Kermit stand am Fenster und starrte in die Dunkelheit. Seit über drei Stunden befanden sie sich im Wartesaal und noch immer gab es keine Nachricht von Jenna. Peter war froh, dass sein Freund endlich an einem Fleck stehen blieb und nicht weiter fortfuhr jeden, der sich ihm in den Weg stellte, zu bedrohen. Die Krankenschwestern waren reihenweise vor seinem finsteren Blick geflohen. Captain Simms war kurz aufgetaucht und hatte von Kermit einen kurzen Bericht verlangt, den er ihr widerwillig gegeben hatte. Vor Captain Simms hatte selbst Kermit Respekt. Auch Jody, sowie T.J. und Skalany waren aufgetaucht, um sich über Jennas Zustand zu informieren. Er hatte sie wieder weg geschickt und ihnen versprochen, sie zu benachrichtigen, sobald er Bescheid wusste. Ein weiterer Mann betrat den Raum. Peter sah erstaunt zu ihm hin. "Paps, was machst du denn hier?" Caine zuckte mit den Schultern. "Ich spürte, dass ihr Hilfe braucht, mein Sohn." Kermit drehte sich langsam zu Caine um, sein Blick fixierte ihn. Er sprach nur ein einziges Wort. "Danke." Wiederum zuckte Caine in typischer Manier die Schultern. "Wofür?" "Sie wissen es, Caine." Peter brauchte keine Worte, um zu verstehen, was zwischen den beiden Männern vorging. In dem Moment öffnete sich die Türe und er unwirkliche Augenblick verging. Ein Arzt, sichtlich erschöpft, trat zu ihnen. "Gehören sie alle zu Miss Carpenter?" Peter nickte. "Ja, wie geht es ihr, Doktor?" "Nicht gut, ihr Zustand ist sehr bedenklich, sie liegt im Koma. Sie hat schwere Prellungen am ganzen Körper, drei Rippen sind gebrochen, eine Rippe hat ihre Lunge verletzt, das Schlüsselbein ist ebenfalls gebrochen. Der Schnitt an ihrem Brustkorb ist zum Glück nur oberflächlicher Natur, obwohl sie dadurch viel Blut verloren hat. Was uns die größten Sorgen bereitet ist ihr hohes Fieber hervorgerufen durch eine Lungenentzündung." "Wird sie durchkommen, Doc?", fragte Kermit düster. "Ich weiß es nicht. Um ehrlich zu sein stehen ihre Chancen sehr schlecht. Es wundert mich, dass Miss Carpenter bis jetzt durchgehalten hat. Sie scheint einen sehr starken Willen zu haben." "Dann tun sie verdammt noch mal etwas und stehen sie nicht so herum!", griff Kermit den Mann an. Caines harte Hand auf seiner Schulter hinderte ihn daran, auf den Mann loszugehen. "Es tut mir leid. Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand. Alles weitere liegt nicht mehr in unserer Hand. Entschuldigen sie mich jetzt bitte, ich muss mich um die Patientin kümmern." "Doc, können wir zu ihr?", hielt Peter ihn zurück. Der Arzt zögerte einen Augenblick, doch als ihn Kermits brennender, bedrohlicher Blick traf gab er klein bei. "Gut, aber nur 5 Minuten. Gehen sie zur Krankenschwester und lassen sie sich Kleidung für die Intensivstation geben. Sie wird sie zu Miss Carpenter bringen." "Danke Doktor." ***** Kermits Herz zog sich zusammen, als er Jenna bleich und bewegungslos in dem weißen Bett liegen sah. Unzählige Schläuche ragten unter der Bettdecke hervor und um ihn herum piepsten Monitore. Ihr Gesicht wurde halb mit dem Atemgerät bedeckt, das in regelmäßigen Abständen Luft in ihre Lungen pumpte, die Augen waren fest geschlossen. Mit zitternden Finger strich er ihr eine Haarsträhne aus der glühend heißen Stirn und ergriff dann ihre Hand, die er sanft drückte. "Hör bloß nicht auf zu kämpfen, Süße", raunte er ihr ins Ohr, nicht wissend ob sie ihn hörte oder nicht. Caine trat neben ihn und ließ seine Hände über Jennas gesamten Körper schweben, die Augen hielt er geschlossen. Tief konzentriert auf den leblosen Körper, wiederholte er dies ein um das andere Mal. Mehre Minuten verstrichen, in denen nur die Geräusche der Monitore und die der Beatmungsmaschine zu hören waren. Caine öffnete die Augen. "Können sie ihr helfen, Caine?" Kermits Stimme zitterte. "Ich weiß es nicht, Kermit. Ihr Chi ist sehr schwach", lautete die unbefriedigende Antwort. Er wandte sich Peter zu. "Geh und hole den