Kapitel 7
Autor: Fu-Dragon

 

Vier Tage später

"Jody, bist du endlich so weit? Wenn du dich nicht beeilst, kommen wir noch zu spät.", drängte Peter ungeduldig.

"Komme gleich", rief es aus dem Badezimmer.

Einen Augenblick später stürmte Jody heraus. Peter blieb der Mund offen stehen vor Bewunderung. Für das große Essen bei Annie hatte sie sich extra hübsch gemacht. Blonde, leicht auftoupierte Locken umrahmten Jodies dezent geschminktes Gesicht. Sie steckte in einem eng anliegenden, knielangen, tiefroten Stretchrock mit passenden, hochhackigen Sandaletten. Eine schicke, mit Goldfäden durchzogene weiße Bluse, deren beide oberen Knöpfe offen standen, rundete das Ensemble ab.

"Du siehst fantastisch aus!"

"Danke schön, mein Lieber", entgegnete Jody brav und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann schlüpfte sie in die ebenfalls rote Bolerojacke und zwinkerte Peter zu. "Was ist? Willst du noch lange da herum stehen? Beeil dich, sonst kommen wir noch zu spät."

Der junge Shaolin setzte sich in Bewegung. "Es ist nicht nett, einem die eigenen Worte um die Ohren zu hauen", murmelte er.

Jody hörte ihn nicht mehr. Sie lief voraus und Peter genoss die Aussicht auf ihren wohl gerundeten Po. Am Treppenabsatz holte er sie ein und drängte sich an ihr vorbei, um noch einen kurzen Blick in den Briefkasten zu werfen.

"Ah, schau mal, eine Postkarte. Ich kann mir schon denken, von wem die ist", verkündete er. Einen Moment später lachte er los. "Na wenn das mal nicht oberfrech ist: Die Kleine werde ich mir schnappen, wenn die Beiden wieder hier sind."

Jody nahm ihm die Karte aus der Hand und las sie durch. Auch sie begann zu grinsen. "Japp, frech ist das wirklich. Aber warum willst du Cara deswegen verhaften? Kermit hat auf der Karte bestanden."

Peter schüttelte amüsiert den Kopf. "Ich kenne doch meine kleine Schwester. Das kann nur ihr einfallen. Glaube mir, der Satz ist nur ein Ablenkungsmanöver. Ich fresse einen Besen, wenn ich Unrecht habe."

"Da will ich dann aber dabei sein."

"Wirst du, keine Sorge." Er steckte die Karte in die Brusttasche seines Hemdes und blickte jody auffordernd an. "Fahren wir?"

"Sicher, dein oder mein Auto?"

"Musst du da noch fragen? Meines natürlich, deiner steht mir eindeutig zu viel in der Werkstatt. Ich will nicht mitten auf dem Weg liegen bleiben."

Elegant wich er einem Boxhieb seitens Jody auf und hielt ihr galant die Autotüre auf. Dann nahm er ebenfalls Platz und fuhr los.

Einige Zeit später erreichten sie die Blaisdell Residenz. Mehrere Fahrzeuge parkten schon in der Einfahrt. Er erkannte Carolyns und Kellys Fahrzeug, ebenfalls das von Strenlich.

"Scheint, wir sind mal wieder die Letzten", bemerkte Jody.

Peter zuckte nur die Schultern. Er parkte den Stealth hinter Kellys Wagen und stieg aus. Arm in Arm gingen sie auf das Haus zu und klingelten. Kelly öffnete. Sie begrüßte Jody mit einem Kuss auf die Wange und Peter mit einer schwesterlichen Umarmung.

"Ihr seid spät dran", witzelte sie.

"Lieber spät als nie", scherzte Peter zurück.

Kelly umfasste seine Hand und zog den Shaolin ungeduldig hinter sich her. "Nun kommt schon, alle warten nur noch auf euch, dann kann das große Fressen beginnen", grinste sie respektlos.

"Das lass lieber nicht Mom hören, denn sonst verbringst du die nächsten Wochen mit dem Frühjahrsputz im Sommer…und das alleine", neckte er zurück.

