2. Teil
Autor: Fu-Dragon

 

Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen und sie waren so gut wie keinen Schritt weiter gekommen. Abgesehen von diesem einen denkwürdigen Abend hatte sich Kes nicht mehr von ihrer schwachen Seite gezeigt. Ihr Verhältnis mit Kermit konnte nach wie vor als angespannt bezeichnet werden, während sie sich mit Peter deutlich besser verstand.

Das einzige was sich in den zwei Wochen deutlich verbessert hatte war Kes Gesundheitszustand. Sie war längst nicht mehr so schwach wie am Anfang , die Prellungen in ihrem Gesicht waren abgeheilt und das einzige äußere Anzeichen, daß sie je Verletzt gewesen war, war nach wie vor ihr leichtes Humpeln. Peter hatte es dann doch übernommen mit ihr die Krankengymnastik durchzuführen, die sehr gut angeschlagen hatte, zumal er die Übungen auch mit einigen Kung Fu Moves erweitert hatte. Zusätzlich hatte er ihr diverse Tees verabreicht, die Lo Si für sie zubereitet hatte.

Da sein Vater noch immer unterwegs war, hatte ihn Kes gezwungener Maßen öfters in den Dojo begleitet und ihm zugeschaut als er die Studenten seines Vater unterrichtete. Er bemerkte schnell ihr Interesse an dieser Kampfsportart, so war es auch zu der Erweiterung der Krankengymnastik gekommen. Seltsamerweise bekam Peter das Gefühl nicht los, daß Kes da genau wußte was sie tat, auch wenn sie das ihm gegenüber verneinte. Er hatte noch nie jemanden erlebt, der die Übungen so schnell verinnerlichte und auch ausführen konnte, das kam ihm ziemlich seltsam vor. Das einzige das sie rigoros abgelehnt hatte war, sich von ihm in die Meditation einführen zu lassen, er war der Meinung gewesen, daß das ihrer Gesundheit um einiges mehr helfen konnte, da er ihre innerliche Zerrissenheit deutlich wahr nehmen konnte, doch in diesem Punkt war sie stur geblieben. Noch ein Punkt, der ihm seltsam vorkam.
Je mehr Peter darüber nachdachte desto mehr Szenen der vergangenen zwei Wochen schossen ihm durch den Kopf in denen sie seltsam reagiert hatte.

Peter wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen als Skalany ihn ansprach.
"Peter, sie haben eine Frauenleiche gefunden, die solltet ihr euch mal ansehen."
Mit einem Mal war Peter voll da.
"Wann und wo?"
"Direkt am Hafen, eine mollige junge Frau die ziemlich übel aussieht wie Nickie mir mitteilte. Er erwartet euch in der Leichenhalle."
"Danke Mary Margret," war Peter Erwiderung der sich schon auf dem Weg in Kermits Büro befand.

Wie so oft in der letzten Zeit fand er Kermit und Kes inmitten eines Streitgesprächs. Beide unterbrachen abrupt ihre Unterhaltung als er in das Büro stürmte.
"Wir haben eine Frauenleiche, kommt mit." rief Peter und drehte sich schon wieder auf dem Absatz um.
Innerhalb weniger Sekunden folgten ihm Kermit und Kes. Es dauerte nicht lange bis sie in Kermits Corvette das Leichenschauhaus erreichten.
Nickie Elder erwartete sie schon in der Halle. Peter stellte Kes kurz vor und das Vierergespann begab sich in Richtung der Leichenhalle. Nickie nutzte die Zeit um ihnen mitzuteilen wo genau und wie sie die unbekannte Leiche gefunden hatten.

Kurz bevor sie eintraten konnte sich Kermit einen Kommentar nicht verkneifen.
"Es ist besser für dich Kes wenn du hier draußen wartest, eine Wasserleiche ist kein schöner Anblick für eine empfindsame Frauenseele."
Kes schoß ihm einen eiskalten Blick zu. "Danke für ihre Fürsorglichkeit Detective Griffin. Aber ich bin sehr wohl in der Lage diesen Anblick zu verkraften, es ist nicht die erste Leiche die ich zu Gesicht bekomme, vielleicht sollten sie besser hier draußen bleiben, wer weiß welche Auswirkungen das auf sie hat." Gab sie mit zuckersüßer Stimme zurück.

Nickie fiel die Kinnlade herunter bei dieser Unterhaltung. Hilfesuchend blickte er zu Peter, der halb verzweifelt den Kopf schüttelte. Daher unterließ es Nickie nachzuhaken. Bevor Kermit zu einer Erwiderung ansetzen konnte, trat Peter dazwischen.
"Könntet ihr mal für einen Augenblick eure Streitigkeiten beiseite legen und euch auf das wesentliche konzentrieren?"
Das half. Fast einträchtig betraten sie die Leichenhalle. Nickie trat an eine der großen Kühlfächer heran und öffnete es.
Peter konnte nicht verhindern, daß sich ihm der Magen umdrehte. Der Geruch von Formaldehyd und Verwesung als auch der typische Blutgeruch trug nicht gerade bei ihm dazu bei, daß er sich wohlfühlte.

Kermit und Kes hingegen schien das absolut nichts auszumachen. Es war Kes die das Leichentuch zurück schlug.
Der Anblick der Frau war wirklich nicht schön.
Dadurch daß sie laut Nickis Aussage schon mehrere Tage im Wasser gelegen hatte, war der gesamte Körper aufgedunsen und die körperliche Farbe driftete mehr ins grünliche da wo sie nicht durch schwarze Quetschungen und Prellungen entstellt war, außerdem roch sie bestialisch nach Verwesung, was auch das Formaldehyd nicht ausgleichen konnte. Hinzu kam, daß die Fische schon angefangen hatten sie anzuknabbern, so daß speziell in ihrem Gesicht schon einige Hautfetzen fehlten.

