen dazu hatte
den Stein zu aktivieren. Ich habe bis heute noch keine Ahnung woher er
das wußte, aber nun kann ich es mir denken. Ich nehme an, daß
er damals schon Sarah in der Gewalt hatte und sie ihm alles verraten hat.
Um es kurz zu machen hat er alles versucht mich zum Reden zu bringen.
Ich blieb stumm und widerstand seiner Folter. Das Schicksal wollte es,
daß er mir gelang zu fliehen und nun bin ich hier. Ende der Geschichte."
Minutenlang herrschte völlige Stille im Raum.
Die beiden Männer mußten erst einmal verdauen was sie da gehört
hatten. Kes konnte es ihnen nicht verdenken, sie war sich nicht sicher
ob sie es geglaubt hätte wenn ihr jemand so etwas erzählen würde.
Leider entsprach das alles vollkommen der Wahrheit.
"Was hat Sanders mit dir angestellt?"
ließ sich Kermit schließlich vernehmen, die Hände zu
Fäusten geballt. An dem Abend als er sie ins Bett gebracht hatte,
hatte er die Striemen auf ihrem Körper gesehen die sie immer an diese
schreckliche Zeit erinnern würde. Unglaubliche Wut auf diesen perversen
Mann wallte in ihm auf, er hätte ihn zu gerne in die Finger bekommen.
"Kermit, darüber möchte ich nicht sprechen. Es tut auch
nichts zur Sache," erwiderte sie, plötzlich kalkweiß werdend.
Peter wechselte schnell das Thema, er merkte wie schwer Kes mit der Erinnerung,
die noch allzu frisch war, zu kämpfen hatte.
"Du hast uns aber immer noch nicht verraten
wer du wirklich bis Kes. Alle Nachforschungen über dich sind im Sande
verlaufen," bekannte er freimütig.
"Ich bin tatsächlich Polizistin Peter."
"Und vorher? Du erwähntest, du arbeitest erst seit einem halben
Jahr bei der Polizei."
"Vorher war ich Sonderbeauftragte für Okkultismus und Mythologie
für eine bestimmte Abteilung die ich euch nicht nennen kann. Bitte
forscht in dieser Richtung auch nicht nach, sämtliche Beweise, daß
ich dort einmal gearbeitet habe wurden eh gelöscht."
"Gibt es so eine Abteilung tatsächlich?"
"Natürlich, was dachtest du denn Kermit?"
"Also wenn ich das richtig verstehe, dann warst du eine Art moderner
Geisterjäger?" erkundigte sich Peter, der das noch nicht ganz
begreifen konnte.
"Wenn du es so sehen möchtest, ja."
"Wie bist du in so eine Abteilung gekommen?" wollte Peter wissen.
"Ich wurde rekrutiert als ich fast noch ein Kind war, aber nun Schluß
mit den Fragen in der Richtung, mehr darf ich darüber wirklich nicht
sagen."
Erneut herrschte ein Moment des Schweigens bis
sich Kermit meldete.
"Also gut, du hast uns hier eine fast unglaubliche Geschichte aufgetischt.
Ich muß sagen, daß ich sehr große Probleme habe dir
das zu glauben, obwohl ich auf der anderen Seite zugeben muß, daß
man sich das fast nicht ausdenken kann. Für mich stellt sich nun
die Frage wie du das alles beweisen willst. Außerdem was bedeuten
diese komischen Zeichen auf dem Rücken der Leiche?"
Sarah bückte sich und zog das Buch hervor,
das sie vorher unter die Couch geschoben hatte und schlug es auf. Beide
blickten auf die aufgeschlagene Seite. Sarah zog noch die Zeichnung davor
und legte sie daneben. Es war eindeutig, daß die Zeichnung von ihr
und die Zeichen die sich im Buch befanden gleich waren. Auf der anderen
Seite war ein Text zu lesen der in einer fremden Sprache abgefaßt
worden, und daher für sie unverständlich war.
"Schön und gut, und was bedeutet das?" wollte Kermit wissen.
Kes grinste leicht. "Ach, sag bloß du kannst das nicht lesen?"
versuchte sie zu scherzen. Ein böser Blick seitens Kermit ließ
sie schnell wieder ernst werden.
"Das Buch ist schon sehr alt und die Sprache
in der es geschrieben wurde ebenfalls. Der Text besagt, daß dies
ein Ritual für einen Zauberspruch ist, der die hm... sagen wir mal
.... Tore öffnen soll. Zum Glück hat er sich den falschen Spruch
heraus gesucht und außerdem würde es selbst mit dem richtigen
Spruch so auch nicht funktionieren."
