Kapitel 4
Autor: Fu-Dragon

 

Peter fuhr nachdenklich den Highway entlang. Seine Gedanken kreisten unablässig um Paul. Er wusste schon, warum Annie ihn und Jody für das Wochenende eingeladen hatte, denn sein Pflegevater hatte am Samstag Geburtstag. Wahrscheinlich wollte Annie nicht alleine sein, denn gerade an solch speziellen Tagen dachte man viel an die Menschen, die nicht bei einem sein konnten. Des weiteren fragte er sich unablässig, welchen Deal Paul abgeschlossen haben musste, wenn Annie so überreizt reagierte. Es konnte einfach nichts Gutes sein, soviel war ihm klar.

Ein lautes Hupen riss ihn aus den Gedanken. Im letzten Moment riss Peter das Steuer herum, vollkommen überrascht davon, dass er sich halb auf der rechten Fahrbahn befand und ihn nur wenige Zentimeter davon trennten, ein Auto zu schrammen. Erleichtert stieß er die Luft aus. Das war gerade noch mal gut gegangen. Man sollte eben nicht auf der Überholspur fahren, wenn man nicht bei der Sache war. Im Rückspiegel sah er, wie der andere Fahrer ihm erbost einen Vogel zeigte. Er zuckte nur entschuldigend mit den Schultern und setzte seine Fahrt fort. Allerdings achtete er nun peinlich genau auf den Verkehr.

Ohne weitere Zwischenfälle parkte Peter seinen blauen Stealth vor dem mehrstöckigen Backsteingebäude mitten in Chinatown, das er nun sein Zuhause nannte. Seltsamerweise vermisste er seine ehemalige Wohnung in dem Apartmentkomplex nahe dem Hafen überhaupt nicht. Es lag wohl daran, dass er sich in dem Haus wesentlich freier bewegen konnte, ohne dass sich jemand beschwerte, er hätte den Fernseher zu laut oder die Türen knallte. Zudem verfügte er über wesentlich mehr Platz, da Caine ihm großzügig die gesamte zweite Etage zur Verfügung gestellt hatte.

Er empfand es als puren Luxus, dass er sich hier ein Zimmer leisten konnte, das nur der Meditation und dem Kung Fu diente. So etwas wäre in seiner früheren Wohnung undenkbar gewesen. Neben dem Schlaf- Wohn- und Meditationszimmer hatte er sogar noch einen ganzen Raum frei, in dem bis jetzt nur sein Computer und das Eisenbahnset drin stand. So wenig wie er dieses Zimmer benutzte, konnte man es schon unbewohnt nennen. Falls Jody irgendwann zu ihm ziehen sollte, konnte man es dann ohne weiteres umbauen, z.B. in ein Kinderzimmer.

Der Atem stockte Peter. Was dachte er denn da? Er und Jody standen gerade mal am Anfang ihrer Beziehung, wieso musste er denn ausgerechnet jetzt an Kinder denken? So weit war es noch lange nicht. Insgeheim hegte er eh die Befürchtung, dass er kein guter Vater sein würde. Vielleicht hatte er die Caine-Gene geerbt und würde sich irgendwann auch einmal auf Wanderschaft begeben. Die Vorstellung wie sein Sohn – oder seine Tochter – sich fühlen würde, wenn er immer mal wieder für ein paar Tage, Wochen oder Monate verschwinden würde, war ihm unerträglich. Ganz sicher wollte er das seinem Nachwuchs nicht antun. In dieser Beziehung wollte er ganz und gar nicht so sein wie Caine…oder Paul.

"Verdammt, jetzt komm mal wieder zu dir!", sprach er laut aus und boxte gegen das Lenkrad. "Es wird Zeit, dass du auf andere Gedanken kommst."

Ärgerlich auf sich selbst, riss er die Fahrertüre auf und sprang aus dem Wagen. Gleich drei Stufen auf einmal nehmend, spurtete er die Feuertreppe zu seiner Wohnung hinauf und hoffte, dass Caine seine Stimmung nicht fühlte und plötzlich auftauchte.

Wenigstens das klappte. Ohne Unterbrechung erreichte er den zweiten Stock. Von innerer Unruhe getrieben, begab er sich schnurstracks in den Übungsraum und begann mit ein paar Tai Chi Übungen zum Aufwärmen. Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass ihm ungefähr eine Stunde Zeit blieb, bis Jody von ihrer Schicht kam.