"Hast du eine Ahnung woran sie genau gestorben ist?" erkundigte sich Kermit.
"Ertrunken ist sie jedenfalls nicht, mehr kann ich dir erst sagen wenn ich die Leiche untersucht habe. Sie ist vorhin erst herein gekommen und ich dachte ich warte auf euch bevor ich damit anfange." Erwiderte Nickie.
"Dann nehme ich an weißt du auch nicht wer das ist?"
"Nein leider nicht. Ich hoffe aber anhand der Gebissabdrücke mehr darüber zu erfahren, von ihrem Gesicht ist ja nicht mehr so viel übrig."

Peter bemerkte als erster wie Kes immer blasser wurde. Spontan trat er an ihre Seite und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Kes ich denke es ist doch besser wenn du draußen auf uns wartest."
Diese schüttelte vehement den Kopf und trat noch näher an die Leiche heran. Erstaunt schauten die drei zu, wie sie sich über die Frau beugte und ganz genau ihr entstelltes Gesicht betrachtete. Sie hob die Hand und schob die geschlossenen Lider der Frau in die Höhe. Endlose Sekunden starrte sie in die leblosen Augen. Alle drei sahen wie sie zusammen zuckte. Kes schien halb in Trance zu sein, als sie dann nach dem rechten Handgelenk der Frau griff und es umdrehte. Direkt am Handgelenk der toten Frau war ein kleines Zeichen, kaum mehr richtig zu erkennen, eingebrannt.
"Sarah," flüsterte Kes in diesem Moment. "Mein Gott."

Peter, der sah wie Kes bedenklich schwankte griff schnell zu und stützte sie. "Du kennst die Frau?" erkundigte er sich vorsichtig.
Sie nickte langsam und holte tief Atem. "Ja, das hier ist....war Sarah Flint."
"Woher kennst du sie?" hakte er nach.
Kes schüttelte den Kopf. "Nicht jetzt Peter, ich muß erst noch etwas nachschauen, hilf mir bitte sie auf den Rücken zu legen."
Nicht nur er war überrascht über Kes Stimmungswechsel. Von einer Minute zur anderen hatte sie wieder in den Polizistenmode geschaltet. Sie wirkte absolut gelassen und kühl, nicht einmal ihre Hand zitterte als sie nach der Leiche griff.
Keiner wagte in dem Moment sich ihren Anordnungen zu widersetzen, Kes schien genau zu wissen was sie tat.
Nickie half ihr die Leiche auf den Bauch zu legen. Was sie dort sahen raubte ihnen komplett den Atem. Er schien als hätte Jemand etwas mit einem scharfen Messer in den Rücken der Frau geritzt. Unzählige Striche und Linien verunstalteten den Rücken der Frau. Wenn man genauer hinsah, konnte man so etwas wie ein Muster erkennen.

"Verdammt, er hat es tatsächlich getan," hörten sie Kes murmeln.
"Was getan?" erkundigte sich Kermit.
"Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen, ich brauche ein Blatt Papier und etwas zu schreiben."
"Hör mal junge Dame, wenn es etwas zu bereden gibt, dann halte damit nicht hinter dem Berg," grollte Kermit erbost. Er haßte es im Unklaren gelassen zu werden.
Kes Stimme hatte einen rasiermesserscharfen Klang als sie sprach. "Kermit, tu mir einen Gefallen und halte dich da heraus. Ich bin mir selbst noch nicht ganz sicher was los ist und ich verspreche dir auch, daß ich euch nachher alles sage was ich weiß, aber jetzt laß mich verdammt noch mal arbeiten und misch dich nicht in etwas ein wovon du keine Ahnung hast!"

Kermit wurde einer geharnischten Antwort erhoben, da Nickie mit den gewünschten Sachen zu ihr zurück kehrte. In derselben Sekunde fielen einige Akten von Nicks Schreibtisch herunter, der am anderen Ende der Leichenhalle stand. Alle drei, außer Kes, zuckten zusammen.

"Mist, haben wir nun auch schon Geister hier," hörten sie Nickie murmeln.
"So etwas ähnliches," gab Kes zu aller Überraschung zurück.
Da aller Aufmerksamkeit sich auf Nicks Schreibtisch wandte, bekam Peter nur aus den Augenwinkeln mit, wie Kes irgend etwas mit ihren Händen machte. Er war sich nicht sicher, aber ihm war als hätte sie irgend ein Zeichen in die Luft gemalt. Er beschloß sie später darauf anzusprechen, nun wollte er sie arbeiten lassen.

Nachdem Kes die Zeichen vom Rücken der Frau abgemalt hatte gab sie Nickie die Erlaubnis die Leiche wieder in das Fach zurück zu schieben. Dann schärfte sie ihm ein, die Frau nicht ohne ihr Beisein zu untersuchen oder bevor sie ihm Bescheid gegeben hatte. Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort einfach den Raum und ließ drei vollkommen verdutzte Männer hinter sich.