"Ein Spruch in Menschenhaut geritzt? Unglaublich."
"So unglaublich auch wieder nicht. Du mußt bedenken, daß
diese Rituale schon sehr alt sind, die Menschen waren damals nicht so
zimperlich wie wir es heutzutage sind. Denk nur an all die vielen Menschenopfer
in vergangenen Zeiten als man noch den Göttern geopfert hat."
"Also mich würde interessieren woher
du in der Lage bist diese Sprache überhaupt zu lesen wenn sie wirklich
so alt ist wie du sagst. Meines Wissens nach wird das nicht auf einem
College unterrichtet." Erkundigte sich Peter.
Kes zuckte mit den Schultern. "Ich kann es eben."
"Was mich zu der folgenden Frage bringt wer oder was du bist Kes."
Meinte Kermit.
Kes zuckte leicht zusammen und senkte den Blick. "Ich bin eine Frau
Kermit, eine ganz normale Frau."
"Eine Frau mit außergewöhnlichen Talenten nehme ich an,"
warf Peter sanft ein, der bemerkte wie schwer er Kes plötzlich fiel
zu reden.
"Ja," erwiderte sie leise. "So kann man es sehen. Zum Beispiel
habe ich diese Sprache nie gelernt, ich kann sie einfach. Die gesamten
alten Sprachen stellen für mich so gut wie kein Problem dar."
Kermit seufzte leise. "Du kannst uns hier
zwar sagen, daß du diese, wie auch immer, Sprache verstehst, doch
nachprüfen können wir auch das nicht. Hast du nur irgend einen
Beweis, damit wir dir wirklich glauben können. Laß doch ein
Kissen durch die Luft fliegen oder etwas in der Richtung, dann würdest
du auf mich eventuell glaubwürdiger wirken." Versetzte er scharf.
Das alles ging über sein normales Denken hinaus, er war ein Mann
der sich schon immer lieber mit Fakten und Zahlen herum geschlagen hatte,
eben handfesten Dingen und nicht mit solchen okkulten Dingen wie diesen.
Viel lieber würde er jetzt eine Revolution in einem schmutzigen Ort
in der dritten Welt planen, als hier neben Kes zu sitzen.
"Kermit!" rief Peter aus. Er hatte den
verletzen Blick von Kes sehr wohl bemerkt. Zugegeben, auch er hatte Probleme
das Ganze zu verdauen, doch seine Sinne teilten ihm mit, daß Kes
in allen Dingen die Wahrheit gesprochen hatte. Während der gesamten
Zeit hatte er nämlich sein Shaolin Bewußtsein schweifen lassen
und war so in der Lage gewesen wesentlich mehr zu Empfangen, als es Kermit
möglich war.
Kermit dachte in dem Moment nicht aufzuhören.
Seine aufgestaute Energie mußte einfach heraus. "Erklär
mich doch zum Beispiel warum du Nickie abgeraten hast die Leiche zu untersuchen,
welches schmutzige Geheimnis soll unentdeckt bleiben?"
"Weil ich vermute, daß Sarah noch in irgend einer Art und Weise
an ihren weltlichen Körper gebunden ist. Du hast doch mitbekommen
was geschehen ist. Würde Nickie sich an ihr zu schaffen machen, würde
sie sich verteidigen." Schleuderte sie ihm entgegen.
"Ach nun komm mir doch nicht mit solch einem Mumpitz daher,"
entgegnete Kermit. "Das kannst du deiner Großmutter erzählen
aber nicht mir. Die Akten sind von ganz alleine vom Tisch gefallen."
"Das glaube ich weniger, es war Sarah, da bin ich mir sicher."
"Ich habe gesehen wie du ein Zeichen gemacht
hast als wir uns alle dem Schreibtisch zugewandt haben, hat das was damit
zu tun?" Warf Peter sanft ein, der die beiden wieder beruhigen wollte.
Sarah sah ihn ehrlich überrascht an. "Das hast du mitbekommen?
Wie? Ach so, Shaolin daran hätte ich denken sollen." Gab sie
sich die Antwort selber.
Sie nahm einen Schluck von ihrem inzwischen kalt gewordenen Kaffe und
fuhr fort. "Du hast ganz recht Peter, ich habe tatsächlich ein,
wie du es nennst, Zeichen gemacht. Ich habe Sarah dadurch wissen lassen,
daß ich hier bin und gleichzeitig den Energiefluß unterbunden."