Kelly kicherte, erwiderte allerdings nichts mehr, denn sie hatten das Wohnzimmer erreicht. Annie, Carolyn mit dem schlafenden Baby Tom und Mann Todd McCall und Frank Strenlich mit seiner Freundin Kelly Blake schauten ihnen entgegen. Es gab eine große Begrüßung mit Küsschen auf die Wange, Umarmungen und freundschaftlichen Neckereien. Man hatte sich lange nicht mehr gesehen und so wurde wild durcheinander geredet, denn jeder wollte wissen, wie es dem anderen ging. Annie brachte schließlich Ruhe in den Haufen, indem sie verkündete, dass die Schar sich nun an den Tisch setzen sollte.

Carolyn, Jody und Kelly halfen Annie, die Speisen auf dem Tisch anzurichten, während die drei Männer sich leise unterhielten. Nachdem sich alle gesetzt hatten sprach Kelly nach Aufforderung ein Tischgebet und dann wurde sich auf das köstliche Essen gestürzt. Die Männer und Frauen sparten nicht an Komplimenten und Annie strahlte. Als sich das Mahl langsam dem Ende entgegen neigte, boten die Männer an, den Abwasch zu übernehmen, was von den Damen mit Freude angenommen wurde.

Eine gute halbe Stunde später versammelten sich alle im Wohnzimmer. Kelly schenkte jedem einen Cognac aus.

Frank hob das Glas. "Auf diejenigen, die heute nicht bei uns sein können."

"Auf unsere Liebsten", ertönte es im Chor zurück und es wurde angestoßen.

Die Stimmung änderte sich. Diesmal brachte Peter eine Toast an. "Auf Paul. Happy Birthday, Dad, wo auch immer du dich aufhalten magst."

"Auf Paul", ertönte es.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Peter, wie Kelly unauffällig Annies Hand drückte. Er konnte ihr ansehen, dass sie gerade mit den Tränen kämpfte. Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls, einfach aufzustehen und seine Mutter in die Arme zu nehmen. Nur das Wissen, dass sie es als Peinlichkeit empfinden würde, hielt ihn auf dem Stuhl zurück. Nichts wünschte er sich in dem Moment mehr, als dass die Türe aufgehen und Paul herein kommen würde – nur leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung.

Frank rettete die angespannte Situation, indem er sagte: "Habe ich euch eigentlich schon die Geschichte erzählt, wie Paul vor Jahren bei einem Notruf mal mitten in einem Blumenbeet gelandet ist?"

Annie wandte sich erstaunt dem bulligen Ex-Marine zu, den sie schon seit Jahren zu ihren Vertrauten zählte. Er und Paul hatten schon so manchen Sturm zusammen überstanden. Frank war schon auf dem 68. Revier gewesen, als Paul seinen Job als Polizist anfing, damals noch als Lieutnant. Über die Jahre hatte sich zwischen den beiden eine lockere Freundschaft entwickelt. Und als Paul zum Captain vom 101. Revier befördert wurde, war es nur natürlich, dass dieser Strenlich als Chief mit sich genommen hatte.

"Erzähl", forderte sie ihn auf. "Paul hat mir das nie erzählt."

Frank lehnte sich zurück und schwenkte den Inhalt seines Weinglases. "Dachte ich mir, dass er dir das verschwiegen hat. Also, das geschah kurz nachdem Paul seinen Posten als Lieutnant beim 68. angetreten hat. Wir beide waren Partner und wurden zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen. Als wir dort ankamen, hörte man schon von weitem den Streit und das Kläffen von mehreren Hunden. Paul stieg aus und klingelte, ich gab ihm Feuerschutz.

"Die Türe wurde aufgerissen und eine kleine, rundliche Frau schoss wie eine Kanonenkugel durch die Öffnung. Sie keifte Paul an, er solle sofort ihren Mann verhaften, denn er habe sie angegriffen. Prompt tauchte auch der Mann auf und schrie, man solle seine Frau verhaften, denn sie habe ihn angegriffen. Die beiden standen sich wie Streithähne gegenüber und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Es stand Aussage gegen Aussage. Wir konnten nichts tun, außer den beiden ins Gewissen zu reden und ihre Personalien aufzunehmen.

"Soweit, so gut. Ich ging mit dem Pass des Mannes zum Fahrzeug, während sich Paul von der Frau den Ausweis aushändigen ließ. Er drehte sich um und wollte ihn mir zur Überprüfung bringen, da lief ihm einer ihrer Hunde vor die Beine. Es war eine große Dogge und das Vieh riss Paul glatt die Beine weg.

