Das heiße Wasser tat ihren wunden Muskeln unendlich gut. Sie seufzte leise und ließ ihre Gedanken schweifen. Sie drehten sich allesamt um den Mann im Wohnzimmer. Sie konnte seine schnellen Stimmungswechsel einfach nicht nachvollziehen. In der einen Minute verhielt er sich nett, beinahe sanft, und in der nächsten wirkte er hart und unnahbar. Weder konnte sie einschätzen, was er überhaupt dachte, noch ob sie alles richtig machte. Kermits starke Aura zog sie unwiderstehlich an wie die Motte das Licht. Gleichzeitig hatte sie jedes Mal den Wunsch, meilenweit zu laufen, wenn er sie auch nur ansah. Der Blick in seine unverhüllten Augen hatte sie tief berührt. Sie hatte gespürt, dass etwas zwischen ihnen geschah, doch sie konnte es nicht einordnen. Die einzigen Minuten, in denen sie sich wirklich entspannt an seiner Seite fühlte, waren die Momente, in denen sie gemeinsam vor dem Computer saßen. Da befand sie sich in ihrer Welt und fühlte sich sicher. Doch war sie überhaupt noch eine Sekunde sicher? Alles woran sie geglaubt hatte, war mit Entdeckung der Pläne auf den Kopf gestellt worden. Seitdem war nichts mehr beim Alten. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Wasser aus der Dusche. Sie konnte sie nicht zurück halten, sie kamen einfach. Jenna gab auf und ließ sie laufen. Irgendwie tat es ihr auch gut, sich den Frust von der Seele zu weinen und den Druck ein wenig zu mindern, der auf ihren Schultern lastete. Sie blieb solange unter Dusche bis nur noch kaltes Wasser kam und ihre Tränen versiegten. Trotzig dachte sie: *Soll er doch mit kaltem Wasser duschen.* Ein Blick in den halb vergilbten Spiegel bestätigte ihr, dass sie genauso furchtbar aussah wie sie sich fühlte. Dunkle Ringe lagen unter ihren rotgeweinten Augen und sie war blass wie ein Leintuch, zudem spürte sie eine bleierne Müdigkeit in ihren Knochen. Sie beschloss, sofort ins Bett zu gehen. Das Letzte, was sie wollte, war unangenehme Fragen beantworten zu müssen. Sie ahnte, dass er ihr trotz ihrer beschützenden Brille sofort ansehen würde, dass sie geweint hatte. ******* Kermit war doch ein wenig überrascht, als sie nicht mehr auftauchte, es war ja noch nicht einmal dunkel. Spontan beschloss er nach ihr zu sehen, sie hatte ziemlich erledigt gewirkt nach dem Training. So leise wie möglich öffnete er die Türe zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer und sah Jenna im Bett liegen, die Brille immer noch auf der Nase. "Jenna?", rief er leise. Sie antwortete nicht, schlief wohl schon. Lautlos trat er an ihre Seite, fasste nach der Brille und zog sie ihr von der Nase. Sie murmelte nur etwas und rollte sich noch mehr ein. Auf einen Blick sah er, dass sie geweint haben musste. Kermits Herz zog sich ein wenig zusammen, ihm wurde klar, dass ihre Fröhlichkeit, die sie so gerne an den Tag legte, wohl zum größten Teil gespielt sein musste. Sie fühlte sich eindeutig elender als sie zugab. Nachdenklich blickte er auf die schlafende Jenna hinab. Sie wirkte so klein und verletzlich wie sie da lag. Gut, sie hatte einige Kilos zuviel auf den Rippen, doch er fand es immer noch im Rahmen, als dick würde er sie nicht bezeichnen. Üppig sehr wohl und auch nicht sein Geschmack. Dennoch hatte sie etwas an sich, das er nicht einordnen konnte, was ihn eindeutig anzog. Schon öfter waren ihm einige Gemeinsamkeiten mit Jenna aufgefallen, doch er hatte diese