Ehrwürdigen, Peter. Er soll Kräuter mitbringen, wir werden sie brauchen." Peter nickte. "Und sie Kermit gehen jetzt nach Hause und ruhen sich aus. Ich muss allein mit Jenna sein." "Aber..." Peter, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, trat zu Kermit und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Höre auf meinen Vater, er weiß am Besten was zu tun ist und es bringt uns nichts, wenn du auch noch schlapp machst. So kannst du niemandem helfen." Kermit sah ein, dass Peter recht hatte. Noch einmal beugte er sich über Jenna und küsste sie auf die Stirn. Widerstrebend ließ er ihre Hand los und folgte Peter aus dem Raum. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Caine sich über Jenna beugte und ihr seine Hand auf die Stirn legte. Er wusste, bei ihm war sie in den besten Händen. Wenn einer es schaffte, sie ins Leben zurück zu rufen, dann war es Caine. Da wo die Kunst der Ärzte endete, fingen Caines Fähigkeiten erst an. ****** Peter lieferte Kermit in dessen Wohnung ab und fuhr gleich weiter, um den Ehrwürdigen zu holen. Kermit kam sich wie gefangen in seinen eigenen Wänden vor. Nun da er alleine waren, hatte er keine Ablenkung mehr, die ihn von seinen Qualen ablenkte. All die Dämonen der Vergangenheit stiegen auf. Noch einmal durchlebte er all die Situationen, in denen er Menschen, die ihm nahe standen nicht hatte helfen können. Wo war er, als sie ihn gebraucht hatten? In irgend einer Mission unterwegs mit Blaisdell. Nein, er war kein Mann, dem man vertrauen konnte, irgendwann würde er jeden im Stich lassen. Er fragte sich, warum Blaisdell ausgerechnet ihm Jenna anvertraut hatte. Nun lag sie im Krankenhaus und kämpfte um ihr Leben. Und wer war Schuld? Er, nur er. Er zerfleischte sich selbst mit Selbstvorwürfen. Falls Jenna überleben sollte, wie würde sie ihn anschauen? Würde er den Ekel, die Abscheu in ihren Augen entdecken können? Um Verzeihung wagte er gar nicht zu hoffen, zu oft und zu viel Schuld hatte er auf sich geladen. Verzweifelt schlug er die Hände über dem Kopf zusammen in der Hoffnung die Stimmen in seinem Inneren zum verstummen zu bringen. ***** Mehrere Tage vergingen. Jennas Zustand verbesserte sich nicht. Noch immer tobte das Fieber in ihrem Körper und schwächte sie mehr und mehr. Einzig und allein die Herz- Lungenmaschine hielt sie noch am Leben. Kermit verbrachte Stunden an ihrem Bett, las ihr vor oder redete mit ihr, wenn Caine nicht bei ihr war. Die Ärzte hatten gesagt, er sollte das tun. Keiner wusste, ob sie das, was um sie herum geschah wahr nehmen konnte oder nicht. Man hatte ihm gesagt, er solle Musik mitbringen, die sie gerne hörte. Doch woher sollte er ihren Geschmack kennen? Eigentlich wusste er von ihr nur, dass sie Computer mochte. Einmal hatte er das Gespräch von zwei Ärzten gehört, die sich unterhielten, ob sie nicht die Maschine abschalten sollten, weil so gut wie keine Hoffnung mehr bestand. Kermit war vollkommen ausgeflippt. Er hatte einem der Ärzte den Desert Eagle an den Kopf gehalten und gedroht ihn zu erschießen wenn er auch nur daran denken würde. Nur Caines Erscheinen hatte verhindert, dass etwas schlimmeres passierte. Kermit ertrank fast in seinen Selbstvorwürfen. Sowohl Peter als auch Caine redeten stundenlang auf ihn ein, dass das nicht seine Schuld gewesen war, doch er hörte nicht auf sie. Mittlerweile machten die Kollegen auf dem Revier einen weiten Bogen um ihn, sobald sie ihn nur sahen. Er benahm sich noch schlimmer als üblich, knurrte alles und jeden an, der es wagte näher als zwei Meter an ihn heran zu treten. Sein Büro hielt er immer geschlossen und keiner wagte es, über seine Schwelle zu treten. Selbst Captain Simms wusste nicht mehr, wie sie ihn nehmen sollte. Er hatte sich zu einer regelrechten Zeitbombe entwickelt, die jeden Moment in die Luft gehen konnte. Sobald Feierabend war schlüpfte er in seinen Mantel und machte sich schnurstracks auf ins Krankenhaus. Nach zwei Wochen des