7. Teil
Autor: Fu-Dragon

 

Die nächsten Tage verliefen nach denselbem Muster wie die Letzten. Morgens verbrachten sie ein paar Stunden vor dem Computer und nachmittags trainierte Kermit mit ihr Selbstverteidigung.

Jenna stellte sich gut an. Ihre schnelle Auffassungsgabe ließ sie rasch mit den Lektionen voran kommen. Mittlerweile waren sie zu Angriffen übergegangen und der ständige Körperkontakt verunsicherte beide auf verschiedenste Art.

Kermit stellte für sich fest, dass an molligen Frauen doch sehr viel mehr dran war, als an den schlanken Püppchen, mit denen er sich sonst abgab. Jedes Mal wenn er sie an sich presste und sie sich befreien musste, spürte er ihre Weichheit und sog ihren Duft ein, der ihn betörte.

Jenna ließen seine harten Muskeln auch nicht kalt. So kam es, dass sie den Abend, abgesehen von den Lektionen im Entfesseln, meist getrennt verbrachten. Entweder war Kermit unterwegs, oder Jenna zog sich schon früh ins Schlafzimmer zurück. Ab und an stritten sie sich auch, doch das ging meist schnell vorüber. Betrat Kermit dann nachts das gemeinsame Schlafzimmer, schlief Jenna eh meist schon.

Von beiden unbemerkt, schlich sich eine Art Vertrautheit zwischen ihnen ein und der tägliche Rhythmus erleichterte das Leben ebenfalls. Jenna kam es vor, als ob sie immer schon so gelebt hatte und der Grund ihres Hierseins drängte sich bei ihr immer mehr in den Hintergrund.

********

Doch dann kam der Tag, an dem die Wirklichkeit beide sehr unsanft wieder einholte.

Alles fing ganz harmlos an. Kermit befand sich auf einem seiner üblichen Morgenspaziergänge, um die Gegend auszukundschaften, als ihm ein paar Personen unten im Tal auffielen. Er sah etwas blitzen und als er durch das Zielfernrohr des mitgenommenen Gewehres blickte, erkannte er, dass es sich um ein Fernglas handelte. Er konnte vier Männer in Tarnanzügen ausmachen und fluchte leise. Irgendwie hatten sie ihre Spur doch gefunden und befanden sich auf direktem Weg hierher. Paul war es also nicht gelungen, die Gegner aufzuspüren und unschädlich zu machen.

Zum ersten Mal verfluchte er den schmalen Waldweg, der nach unten führte. Da das der einzige Weg war, konnten sie nicht mit dem Auto fliehen und mit den vier schwerbewaffneten Männern konnte er sich auch nicht, ohne Jenna zu gefährden, anlegen. Blieb nur die Flucht nacht vorne in den Wald.

So schnell und geräuschlos wie er konnte eilte er zu Jenna zurück, die noch ahnungslos im Bett lag. Unsanft wurde die junge Frau aus dem Schlaf gerüttelt. Eine große Hand legte sich auf ihren Mund, um sie am schreien zu hindern. Mit weit aufgerissenen Augen schaute sie zu Kermit auf.

"Sie haben uns gefunden, Jenna. Wir müssen verschwinden. Los, zieh dich an und dann nichts wie weg hier."

Das Blut gefror Jenna in den Adern, ihre Alpträume wurden Wirklichkeit. Nachdem Kermit das Schlafzimmer verlassen hatte, schob sie sich mechanisch aus dem Bett und tat genau das, worum er sie gebeten hatte.

Kermit beschäftigte sich mittlerweile noch mal mit dem Laptop und schickte Peter eine chiffrierte Nachricht mit ihren Daten, wohl wissend, dass die Truppe von 101. einige Zeit brauchen würde, um hierher zu gelangen und sie dann auch erst einmal finden musste. Dann verstaute er den Laptop und sämtliche Waffen, die er nicht gebrauchen konnte, in einem Geheimversteck und hoffte, dass alles unentdeckt bleiben würde.

Jenna kam aus dem Schlafzimmer, zwei Rucksäcke in den Händen haltend.

"Hast du alles, was ich dir gesagt habe?"

"Ja, ich denke schon. Bei dir auch alles klar?"

Er nickte und nahm Jenna einen der Rucksäcke ab. Er bemerkte ihre blasse Gesichtsfarbe und nahm sanft ihr Gesicht in seine Hände.