Peter trainierte wie ein Besessener, erpicht darauf, seine innere Ruhe wieder zu gewinnen, die ihm heute im Laufe des Nachmittags irgendwie abhanden gekommen war. Von Tai Chi ging er über zu einigen schweren Kung Fu Katas, die er mit der Geschmeidigkeit eines Tigers ausführte. Bald spürte er erste Ermüdungserscheinungen, aber er dachte nicht daran, eine Pause einzulegen. Bei einer besonders schweren Drehung verlor er das Gleichgewicht und krachte auf den Boden. Nach Luft ringend, den Kopf gesenkt, versuchte er den Schmerz des Aufpralls anzunehmen und dann zu entlassen. Es gelang ihm nur zum Teil und er erhob sich stöhnend, wobei er sich die Hand gegen die pochende Hüfte presste. Erst ein paar Sekunden später richtete er sich zu seiner vollen Größe auf.

Mit zittrigen Fingern fuhr Peter sich durch die feuchten Haare, nachdem das Pulsieren in seiner Hüfte endlich nachgelassen hatte. Sein Blick fiel auf die Schwerter und Lanzen an der Wand. Unwillkürlich erinnerte er sich an den Schwertkampf gegen Meister Khan, wo er darum gekämpft hatte, als Bojaya für den chinesischen Kaiser zugelassen zu werden.

Wie in Trance ging er auf das matt glänzende Metall an der Wand zu und nahm es aus der Halterung. Das Katana lag schwer und kühl in seiner Hand. Er hob es an und strich prüfend mit seinem Daumen über die rasiermesserscharfe Klinge. Ein kleiner Blutstropfen bildete sich an der Fingerkuppe, er steckte sie in den Mund und leckte das Blut ab. Die winzige Wunde hörte sofort auf zu bluten. Plötzlich musste er grinsen. *Hätte ich mir denken können, dass das Schwert auch nach Jahren noch so scharf geschliffen sein wird.*

Beinahe vergnügt ließ er das Katana ein paar Mal in seiner Hand herum wirbeln, ein Trick, den ihm einer der Jungen damals im Tempel beigebracht hatte. Dann stellte er sich in der Mitte des Raumes auf und begann mit einigen leichten und langsamen Übungen im Schwertkampf. Schnell wurde er sicherer und bald blitze und blinkte das Metall nur so auf, als er mit ihm durch das Zimmer wirbelte und in Gedanken den Kampf gegen Khan noch einmal durchspielte.

Der von Anfang an angestrebte Effekt trat ein. Mit jeder Drehung, jedem Sprung, jedem Stich spürte der ehemalige Cop, wie ein Stück Anspannung seinen Körper verließ. Er vollendete die Übung mit eleganten, rasend schnell ausgeführten Drehungen und einem letzten Stich gegen den imaginären Gegner.

Lächelnd stand er da in dem guten Gewissen, auch den Schwertkampf noch zu beherrschen, obwohl er ihn, zum Missfallen seines Vaters, so gut wie nie übte. Peter beugte sich nach vorne, seine Brust hob sich in schweren Atemzügen und Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Nachdem er sich etwas erholt hatte, holte er einen weichen Lappen aus der Küche und polierte das Schwert ausgiebig, bevor er es befriedigt zurück an seinen Platz hängte. Zumindest für den Augenblick hatte er seine innere Ruhe wieder gefunden und befand sich mit sich und der Welt im Reinen.

Beschwingten Schrittes schlenderte Peter ins Schlafzimmer, wo er ein frisches T-Shirt, Unterwäsche und eine bequeme Jeans aus dem Schrank kramte. Er zog sich aus, warf die verschwitzten Sachen in den Wäschekorb und machte sich auf ins Bad. Dort drehte er die Dusche auf und stellte die Temperatur so heiß ein, wie er es ertragen konnte. Dann begab er sich unter den kräftigen Strahl und ließ das Wasser mit geschlossenen Augen über seinen athletischen Körper prasseln. Er seufzte zufrieden, das tat seinen überanstrengten Muskeln mehr als gut.

Er blieb unter der Dusche, bis das Wasser langsam kälter wurde. Erst dann stellte er den Strahl ab, schnappte sich ein Badehandtuch und trocknete sich ab. Während er über seine Brust rubbelte, schaute er in den beschlagenen Spiegel. Er hielt inne, säuberte die glatte Fläche vom Wasserdampf und betrachtete sich genauer.