Hoffens und Bangens kam die erlösende Nachricht, dass Jenna Fieber endlich gesunken war und sie wieder selbstständig atmete. Allerdings lag sie noch immer im tiefen Koma aus dem nicht mal Caine ihr helfen konnte. Kermit konnte Caine nicht genug danken. Er fragte sich, woher der Priester und Apotheker die Zeit nahm, fast ständig bei Jenna präsent zu sein. Immerhin hatte dieser noch weitere Patienten, um die er sich zu kümmern hatte, ganz abgesehen von seinen Kung Fu Schülern, deren Unterricht Peter übernommen hatte. Peter war auch der einzige Mensch, der es schaffte, ihn von Zeit zu Zeit auf andere Gedanken zu bringen. Er ließ sich nicht von seiner schlechten Laune verschrecken und versuchte unermüdlich ihn aufzumuntern und ihm Kraft zu geben. Kermit bedankte sich auf seine Weise bei Peter – indem er ihm am Leben ließ wenn ihm das sonnige Gemüt auf die Nerven ging. So gingen die Wochen ins Land.... ***** Ein schwaches Licht, das beständig heller wurde. Geräusche, ein schwaches Piepen. Das Licht wurde immer greller, brannte hinter ihren geschlossenen Lidern. Die Geräusche wurden lauter, eine große Welle schwemmte sie immer mehr und mehr an die Oberfläche, der Helligkeit entgegen. Lider zitterten, ein leises Stöhnen. Die Augen öffneten sich einen Spalt und drifteten gleich wieder zu. Eine Hand, die soviel Stärke, Wärme und Kraft ausstrahlte legte sich auf ihre Stirn. Behende Finger glitten über ihre Hand, streichelten im beständigen Rhythmus ihren Handrücken. Das grelle Licht wurde zu einem milden Schein, der ihr nicht mehr weh tat. Augen öffneten sich ganz und blickten verwirrt um sich. "Willkommen zurück." Eine ruhige, wohltönende Stimme. Sie drehte ihren Kopf in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Ausdruckstarke, braune Augen mit endlosen Tiefen musterten sie. Sie kannte diese Augen, woher? Diese Augen die ihr in den Träumen immer wieder erschienen waren, die ihr mitteilten, sie sollte aufwachen. Die Augen, die bei ihr gewesen waren, als sie ins Bodenlose fiel. Die Augen, die auf sie nieder blickten, wenn starke Hände ihren Fall gebremst und ihren Schmerz gelindert hatten. Die Augen, die immer bei ihr gewesen waren, die Augen, die sie verfolgt hatten. Manchmal abgelöst von schokofarbenen, hart und voller Schmerz blickenden Augen. Ja, diese Augen waren ihr wohlbekannt, nicht aber der Mann zu dem sie gehörten. "Hallo", erwiderte sie schwach den Gruß, erschreckt darüber, wie rau ihre Stimme sich anhörte. Der fremde Mann lächelte sie väterlich an und strich mit beiden Händen federleicht über ihre Wangen und über ihren Hals. Sie spürte die Wärme, die von seinen Handflächen auf sie überging, überließ sich ganz dem Gefühl von Geborgenheit und Kraft. Es tat so gut, so unendlich gut. Nach und nach kam sie vollkommen zu sich, nahm den unbekannten Raum um sich wahr. Die weißen Wände, die Apparate, die hohe Decke. Ihr Denken setzte ein. Was war geschehen? Sie erinnerte sich an die Flucht aus England, an einen großen, dunklen Mann der ihr an der Seite gestanden hatte in der kleinen Berghütte. Einen anderen Mann der ihr so grausame Schmerzen bereitet hatte. An die vollkommene Dunkelheit in der sie eingeschlossen war und an das Licht das sie unerbittlich an die Oberfläche gezogen hatte. Immer klarer setzten sich die Bilder in ihren Gedanken zusammen. Die einzelnen Schnipsel fügten sich zu einem vollkommenen Bild. "Wo bin ich, was ist passiert? Wo ist Kermit?", brachte sie stockend hervor. Der Mann nahm einige Eischips aus einer Schale und strich damit über ihre spröden Lippen. "Sie sind im Krankenhaus, lagen im Koma. Kermit geht es gut.", erwiderte der Unbekannte seltsam schleppend. Erleichterung machte sich in Jenna breit. Sie akzeptierte die kurze Antwort ohne nachzufragen. "Und sie sind?" "Ich bin Caine, Peters Vater." Lange sah sie ihm in die Augen. Ihr Blick klärte sich, ein Lächeln umspielte ihre Lippen. "Ich kenne sie, sie waren immer bei mir, nicht wahr?" Caine nickte bedächtig. In seinen Augen entdeckte sie die Wahrheit. Worte waren nicht nötig. "Danke." Es war nur ein Hauch. "Schon gut. Schlafen sie, es wird ihnen gut tun." Wieder glitten seine Hände über ihre Stirn, zart wie ein Schmetterlingshauch, und Jenna schloss mit einem tiefen Seufzen ihre Augen. ***** Peter fuhr in seinem Stuhl hoch, als er merkte