"Hey Jenna, es wird schon alles gut gehen. Die Kavallerie ist schon verständigt."

Jenna lehnte sich kurz schutzsuchend an ihn und straffte sich dann. "Es bleibt uns eh nichts anders übrig, also los", meinte sie mutig.

Kermit drückte Jenna das zweite Gewehr und zusätzliche Munition in die Hand. Sie schlugen sich links in den Wald, darauf achtend, keine Spuren zu hinterlassen. Schon nach wenigen hundert Metern wurde das Fortkommen schwieriger. Immer mehr verdichtete sich der Wald zu einem undurchdringlich scheinenden Gewirr aus Bäumen, Ästen und Gräsern.

Jenna wunderte sich, wie der Mann vor ihr so leise auftreten konnte, ihre eigenen Schritten kamen ihr dagegen richtig laut vor. Schon jetzt stand ihr der Schweiß auf der Stirn und das Gewehr als auch der Rucksack, schienen mit jedem Schritt an Gewicht zuzulegen. Zum x-ten Mal in den letzten Stunden verfluchte sie ihre Körperfülle und wünschte sich, mehr für ihre Kondition getan zu haben. Ihr fiel es immer schwerer, Kermit zu folgen, der ihr fast leichtfüßig voraus ging.

Wie lange sie schon gegangen waren konnte Jenna nicht mehr sagen. Irgendwann war sie an einem Punkt angelangt, an dem sie nur noch mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte und sich nicht mal mehr die Mühe machte, sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Zum Luft holen kam sie schon gar nicht. Ab und an peitschte ihr ein Zweig ins Gesicht, wenn sie nicht aufpasste wohin Kermit ging, doch das spürte sie ebenfalls nicht mehr. Ihre Gedanken waren nur von einem beherrscht: Weiter, einfach nur weiter. Jenna konnte sich an keine Begebenheit erinnern, die sie so gefordert hatte wie diese hier. Ihr Leben, das sie vor diesem Dschungeltrip geführt hatte, schien ihr Lichtjahre entfernt. Das Einzige, was sie überhaupt noch auf den Beinen hielt, war ihr Überlebenswille und ihr Kampfgeist.

Kermit, der sich bis jetzt kein einziges Mal nach ihr umgedreht hatte, musste gespürt haben wie es ihr ging, denn er stoppte abrupt. Jenna, die nicht darauf geachtet hatte, lief voll in ihn hinein. Reaktionsschnell streckte er den Arm aus und hielt sie an der Taille umfasst, bis sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Er spürte die Hitze ihres Körpers und ihr Zittern. Behutsam half er ihr, sich auf den Boden zu setzen und kniete sich vor sie. Ihre Gesichtsfarbe gefiel ihm absolut nicht, sie war hochrot im Gesicht und glänzte vor Schweiß.

"Alles klar mit dir, Jenna?", erkundigte er sich besorgt.

"Wie? Ja klar, alles bestens."

Dass dem nicht so war konnte selbst ein Blinder erkennen. Ihm wurde bewusst, dass er viel zu schnell voran geprescht war. In seiner Sorge um ihre Sicherheit hatte er nicht daran gedacht, dass ihre Kondition nicht so gut war wie die seine.

Jenna versuchte sich wieder auf die Beine zu rappeln. Starke Hände auf ihren Schultern verhinderten dies. Sie wehrte sich schwach.

"Wir müssen weiter, Kermit."

"Erst mal ruhst du dich aus."

"Dazu ist keine Zeit", erwiderte sie tapfer.

"Dann werden wir uns die Zeit nehmen. Komm du erst mal wieder zu Atem", meinte er bestimmt.

Jenna sah ein, dass er recht hatte. Sie beobachtete wie er die beiden Rucksäcke nahm und deren Inhalt auf dem Boden verteilte.

"Was machst du da?", fragte sie verwirrt.

"Umverteilen", lautete die kurze Antwort.

Jenna hatte die Rucksäcke ungefähr gleich schwer gemacht. Nun verstaute Kermit die leichten Sachen in dem einen und die schwereren in dem anderen Rucksack. Jenna wagte nicht zu protestieren, obwohl sich schnell ihr schlechtes Gewissen meldete. Ihr reichte er den leichteren, den sie ohne Protest entgegen nahm. Wiederum kniete er sich vor sie und studierte ihr Gesicht.