"Was war denn das?" erkundigte sich Nickie. "Ich habe schon viel erlebt, aber das hier. Warum soll ich die Leiche nicht untersuchen, das ist doch mein Job."
"Keine Ahnung Nickie, aber ich habe das Gefühl, als ob du auf Kes hören solltest." Erwiderte Peter nachdenklich.
Kermit mischte sich ein. "So ein Blödsinn. Was soll schon mit der Leiche sein, die wird sicher nicht aufstehen und davon laufen wenn Nickie sie aufschneidet. Die Frau ist tot, schlicht und einfach tot."
Wiederum antwortete ihm Peter. "Ich bin mir da nicht so sicher Kermit. Sicher lebt die Frau nicht mehr, aber...." Er beendete den Satz nicht.
"Was aber? Sag bloß du glaubst den Blödsinn den Kes hier verzapft hat." Stichelte Kermit.
Peter schoß ihm einen bösen Blick entgegen. "Wart doch erst einmal ab was Kes uns zu erzählen hat, dann kannst du noch immer urteilen, oder hast du eine Erklärung weshalb plötzlich die Akten auf dem Boden landen?"
"Eine? Dutzende... angefangen von einer schlampig hingelegten Akte bis hin zu Bodenunebenheiten, was möchtest du denn gerne zuerst hören?"
Peter seufzte, er kannte Kermit zu gut, als daß er wußte, daß mit Kermit in dieser Stimmung nicht zu reden war.
"Schon gut, schon gut... belassen wir es im Moment einfach dabei. Ich denke wir sollten jetzt zu Kes gehen um heraus zu bekommen was hier los ist und du Nickie," er deutete auf ihn. "du kannst zwar tun und lassen was du willst, aber ich würde dir wirklich raten auf Kes zu hören, sie schien keine Scherze zu machen."
Nickie zuckte nur die Schultern, man merkte ihm an, daß es sich äußerst unwohl fühlte.
"Was soll es. Ob ich nun einen Tag früher oder später anfange die Leiche zu untersuchen macht auch keinen Unterschied, ich werde mich zuerst um den Namen kümmern den wir jetzt haben. Ruft mich an wenn ihr mehr darüber wißt."
"Geht in Ordnung, wir schicken dir die Unterlagen zu."

Mit diesen Worten verabschiedeten sich die beiden Detectives von Nickie und machten sich auf die Suche nach Kes, die schon am Wagen auf sie wartete, tief in die Zeichnung versunken. Auch jetzt schien sie sich äußerst professionell zu verhalten, ihre Körperhaltung als auch ihre Gehsichtszüge wirkten vollkommen ausdruckslos.
"Die Frau hat ein Herz aus Stein sage ich dir," raunte ihm Kermit zu während sie zum Wagen gingen. Peter erwiderte nichts darauf, seine Sinne teilten ihm mit, daß Kes längst nicht so ruhig war wie sie sich gab.

Auch jetzt verweigerte sich Kes über den Fall zu sprechen. Sie bestand darauf, daß sie zu ihrer Wohnung fuhren und nicht zum 101ten. Kermit und Peter stimmten wohl oder übel zu, beide verärgert darüber, daß Kes noch immer nichts zu den Vorkommnissen heraus ließ.
Während der gesamten Fahrt wurde nicht gesprochen, Kes war noch immer total in die Zeichnung vertieft und Peter als auch Kermit waren zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt.

Kaum waren sie an der Wohnung angekommen, sprang Kes aus dem Wagen und hetzte die Stufen hinauf. Peter konnte sie kurz vor der Wohnungstüre gerade noch abfangen damit Kermit seine übliche Durchsuchung der Räume durchführen konnte.
Anschließend sahen sie Kes wie ein Tiger durch die Wohnung stürmen. Sie riß diverse Schubladen und Schränke auf bis sie gefunden hatte was sie suchte. Es war ein altertümlich aussehendes Buch mit dem sie sich auf das Sofa setzte und anfing es durchzublättern, dabei murmelte sie irgend etwas vor sich hin, was weder Kermit noch Peter verstanden.

Peter seufzte leise und machte sich auf den Weg in die Küche um einen Kaffee aufzusetzen, es schien als würde das ein langer Abend werden. Er kam gerade mit drei Tassen der dampfenden Brühe zurück als er Kes ausrufen hörte: "Da ist es, ich wußte es."
"Was hast du gewußt?" hakte Kermit sofort nach, der hart an der Grenze zu seiner Geduld war.
"Moment noch, ich bin gleich soweit," murmelte sie abwesend.
Es war nur Peter zu verdanken, daß Kermit Kes nicht an den Kragen ging, da dieser ihm einfach den Kaffee in die schon nach Kes ausgestreckte Hand drückte.
Wenige Minuten später hörten sie einen erleichterten Seufzer von Kes. "Gott sei dank, es ist der falsche." Dann schlug sie das Buch wieder zu und legte es zur Seite bevor beide auch nur die Gelegenheit dazu hatten den Titel des Buches zu entziffern.

"Jetzt reicht es mir aber," lies sich Kermit gefährlich leise hören.
Kes hob in einer abwehrenden Geste die Hand.
"Tut mir leid ihr Beiden, nun können wir reden. Ich mußte nur zuerst sicher sein bevor ich euch das mitteile und ich kann nur hoffen, daß ihr das was ihr jetzt zu hören bekommt überhaupt glaubt."
Kermit der keine Lust mehr auf Spielchen hatte meinte. "Nun rück endlich mit der Sprache heraus, wer ist die Frau und was soll diese ganze Geheimnistuerei überhaupt."
Kes Blick verschleierte sich leicht. "Die Frau ist Sarah Flint wie ich schon sagte. Eine Bethra."
"Eine was?" fragte Kermit.
"Eine Bethra. Hm, das Wort Hexe würde es wohl am ehesten treffen."
"Nun hör aber auf Kes, du willst uns doch wohl nicht allen Ernstes sagen, daß die Leiche in Nicks Leichenhalle eine Hexe ist? So etwas existiert nicht." Platzte Kermit heraus, der das einfach nicht glauben konnte.
"Ich sagte ja schon vorhin, ihr werdet mir höchstwahrscheinlich nicht glauben, doch es ist die reine Wahrheit. Kermit, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde die mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen sind."
Peter mischte sich ein. "Kermit, denk doch nur an meinen Vater. Du hast doch selbst schon mehr als einmal unglaubliche Dinge gesehen. Und ich...." er stockte.
Kermit hob die Hände hoch. "Schon gut, schon gut, ich bin bereit mir alles anzuhören."
Kes schenkte ihm ein halbes Lächeln. "Danke Kermit."