wie sein Vater Kontakt mit ihm aufnahm. Er entspannte sich und erlaubte
es seinem Vater, in seine Gedanken zu dringen. Ein Lächeln breitete
sich auf seinem Gesicht auf. Er sprang auf und schnappte sich seine Jacke. "Ja sicher. Gute Neuigkeiten, Jenna ist aus dem Koma erwacht." "Schon mal was von anklopfen gehört?", wurde er von Kermit unfreundlich begrüßt, als er in dessen Büro stürmte. "Keine Zeit, du musst sofort mitkommen", meinte Peter aufgeregt und trat von einem Fuß auf den anderen. "Ich habe zu tun. Heb deinen Arsch aus meinem Büro und verschwinde", kam die ruppige Entgegnung. "Kermit, es geht um Jenna." Der kleine Schreck musste nun einfach sein. Er sah wie Kermit hinter seinen grünen Gläsern erbleichte. Seine Knöchel traten weiß hervor, als er sich an die Tischkante klammerte. "Ist sie..." Er konnte es nicht aussprechen, tiefe Qual lag in seiner Stimme. Peter tat es sofort leid, ihm den üblen Scherz gespielt zu haben. "Nein, Kermit. Jenna ist gerade aus dem Koma erwacht." Absolutes Unglauben spiegelte sich in Kermits Miene. Sein ganzer Körper versteifte sich. Er wirkte wie ein riesiges, überdimensionales Fragezeichen. "Aber wie...woher?" "Mein Vater, der Shambhala Meister, hat es mir soeben mitgeteilt.", entgegnete Peter knapp. Kermit hielt nichts mehr auf seinem Stuhl. Er umarmte den überraschten Peter so kräftig er konnte, so dass dieser nach Luft schnappen musste. Dann ergriff er seinen Mantel und war schon halb aus dem Büro draußen, bevor Peter sich überhaupt bewegt hatte. "Hey warte!" Peter stolperte ihm hinterher. Kermit ließ sämtliche Verkehrszeichen außer acht auf dem Weg zum Krankenhaus. Peter saß bleich neben ihm und hielt sich krampfhaft am Sitz fest. "Und mir sagt man nach, ich würde wie ein Henker fahren", murmelte er. In Rekordzeit erreichten die das Krankenhaus. Peter kam fast nicht hinterher so schnell wetzte Kermit die Stufen hinauf. Vor Jennas Zimmer stand Caine und wartete schon auf sie. "Wie geht es ihr?", rief Kermit schon von weitem. Caine wartete bis die beiden vor ihnen standen und meinte: "Gut, im Moment ist sie gerade wach. Der Arzt ist bei ihr." "Kann sie sich an...an das Vorkommnis erinnern?" "Das muss der Arzt entscheiden. Auf mich machte sie den Eindruck, als dass sie sich zumindest partiell an gewisse Dinge erinnern kann." "Sie sind besser als jeder Arzt, Caine. Danke, dass sie ihr geholfen habe.", erwiderte Kermit und drückte dankbar seine Hand. Caine wirkte verlegen und verbeugte sich leicht. "Es war mir eine Ehre." Als sich sein Vater zum Gehen wandte, hielt Peter ihn zurück. "Wo willst du hin, Paps?" "Nach Hause, mein Sohn. Es gibt Dinge, die auch dort auf mich warten." Beide blickten Caine nach wie er den langen Flur entlang ging. Kermit schüttelte leicht verwundert den Kopf. Gut, er kannte Caine schon sehr lange, aber er schaffte es immer wieder, ihn in Erstaunen zu versetzen. Irgend etwas sagte ihm, dass es tatsächlich nur Caine zu verdanken war, dass Jenna ins Leben zurück gefunden hatte. Der Arzt trat aus dem Zimmer und zuckte zurück als er Kermit entdeckte. Ihm war noch allzu gut in Erinnerung wie sich der Desert Eagle an seinem Hals angefühlt hatte. Entschuldigend blickte Kermit ihn an und versuchte, so harmlos wie möglich zu wirken. Diesmal überließ er Peter das Reden. "Doc, wie sieht es aus?" "Gut, sehr gut sogar. Ihr Gehirn scheint keinen Schaden genommen zu haben, selbst ihr Erinnerungsvermögen kehrte nach einer guten Stunde komplett zurück. Das Einzige, was noch eingeschränkt ist, ist die Motorik, doch dem kann man mit Krankengymnastik