Mittlerweile hatte sich ihre Gesichtsfarbe normalisiert, ebenso wie ihr Atem. Sehr viel mehr Zeit konnte er ihr auch nicht geben, sein trainiertes Gehör hatte längst andere Geräusche, als die des Waldes wahr genommen.

"Meinst du, du kannst weiter laufen?"

"Sicherlich. Ich bin doch nicht aus Zucker", entgegnete sie und entlockte ihm damit ein leichtes Lächeln. Mut hatte sie, das musste er ihr lassen.

Kermit reichte ihr die Hand und zog sie auf die Beine. Erleichtert stellte er fest, dass sie weder schwankte noch so erschöpft schien wie vor wenigen Minuten.

Dann ging es weiter durch das dichte Gebüsch. Kermit hatte seine Schritte etwas verlangsamt und schaute aus dem Augenwinkel immer wieder zu ihr zurück. Zwar schwitzte sie auch jetzt stark, doch ihr Atem ging gleichmäßig. Mehrere Stunden kämpften sie sich so durch das Unterholz bis die Dunkelheit einsetzte und ein Fortkommen immer schwerer wurde. Kermit hatte in den letzten beiden Stunden kein verdächtiges Geräusch mehr gehört und hoffte aus ganzem Herzen, dass die Häscher die Spur verloren hatten.

Jennas Schritte wurden mit zunehmender Dunkelheit immer unsicherer, längst hatte sie ihre Sonnenbrille in der Jackentasche verstaut. Er, Kermit, hätte es geschafft, auch durch die Nacht zu wandern, doch bei Jenna sah er da keine Chance. Er konnte förmlich ihre Angst spüren, die sie mehr und mehr erfasste je dunkler es wurde. Sicherheitshalber ergriff er ihre Hand, die sie dankbar drückte und führte sie den restlichen Weg zu einem kleinen Felsvorsprung, den er im letzten Licht des Tages entdeckt hatte. Dort würde er mit ihr die Nacht verbringen, zumindest von einer Seite von dem aufkommenden Wind geschützt.

Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass man die Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte. Kein Stern, kein Mond war am Himmel zu erkennen, der sich mit bedrohlichen Wolken zugezogen hatte. Kermit hoffte von ganzem Herzen, dass es nicht regnen würde, denn dann würde es ihnen auf keinen Fall gelingen, keine Spuren mehr zu hinterlassen. Er wusste wie schnell sich das Gras hier wieder aufrichtete, und so hatte er bis jetzt die Hoffnung, dass ihre Spur schwer zu verfolgen war, doch bei Nässe sah das alles anders aus.

Als er den Felsvorsprung ertastete, brachte er Jenna dazu, sich zu setzen und nahm ihr den Rucksack ab. Die Gewehre legte er sicherheitshalber neben sich.

"Hier übernachten wir, Jenna."

"Nicht das Ritz, aber in diesem Fall wollen wir mal eine Ausnahme machen", versuchte die junge Frau lahm zu scherzen.

Kermit schenkte ihr ein aufmunterndes Lachen, er konnte sich vorstellen wie sie sich fühlte.

"Essen wir erst mal was, dann sieht die Welt schon ganz anders aus.", meinte er tröstend.

"Ein Feuer können wir wohl nicht riskieren, was? Ich hasse Dunkelheit", sagte sie mit zitternder Stimme.

Kermit kam ihrer unausgesprochenen Bitte nach. Er ließ den Rucksack da fallen wo er war und setzte sich so dicht neben Jenna, dass sich ihre Körper berührten. Er hörte ihr dankbares Seufzen. Dann tastete er nach ihrer Hand und drückte ihr eine Konserve in die Hand, die er vorher geöffnet hatte. Deutlich spürte er das Zittern ihrer Finger. Der Detective fühlte sich in Versuchung, seinen Arm um sie zu legen und sie in eine beschützende Umarmung zu ziehen, doch er wusste, dass er damit ihren Stolz verletzen würde. Daher unterließ er es.

Schweigend verzehrten sie das kärgliche Mahl. Nachdem sie geendet und das Besteck verstaut hatten, wurde Jenna die Stille zwischen ihnen sehr unangenehm, zumal die normalen Geräusche des Waldes ihr Angst einjagten, da sie sie nicht zuordnen konnte. Nur um etwas zu sagen, meinte sie: "Ziemlich warm noch um diese Jahreszeit."

"Es geht. Hier in den Wäldern ist es meist wärmer als im Umland, da die Bäume die Hitze länger zu speichern vermögen."