Am Rande seiner unteren Rippe verlief eine schmale, schwach rötlich gefärbte Narbe, eine Erinnerung an einen Streifschuss, und die Hüfte zierte ein sich langsam verfärbender blauer Fleck, der wohl von seinem vorherigen Sturz auf den Boden herrührte. Es gab noch ein paar weitere Zeichen der Gewalt in seinem Leben: am Bauch, an der Brust, unterhalb des rechten Armes, aber diese Narben waren mittlerweile schon so verblasst, dass er schon genau hinsehen musste, um noch etwas erkennen zu können.

Abgesehen davon zeichneten sich ausgeprägte, geschmeidige Muskeln unter der gebräunten Haut ab. Sein Sixpack trat deutlich hervor, ebenso seine Rippen. Er verzog leicht das Gesicht und strich sich mit beiden Händen über die haarlose Brust. "Gut, Annie hat Recht, das ein oder andere Kilo kann ich wirklich noch vertragen, aber sonst…" Er pfiff leise durch die Zähne. "Nicht schlecht, Herr Specht. Kein Wunder liebt es Jody, sich an mich zu kuscheln und will mir immer das Hemd ausziehen."

Er musste lachen. "Aber Hallo, eingebildet bist du ja gar nicht, Peter Caine. Wenn das Jody hört, dann bist du fällig. Zum Glück ist sie noch nicht da."

Vergnügt pfeifend schnappte er sich das T-Shirt und zog es sich über den Kopf. Unterwäsche und Hose folgte. Die Socken ließ er weg, denn er mochte es, genau wie sein Vater, den blanken Boden unter seinen Füßen zu spüren. Allerdings war er noch längst nicht so abgehärtet wie er, so dass er sich das Barfußlaufen nur hier in der Wohnung gönnte.

Der junge Shaolin tapste in die Küche und setzte einen Topf mit Wasser auf. Aus einem Bastkorb fischte er zwei Knoblauchzehen und eine große Zwiebel, holte sich ein Holzbrett und Messer und setzte sich damit an den Tisch. Nachdem er das Gemüse klein geschnitten hatte, erhob er sich und brachte alles an den Herd. Aus dem Hängeschrank griff er eine Pfanne ließ einen großzügigen Schwung Öl hinein laufen und wartete, bis es sich erhitzt hatte. Darin briet er die Zwiebeln und Knoblauch an. Aus dem Kühlschrank folgte noch eine Packung Hackfleisch, die er ebenfalls in die Pfanne tat. Eine halbe Tube Tomatenmark, Gewürze und zwei Dosen geschälte Tomaten folgten alsbald. Er wollte gerade die Spaghettis in das mittlerweile kochende Wasser geben, als Jody herein gewirbelt kam.

"Mh, das riecht lecker", ließ sie verlauten. Sie kam auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. "Hallo, mein Schatz."

Peter ließ die Nudeln achtlos fallen, drehte sich herum und nahm seine Herzallerliebste in die Arme. "Hallo auch dir", murmelte er, bevor er seine Lippen auf die ihren drückte.

Die blondgelockte Polizistin schmiegte sich sofort in Peters Arme und kam ihm mit all ihrer Leidenschaft entgegen. Der anfangs so zurückhaltende Begrüßungskuss wandelte sich schnell in ein Feuer der Begehrens.

Jody war es, die sich, leicht außer Atem, zuerst von ihm löste und nach dem Rührlöffel griff. "Es riecht angebrannt."

Der junge Shaolin zuckte die Schultern. "Was soll's." Er wollte wieder nach ihr greifen, aber sie schlug lachend seine Hand zur Seite.

"Tut mir leid, Schatz, aber nur von Luft und Liebe kann ich nicht leben. Hast du schon Salz in das Wasser getan?"

Seufzend zog Peter seine Finger zurück und schob die Unterlippe schmollend vor. "Du hast das Essen lieber als mich", beschwerte er sich. "Kein Salz."

"Nein, mein Lieber. Aber ich habe gelernt, Prioritäten zu setzen. Und diesmal kommt zuerst mein Magen an die Reihe. Du willst doch, dass ich bei Kräften bleibe, damit ich für alle Schandtaten bereit bin, oder etwa nicht?"