"Er machte einen zirkusreifen, halben Salto und landete mitten in einem Blumenbeet, das zu meinem Leidwesen auch noch frisch gedüngt mit Mist vom Nachbar nebenan war. Oh und ich muss noch anfügen, dass es den ganzen Tag geregnet hatte. Jedenfalls, ich könnt euch denken, wie Paul aussah. Er lag wie ein Maikäfer auf dem Rücken zwischen all dem Blumen und dem Mist. Das alles saugte sich wunderbar an seinem Mantel fest. Zwei Mal versuchte er vergebens aufzustehen, rutschte aber jedes Mal aus und landete wieder im Bett." Um Strenlichs Mundwinkel zuckte es verdächtig.

"Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nur am Auto stand und lachte, dass mir die Tränen herunter liefen. Als Paul es endlich schaffte, sich aus der Situation zu befreien sah er aus, als hätte er sich in einem Schweinekoben gewälzt. Überall hingen Mistklumpen an seiner Kleidung, von seinen Haaren tropfte es braun und der Geruch war beinahe nicht zu ertragen.

"Ein Blick aus seinen Augen reichte mir damals, dass mir das Lachen aus dem Gesicht fiel, auch wenn ich mich innerlich noch immer köstlich amüsierte. Paul bestand natürlich darauf, dass niemand etwas von dem Vorfall erfahren sollte. So liehen wir uns von der Frau eine Decke, in die sich Paul einpackte, nachdem er sich seiner Kleidung entledigte und ich fuhr zuerst bei mir vorbei, damit er sich dort duschen und umziehen konnte. Ob ihr es glaubt oder nicht, damals hatten wir dieselbe Kleidergröße."

Frank gluckste leise. "Natürlich dachten wir, damit wäre die Sache ausgestanden. Wir kehrten zum Revier zurück, füllten die Protokolle aus und ließen eben den Teil mit Pauls Sturz aus. Dann, Tage später, ich hatte Frühdienst, betrat ich das Revier und traute meinen Augen nicht. Prangten mir am schwarzen Brett nicht diverse Poster entgegen, auf denen Paul abgebildet war, wie er sich in dem Mistbeet wälzte inklusive einiger netter Portraitaufnahmen, als ihm die braune Soße am Gesicht runterlief. Natürlich haben sich die Kollegen köstlich darüber amüsiert und Paul musste tagelang Neckereien und anzügliche Bemerkungen über sich ergehen lassen. Wer uns da allerdings heimlich fotografiert hatte, haben wir niemals heraus bekommen. Man munkelt aber, dass man sich auf dem 68. auch heute noch diese Geschichte erzählt", schloss Strenlich seine Erzählung ab.

Die gesamte Runde brach in schallendes Gelächter aus. "Kein Wunder, dass Dad uns das niemals erzählt hat", kicherte Kelly. "Frank, du hast nicht zufällig eines der Poster heimlich aufgehoben? Das würde ich doch zu gerne sehen."

Chief Strenlich schaute die junge Studentin gespielt entsetzt an. "Nein, wie werde ich? Mein Leben ist mir zu wertvoll. Was meinst du, was dein Vater mit mir angestellt hätte, wenn er das erfahren hätte?"

"Schade drum." Kelly wandte sich Peter zu, während sie sich eine Lachträne aus den Augen wischte. "Peter, erinnerst du dich daran, wie Paul dir eine Lektion erteilte, als du über und über mit Schlamm bedeckt von einem Motocross Rennen nach Hause gekommen bist?"

Der Shaolin errötete. "Kelly, du wirst doch nun nicht diese Geschichte zum Besten geben."

"Oh doch, mein Lieber, das will und das werde ich!", verkündete sie glucksend.

Den Rest des Nachmittags wurden Geschichten über Paul ausgetauscht. Ein jeder wusste etwas zu erzählen und so verging die Zeit wie im Fluge. Es schien gerade so, als wären alle bemüht Paul auch Teil ihrer Runde sein zu lassen. Konnte er nicht persönlich bei ihnen sein, so sollte er wenigstens im Geiste lebendig bleiben. Es gelang auch voll und ganz.