"Also nun noch mal von vorne Kes, was hat es mit dieser Frau auf sich, woher kennst du sie, hat es etwas mit Sanders zu tun und wie bist du in die Geschichte verwickelt."
Kes konnte nicht anders und mußte lachen. "Ziemlich viele Fragen auf einmal. Ich werde versuchen sie so gut wie möglich zu beantworten, und noch eines: Was ihr hier seht oder hört muß unter uns bleiben, kein Wort nach draußen, auch nicht zum Captain."
"Du verlangst da einiges von uns Kes," beschwerte sich Peter. "Wenn es wichtig für den Fall ist, dann wäre das böswillige Verschweigung von Beweisen."
"Peter, es ist für den Fall wichtig, aber nicht so wie du das denkst. Allerdings sage ich kein Wort mehr wenn ihr mir nicht versprecht, daß das hier unter uns bleibt und außerdem sind nur wir drei an dem Fall dran, warum also das hier weiter geben? Es würde nur zu Verwirrungen führen, wichtig ist nur, daß Sanders wieder hinter Gittern kommt."

Sowohl Kermit als auch Peter merkten Kes an, daß es ihr todernst war mit dem was sie sagte. Schließlich willigten sie ein und versprachen ihr nichts nach draußen dringen zu lassen.

Kes seufzte erleichtert und lehnte sich zurück, dann begann sie zu sprechen.
"Ich traf Sarah zum ersten Mal auf einer Tagung in Denver vor ungefähr zwei Jahren. Sie leitete den Kongreß. Wir kamen dort ins Gespräch und verstanden uns gut. Dort erfuhr ich auch, daß die eine Bethra war. Das ist eine Art Kult der sich mit der weißen Magie und dem Mond beschäftigt. Eigentlich nichts weltbewegendes, mehr eine Spielerei, die sie jedoch sehr ernst nahm. Es gibt nicht viele "wirkliche" Bethra, die sind so selten wie ein Eisblock in der Hölle. Die meisten beschränkten sich darauf ihre Zaubertränke zu brauen und Sprüche aufzusagen, meist ohne Wirkung.
Sarah gehörte zu den wenigen, die tatsächlich weiter reichende Kräfte besaß. Sie besaß die Gabe in die Zukunft zu sehen, konnte es allerdings nicht kontrollieren, außerdem war sie in der Lage Gegenstände zu bewegen indem sie sie einfach nur anschaute. Wir blieben die ganze Zeit lose in Kontakt bis sie mich vor ungefähr einem Jahr sehr aufgeregt anrief.
Sie meinte zu mir, sie hätte eine Vision gehabt über einen Mann und einen Stein und dieser Mann müßte unbedingt aufgehalten und der Stein vernichtet werden."

"Was für ein Stein?" fragte Peter dazwischen.
"In der Mythologie ist es als Merlins Stern bekannt." Gab Kes zurück.
Nun mischte sich Kermit ein. "Von dem habe ich schon einmal etwas gehört. Es ist ein Edelstein der unwahrscheinliche Kräfte in sich bergen soll. Es heißt, daß die Person die ihn besitzt und weiß wie sie ihn aktivieren kann sämtliche Macht dieser Welt in Händen birgt. Doch das ist nur eine Sage."
Kes schaute ihn sehr ernst an. "Das hast du gut zusammen gefaßt Kermit. Doch es ist nicht nur eine Sage, es gibt den Stein tatsächlich."
"Und woher willst du das wissen?" fragte Kermit.
"Weil ich ihn schon gesehen habe und auch weiß wer ihn hat." Erwiderte sie einfach.

Für einen Moment herrschte tödliche Stille. Es fiel nur ein Wort von Peter. "Sanders."
"Richtig Peter. Es war purer Zufall, daß ich da dahinter kam. Ich war nämlich bei Sanders eingeschleust und habe gesehen wie er den Stein aus dem Tresor holte. Ich habe sofort gewußt was es war. Zum Glück wußte Sanders nicht genau was er da in den Händen hielt, doch wie ich anhand von Sarah sah, hat er nachgeforscht."
"Wow, wow nun mal langsam Kes. Ich komme nicht mehr ganz mit, bitte erzähle mal der Reihe nach. Was passierte nach Sarahs Anruf bei dir." Meldete sich Kermit.

"Sorry, wir sind abgeschweift. Also, Sarah hat mich angerufen und teilte mir das vorher erwähnte mit. Meine Innere Stimme sagte mir, daß Sarah allen Grund dazu hatte ängstlich zu sein. Leider konnte sie mir nicht allzu viele Informationen geben, die es mir leichter gemacht hätten, doch ich wußte daß ich mich auf die Suche machen mußte.
Meine damaligen Arbeitgeber waren nicht sehr begeistert darüber, sie meinten ich würde einem Hirngespinst hinterher jagen und ich sollte mich lieber mit den aktuellen Fällen beschäftigen. Daraufhin kündigte ich und machte mich auf die Suche.
Ich telefonierte oft mit Sarah, doch sie hatte nie wieder eine Vision in der Richtung. Selbst mit Hilfe von mir konnten wir nichts weiter erreichen. So kam es, daß ich ein halbes Jahr einem Mythos nachjagte und irgend wann selber dachte, es würde ihn nicht geben.

Ich beschloß die Suche danach aufzugeben und bin in den Polizeidienst eingetreten. Der Fall Sanders landete auf meinem Schreibtisch. Ich wurde als Undercover Agent eingesetzt und es gelang mir ziemlich nahe an Sanders heran zu kommen.
So sah ich ihn auch eines Tages den Stein aus dem Tresor nehmen. Ich beschloß dann Sanders wegen seiner anderen Delikte auffliegen zu lassen und mir dann den Stein zu holen um ihn endgültig zu vernichten, er ist zu kraftvoll, als daß man ihn weiter existieren lassen kann, so sehr mir das auch Leid tut, denn in der Hand eines guten Menschen könnte er viel Leid auf dieser Welt lindern.
Leider hat der Stein aber auch die unangenehme Eigenschaft, daß er sich negativ auf den Besitzer auswirkt, so daß selbst die reinste Seele mit der Zeit vergiftet wird und das Unglück seinen Lauf nehmen würde."