"Ja, sogar der Felsen fühlt sich noch warm an, obwohl die Sonne schon eine Zeitlang verschwunden ist. Da habe ich doch glatt wieder etwas dazu gelernt."

"Man lernt eben nie aus."

Sie seufzte. "Ich wünschte, ich könnte das gleich in meinen Computer eintragen, ich habe so 'ne Liste..." sie stockte.

"Hey Jenna, wir schaffen das, davon bin ich fest überzeugt", beruhigte Kermit sie, dem ihr Zittern mal wieder nicht entging.

Jenna wollte nicht gleich wieder an ihre Situation erinnert werden und meinte völlig übergangslos: "In welchen Rucksack sind eigentlich die Dosen drin? Ich könnte etwas zu trinken vertragen."

"Die sind in meinem Rucksack, er liegt ein paar Zentimeter rechts von dir."

Jenna kniete sich hin und tastete mit beiden Händen nach dem Rucksack. Kermit blickte sorgenvoll zum Himmel, diese vollkommene Dunkelheit gefiel ihm ganz und gar nicht.

In diesem Moment setzte der Regen ein und das so stark, dass Jenna erschreckt von ihrer knienden Position auf die Füße sprang, das Gleichgewicht verlor, kreiselte, und mit Wucht gegen das Felsgestein prallte. Sie wurde wieder zurück geschleudert und landete halb auf Kermit, der unter dem Aufprall stöhnte. Er reagierte instinktiv wie bei einem Angriff und stieß sie zur Seite. Er erstarrte, als sie aufschrie.

"Jenna, ist dir was passiert?"

"Verdammter Mist, meine Schulter", brachte sie zitternd hervor.

"Ganz ruhig, Jenna, beweg dich nicht. Lass mich sehen."

Kermit kniete sich hin und tastete nach Jenna, die halb an den Felsen lehnte. Beruhigend strich er über ihren Handrücken.

"Wo genau tut es weh Jenna?"

"R...rechte Sch...Schulter...Oh Gott, hilf mir!" Deutlich hörte man den Schmerz aus ihrer Stimme.

"Ist ja gut. Ich weiß, dass es weh tut, aber ich muss nachschauen was passiert ist", beruhigte er Jenna, die sogleich versuchte, seine aufwärts tastende Hand weg zu schieben.

Der Regen wischte über ihr Gesicht, vermischte sich mit ihren Tränen die sie nicht mehr zurück halten konnte, während Kermits Finger immer höher glitten. Ganz Behutsam, um ihr nicht mehr weh zu tun als nötig, tastete der Detective die Schulter ab, dabei betete er inständig, dass es sich nur um eine Prellung handelte. Jenna zuckte mehrmals zusammen, hielt aber vorbildlich still. Kermit fühlte sich erleichtert, er konnte keine gebrochenen Knochen spüren. Er wollte sie schon wieder loslassen, als er aus Versehen mit dem Handgelenk ihr Schlüsselbein berührte. Jenna wimmerte. Ein Laut, der fast nichts menschliches mehr an sich hatte. Kermit zuckte zusammen bei diesem grässlichen Geräusch. Er ahnte was da passiert war. Es tat ihm selber weh, als er nun ihr Schlüsselbein abtastete und miterleben musste wie sie sich dabei vor Schmerzen wand. Deutlich spürte er den gebrochenen Knochen unter seinen Fingerspitzen.

"Verdammter Mist", flüsterte er.

Er ließ seine Hand sinken. In ihrer Situation konnte er kaum etwas ausrichten, nur ihren Arm still legen, mehr war nicht drin. Er zwang sich selbst zur Ruhe, um sie nicht noch mehr zu verschrecken. Sie nur leicht an der unverletzten Hand haltend redete er leise auf sie ein, bis ihr Atem ruhiger ging und der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte, wohl wissend, was er ihr gleich zufügen musste. Um ihr den provisorischen Verband anzulegen brauchte er ihre Mithilfe. Kermit ließ sie kurz los, um eine Decke aus dem Rucksack zu ziehen und sie in ein paar schmale Streifen zu reißen.

"Was ist mit meiner Schulter?", erkundigte sie sich schwach.

"Du hast dir das Schlüsselbein gebrochen, Jenna. Ich muss jetzt deine Schulter ruhig stellen. Es wird weh tun und ich brauche deine Hilfe dabei", erklärte er ehrlich und so ruhig er konnte.