Erst spät am Abend löste sich die kleine Gesellschaft auf. Strenlich und Kelly Blake verabschiedeten sich zuerst. Carolyn und Todd folgten, denn der kleine Tom wollte keine Ruhe mehr geben und es wurde höchste Zeit, dass das Baby ins Bett kam. Jody und Peter blieben noch zurück, um Annie und Kelly zu helfen, die Reste der Feier zu beseitigen, dann verabschiedeten sie sich ebenfalls.

***********

Jody gähnte herzhaft als Peter den Stealth in eine ziemlich enge Parklücke vor Caines Backsteingebäude manövrierte. "Soll ich aussteigen und dich reinwinken?", erkundigte sie sich wenig begeistert.

Der junge Shaolin warf seiner Partnerin einen indignierten Blick. "Nein danke, es geht schon. Ich bin ja keine Frau, die nicht einparken kann."

"Das hättest du wohl gerne. Immer diese Vorurteile."

"Na mein Wagen war vor zwei Wochen zumindest nicht in Reparatur, weil jemand, dessen Namen ich nicht nennen möchte, beim Einparken ein Stück Zaun mitgenommen hat.", versetzte er trocken.

"Hey, das Stück Zaun stand unten weg. Ich konnte das unmöglich sehen, als ich meinen Wagen parkte", beschwerte sich Jody sofort.

"Sicher doch, würde ich auch sagen", meinte Peter neckend. Gleich darauf stellte er den Motor des Sportwagens ab. "Ha, geschafft."

Jody beäugte Misstrauisch den Abstand ihrer Türe zum nebenan parkenden Fahrzeug. "Enger ging es wohl nicht mehr, was?"

Peter grinste. "Du suchst wohl gerade einen Grund zum muffeln. Das reicht locker zum Aussteigen, meine Hübsche, musst halt die Türe nicht immer so aufreißen, wie du es gerne tust."

Die Polizistin gab einen undefinierbaren Laut von sich, als sie es Peter nachtat und aus dem Fahrzeug stieg. Es war schon ziemlich eng, aber sie schaffte es, sich aus dem Sportwagen zu schälen, ohne dem anderen Wagen eine Delle zuzufügen. Der Priester wartete schon am Ende der Feuertreppe und streckte ihr seine Hand entgegen. Er bedachte sie mit seinem ganz speziellen entwaffnenden Peter Caine Lächeln, denn er wusste, so konnte sie ihm nicht böse sein. Tatsächlich ließ sie sich sofort von ihm in die Arme nehmen und akzeptierte seinen entschuldigenden Kuss. Dann erklommen sie Einträchtig die vielen Stufen bis zu Peters Appartement.

Im Wohnzimmer musste Jody erneut gähnen. Sie ließ sich auf das Sofa sinken und schloss die Augen. Kurze Zeit später nahm Peter neben ihr Platz.

"Müde?"

Sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. "Ja, sehr. Versteh mich nicht falsch, der Nachmittag bei Annie war toll und ich habe die vielen Geschichten um Paul sehr genossen, aber die Nacht war einfach viel zu kurz. Ich hasse Nachtschicht."

Peters Brustkorb hob sich in einem mächtigen Atemzug, er strich Jody eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht. "Dann geh doch ins Bett." Er schaute auf die Uhr. "Wow, ich sehe gerade es ist schon fast Mitternacht. Hast du morgen nicht auch Dienst, oder irre ich mich?"

"Erinnere mich doch nicht da dran. Ich muss aber erst um 11 Uhr anfangen zur Mittelschicht, von dem her kann ich wenigstens ausschlafen." Sie hob ihren Kopf und musterte den ehemaligen Cop kritisch. "Kommst du auch mit ins Bett?"

Peter konnte ihr nicht in die Augen schauen. "Ich…also ich komme ein wenig später nach, ich muss noch etwas erledigen."

Jody furchte die Stirn. "Um diese Zeit? Was soll das sein?"

"Ich muss noch etwas für den morgigen Kung Fu Unterricht vorbereiten, hatte das ganz vergessen", wich er einer direkten Antwort aus und richtete sich auf.

Die blonde Detektivin tat es ihm gleich. "Warum sagst du nicht einfach, dass du in deinem Übungsraum überschüssige Energie loswerden willst? Glaubst du denn wirklich, mir ist entgangen wie hibbelig du bist, nachdem wir uns den ganzen Nachmittag lang über Paul unterhalten haben?", sagte sie ihm auf den Kopf zu.