Grinsend griff Peter nach dem Salzbehälter und ließ eine großzügige Portion ins Wasser rieseln.

"Du bist eine Frau nach meinem Geschmack. Weißt du das?"

"Na klar doch. Bei dir geht Liebe im wahrsten Sinne des Wortes doch durch den Magen.", erwiderte sie glucksend.

"Hey, so schlimm bin ich nun auch nicht.", protestierte er erneut und zupfte an Jodys Locken.

"Dazu sage ich nichts ohne meinen Anwalt. Und lass meine Haare los, sonst sehe ich mich gezwungen, dich an den Tisch anzuketten."

Peters Augen nahmen einen dunklen Glanz an. Er strich mit beiden Händen besitzergreifend über ihren Rücken und umschlang dann ihre Taille. Von hinten drückte er sich eng an sich.

"Aber nur, wenn du das später wieder gut machst", raunte er ihr ins Ohr.

Ein Schauer lief durch Jodys Körper, aber sie blieb standhaft. Sie drückte ihren Po nach hinten, so dass sich Peter gezwungen sah, sie loszulassen.

"Nachtisch gibt es erst später", wies sie ihn mit nicht ganz fester Stimme zurecht. "Bevor das Essen nun wirklich noch anbrennt, würde ich vorschlagen, du deckst schon mal den Tisch. In zwei Minuten ist alles fertig."

Murrend fügte sich der ehemalige Cop in sein Schicksal.

Während des Essens unterhielten sie sich über die Geschehnisse des Tages. Wie so oft versetzte es Peter einen kleinen Stich, wenn Jody von all den Vorkommnissen auf dem Revier sprach. Obwohl er sich in der Rolle des Shaolin die meiste Zeit ausgelastet und erfüllt fühlte, änderte es nichts an der Tatsache, dass er seine alten Kollegen vom Revier vermisste. Die kleinen Neckereien untereinander, den Zusammenhalt und auch den Nervenkitzel, ja selbst die Büroarbeiten wünschte er sich an manchen Tag wieder herbei. Gemeinsame Abende im Delanceys mit der ganzen Truppe konnte man eben nicht mit der richtigen Arbeit vergleichen. Ihm fehlte die Detektivarbeit manchmal mehr, als er zugeben wollte. Auch wenn er ab und an bei Fällen in Chinatown mit dem 101. Revier zusammen arbeitete - so verdiente er wenigstens etwas und konnte sich daher seinen Wagen noch leisten, dank Captain Simms, die das alles in die Wege geleitet hatte – war das nur ein schwacher Abklatsch dessen, was er früher in Festanstellung geleistet hatte.

"Ach übrigens, Kermit hat heute beim Captain angerufen."

Der Name seines Freundes ließ ihn aufhorchen. "Ist etwas passiert?", erkundigte er sich aufgeregt.

Jody sah ihn erstaunt an. "Nein, wie kommst du denn da drauf? Er wollte sich nur erkundigen, wie die Dinge so stehen." Schalk blitzte in ihren Augen auf. "Du kennst doch Kermit. Dass sein Baby, sprich sein Computer, auf dem Revier ganz verlassen da steht, bereitet ihm Magenschmerzen. Ich wette, wenn er könnte, würde er mit dem Ding noch reden und ihm sagen, er kommt bald wieder."

Peter stieß erleichtert die Luft aus. "Wie geht es den beiden, hat Karen was gesagt?"

"Na wie soll es zwei Flitterwöchnern auf der Hochzeitsreise schon gehen? Wunderbar natürlich."

Der ehemalige Cop streckte Jody, ganz unshaolinmäßig, die Zunge heraus. "Bei den beiden weiß man doch nun wirklich nicht, in welche Abenteuer sie stolpern."

"Och, wenn du nicht dabei bist, sehe ich da eigentlich weniger eine Gefahr", grinste Jody breit.

Peters Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Alle Fröhlichkeit verschwand, er warf seiner Freundin einen eisigen Blick zu. "Ja natürlich, es liegt immer an mir, wenn etwas passiert. Ganz klar." Ruckartig erhob er sich und brachte seinen leeren Teller zur Spüle. Als Jody nach ihm greifen wollte, wich er ihr aus.