Gedanken jedes Mal verdrängt, sobald sie aufgekommen waren. Sie passte schlicht und einfach nicht in seine Welt, die von Grauen und Dunkelheit umhüllt war und er würde den Teufel tun, sie da hinein zu ziehen. Klar, im Moment stand sie selber auf der Schattenseite mit der Kermit jeden Tag konfrontiert wurde, doch bald würde sich das wieder ändern und ihre Wege würden sich trennen. Jenna bewegte sich unruhig, Kermit trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Er wollte nicht, dass sie ihn ertappte und entfernte sich genauso leise, wie er gekommen war. ***** Jenna erwachte am nächsten Morgen mit bleischweren Gliedern. Sie stöhnte, als sie sich zur Seite drehen wollte. Eins war sicher, sie hatte einen wunderschönen Muskelkater, die heiße Dusche vom Vortag schien rein gar nichts gebracht zu haben. Erleichtert stellte sie fest, dass der Platz neben ihr schon leer war. So konnte Kermit wenigstens nicht beobachten, wie sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Bett hievte. Ganz vorsichtig streckte sie sich des öfteren, bis der Schmerz auf ein erträgliches Niveau sank und machte sich anschließend auf den Weg ins Bad. Nach der Dusche fühlte sie sich ein wenig besser, was ihr auch ein kritischer Blick in den Spiegel bestätigte. Zumindest waren ihre Augen nicht mehr blutunterlaufen und auch ihre Gesichtsfarbe hatte sich wieder normalisiert. Die rund 12 Stunden Schlaf hatten ihr gut getan. Kaffeeduft stieg in ihre Nase und lockte sie in den Wohnraum in den sie noch immer schläfrig tapste. "Morgen." "Morgen Jenna. Gut geschlafen?" "Es geht", brummte sie und nahm vorsichtig die Tasse entgegen, die Kermit ihr reichte. Kermit wandte sich achselzuckend wieder dem Laptop zu und grinste vor sich hin. Er ahnte, dass sie einen gewaltigen Muskelkater hatte. Angelegentlich beschäftigte er sich mit den Daten auf dem Bildschirm und wartete darauf, dass sie ihn ansprach, was nicht passierte. Dann klappte die Türe und Jenna verließ die Hütte. Ein Muskel zuckte in Kermits Gesicht. Anscheinend interessierte es sie nicht, ob er ihr das verboten hatte oder nicht. Doch da er erst vor wenigen Minuten von seinem morgendlichen Rundgang zurück gekehrt war, wusste er, dass keine Gefahr drohte. Dennoch nahm er sich vor, sie darauf anzusprechen wenn sie zurück kehrte. Da er eine Diskette brauchte schlenderte er ins Schlafzimmer, um diese aus seiner Tasche zu holen. Sofort fiel sein Blick auf die Beretta, die unangetastet auf der Bettdecke lag. Zorn über soviel Unvernünftigkeit wallte in ihm auf. Ihm war klar, dass er das nicht durchgehen lassen konnte. Nichts gegen Frauen, die einen eigenen Kopf hatten und das auch durchsetzten, aber diese Regeln galten nicht, wenn sie sich in Gefahr befanden. Diesmal musste er hart durchgreifen, ansonsten würde sie ihm weiterhin auf der Nase herum tanzen, was in schlimmsten Falle tödlich ausgehen konnte. Ihm fiel nur eine Lösung ein: Ihr so einen Schock zu versetzen, dass sie sich in Zukunft immer daran erinnern würde. Der Laptop war fürs Erste vergessen. Nachdem Kermit ihn herunter gefahren hatte, riskierte er einen Blick durchs Fenster falls sich Jenna direkt vor der Türe befand, doch von ihr war weit und breit nichts zu sehen. Einen undefinierbaren Ton ausstoßend, begab er sich ebenfalls ins Freie und sah sich um. Am Boden konnte er deutliche Fußabdrücke ausmachen, denen er folgte. Nun kam ihm seine Zeit in den verschiedensten Teilen der Welt, oft auch im Dschungel, entgegen. *Ein Ex-Söldner vergisst nicht, was ihm Jahrelang antrainiert worden ist.