"Kes, nun schweifst du wieder ab," beschwerte sich Peter.
"Du hast recht. Okay, also ich beschloß Sanders auffliegen zu lassen und bereitete alles in diese Richtung vor. Dann machte ich wohl einen Fehler, den Sanders auf mich aufmerksam werden ließ. Ich schickte nämlich Sarah ein Foto von Sanders um sicher zu sein, daß er der Mann war den sie in ihrer Vision gesehen hatte. Ich denke das ist nämlich der Punkt wo er mir auf die Schliche kam, anders kann ich mir auch nicht erklären wie Sarah hierher kommt. Denver ist ziemlich weit von Sloanville weg.
Aber nun weiter.... also es gelang mit Sanders eine Falle zu stellen und die schnappte auch zu. Wie ihr wißt wurde Sanders der Prozeß gemacht und er kam hinter Gittern. Ich war ziemlich froh darüber dem Mann das Handwerk gelegt zu haben und gleichzeitig noch mein persönliches Ziel zu erreichen, doch meine Freude weilte nur kurz. Als ich nämlich zurück in Sanders Haus schlich um mir den Stein zu greifen, war er nicht mehr da. Durch meine Dummheit mit dem Foto muß er wohl dahinter gekommen sein, daß der Stein mehr wert war als nur den Preis für einen Edelstein.

Wenig später gelang es Sanders zu fliehen, aber das wißt ihr ja auch schon. Was ihr nicht wißt, aber ahnt, ist, daß es ihm gelungen ist mich zu schnappen. Meine schlimmste Befürchtung wurde wahr, er wußte über den Stein tatsächlich bescheid und er wußte auch, daß ich das Wissen dazu hatte den Stein zu aktivieren. Ich habe bis heute noch keine Ahnung woher er das wußte, aber nun kann ich es mir denken. Ich nehme an, daß er damals schon Sarah in der Gewalt hatte und sie ihm alles verraten hat. Um es kurz zu machen hat er alles versucht mich zum Reden zu bringen. Ich blieb stumm und widerstand seiner Folter. Das Schicksal wollte es, daß er mir gelang zu fliehen und nun bin ich hier. Ende der Geschichte."

Minutenlang herrschte völlige Stille im Raum. Die beiden Männer mußten erst einmal verdauen was sie da gehört hatten. Kes konnte es ihnen nicht verdenken, sie war sich nicht sicher ob sie es geglaubt hätte wenn ihr jemand so etwas erzählen würde. Leider entsprach das alles vollkommen der Wahrheit.

"Was hat Sanders mit dir angestellt?" ließ sich Kermit schließlich vernehmen, die Hände zu Fäusten geballt. An dem Abend als er sie ins Bett gebracht hatte, hatte er die Striemen auf ihrem Körper gesehen die sie immer an diese schreckliche Zeit erinnern würde. Unglaubliche Wut auf diesen perversen Mann wallte in ihm auf, er hätte ihn zu gerne in die Finger bekommen.
"Kermit, darüber möchte ich nicht sprechen. Es tut auch nichts zur Sache," erwiderte sie, plötzlich kalkweiß werdend.
Peter wechselte schnell das Thema, er merkte wie schwer Kes mit der Erinnerung, die noch allzu frisch war, zu kämpfen hatte.

"Du hast uns aber immer noch nicht verraten wer du wirklich bis Kes. Alle Nachforschungen über dich sind im Sande verlaufen," bekannte er freimütig.
"Ich bin tatsächlich Polizistin Peter."
"Und vorher? Du erwähntest, du arbeitest erst seit einem halben Jahr bei der Polizei."
"Vorher war ich Sonderbeauftragte für Okkultismus und Mythologie für eine bestimmte Abteilung die ich euch nicht nennen kann. Bitte forscht in dieser Richtung auch nicht nach, sämtliche Beweise, daß ich dort einmal gearbeitet habe wurden eh gelöscht."
"Gibt es so eine Abteilung tatsächlich?"
"Natürlich, was dachtest du denn Kermit?"
"Also wenn ich das richtig verstehe, dann warst du eine Art moderner Geisterjäger?" erkundigte sich Peter, der das noch nicht ganz begreifen konnte.
"Wenn du es so sehen möchtest, ja."
"Wie bist du in so eine Abteilung gekommen?" wollte Peter wissen.
"Ich wurde rekrutiert als ich fast noch ein Kind war, aber nun Schluß mit den Fragen in der Richtung, mehr darf ich darüber wirklich nicht sagen."

Erneut herrschte ein Moment des Schweigens bis sich Kermit meldete.
"Also gut, du hast uns hier eine fast unglaubliche Geschichte aufgetischt. Ich muß sagen, daß ich sehr große Probleme habe dir das zu glauben, obwohl ich auf der anderen Seite zugeben muß, daß man sich das fast nicht ausdenken kann. Für mich stellt sich nun die Frage wie du das alles beweisen willst. Außerdem was bedeuten diese komischen Zeichen auf dem Rücken der Leiche?"

Sarah bückte sich und zog das Buch hervor, das sie vorher unter die Couch geschoben hatte und schlug es auf. Beide blickten auf die aufgeschlagene Seite. Sarah zog noch die Zeichnung davor und legte sie daneben. Es war eindeutig, daß die Zeichnung von ihr und die Zeichen die sich im Buch befanden gleich waren. Auf der anderen Seite war ein Text zu lesen der in einer fremden Sprache abgefaßt worden, und daher für sie unverständlich war.
"Schön und gut, und was bedeutet das?" wollte Kermit wissen.
Kes grinste leicht. "Ach, sag bloß du kannst das nicht lesen?" versuchte sie zu scherzen. Ein böser Blick seitens Kermit ließ sie schnell wieder ernst werden.