und viel Geduld entgegen wirken. In der Richtung muss einiges getan werden." "Und wann kann sie entlassen werden?" "Das kann ich ihnen nicht genau sagen. Es müssen noch einige Tests durchgeführt werden, um sicher zu stellen, dass wirklich alles in Ordnung ist. Es gibt wenige Patienten, die ohne Schäden aus so einem langen Koma erwachen. In ihrem speziellen Fall würde ich sogar von einem kleinen Wunder reden." *Ja, und das Wunder ist gerade den Gang hinunter gelaufen*, dachte Kermit. "Können wir zu ihr?" "Natürlich. Sie ist zwar noch ziemlich schwach, aber ich sehe keinen Grund, ihnen den Zugang zu verweigern." Dabei blickte er ein wenig ängstlich zu Kermit, dessen Miene rein gar nichts zu entnehmen war. "Danke Doktor." "Nichts zu danken. Entschuldigen sie mich, die Arbeit ruft." Peter griff nach der Klinke und hörte seinen Freund tief einatmen. Er drehte den Kopf zu ihm. "Alles klar, Partner?" "Nein nichts ist klar", wollte Kermit schreien, statt dessen nickte er. Auf einmal spürte er eine grässliche Angst in sich. Wie würde sie reagieren wenn sie ihn sah? Er rechnete mit dem Schlimmsten. Peter schenkte ihm einen aufmunternden Blick, als wollte er sagen: Du irrst dich total. Jenna lag mit geschlossenen Augen in ihrem Bett. Noch immer sah sie erschreckend blass aus, doch mit nur einem Monitor um sie herum, wirkte es weit weniger bedrohend. Leise traten sie an ihr Bett. Kermit ergriff ihre Hand aus alter Gewohnheit. Ihre Lider flatterten und sie öffnete die Augen. Ein schwaches Strahlen glitt über ihr Gesicht. "Hallo Kermit, schön dich zu sehen." "Hallo Jenna, noch viel schöner ist es zu sehen, dass du wieder aufgewacht bist." Wo war der Ausdruck von Ekel in ihren Augen? Würde sie ihn gleich anschreien und hinaus werfen? Sie nahm Peter auf der anderen Seite wahr. "Hallo Peter." Er näherte sich ihr und strich ihr sanft über die Wange. "Hallo Sorgenkind." Sie verzog das Gesicht. "Übler Name, fällt dir nichts besseres ein?" "Hm...mal sehen...nö." "Ach du. Warte bis ich hier raus bin, dann kannst du deinen Computer aus dem Fenster werfen.", frotzelte sie zurück. Peter lachte leise. "Tut gut dich zu hören, Sorgenkind. Dafür opfere ich gerne meinen Computer, der gehört ja eh nicht mir." "Na irgendwann wirst du froh sein, wenn ich wieder zu reden aufhöre." Jenna wandte sich wieder Kermit zu. Plötzlich wirkte sie irritiert. "Was ist los Kermit? Ich habe das Gefühl dir liegt was auf dem Herzen." Kermit zuckte zusammen. Himmel, konnte sie jetzt auch schon Gedanken lesen wie Caine? Er ahnte nicht wie schuldbewusst er drein sah. "Jenna, es tut mir so wahnsinnig leid wie alles gelaufen ist. Ich bin schuld dran, dass du fast gestorben wärst", platzte er heraus. "Wie kommst du denn da drauf?", erkundigte sie sich ehrlich erstaunt. "Hätte ich besser auf dich aufgepasst, dann wäre es Rogers nicht gelungen dir das an zu tun, doch ich habe leider versagt." Seine Stimme bestand aus purem Schmerz und Hass auf sich selbst. Jenna sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. "So etwas dummes habe ich schon lange nicht mehr gehört. Du hast absolut keine Schuld an dem, was geschehen ist." "Wer denn sonst?", sagte er hart. "Niemand. Es ist geschehen was geschehen sollte, so einfach ist das. Außerdem hast du mir das Leben gerettet wenn ich mich richtig erinnere." "Unsinn." "DU redest Unsinn mein Lieber. Was erwartest du jetzt? Soll ich sagen, ja du hast recht, damit du in deinem Selbstmitleid ertrinken kannst? Nein, den Gefallen tue ich dir nicht. Niemand ist unfehlbar und keiner kann die Vergangenheit rückgängig machen, auch du nicht. Warum verschließt du dich vor der Wahrheit? Ist es so viel einfacher, sich hinter einer Mauer von Selbstmitleid und Selbstzerfleischung zurück zu ziehen, anstatt alles so zu akzeptieren wie es ist?" Jenna hatte sich so in Rage geredet, dass der Herzmonitor zu piepsen anfing. Bevor Kermit auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, wurde