Seltsamerweise nahm sie das ebenso ruhig auf wie er. "Und was soll ich tun?"

Behutsam nahm er erneut ihre unverletzte Hand und legte sie auf ihren verletzten Arm. "Ich drehe dich jetzt zu mir, dann kannst du dich an mich lehnen, damit ich dir die Schlinge anlegen kann. Halt bitte so deinen Arm fest und lass nicht eher los, bis ich es dir sage und bewege dich so wenig wie möglich."

Jenna zog tief den Atem in ihre Lungen ein. "Und wann soll's los gehen?"

"Sobald du dich dafür bereit fühlst."

Sie zögerte nur einen winzigen Moment. "Dann los, bevor mich der Mut wieder verlässt."

Die nächsten Minuten gehörten zu den qualvollsten in Jennas Leben. So vorsichtig Kermit auch war, der Schmerz der ihren Körper durchflutete war grausam. Rote und gelbe Punkte tanzten vor ihren Augen, sie hatte das Gefühl jeden Moment ohnmächtig zu werden. So fest sie konnte presste sie die Zähne zusammen, um ja keinen Ton von sich zu geben. Irgendwann war es vorbei und sie lag erschöpft und bewegungslos in seinen Armen, die er nun um sie gelegt hatte, um ihren zitternden Körper zu beruhigen und ihr Kraft zu spenden.

"Tapferes Mädchen", hörte sie ihn flüstern.

Ganz allmählich beruhigte sich ihr Atem und die Übelkeit verschwand. Der Nebel um ihr Denken lichtete sich ebenfalls.

"Was man nicht alles macht, um in den Armen eines Mannes zu liegen", scherzte sie schwach.

Kermit war erleichtert diese Worte zu hören. Wenn sie wieder scherzen konnte ging es ihr etwas besser, auch wenn sie sich erschreckend kraftlos anhörte. Eine unerwartete Welle der Zuneigung und des Respekts durchflutete ihn. Er kannte Söldner, die diese Prozedur nicht ausgehalten hatten und einfach umgekippt waren.

"Das Vergnügen ist ganz meinerseits", scherzte er zurück.

"Verdammt es tut so weh", wisperte sie Übergangslos.

Eine Sekunde wurde Kermits Umarmung fester, bevor er sich zwang, sich zu entspannen. "Ich weiß, Süße, ich weiß. Versuche zu schlafen, das wird helfen."

"Das kann ich ganz sicher nicht", lauteten die letzten Worte, bevor ihr nun doch die Sinne schwanden und wohltuende Dunkelheit sie umringte.

Eine unruhige Nacht begann für Kermit. An Schlaf war für ihn vorerst nicht zu denken. Jennas Körper lastete schwer auf ihm und er hatte alle Hände voll zu tun, sie unter Kontrolle zu halten, als ihr Körper unter den Schmerzwellen zuckte und zitterte. Immer wieder flüsterte er ihr beruhigende Worte ins Ohr, die zeitweise Wirkung zu zeigen schienen. Zwischenzeitlich hatte es aufgehört zu regnen, doch Kermit machte sich trotzdem große Sorgen. Er wusste nicht wie es ihr morgen gehen würde. Ihm war bewusst, dass sie unmöglich hier bleiben konnten, doch würde Jenna es schaffen, aus eigener Kraft weiter zu laufen? Sie tragen konnte er jedenfalls nicht die gesamte Zeit.

Seiner Schätzung nach war es weit nach Mitternacht, als ihr Zittern endlich aufhörte und sie in seinen Armen erschlaffte. Kermit hauchte ihr einen Kuss aufs Haar und zog sie ein wenig enger an sich, dankbar für ihre Nähe, die ihm ein wenig von seiner Sicherheit zurück gab. Dann erlaubte er sich auch, für eine Weile die Augen zu schließen.

Bei Tagesanbruch erwachte er und blickte sorgenvoll zu Jenna hinab. Ihre Haut leuchtete unnatürlich blass und ihr Atem ging unregelmäßig. Zudem hatte sich schon wieder eine Schweißschicht auf ihrer Haut gebildet. Kein gutes Zeichen. Vorsichtig fühlte er ihre Stirn, die sich heiß anfühlte. Alles deute darauf hin, dass sie sich in der windigen Nacht auch noch eine Erkältung eingefangen hatte. Kermit griff mit einer Hand hinter sich, zog die Wasserflasche zu sich her und öffnete sie. Er nahm ein Stück der Decke, tränkte sie mit dem Wasser und wischte Jenna das Gesicht ab.

