Die nächsten Stunden verbrachten sie gemeinsam vor dem Computer. Jenna war froh, dass er ihr nichts mehr nachtrug. Je mehr sie darüber nachdachte, was geschehen war, desto klarer wurde ihr wie dumm sie sich verhalten hatte und sie schämte sich noch immer deswegen. Sie konnte ihm nicht verübeln, dass er so gehandelt hatte. Was hätte er auch sonst tun können? Wie immer brachte sie die Arbeit mit dem Computer auf andere Gedanken, sie spürte wie sie sich merklich entspannte. Jenna hatte Kermit ein paar Tricks gezeigt wie er seinen Laptop noch schneller machen konnte und Kermit hatte sich damit revanchiert, in dem er ihr ein paar Webseiten zeigte die sie noch nicht kannte, ihr aber bei der Arbeit hilfreich sein würden. Nachdem sie noch gemeinsam in einem Chatroom für Verwirrung gesorgt hatten, fuhr Kermit den Computer herunter und streckte sich. "Zeit für Lektion Nummer zwei, Jenna", sagte er. "Und das wäre?", erkundigte sich Jenna vorsichtig, an ihren Muskelkater denkend. "Angesichts dessen, dass du dich kaum bewegen kannst, werde ich dir heute zeigen, wie du dich von Fesselungen befreien kannst." "Na wenn das so einfach wäre, bräuchtet ihr wohl keine Handschellen mehr!", entgegnete sie. "Ich habe auch nicht gesagt, dass ich Superman bin und Stahl verbiegen kann, oder? Schon mal dran gedacht, dass es auch Stricke und Seile gibt, mit denen man jemanden fesseln kann?" Jenna errötete, daran hatte sie tatsächlich nicht gedacht, obwohl ihr erst heute Morgen genau das passiert war. Kermit deutete auf die Matte am Boden. "Dann setz dich mal hin und ich hole die benötigten Utensilien." Jenna war dankbar, dass er einen Moment den Raum verlassen hatte, so konnte er nicht sehen wie ungalant sie auf den Boden plumpste. Irgendwie wollten heute bestimmte Muskeln nicht das tun, was sie von ihnen verlangte. Jenna sah ihm schon entgegen als er mit verschiedenen Stricken, Gürteln und Seilen zu ihr zurück kehrte. "Warum so viele?", erkundigte sie sich. "Ganz einfach. Weil jeder Strick, so wie bei Waffen auch, seine Eigenarten hat und die sollte man kennen." Jenna konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und meinte ohne nachzudenken: "Na für ein Pärchen das auf Fesselspiele steht, wäre das wohl das Paradies." Kermits Grinsen wirkte teuflisch. "Ach, hast du Erfahrung damit?" Prompt errötete sie bis unter die Haarwurzeln. Total aus dem Konzept gebracht und aufgrund der Gedanken, die ihr gerade durch den Kopf schossen brachte sie nur ein schwaches: "Können wir jetzt anfangen?", hervor, das Kermit sogleich mit einer eindeutig zweideutigen Phrase beantwortete. "Aber sicher doch, wenn du es nicht mehr länger erwarten kannst." Die nächste halbe Stunde erklärte Kermit die Zusammensetzung und Eigenschaften der Stricke und Jenna versuchte, sich alles zu merken. Zwischendurch hörte er sie ab wie ein Schulkind, was ihr auch nicht gerade so recht war. Danach ging es weiter mit Knoten. Er zeigte ihr wie man bestimmte Knoten machte und auch wie man sie wieder löste. Danach war sie dran, es ihm gleich zu tun. Jenna taten schon alle Finger weh von den ungewohnten Übungen, ganz zu schweigen von ihrem Gesäß und anderen Knochen. Es dauerte lange bis Kermit mit ihr zufrieden war. Zumindest brachte sie jetzt die verschiedenen Techniken nicht mehr durcheinander, was ihr eigentlich am meisten Probleme bereitet