*, schoss es ihm durch den Kopf. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis der Jenna fand. Sie stand, ihm den Rücken zukehrend, an einen Felsen gelehnt, die Hände ruhten auf einem Ast direkt über ihr. Kermits Jagdinstinkt erwachte, was sich an seinem breiten Grinsen zeigte, das alles andere als freundlich wirkte. Er hatte seine Beute erspäht und würde sie auch gleich erlegen. Dass sie ihre Hände so schön auf dem Ast gefaltet hatte, kam ihm sehr entgegen. Lautlos wie ein Panther pirschte er sich an sie heran und zog dabei seine Krawatte über den Kopf. Jenna schien zu sehr in ihre Gedanken versunken zu sein, denn sie bemerkte ihn nicht. Blitzschnell fiel Kermit über die Frau her. Bevor Jenna auch nur eine Chance hatte zu reagieren, schnappte er ihre Handgelenke und fesselte sie mit Hilfe seiner Krawatte an den Ast, an dem sie sich festhielt. Gleich darauf drückte sich der kalte Lauf seines Desert Eagle in ihren Nacken. Er sah sie erzittern. Entgegen seiner Annahme schrie sie nicht einmal. Ganz nah trat er von hinten an sie heran und flüsterte ihr mit rauer Stimme ins Ohr: "Ich könnte dir jetzt auf der Stelle eine Kugel in den Kopf jagen und es wäre aus mit dir. Und das würde nur passieren, weil du dich nicht an meine Anordnungen hältst!" Sie reagierte gänzlich anders als erwartet. Mit mehr als ruhiger Stimme erwiderte sie: "Dann tu doch, was du nicht lassen kannst." Eine Sekunde verstärkte sich der Druck seiner Waffe an ihrem Nacken, dann steckte er sie weg. Die Frau machte ihn wild. Nie reagierte sie so wie ein normaler Mensch. "Ich hätte nicht übel Lust, dir deinen Hintern zu versohlen für soviel Unvernunft, die du an den Tag legst. Dir hätte ich wirklich mehr Verstand zugetraut.", zischte er. Es kam keinerlei Antwort von Jenna, sogar ihr Zittern hatte aufgehört. Einzig ihre leicht verstärkte Atmung verriet ihm, dass sie längst nicht so ruhig war wie sie sich gab. Mit einem Griff löste er den Knoten und befreite ihre Handgelenke. Langsam ließ sie ihre Hände sinken, machte aber keinerlei Anstalten, sich zu ihm zu drehen. Nur wenige Menschen schafften es Kermit dermaßen zu verunsichern, dass ihm nichts mehr einfiel. Ihr gelang es. Kermit stieß einen harten Fluch aus. Fest umfasste er ihren Oberarm und schaffte sie zu der Hütte zurück. Jenna konnte ihm kaum folgen, so schnell stapfte er durch den Wald, doch er kümmerte sich nicht darum. Dennoch fiel ihm auf, dass sie kein einziges Mal zu ihm sah. Kaum waren sie in der Hütte angelangt, hielt Kermit ihr mit all der aufgestauten Wut und der Sorge um ihr Wohlergehen eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. In allen Einzelheiten beschrieb er ihr, was ihr alles geschehen konnte wenn sie nicht auf ihn hörte. Am Schluss war es Jenna, die mit hängenden Schultern vor ihm saß und ein ziemlich belämmertes Gesicht zog. Leise entschuldigte sie sich bei Kermit für ihr Verhalten und versprach ihm, sich von nun an, an seine Anweisungen zu halten und auch die Waffe zu tragen, was sie sogleich in die Tat umsetzte. Kermit akzeptierte die Entschuldigung und nutzte die paar Minuten ihrer Abwesenheit, um sich zu beruhigen und nachzudenken.
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