"Das Buch ist schon sehr alt und die Sprache in der es geschrieben wurde ebenfalls. Der Text besagt, daß dies ein Ritual für einen Zauberspruch ist, der die hm... sagen wir mal .... Tore öffnen soll. Zum Glück hat er sich den falschen Spruch heraus gesucht und außerdem würde es selbst mit dem richtigen Spruch so auch nicht funktionieren."
"Ein Spruch in Menschenhaut geritzt? Unglaublich."
"So unglaublich auch wieder nicht. Du mußt bedenken, daß diese Rituale schon sehr alt sind, die Menschen waren damals nicht so zimperlich wie wir es heutzutage sind. Denk nur an all die vielen Menschenopfer in vergangenen Zeiten als man noch den Göttern geopfert hat."

"Also mich würde interessieren woher du in der Lage bist diese Sprache überhaupt zu lesen wenn sie wirklich so alt ist wie du sagst. Meines Wissens nach wird das nicht auf einem College unterrichtet." Erkundigte sich Peter.
Kes zuckte mit den Schultern. "Ich kann es eben."
"Was mich zu der folgenden Frage bringt wer oder was du bist Kes." Meinte Kermit.
Kes zuckte leicht zusammen und senkte den Blick. "Ich bin eine Frau Kermit, eine ganz normale Frau."
"Eine Frau mit außergewöhnlichen Talenten nehme ich an," warf Peter sanft ein, der bemerkte wie schwer er Kes plötzlich fiel zu reden.
"Ja," erwiderte sie leise. "So kann man es sehen. Zum Beispiel habe ich diese Sprache nie gelernt, ich kann sie einfach. Die gesamten alten Sprachen stellen für mich so gut wie kein Problem dar."

Kermit seufzte leise. "Du kannst uns hier zwar sagen, daß du diese, wie auch immer, Sprache verstehst, doch nachprüfen können wir auch das nicht. Hast du nur irgend einen Beweis, damit wir dir wirklich glauben können. Laß doch ein Kissen durch die Luft fliegen oder etwas in der Richtung, dann würdest du auf mich eventuell glaubwürdiger wirken." Versetzte er scharf.
Das alles ging über sein normales Denken hinaus, er war ein Mann der sich schon immer lieber mit Fakten und Zahlen herum geschlagen hatte, eben handfesten Dingen und nicht mit solchen okkulten Dingen wie diesen. Viel lieber würde er jetzt eine Revolution in einem schmutzigen Ort in der dritten Welt planen, als hier neben Kes zu sitzen.

"Kermit!" rief Peter aus. Er hatte den verletzen Blick von Kes sehr wohl bemerkt. Zugegeben, auch er hatte Probleme das Ganze zu verdauen, doch seine Sinne teilten ihm mit, daß Kes in allen Dingen die Wahrheit gesprochen hatte. Während der gesamten Zeit hatte er nämlich sein Shaolin Bewußtsein schweifen lassen und war so in der Lage gewesen wesentlich mehr zu Empfangen, als es Kermit möglich war.

Kermit dachte in dem Moment nicht aufzuhören. Seine aufgestaute Energie mußte einfach heraus. "Erklär mich doch zum Beispiel warum du Nickie abgeraten hast die Leiche zu untersuchen, welches schmutzige Geheimnis soll unentdeckt bleiben?"
"Weil ich vermute, daß Sarah noch in irgend einer Art und Weise an ihren weltlichen Körper gebunden ist. Du hast doch mitbekommen was geschehen ist. Würde Nickie sich an ihr zu schaffen machen, würde sie sich verteidigen." Schleuderte sie ihm entgegen.
"Ach nun komm mir doch nicht mit solch einem Mumpitz daher," entgegnete Kermit. "Das kannst du deiner Großmutter erzählen aber nicht mir. Die Akten sind von ganz alleine vom Tisch gefallen."
"Das glaube ich weniger, es war Sarah, da bin ich mir sicher."

"Ich habe gesehen wie du ein Zeichen gemacht hast als wir uns alle dem Schreibtisch zugewandt haben, hat das was damit zu tun?" Warf Peter sanft ein, der die beiden wieder beruhigen wollte.
Sarah sah ihn ehrlich überrascht an. "Das hast du mitbekommen? Wie? Ach so, Shaolin daran hätte ich denken sollen." Gab sie sich die Antwort selber.
Sie nahm einen Schluck von ihrem inzwischen kalt gewordenen Kaffe und fuhr fort. "Du hast ganz recht Peter, ich habe tatsächlich ein, wie du es nennst, Zeichen gemacht. Ich habe Sarah dadurch wissen lassen, daß ich hier bin und gleichzeitig den Energiefluß unterbunden."
"Ja klar. Die junge Dame wedelt ein wenig in der Luft herum und gut ist es. Nennst du das einen Beweis? Ich nicht, zumal ich es nicht gesehen habe." Konnte sich Kermit nicht verkneifen zu sagen.
Kes warf ihm einen undefinierbaren Seitenblick zu. "Das hättest du nicht einmal gesehen, selbst wenn du mich direkt angesehen hättest lieber Kermit, dazu bist du nämlich viel zu verbohrt."
"Ich? Ganz sicher nicht, aber ich neige nun mal dazu nur das zu glauben was ich auch sehe. Du bist uns nach wie vor einen Beweis schuldig. Mach doch mal was magisches sofern du es kannst. Ich glaube nämlich noch immer, daß du uns hier einen riesigen Bären aufbindest um dich interessant zu machen was du mit deinem äußeren Erscheinungsbild wohl nicht schaffst." Triezte Kermit weiter.

Diesmal hatte Kermit es geschafft Kes richtig böse zu machen. Mit diesen wenigen Worten hatte er sie tief verletzt, das konnte Peter unschwer erkennen. Peter holte tief Luft und konzentrierte sich. Er spürte, wie sich eine heftige Spannung in dem Raum aufbaute, er schien als ob die Luft plötzlich elektrisch geladen sei und er hoffte, daß er das schlimmste verhindern konnte falls Kes wirklich so kurz vor dem Ausflippen stand wie er annahm.