Von dieser Berührung erwachte die junge Frau. Sie konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als sie sich leicht bewegte. Der Schmerz schoss wie eine spitze Nadel durch ihren Körper. Begleitet wurde alles von einem Hustenanfall.

"Tief durchatmen, Jenna, das hilft", murmelte eine tiefe Stimme ihr ins Ohr.

Jenna tat was ihr geheißen wurde und stellte fest, dass der Schmerz tatsächlich etwas nachließ. Ganz vorsichtig entwand sie sich seiner Umarmung und lehnte sich an den Felsen.

Kermit strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und musterte sie kritisch. "Wie fühlst du dich?"

"Super", log sie.

Seine Besorgnis und das sanfte Streicheln seiner Hand tat ihr unendlich gut. Sie konnte förmlich spüren, wie ein Teil der Kraft in ihren Körper zurück kehrte. Ihr Blick klärte sich und sie sah Kermit in die unverhüllten Augen. Tiefe Anteilnahme, Respekt und der feste Wille, sie hier heraus zu bringen strömte ihr entgegen. Irgend etwas geschah in diesem Augenblick, sie wusste nur nicht, was es war. Jedenfalls gelang es ihr, mit seiner Hilfe auf die Beine zu kommen und auch stehen zu bleiben.

"Meinst du, du kannst gehen?"

"Wenn ich stehen kann, dann kann ich auch gehen. Wir müssen weiter, ob es uns gefällt oder nicht", entgegnete sie sicherer als sie sich fühlte.

Befremdet beobachtete sie Kermit, wie er beinahe alles aus dem Rucksack entfernte, das nicht ess- oder trinkbar war und auch das Magazin aus ihrem Gewehr einsteckte. Dann schulterte er den Rucksack, als auch sein eigenes Gewehr und reichte ihr seine Hand, die sie ergriff.

Der feste Halt tat ihr gut bei den ersten Schritten. Schnell stellte sie fest, dass das Laufen wesentlich leichter ging als erwartet. Auch Kermit bekam das mit und ließ sie los, damit er ihnen den Weg bahnen konnte. Leider kamen sie jetzt wesentlich langsamer voran als Gestern. Kermit legte jede Stunde ein paar Minuten Pause für Jenna ein, die immer blasser wurde.

Er konnte Jenna nur bewundern. Sie hatte sich bis jetzt mit keiner Silbe beschwert, ja einmal sogar ihm Mut gemacht, als sie wohl gespürt hatte, welche Sorgen er sich machte. Tapfer setzte sie einen Schritt vor den anderen, angetrieben von einem Willen, dem Kermit absoluten Respekt zollte. Er kannte nur wenige Menschen, die so taff waren wie diese Frau. Ihr Benehmen zeugte von Klasse, die er ihr vor wenigen Tagen noch absolut nicht zugetraut hatte. Wie sie das machte, immer einen Schritt vor den anderen zu setzen, das wusste er nicht. Hätten einige seiner Exkameraden so viel Schneid besessen wie diese Frau an seiner Seite, es wäre vieles anders gelaufen in seinem Leben.

"Wir haben es bald geschafft, Jenna. Noch ein paar hundert Meter und wir sind am Waldrand und dann kommt eine Straße", machte Kermit ihr Mut, als sie wieder einmal stolperte und er schnell zufassen musste.

Jenna lehnte sich einen Moment an ihn und meinte schwach: "Hoffentlich."

Ihm war klar, dass sie sich nur noch mit purer Willenskraft auf den Beinen hielt und bald nicht mehr konnte, ihr Körper glühte förmlich. Inständig hoffte er, dass sie es bis zum Waldrand noch aushielt. Schweigend wanderten sie weiter.

Kermit hörte als Erster ein Knacken von Ästen ganz in seiner Nähe, das ganz sicher zu keinem Waldtier gehörte. Auch Jenna hatte er vernommen. Ihre Augen weiteten sich angstvoll und ihr Körper spannte sich an. Kermit brauchte nichts zu sagen, um die Bedeutung des Geräusches zu erklären. Er riss das Gewehr nach oben, doch er reagierte zu spät. Kaltes Metall drückte sich in seinen Nacken und eine spöttische Stimme erklang hinter ihm.

"Kermit, du lässt echt nach in deinen alten Tagen."

"Rogers", stieß Kermit hasserfüllt hervor.

 

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