In seinem Inneren durchlebte er im Zeitraffer noch einmal den Tag, ganz besonders intensiv den Streit mit Annie. Er konnte nicht verhindern, dass seine Gewissensbisse mit aller Macht zurückkehrten. Die innere Ruhe, um die er im Meditationszimmer so sehr gerungen hatte, war plötzlich wie weggeblasen. Das alles schürte seinen Zorn. Jodies Ausspruch war der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.

"Tut mir leid, habe ich da einen wunden Punkt erwischt? Das wollte ich nicht, Peter", meinte sie bedrückt.

Der Shaolin verbiss sich eine Bemerkung. Er musste einige Male tief ein und aus atmen, um den Ärger zu unterdrücken. Allerdings gelang ihm das so gut wie nicht. Missmutig ließ er Wasser in die Spüle ein und machte sich daran, das Geschirr zu spülen. "Vergiss es", murmelte er.

"Peter, es tut mir wirklich sehr leid. Entschuldige bitte", wagte Jody einen weiteren Vorstoß und berührte zaghaft seine Hand.

Der ehemalige Cop zog seinen Arm zurück, als hätte er sich verbrannt. Wasser spritzte auf, als er herum wirbelte und Jody anfunkelte. "Ich sagte vergiss es!", brüllte er sie unvermittelt an.

Die Polizistin machte vor Schreck zwei Schritte zurück. Mit großen Augen starrte sie ihn an. "Sag mal, kannst du mir verraten, was plötzlich in dich gefahren ist? Ich machte nur eine spaßige Bemerkung, zumindest dachte ich das. Außerdem habe ich mich schon bei dir entschuldigt. Das, was ich gesagt habe, rechtfertig keineswegs deinen Ausbruch."

"Und ich habe dich darum gebeten, das zu vergessen. Also lass es auch bleiben", gab er unnachgiebig zurück.

Jody strich sich fahrig durch die Lockenpracht, ihre Augen sprühten Blitze. "Ich glaube, du tickst nicht mehr ganz richtig, mein Lieber! Erstens hast du mir rein gar nichts zu befehlen und zweitens habe ich absolut keine Lust, ein Spielball deiner Launen zu sein. Eben noch lachst du mit mir und dann sage ich unabsichtlich etwas, was dir nicht schmeckt und du verwandelst dich von Dr. Jekyll in Mr. Hyde."

"Wenn dir das nicht passt, dann weißt du wo die Türe ist!", stieß Peter frostig hervor.

Jody stürmte auf den Stuhl zu, an den sie ihre Handtasche gehängt hatte und riss sie an sich. "Gut, wenn es das ist, was du willst, dann nehme ich deine Anregung gerne auf", schrie sie.

Als ihm dämmerte, was er gerade anrichtete, hätte er sich am Liebsten auf die Zunge gebissen. Mit seinem Ausbruch überspannte er den Bogen ziemlich. Warum musste er auch nur immer reden ohne nachzudenken? Von einem Moment zum anderen verpuffte sein Ärger. Er kam mit ausgestrecktem Arm auf sie zu.

"Jody, sorry, ich…"

Weiter kam er nicht. Seine Geliebte hielt die Handtasche wie ein Schutzschild vor sich. Ihr Blick warnte ihn, ihr nicht zu nahe zu kommen. Er blieb wie angewurzelt stehen.

"Weißt du was, Peter Caine? Wenn du deine Sinne wieder beisammen hast, kannst du dich gerne bei mir melden. Vielleicht…aber nur vielleicht…nehme ich dann deine Entschuldigung an."

"Jody", wisperte er, doch sie schüttelte nur abwehrend den Kopf.

Sie drehte sie sich herum und stürmte aus der Wohnung. Ihre Absätze klickten laut und verärgert auf dem Metall der Feuertreppe.

Peters ausgestreckter Arm schwebte noch immer mitten in der Luft. Langsam nahm er ihn herunter. "Verdammt", murmelte er.

Ungeweinte Tränen brannten in seinen Augen, als er sich bewusst wurde, wie mies er die Frau, die er liebte, eben behandelt hatte. Es musste viel passieren, bis Jodys Temperament mit ihr durchging, aber er hatte es eben bravourös geschafft. Und all dies nur wegen einer Lappalie – einer dahin geworfenen Bemerkung. Im Nachhinein konnte er sein Verhalten selbst nicht mehr verstehen. Verzweifelt strich er durch seine Haare. Er wankte die wenigen Meter bis zum Sofa, ließ sich darauf sinken und vergrub den Kopf zwischen den Händen.