Da sprang Kes auch schon auf die Beine, zitternd vor Wut.
"So, du willst also Beweise. Was soll es denn sein Froschgesicht. Ein paar herumfliegende Bücher, schwebende Kissen, Feuer, angehende Elektrogräte, Materialisierungen, Temperaturschwankungen?"
Kermit, der nun ebenfalls bemerkte daß sich die Spannung im Raum deutlich erhöht hatte, sprang ebenfalls auf die Füße. In einer beruhigenden Geste streckte er die Hand nach ihr aus. Ihm war deutlich bewußt, daß er den Bogen gerade ziemlich weit überspannt hatte, außerdem hatte er entdeckt wie die Bilder an der Wand zu zittern anfingen. Kes wich unwillkürlich vor ihm zurück.

"Faß mich ja nicht an!" schrie sie ihm entgegen.
Kermit ließ seine Hand sinken. "Okay schon gut Kes, ich will dir nichts tun. Beruhige dich bitte wieder, es ist alles in Ordnung."
"Nichts ist in Ordnung, warum hast du mich so weit gebracht Kermit!" das hörte sich mehr wie ein Hilfeschrei an in seinen Ohren.
Zwei der Bilder lösten sich jetzt von der Wand und schwirrten quer durch den Raum um an der gegenüberliegenden Seite zu zerschellen. Zeitgleich loderte Feuer im Kamin auf und das obwohl kein Holz darin lag.

Kes Zittern verstärkte sich. Sie keuchte und ging in die Knie. Schweiß stand ihr auf der Stirn , er lief in kleinen Bächen an ihrem Gesicht herunter.
"Verschwindet von hier... Sofort! Ich habe es nicht mehr unter Kontrolle," quetschte sie zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Die nächsten Bilder lösten sich von der Wand, folgten dem Pfad der anderen. Der große schwere Eichenschrank an der Seite begann zu zittern, Schubladen öffneten und schlossen sich.
Die beiden Männer blieben wie angewurzelt auf der Stelle stehen. Sie waren viel zu geschockt um sich zu bewegen. Selbst wenn sie gewollt hätten, keiner von beiden wäre in der Lage gewesen das Zimmer zu verlassen.

Kes schlang in einer verzweifelten Geste die Arme um ihren Körper. "Bitte, verschwindet solange ihr noch könnt," rief sie voller Angst.
Ein Wind kam auf, der die Tassen auf dem Tisch in die Höhe wirbelte und sie direkt über ihren Köpfen tanzen lies. Einige der Tropfen des kalten Kaffees erwischten Peter und ließen ihn aus seiner Erstarrung schrecken.

Peter handelte rein instinktiv. Ihm war, als würde Jemand anderes die Gewalt über ihn übernehmen, plötzlich wußte er was er zu tun hatte.
Mit einem großen Schritt überbrückte er die Entfernung zu Kes und sank vor ihr in die Knie. "Nein!" schrie Kes voller Angst auf, wollte zurück weichen. Peter war schneller als sie, mit beiden Händen umfaßte er ihr Gesicht und hielt es in einem schraubstockartigen Griff gefangen.
Peter konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als ihn die gewaltige Energie erfaßte die von Kes ausging. Ihm war so als hätte er direkt in eine Steckdose gefaßt und der Strom floß nun mit voller Wucht durch seinen Körper.
"Kes, sieh mich an, schau mir in die Augen!" schrie er sie an. Er spürte wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten und schnappte nach Luft, die ihm wegzubleiben drohte. "Peter, geh weg von mir, es wird dich umbringen," keuchte sie, nicht fähig sich aus seinem harten Griff zu lösen.
"Nein Kes, sieh mir in die Augen!" befahl er ein weiteres Mal. Sie tat es nicht und das Toben dauerte an.

Die Schubladen der Kommode wurden aus ihrer Verankerung gerissen und der Inhalt wurde wild durch die Luft geschleudert. Er grenzte schon an ein Wunder, daß keiner der drei von dem umherfliegenden Gegenständen getroffen wurde. Die Deckenlampe fing an hin und her zu schwingen, obwohl sie fest in der Decke verankert war. Gleichzeitig fingen die Birnen an zu glühen, wurden beständig heller und heller.

In purer Verzweiflung holte Peter aus und versetzte ihr eine kräftige Ohrfeige. Diese Tat drang endlich durch den dichten Nebel um Kes Gehirn zu ihr durch. Peter riß hart ihren Kopf zu sich heran und schrie noch einmal. "Schau mir in die Augen!"
Diesmal tat sie es. Peter wußte in dem Moment, daß er diesen Blick nie in seinem Leben vergessen würde. Er ging ihm durch und durch, schien ihn mitzureißen in die tiefste Dunkelheit.
Schmerz, Angst, Wut, Verzweiflung, Panik, der blanke Wahnsinn, das alte Wissen der Vergangenheit, all das spiegelte sich in ihren Augen wieder.

Wie von selbst begann er zu sprechen. Er wußte selber nicht genau was er da von sich gab. Er rezitierte einen Spruch in einer fremden Sprache, die er nicht verstand. Jemand anderes hatte vollkommen die Leitung übernommen, er war nur noch das ausführende Objekt. Dennoch spürte Peter, daß er dieser fremden Macht vertrauen konnte und gab ihr vollen Zugang auf sein Chi, wehrte sich nicht dagegen. Für ihn existierten nur noch diese in Panik weit aufgerissenen Augen die ihn vollkommen in den Bann schlugen. Immer und immer wieder wiederholte er den Spruch. Er fühlte sich, als wäre er in einem vollkommenen Vakuum, er wußte nicht einmal mehr ob er tatsächlich atmete oder nicht. Was um sie herum geschah bekam er nicht mehr mit, ebensowenig wie sie.