hatte. "OK. Nun werden wir dein theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen, mal schauen wie du damit zurecht kommst. Strecke deine Hände aus." "Wie bitte?" Er setzte sein typisches Kermitgrinsen auf, das alles und zugleich nichts bedeuten konnte. "Ja dachtest du, nachdem du weißt wie was funktioniert, kannst du dich auch ohne Übung befreien? Nun mach schon, oder ist dir lieber wenn ich dich überwältige?" Jenna schluckte hart. Lag da etwa ein Hauch Erotik in seiner Stimme? Sie konnte es nicht beurteilen, wusste auch nicht, ob er die Bemerkung ernst meinte. Sicherheitshalber tat sie, was er verlangte und streckte ihre Hände aus. Starke Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und sie beobachtete atemlos, wie er fast sanft einen Strick um ihr Handgelenk befestigte. Das Gleiche tat er mit ihrem anderen Handgelenk und verknotete dann den Strick. Die Fesselung rief sehr unangenehme Erinnerungen in Jenna wach und sie zuckte unwillkürlich zurück. Kermit bemerkte, dass irgend etwas nicht stimmte und hielt ihre Handgelenke weiterhin umfasst. Er fühlte den ansteigenden Puls unter seinen Fingerspitzen. Besorgt sah er sie an. "Was ist los, Jenna?" Sie konnte und wollte ihm keine Antwort geben, schüttelte nur stumm den Kopf. Woher sollte er auch wissen, dass sie einmal bei einem Auftrag für eine andere Firma entführt worden war und fünf Tage in der Hand von Geiselnehmern hatte verbringen müssen? Widerstrebend ließ Kermit ihre Gelenke los und fuhr mit dem Unterricht fort. Jenna hatte sich inzwischen soweit gefangen, dass sie sich darauf konzentrieren konnte. Sie wusste, bei ihm war sie sicher und es konnte ihr nichts geschehen. Bald stellte sie fest, dass es gar nicht so leicht war, die Knoten zu lösen wenn der Bewegungsradius der Finger eingeschränkt wurde. Verbissen kämpfte sie darum, ihre Hände zu befreien, zumal der Detective die Knoten gnädigerweise nicht zu fest gemacht hatte. Dennoch benötigte sie volle zehn Minuten, um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen. Endlich hielt sie den Strick in der Hand und schaute ihn triumphierend an. "Ha, ich hab's geschafft." "Gut gemacht, Jenna. Dann machen wir gleich weiter." Dass sie sich zu früh gefreut hatte stellte sie gleich darauf fest. Bei jeder Fesselung wurden die Knoten komplizierter und fester. Jenna kämpfte verbissen um jeden Millimeter, den sie sich befreien konnte. Einige Knoten konnte sie lösen, bei anderen versagte sie kläglich. Sie fing an zu schwitzen, das Ganze erwies sich als wesentlich anstrengender, als sie gedacht hatte. Kermit hörte erst auf, als er sah, wie sich die empfindliche Haut ihrer Handgelenke rötete. Sanft befreite er sie von dem letzten Strick, aus dessen Verknotung sie sich nicht hatte befreien können und fuhr mit den Fingern zart über ihr geschundenes Handgelenk. Jenna zuckte zurück, noch lange nachdem er sie losgelassen hatte, meinte sie seine Finger auf ihrer Haut zu spüren. Nur ihrer Sonnenbrille verdankte sie es, dass er ihre Emotionen nicht erkennen konnte. Kaum, dass er das Trainingsende angekündigt hatte, sprang sie auf und wetzte ins Schlafzimmer, froh der beunruhigenden Ausstrahlung des Mannes entkommen zu sein. Wieder einmal. Eine gute halbe Stunde später kehrte sie geduscht zurück. Ihre Finger waren leicht geschwollen und fühlten sich steif an. Ohne dass es ihr bewusst