"Ja klar. Die junge Dame wedelt ein wenig in der Luft herum und gut
ist es. Nennst du das einen Beweis? Ich nicht, zumal ich es nicht gesehen
habe." Konnte sich Kermit nicht verkneifen zu sagen.
Kes warf ihm einen undefinierbaren Seitenblick zu. "Das hättest
du nicht einmal gesehen, selbst wenn du mich direkt angesehen hättest
lieber Kermit, dazu bist du nämlich viel zu verbohrt."
"Ich? Ganz sicher nicht, aber ich neige nun mal dazu nur das zu glauben
was ich auch sehe. Du bist uns nach wie vor einen Beweis schuldig. Mach
doch mal was magisches sofern du es kannst. Ich glaube nämlich noch
immer, daß du uns hier einen riesigen Bären aufbindest um dich
interessant zu machen was du mit deinem äußeren Erscheinungsbild
wohl nicht schaffst." Triezte Kermit weiter.
Diesmal hatte Kermit es geschafft Kes richtig böse
zu machen. Mit diesen wenigen Worten hatte er sie tief verletzt, das konnte
Peter unschwer erkennen. Peter holte tief Luft und konzentrierte sich.
Er spürte, wie sich eine heftige Spannung in dem Raum aufbaute, er
schien als ob die Luft plötzlich elektrisch geladen sei und er hoffte,
daß er das schlimmste verhindern konnte falls Kes wirklich so kurz
vor dem Ausflippen stand wie er annahm.
Da sprang Kes auch schon auf die Beine, zitternd
vor Wut.
"So, du willst also Beweise. Was soll es denn sein Froschgesicht.
Ein paar herumfliegende Bücher, schwebende Kissen, Feuer, angehende
Elektrogräte, Materialisierungen, Temperaturschwankungen?"
Kermit, der nun ebenfalls bemerkte daß sich die Spannung im Raum
deutlich erhöht hatte, sprang ebenfalls auf die Füße.
In einer beruhigenden Geste streckte er die Hand nach ihr aus. Ihm war
deutlich bewußt, daß er den Bogen gerade ziemlich weit überspannt
hatte, außerdem hatte er entdeckt wie die Bilder an der Wand zu
zittern anfingen. Kes wich unwillkürlich vor ihm zurück.
"Faß mich ja nicht an!" schrie
sie ihm entgegen.
Kermit ließ seine Hand sinken. "Okay schon gut Kes, ich will
dir nichts tun. Beruhige dich bitte wieder, es ist alles in Ordnung."
"Nichts ist in Ordnung, warum hast du mich so weit gebracht Kermit!"
das hörte sich mehr wie ein Hilfeschrei an in seinen Ohren.
Zwei der Bilder lösten sich jetzt von der Wand und schwirrten quer
durch den Raum um an der gegenüberliegenden Seite zu zerschellen.
Zeitgleich loderte Feuer im Kamin auf und das obwohl kein Holz darin lag.
Kes Zittern verstärkte sich. Sie keuchte und
ging in die Knie. Schweiß stand ihr auf der Stirn , er lief in kleinen
Bächen an ihrem Gesicht herunter.
"Verschwindet von hier... Sofort! Ich habe es nicht mehr unter Kontrolle,"
quetschte sie zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Die nächsten Bilder lösten sich von der Wand, folgten dem Pfad
der anderen. Der große schwere Eichenschrank an der Seite begann
zu zittern, Schubladen öffneten und schlossen sich.
Die beiden Männer blieben wie angewurzelt auf der Stelle stehen.
Sie waren viel zu geschockt um sich zu bewegen. Selbst wenn sie gewollt
hätten, keiner von beiden wäre in der Lage gewesen das Zimmer
zu verlassen.
Kes schlang in einer verzweifelten Geste die Arme
um ihren Körper. "Bitte, verschwindet solange ihr noch könnt,"
rief sie voller Angst.
Ein Wind kam auf, der die Tassen auf dem Tisch in die Höhe wirbelte
und sie direkt über ihren Köpfen tanzen lies. Einige der Tropfen
des kalten Kaffees erwischten Peter und ließen ihn aus seiner Erstarrung
schrecken.
Peter handelte rein instinktiv. Ihm war, als würde
Jemand anderes die Gewalt über ihn übernehmen, plötzlich
wußte er was er zu tun hatte.
Mit einem großen Schritt überbrückte er die Entfernung
zu Kes und sank vor ihr in die Knie. "Nein!" schrie Kes voller
Angst auf, wollte zurück weichen. Peter war schneller als sie, mit
beiden Händen umfaßte er ihr Gesicht und hielt es in einem
schraubstockartigen Griff gefangen.