die Türe aufgerissen und eine resolut wirkende Schwester eilte in den Raum. "Meine Herren, ich muss sie jetzt bitten zu gehen. Die Patientin darf sich nicht aufregen. Wenn das noch einmal vorkommt, werde ich ein Besuchsverbot aussprechen müssen!" Peter, dem der abrupte Stimmungswechsel bei Kermit sofort aufgefallen war, trat zu seinem Freund, ergriff seinen Arm und zog ihn aus dem Zimmer. Kurz bevor sie die Türe erreichten, hielt Jenna sie noch einmal zurück. "Kermit?" Er drehte sich noch einmal um. "Ja?" "Bitte tu dir das nicht an. Tu mir das nicht an! Du tust nicht nur dir, sondern auch mir sehr weh damit!" Ihre Stimme klang so unglaublich müde. Mehr hörte er nicht mehr, denn Peter hatte die Türe hinter ihnen geschlossen. Peter blickte seinen Partner scharf von der Seite an, auch er wirkte sehr blass und in sich gekehrt. In seinen Augen, die wie immer hinter den Gläsern verborgen waren, konnte er nicht lesen. Aber er spürte die Unsicherheit und die Dämonen Kermits, die ihn nicht aus den Fängen lassen wollte. Der ältere Detective befreite sich mit einer kurzen Drehung von Peters Hand, die noch immer auf der Schulter lag und hetzte den Gang hinunter, als wäre eine Meute Hunde hinter ihm her. Peter, der wusste wenn es das Beste war, nicht weiter in Kermit zu dringen lief ihm hinterher. Als Peter aus dem Krankenhaus trat, saß Kermit schon hinter dem Steuer seines Wagens und wartete auf ihn. Auch die Rückfahrt verlief äußerst schweigend und wesentlich langsamer als die Fahrt zum Krankenhaus. Kermit hatte eine versteinerte Miene aufgesetzt und jeder Zentimeter seines Körper signalisierte Peter, ihn ja in Ruhe zu lassen. Wenn es möglich war, dann wirkte er in dem Moment noch furchteinflößender als die vergangenen Wochen. Inwendig die Augen verdrehend schwor sich Peter, heute Abend mit seinem Vater zu reden. Er wusste nicht, wie er seinem Freund und Partner noch helfen sollte. Kaum waren sie wieder am Revier angelangt, vergrub sich Kermit in sein Büro und schloss mit einem lauten, deutlichen Knall die Türe hinter sich. Skalany blickte irritiert auf. "Scheint nicht gerade so, als würde er sich freuen, dass es Jenna besser geht. Was ist passiert, Peter?" "Nichts." "Na komm, das kannst du mir doch nicht erzählen. Kermit benimmt sich wie ein wildgewordener Holzfäller und du siehst aus, als wolltest du jeden Moment jemanden an den Kragen gehen." "Skalany, lass es einfach, okay?" Sie seufzte und schlug die Augen gen Himmel. "Der Herr bewahre mich vor euch verrückten Typen. Ich weiß echt nicht wer schlimmer ist, du oder Kermit." Demonstrativ und verletzt kehrte sie ihm den Rücken zu und vergrub sich in den Berg Akten, der auf ihrem Schreibtisch lag. *Na Prima,* dachte Peter *Noch jemand, der mit mir sauer ist. Echt toller Tag.* ***** Kaum war Feierabend sprang Peter auf und schlüpfte in seine Jacke. Wenige Minuten später betrat er die Wohnung seines Vater. "Paps, bist du da?" Caine, der an der Werkbank stand und ein paar Kräuter zermahlte, drehte sich zu seinem Sohn um. "Ich spüre deine Unruhe. Was ist geschehen, mein Sohn?" Peter fuhr sich irritiert durch die Haare, plötzlich kam er sich richtig doof vor, wie er hier stand und wie ein kleines Kind direkt zu Daddy rannte, wenn er nicht weiter wusste. "Ach schon gut, ich gehe wieder. War 'ne schlechte Idee hier aufzutauchen." "Peter!" Eine starke Hand auf seinem Arm hielt ihn davon ab, die Flucht anzutreten. Fast willenlos ließ er zu, dass ihn sein Vater in die Mitte des Raumes führte und sich mit ihm auf der Matte niederließ. Dunkle Augen, die bis auf den Grund seiner Seele blicken konnten, visierten ihn. Geduldig wartete Caine, bis sein Sohn zu sprechen bereit war. Dann kam er heraus wie ein Wasserfall. So kurz wie möglich erzählte ihm Peter, was sich im Krankenhaus zugetragen hatte. "Ich weiß nicht was ich noch machen soll.", schloss er seine lange Rede. Caine zuckte in typischer Manier die Schultern. "Peter, du