war, versuchte sie immer wieder die Finger zu entkrampfen. Kermit entging das nicht. Der Ex-Söldner zog den freien Stuhl neben sich und deutete auf ihn. "Komm her und setz dich zu mir." Jenna tat es, den Kopf gesenkt. "Ich glaube, so gut war ich diesmal nicht", meinte sie leise. "Es kann nicht immer alles auf Anhieb klappen, Jenna. Ich für meinen Teil bin jedenfalls sehr zufrieden mit dir. Du hast dich tapfer geschlagen." Ungläubig sah sie zu ihm auf. "Wirklich?" "Würde ich es sagen, wenn ich es nicht so meinte? Ab morgen werden wir jeden Tag eine Stunde üben und du wirst sehen, dass es dir irgendwann auch gelingen wird, die schwierigeren Knoten aufzulösen." "Da bin ich zwar nicht so ganz überzeugt von, aber wenn du es sagst.", stimmte sie halbherzig zu, unbewusst auf ihre Finger schauend. Kermit ergriff ihre Hand und zog sie zu sich her. Im ersten Moment zuckte Jenna zusammen und sah ihn fragend an. "Ich bin nicht umhin gekommen zu bemerken, dass du Probleme mit den Fingern hast. Ergo bekommst du jetzt eine ganz spezielle Kermitmassage und du wirst sehen, danach geht es dir besser.", erwiderte er leichthin. Jenna fügte sich mit einem lautstarken Seufzen ihrem Schicksal und schloss die Augen. Kermit begann vorsichtig ihre Finger zu massieren. In sanften Kreisen strich er über den sensiblen Handrücken, um dann mit dem Daumen kräftiger ihren Handballen zu kneten. Ein kleiner Schmerzenslaut kam über Jenna Lippen, als er vorsichtig ihr Handgelenk dehnte und streckte. "Sorry." "Macht nichts." Angelegentlich betrachtete er ihre Hand in der seinen. Die langen Finger, die so sensibel mit den Tasten des Computer umgehen konnten und die kurzen Fingernägel. In seiner großen Pranke wirkte ihre Hand dagegen richtig klein und zierlich. Nach einer kleinen Ewigkeit wechselte er zu ihrer anderen Hand und ließ ihr dieselbe Sorgfalt zukommen. Er musste grinsen als er sah, wie Jenna sich immer mehr entspannte und dabei engelsgleich zu lächeln anfing. Dennoch wirkte sie ziemlich nachdenklich. "Ein Penny für deine Gedanken", sprach er aus, was er dachte. "Och, die sind nicht mal einen halben Penny Wert." "Meinst du?" "Ja." Er konnte direkt spüren, wie sie von entspannt zu wachsam umschwenkte und schalt sich selbst einen Trottel, die entspannte Stimmung zerstört zu haben. "Jenna, ich bin nicht dein Feind." "Ich weiß." Kermit zuckte die Schultern. Er kam einfach nicht durch zu ihr. Manchmal hatte er wirklich das Gefühl, dass sie genauso paranoid war wie er. Für ihn gab es nur drei Menschen auf dieser Welt, denen er vertraute. Im Gewissen Sinn konnte er ihr das sogar nachfühlen. Für sie musste er nach wie vor ein Fremder sein, trotzdem erklärte er, selbst erstaunt über seine Worte: "Jenna, ich will dich nur wissen lassen, dass wenn dich etwas bedrückt, oder wenn du jemanden zum reden brauchst, ich für dich da bin." "Danke, das weiß ich zu schätzen, Kermit. Ich hoffe, dass du weißt, dass das anders herum genauso gilt", entgegnete sie nach kurzem Zögern. Kermit, der noch immer ihre Hand hielt, ließ sie los und stand auf. Spontan beugte er sich noch mal zu ihr herunter und drückte ihr einen Kuss aufs Haar, was eigentlich eher Peters Art entsprach, und meinte: "Ich werde daran denken." Dann verließ er die Hütte und ließ eine ziemlich verblüffte Jenna zurück. ***** |
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