So schnell wie es begonnen hatte, so schnell war es plötzlich wieder vorbei. Als hätte Jemand die Leitung gekappt wurde er von einem Moment zum anderen vollkommen still um sie herum. Peter spürte wie diese fremde Macht seinen Körper verließ. In Zeitlupe ließ er seine Hände sinken. Auch Kes schien sich zu verändern, der Ausdruck wilder Panik verschwand aus ihren Zügen, statt dessen schimmerten Tränen in ihren Augen.
Sie brauchten alle drei eine Weile bis sie begriffen, daß dieser Wahnsinn vorbei war.

Kes kippte einfach nach Vorne über und fing an herzzerreißend zu schluchzen. Ihr gesamter Körper bebte von der Heftigkeit ihres Weinens. Peter tat das einzige, was ihm in diesem Moment einfiel. Er zog sie halb an sich und nahm sie in die Arme. Ganz vorsichtig strich er ihr über die Haare und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr. "Pscht Kleines, ganz ruhig, es ist alles vorbei."
Zwischen ihren Heulkrämpfen versuchte sie zu sprechen. "W.. w.. warum Peter... warum hat er mir d... d... das angetan?"
Peter straffte sich ein wenig. "Schon gut Kes, es war keine Absicht von ihm. Er hat es nicht gewußt."
"Was habe i... i....ich ihm getan?"
"Pscht Kleines, nicht reden. Sei ganz ruhig," redete er in seiner monotonsten Stimme auf sie ein. Peter versuchte sich so gut es ging zu sammeln, er fand seine Mitte und konzentrierte sich darauf heilende Energie von seinen Händen auf sie überfließen zu lassen ohne sein Chi zu überpowern.

Allmählich wurde ihr Schluchzen leiser und weniger. Schließlich lag sie nur noch erschöpft an seiner Brust.
"Mir ist so kalt... so unsäglich kalt," flüsterte sie.
"Schon gut Kleines, ich bin hier, ich wärme dich. Laß dich fallen." Wisperte Peter in ihr Ohr. Sein Griff um ihren zitternden Körper verstärkte sich. Eine Decke wurde um sie gelegt. Peter blickte auf und sah in die besorgten Augen seines Freundes.
Kermit blutete über der rechten Augebraue, doch das schien er gar nicht zu bemerken. Wichtig waren ihm jetzt nur die zwei Menschen die wie ein Häufchen Elend auf dem Boden kauerten.
"Es tut mir so leid Peter," brachte er mühsam hervor. Daß Kermit sich die heftigsten Vorwürfe machte war nicht zu übersehen. Peter zog die Decke über Kes bevor er ihm antwortete.
"Sag das nicht mir, sag das ihr." Seine Worte klangen hart und zeigten Wirkung bei Kermit, der sichtlich blaß wurde. "Ich bin wohl der letzte Mensch auf Erden mit dem Kes jetzt reden möchte. Kann ich irgend etwas für euch tun?" war alles was Kermit hervorbrachte. "Ja, laß uns einfach in Ruhe," lautete die Unversöhnliche Antwort Peters.

Kermit machte auf dem Absatz kehrt und setzte sich stumm auf das Sofa, von Selbstvorwürfen förmlich zerfressen. Er konnte Peter keinen Vorwurf machen, daß dieser auf ihn wütend war. Schließlich war alles was hier passiert war sein Fehler.
Erneut hatte er nach allen Regeln der Kunst versagt. Paul Blaisdel würde ihm bei lebendigem Leibe das Herz heraus reißen wenn er wüßte in welch gefährliche Situation er Peter gebracht hatte. Er hatte versprochen auf seinen Adoptivsohn aufzupassen während Paul auf seiner Mission unterwegs war, und das war nun das Ergebnis. Dem starken, harten, kampferprobten Ex-Söldner Kermit Griffin zitterten die Hände.

Peter beschränkte sich darauf im stetigen Rhythmus mit einer Hand über Kes Rücken zu streichen. Tatsächlich beruhigte sich Kes zusehends unter seinen streichelnden Händen. Langsam aber sicher wurde ihr Atem beständiger und sie schlang nun ihrerseits die Arme um seine schmale Taille. Mit zwei Fingern hob Peter zärtlich ihr Kinn an, damit er ihr in die Augen schauen konnte. Traurige Augen blickten zu ihm hoch.
"Na Kleines, geht es wieder?" fragte er sanft.
Kes horchte in sich hinein. "Ich glaube schon," flüsterte sie leise bevor sie mit einem leisen Seufzen wieder den Kopf auf seine Brust sinken ließ.

Peter hielt sie noch eine ganze Weile fest, bis er sicher war, daß sie sich vollkommen beruhigt war. Dann löste er sich vorsichtig aus ihrer sanften Umarmung, nahm ihre Hände in die seinen und stand auf.
"Hoch mit dir Kes, Zeit um schlafen zu gehen," sagte er so munter wie er konnte.
Kes gab dem Zug um ihre Handgelenke nach und kam ebenfalls auf die Beine. Schwankend blieb sie stehen. Sie mußte sich schwer an ihn lehnen um das Gleichgewicht zu finden. Bleierne Müdigkeit übermannte ihren Körper. Auch er merkte nun wie ausgelaugt er sich fühlte. Kes ließ sich von ihm ohne Widerspruch zu ihrem Schlafzimmer führen. Kermit beachtete er mit keinem Blick.

Vor dem Bett blieb sie stehen und schaute ihn ängstlich an. "Peter, versteh mich nicht falsch, aber ich möchte jetzt nicht alleine sein."
"Das ist absolut in Ordnung Kes. Ich bleibe bei dir."
"Danke," war alles was sie hervorbrachte.
Schon halb im Schlaf bekam sie mit wie er sie sanft in die Kissen bettete und sich dann neben sie legte. Das einzige was sie noch wahr nahm waren starke Arme die sie sanft und beschützend fest hielten und dann fiel sie in die bodenlose Tiefe des Schlafes. Es dauerte nur ein paar Sekunden bis Peter ihr folgte.

 

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