Peter konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als ihn die gewaltige
Energie erfaßte die von Kes ausging. Ihm war so als hätte er
direkt in eine Steckdose gefaßt und der Strom floß nun mit
voller Wucht durch seinen Körper.
"Kes, sieh mich an, schau mir in die Augen!" schrie er sie an.
Er spürte wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten und schnappte
nach Luft, die ihm wegzubleiben drohte. "Peter, geh weg von mir,
es wird dich umbringen," keuchte sie, nicht fähig sich aus seinem
harten Griff zu lösen.
"Nein Kes, sieh mir in die Augen!" befahl er ein weiteres Mal.
Sie tat es nicht und das Toben dauerte an.
Die Schubladen der Kommode wurden aus ihrer Verankerung
gerissen und der Inhalt wurde wild durch die Luft geschleudert. Er grenzte
schon an ein Wunder, daß keiner der drei von dem umherfliegenden
Gegenständen getroffen wurde. Die Deckenlampe fing an hin und her
zu schwingen, obwohl sie fest in der Decke verankert war. Gleichzeitig
fingen die Birnen an zu glühen, wurden beständig heller und
heller.
In purer Verzweiflung holte Peter aus und versetzte
ihr eine kräftige Ohrfeige. Diese Tat drang endlich durch den dichten
Nebel um Kes Gehirn zu ihr durch. Peter riß hart ihren Kopf zu sich
heran und schrie noch einmal. "Schau mir in die Augen!"
Diesmal tat sie es. Peter wußte in dem Moment, daß er diesen
Blick nie in seinem Leben vergessen würde. Er ging ihm durch und
durch, schien ihn mitzureißen in die tiefste Dunkelheit.
Schmerz, Angst, Wut, Verzweiflung, Panik, der blanke Wahnsinn, das alte
Wissen der Vergangenheit, all das spiegelte sich in ihren Augen wieder.
Wie von selbst begann er zu sprechen. Er wußte
selber nicht genau was er da von sich gab. Er rezitierte einen Spruch
in einer fremden Sprache, die er nicht verstand. Jemand anderes hatte
vollkommen die Leitung übernommen, er war nur noch das ausführende
Objekt. Dennoch spürte Peter, daß er dieser fremden Macht vertrauen
konnte und gab ihr vollen Zugang auf sein Chi, wehrte sich nicht dagegen.
Für ihn existierten nur noch diese in Panik weit aufgerissenen Augen
die ihn vollkommen in den Bann schlugen. Immer und immer wieder wiederholte
er den Spruch. Er fühlte sich, als wäre er in einem vollkommenen
Vakuum, er wußte nicht einmal mehr ob er tatsächlich atmete
oder nicht. Was um sie herum geschah bekam er nicht mehr mit, ebensowenig
wie sie.
So schnell wie es begonnen hatte, so schnell war
es plötzlich wieder vorbei. Als hätte Jemand die Leitung gekappt
wurde er von einem Moment zum anderen vollkommen still um sie herum. Peter
spürte wie diese fremde Macht seinen Körper verließ. In
Zeitlupe ließ er seine Hände sinken. Auch Kes schien sich zu
verändern, der Ausdruck wilder Panik verschwand aus ihren Zügen,
statt dessen schimmerten Tränen in ihren Augen.
Sie brauchten alle drei eine Weile bis sie begriffen, daß dieser
Wahnsinn vorbei war.
Kes kippte einfach nach Vorne über und fing
an herzzerreißend zu schluchzen. Ihr gesamter Körper bebte
von der Heftigkeit ihres Weinens. Peter tat das einzige, was ihm in diesem
Moment einfiel. Er zog sie halb an sich und nahm sie in die Arme. Ganz
vorsichtig strich er ihr über die Haare und flüsterte ihr beruhigende
Worte ins Ohr. "Pscht Kleines, ganz ruhig, es ist alles vorbei."
Zwischen ihren Heulkrämpfen versuchte sie zu sprechen. "W..
w.. warum Peter... warum hat er mir d... d... das angetan?"
Peter straffte sich ein wenig. "Schon gut Kes, es war keine Absicht
von ihm. Er hat es nicht gewußt."
"Was habe i... i....ich ihm getan?"
"Pscht Kleines, nicht reden. Sei ganz ruhig," redete er in seiner
monotonsten Stimme auf sie ein. Peter versuchte sich so gut es ging zu
sammeln, er fand seine Mitte und konzentrierte sich darauf heilende Energie
von seinen Händen auf sie überfließen zu lassen ohne sein
Chi zu überpowern.