"Jody, verzeih mir bitte, es tut mir so leid", stöhnte er auf. "Ich bin so ein Idiot. Das wollte ich nicht."

"Ja, das bist du wirklich", ertönte es plötzlich.

Erstaunt und erschreckt hob Peter den Kopf. Er entdeckte Jody, die gegen dem Türrahmen lehnte und ihn musterte. Ein Hoffnungsschimmer keimte in ihm auf. Ängstlich, es könne sich um ein Trugbild handeln, starrte er sie nur an.

Die Blondine wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. "Ich konnte so einfach nicht gehen, mit all der Wut und Enttäuschung. Es ist unser erster Streit und wir sollten doch in der Lage sein, die ganze Angelegenheit wie Erwachsene zu bereinigen", erklärte sie unsicher.

"Ja, das finde ich auch", gab er zurück, nachdem er endlich seine Sprache wieder gefunden hatte. In stummer Aufforderung rückte er auf dem Sofa etwas zur Seite.

Sehr zögernd kam Jody seiner Bitte nach und setzte sich neben ihn, wenn auch in gebührendem Abstand."

"Jody, es tut mir sehr leid. Ich…"

"Peter, es tut mir sehr leid. Ich…"

Verdutzt hielten beide inne, ein erstes Lächeln zuckte um Jodys Lippen.

"Lassen wir die Entschuldigungen mal beiseite.", begann sie. "Mich würde viel mehr interessieren, was genau ich getan haben soll, dass du dich so aufgeregt hast."

Peter stieß die Luft aus. "Wenn ich das so genau wüsste, Jody. Eigentlich war kein Grund vorhanden. Wie du schon sagtest, hast du nur eine harmlose Bemerkung gemacht. Ich fürchte, das alles hatte nichts direkt mit dir zu tun, sondern einfach mit allem hier."

Der Shaolin beschrieb einen Halbkreis und streckte dann seine Hand nach seiner Liebsten aus. Sie ergriff sie und drückte sie sanft.

"Hast du einen schweren Tag gehabt? Beim Essen haben wir nur über mich geredet." Sie sah ihn mitfühlend an.

"Nein, eigentlich nicht. Es ist nur…nun, ich habe heute Annie besucht und wir hatten einen kleinen Disput. Dabei ging es um Paul. Ich merke, wie sehr sie ihn vermisst und fühle mich so hilflos, dass ich ihr nicht helfen kann. Außerdem hat Paul am Samstag Geburtstag und ich musste schon die ganze Zeit an ihn denken. Deswegen hatte ich auch noch beinahe einen Unfall auf dem Heimweg. Irgendwie…" Er stockte und fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. "Ach ich weiß auch nicht, irgendwie war heute doch der Wurm drin."

Jody legte die Stirn in Falten. "Wenn ich das richtig sehe, bist du heute schlicht und ergreifend aus dem Gleichgewicht geraten. Da genügte dann ein kleiner Funken und du bist in deiner unnachahmlichen Art in die Luft gegangen."

Peter dachte eine Weile über ihre Worte nach, dann meinte er: "Ja, ich glaube so kann man es ausdrücken. Jody ich…"

Die Polizistin erhob die Hand und stoppte Peters Redefluss. "Wage es nicht, dich noch einmal zu entschuldigen. Die ganze Sache ist vergeben und vergessen, okay?"

Der junge Shaolin nickte eifrig. Die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er breitete stumm die Arme aus. Jody überbrückte den kleinen Abstand und schmiegte sich an ihn.

"Schatz, wenn du darüber reden möchtest, egal was dich bedrückt, ich habe immer ein offenes Ohr für dich. Egal wann und egal wo", wisperte Jody.

Peter tupfte ihr einen sanften Kuss aufs Haar und zog tief ihren Duft in seine Lungen ein. "Danke, das weiß ich sehr zu schätzen, Süße. Du bist einfach die Beste."

"Ich weiß", gab sie selbstzufrieden zurück und hob ihren Kopf. "Wie wäre es mit einem kleinen Versöhnungskuss?"

"Gerne."

Peter nahm die Einladung sogleich an und sie fanden zusammen in einen Reigen aus Verzeihen und Vergeben.


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