weißt dass Kermit eine andere Art hat Dinge zu sehen." "Ja, ich weiß. Doch so kann es nicht weiter gehen. Er macht alle, die um ihn herum sind, vollkommen verrückt." "Kermit muss alleine mit seinen Dämonen zurecht kommen, mein Sohn. Wenn er deine Hilfe braucht, dann wird er sich auch an dich wenden." "Ich kann und will nicht zusehen, wie er sich selber fertig macht. Kermit ist mein Freund!", rief Peter verletzt aus. "Ich weiß, mein Sohn. Aber du musst Geduld haben. Kermit wird nichts sagen, bevor er selbst es nicht will." "Ich weiß es ja...verdammt alles könnte so schön sein. Ich spüre doch was die beiden empfinden. Warum kann Kermit nicht einmal im Leben etwas zulassen, das ihn von seiner Qual befreit?" "Jeder wandelt auf seinen eigenen Pfad." "Hör auf mit diesem kryptischen Gerede, Paps. Ich bin hierher gekommen, weil ich deine Hilfe brauche und nicht, um mir dummes Gewäsch anzuhören. Kannst du auch nur ein einziges Mal zeigen, dass du mein Vater bist!" Die Worte waren heraus bevor der junge Mann es verhindern konnte. "Peter!" Nur dieses Wort und es macht ihm deutlich, dass er gerade eben auch seinen Vater tief in den Gefühlen verletzt hatte. Peter spürte beschämte Hitze in seine Wangen steigen und sprang auf die Füße, nicht in der Lage, auch nur eine Minute länger hier zu bleiben. Diesmal hinderte ihn Caine nicht daran, den Raum zu verlassen. Vor dem Gebäude lehnte er sich zitternd an die Wand. Noch ein Mensch mehr, den er heute verletzt hatte und diesmal ausgerechnet den Menschen dem er am nächsten stand. "Es tut mir so leid Dad", murmelte er leise, bevor er in seinen Stealth stieg. Caine stand am Fenster und beobachtete seinen Sohn. Er wusste, dass ihm eine harte Zeit bevor stand, doch im Moment konnte er einfach nichts unternehmen. ***** Vier Wochen später. Der Saal war gefüllt mit Passagieren, die darauf warteten, endlich ins Flugzeug steigen zu können. Ab und an ertönte die monotone Stimme des Lautsprechers, der die Flüge aufrief. Es herrschte ein wildes Durcheinander von fröhlichen Menschen, die sich von ihren Freunden und Verwandten aufgeregt verabschiedeten. Alles redete wild durcheinander. Mitten drin standen zwei Menschen, die gar nicht glücklich wirkten. "Bist du dir wirklich sicher, Jenna?" "Ja, vollkommen. Was soll ich denn noch hier?" "Jenna, noch ist es nicht zu spät. Du kannst gerne solange bei mir bleiben, bis du eine Wohnung gefunden hast. Wir alle würden uns freuen, wenn du bleiben würdest." Jenna lachte hart. "Ja klar, vor allem Kermit, der seit vier Wochen verschwunden ist und sich keinen Deut um mich schert. Wolltest du das sagen?" "Um...vergiss mal Kermit, um den musst du dir keine Sorgen machen. Er kann besser auf sich aufpassen, als jeder andere von uns. Dein Jobangebot auf dem Revier steht nach wie vor. Nimm es doch an." "Nein." "Warum nicht, Jenna? Hör mal, ich weiß, dass du einiges hinter dir hast. Aber nun hast du die Gelegenheit, ganz von vorne zu beginnen. Warum kannst du diese Chance nicht ergreifen?" "Peter, du solltest mir mal zuhören. Erstens bin ich hier in einem vollkommen fremden Land und jeder Menge fremder Menschen. Zweitens habe ich schon einen Job, mit dem ich sehr zufrieden bin. Kannst du nicht verstehen, dass ich zurück in mein Leben und alles hier so schnell wie möglich hinter mit lassen möchte?" "Bin ich denn immer noch ein Fremder für dich, den du einfach so vergessen willst?" Er klang tief verletzt. Jenna wurde bewusst, was sie da gesagt hatte. Spontan schlang sie ihren gesunden Arm um seine Taille und küsste den jungen Mann auf die Wange. "Tut mir leid, Peter, so war das nicht gemeint. Ich bin nur so durcheinander. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass du und dein Vater immer meine Freunde bleiben werdet. Gerade in dir habe ich etwas gefunden, das ich nie wieder missen möchte und von dem ich glaubte, dass es gar nicht existiert: Freundschaft, Zuneigung und Wärme. Für mich bist du der große Bruder, den ich nie gehabt habe und ich vertraue dir blind. Vertrau du mir nun auch, dass unser Band auch auf die Entfernung hinweg bestehen bleiben wird. Du kannst jederzeit vorbei kommen und mich besuchen, wenn dir danach ist." Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange. Peter strich sie weg und nahm sie sanft in die Arme. Seine Wärme hüllte sie ein und gab ihr den Halt, den sie im Moment dringend nötig hatte. Er spürte wie ihre Schultern bebten und flüsterte ihr leise Worte ins Ohr. "Scht...schon gut, kleine Schwester. Es wird alles gut." "Die Passagiere der Fluges 109 nach London werden gebeten sich an Ausgang 12 zu begeben", erklang die Lautsprecherdurchsage. Jenna löste sich aus Peters Umarmung und wischte sich über die Augen. "Ich muss jetzt gehen, Peter." "Jenna, überleg es dir doch bitte noch einmal." Ihre Augen spiegelten all den Schmerz wieder, den sie empfand. "Bitte Peter, mach es mir nicht doch noch schwerer als es eh schon ist. Du weißt, dass ich es einfach tun muss!" Ja, das wusste er. Noch immer war er davon überrascht, wie schnell sich Jenna in sein Herz geschlichen hatte. In den vielen Stunden, die er mit ihr im Krankenhaus verbracht hatte während den endlosen und schmerzhaften Übungen, waren sie sich immer näher gekommen. Ihr war es gelungen seinen Schutzwall zu durchdringen und er fühlte für sie tatsächlich wie für eine Schwester. In seinen Augen war Jenna ein kleines Juwel mit einem Herz aus Gold. Mit ihrer unerschütterlichen guten Laune alles durchzustehen, was ihre Genesung anbelangte, hatte sie alle in ihren Bann geschlagen. Mit ihrer Art die Dinge zu betrachten und zu erkennen, als auch ihrer Redegewandtheit hatte sie einigen Patienten im Krankenhaus sehr geholfen. Sosehr die Schwestern froh gewesen waren, nicht mehr mit Peters Gegenwart beglückt zu werden, der auch als Besucher immer für Ärger und Aufregung gesorgt hatte, um so trauriger waren sie über Jennas Weggang. Unbändige Wut auf seinen Partner und Freund Kermit keimte in ihm auf. Ihm war klar, dass sie wegen ihm ging. Dass Kermit einfach verschwunden war, hatte sie mehr verletzt als Rogers es je gekonnt hatte. Einzig er allein war der Grund, warum sie nicht zum Bleiben zu überreden war. Wäre Kermit jetzt hier, er wüsste nicht was er tun würde. Peter nahm ihr Gesicht in beide Hände und blickte ihr tief in die Augen. So sanft es ihm möglich war, hauchte er ihr einen Kuss auf Stirn und umarmte sie noch einmal. "Ich weiß, du musst deinen Weg gehen, Kleines. Aber versprich mir bitte, immer gut auf dich aufzupassen und dich gleich zu melden, nachdem du angekommen bist." "Das werde ich sicher tun, Großer", murmelte sie in sein Hemd. Peter ließ sie widerstrebend los nachdem der letzte Aufruf für den Flug erklungen war. "Pass auf dich auf, Jenna, versprich es mir!", ermahnte er sie noch einmal. Sie sah zu ihm auf, die Augen verhangen, doch mit einem kleinen Glitzern der 'alten' Kämpferin. "Das werde ich, ich verspreche es dir. Du aber auch! Ich will dich nicht verlieren." "Das wirst du nicht, Jenna, das kann ich dir hier und jetzt ebenfalls versprechen. Wenn du je Hilfe brauchst..." er führte den Satz nicht zu Ende, sie verstand ihn auch so. "Gleichfalls, großer Bruder. Ich hab dich sehr lieb." Noch einmal küsste sie ihn auf die Wange, er spürte ihre Tränen. Dann drehte sie sich um und ging zum Terminal. Peter sah ihr lange nach. "Ich dich auch", flüsterte er leise, bevor er sich müde umdrehte und den Flughafen verließ. Ein Schatten löste sich von der Wand. Gekleidet in einen dunklen Anzug und roter Krawatte, die Augen mit einer Sonnenbrille verhüllt, hatte er das Pärchen die ganze Zeit nicht einen Augenblick unbeobachtet gelassen. Dann wandte er sich ebenfalls um und ging langsam zu der grünen Covair, die Schultern von der schweren Last nach unten gezogen. Sie war weg. Es war vorbei. Endgültig. Ende
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