Allmählich wurde ihr Schluchzen leiser und
weniger. Schließlich lag sie nur noch erschöpft an seiner Brust.
"Mir ist so kalt... so unsäglich kalt," flüsterte
sie.
"Schon gut Kleines, ich bin hier, ich wärme dich. Laß
dich fallen." Wisperte Peter in ihr Ohr. Sein Griff um ihren zitternden
Körper verstärkte sich. Eine Decke wurde um sie gelegt. Peter
blickte auf und sah in die besorgten Augen seines Freundes.
Kermit blutete über der rechten Augebraue, doch das schien er gar
nicht zu bemerken. Wichtig waren ihm jetzt nur die zwei Menschen die wie
ein Häufchen Elend auf dem Boden kauerten.
"Es tut mir so leid Peter," brachte er mühsam hervor. Daß
Kermit sich die heftigsten Vorwürfe machte war nicht zu übersehen.
Peter zog die Decke über Kes bevor er ihm antwortete.
"Sag das nicht mir, sag das ihr." Seine Worte klangen hart und
zeigten Wirkung bei Kermit, der sichtlich blaß wurde. "Ich
bin wohl der letzte Mensch auf Erden mit dem Kes jetzt reden möchte.
Kann ich irgend etwas für euch tun?" war alles was Kermit hervorbrachte.
"Ja, laß uns einfach in Ruhe," lautete die Unversöhnliche
Antwort Peters.
Kermit machte auf dem Absatz kehrt und setzte sich
stumm auf das Sofa, von Selbstvorwürfen förmlich zerfressen.
Er konnte Peter keinen Vorwurf machen, daß dieser auf ihn wütend
war. Schließlich war alles was hier passiert war sein Fehler.
Erneut hatte er nach allen Regeln der Kunst versagt. Paul Blaisdel würde
ihm bei lebendigem Leibe das Herz heraus reißen wenn er wüßte
in welch gefährliche Situation er Peter gebracht hatte. Er hatte
versprochen auf seinen Adoptivsohn aufzupassen während Paul auf seiner
Mission unterwegs war, und das war nun das Ergebnis. Dem starken, harten,
kampferprobten Ex-Söldner Kermit Griffin zitterten die Hände.
Peter beschränkte sich darauf im stetigen
Rhythmus mit einer Hand über Kes Rücken zu streichen. Tatsächlich
beruhigte sich Kes zusehends unter seinen streichelnden Händen. Langsam
aber sicher wurde ihr Atem beständiger und sie schlang nun ihrerseits
die Arme um seine schmale Taille. Mit zwei Fingern hob Peter zärtlich
ihr Kinn an, damit er ihr in die Augen schauen konnte. Traurige Augen
blickten zu ihm hoch.
"Na Kleines, geht es wieder?" fragte er sanft.
Kes horchte in sich hinein. "Ich glaube schon," flüsterte
sie leise bevor sie mit einem leisen Seufzen wieder den Kopf auf seine
Brust sinken ließ.
Peter hielt sie noch eine ganze Weile fest, bis
er sicher war, daß sie sich vollkommen beruhigt war. Dann löste
er sich vorsichtig aus ihrer sanften Umarmung, nahm ihre Hände in
die seinen und stand auf.
"Hoch mit dir Kes, Zeit um schlafen zu gehen," sagte er so munter
wie er konnte.
Kes gab dem Zug um ihre Handgelenke nach und kam ebenfalls auf die Beine.
Schwankend blieb sie stehen. Sie mußte sich schwer an ihn lehnen
um das Gleichgewicht zu finden. Bleierne Müdigkeit übermannte
ihren Körper. Auch er merkte nun wie ausgelaugt er sich fühlte.
Kes ließ sich von ihm ohne Widerspruch zu ihrem Schlafzimmer führen.
Kermit beachtete er mit keinem Blick.
Vor dem Bett blieb sie stehen und schaute ihn ängstlich
an. "Peter, versteh mich nicht falsch, aber ich möchte jetzt
nicht alleine sein."
"Das ist absolut in Ordnung Kes. Ich bleibe bei dir."
"Danke," war alles was sie hervorbrachte.
Schon halb im Schlaf bekam sie mit wie er sie sanft in die Kissen bettete
und sich dann neben sie legte. Das einzige was sie noch wahr nahm waren
starke Arme die sie sanft und beschützend fest hielten und dann fiel
sie in die bodenlose Tiefe des Schlafes. Es dauerte nur ein paar Sekunden
bis Peter ihr folgte.
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