Peter starrte sie überrascht an. "Ich dachte nicht, dass du das bemerkt hast", platzte er heraus.

Ein angedeutetes Lächeln kräuselte Jodys Lippen. "Ich bin ein Detective, mein Lieber. Ich bin gewohnt zu beobachten." Sie griff nach seiner Hand und drückte sie. "Schatz, ich weiß wie sehr du Paul vermisst, besonders heute an seinem Geburtstag. Du musst mir nichts vormachen. Wenn es dir gerade nicht so gut geht, dann zeige oder sage es mir doch. Du musst nicht den Held spielen. Wir sind zusammen und ich möchte keine "Schönwetter-Freundin" für dich sein, sondern dir auch in Situationen beistehen, die dich traurig machen."

Peter spürte wie ihm ein ganzer Felsbrocken vom Herz fiel. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er tatsächlich gemeint hatte, er würde seine Jody verlieren, wenn er sie mit negativen Dingen belastete. Total blödsinnig, denn sie hatte schon mehr als eine nicht gerade positive Situation mit ihm durchgestanden. Er ließ seine mühsam aufrecht erhaltene Selbstbeherrschung einfach fallen. Seine Schultern sackten herab. Blindlings griff er nach ihr und zog sie in seine Arme.

"Ich vermisse ihn so sehr", flüsterte er in ihre Haare.

Schmale Frauenhände strichen liebevoll und beruhigend zugleich über seinen Rücken. Sanft massierte sie die verspannte Muskulatur. "Du weißt, ich hatte nie so eine enge Beziehung zu Paul wie du, Strenlich, Kermit oder Skalany. Doch wenn ich daran denke, wie oft ich ihn vermisse, kann ich mir lebhaft vorstellen wie schwer es für euch sein muss, die ihr Paul um so vieles näher steht."

"Es ist nicht nur, dass mir Paul so fehlt. Was mir so schwer im Magen liegt ist die Tatsache, dass man kaum etwas von ihm hört. Ich kann ihn nicht einfach anrufen, wenn mir danach ist, oder ihm einen Brief schreiben. Nachts, wenn das Telefon klingelt, zucke ich oft zusammen und denke mir, nun kommt der Anruf, dass Dad nicht mehr am Leben ist. Es macht mich wahnsinnig nicht zu wissen, ob es ihm gut geht oder nicht.", sprudelte der junge Shaolin hervor.

"Schatz, an so etwas darfst du gar nicht denken. Ich glaube fest daran, dass er eines Tage wieder zurückkommen wird, dessen bin ich mir sicher."

"Ja, in einem Eichensarg vielleicht", unkte der ehemalige Cop.

Entsetzt löste sich die Polizistin aus Peters Umarmung und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. "Peter, steigere dich nicht in eine Sache hinein, bei der du den Ausgang nicht kennst. Paul kommt zurück, das sage ich dir!"

Ungeweinte Tränen glitzerten in Peters Augen. "Ich wünschte, ich könnte auch daran glauben. Aber je mehr Zeit vergeht, desto sicherer bin ich mir, dass ich ihn nicht lebend wieder sehe."

Jody küsste ihn sanft auf die Wange, dann sah sie ihn eindringlich an. "Denk doch einfach mal an Caine. Er ist so oft auf Wanderschaft gegangen und jedes Mal ist er zu dir zurückgekehrt. Sag mir einen Grund, warum das bei Paul anders sein soll."

Peter fuhr sich durch die Haare, während er über ihre Worte nachdachte. "Er…nun er hat uns verlassen, weil er die Dämonen seiner Vergangenheit bekämpfen will. Was für mich bedeutet, er befindet sich im Krieg."

"Du weißt aber nicht um welche Art von Krieg es sich handelt, falls das überhaupt stimmt. Außerdem, Caine hat ebenfalls mächtige Feinde, aber das hinderte ihn nie daran wieder aufzutauchen. Genauso wird es mit Paul sein. Du kennst deinen Vater, er weiß wie man kämpft und er ist schlau. Sein Vorhaben wird ihm gelingen und ich wiederhole es noch einmal: sobald er sich sicher sein kann, dass er euch nicht mehr in Gefahr bringt, steht er vor der Haustüre und du hast ihn wieder."

Jodys Worte legten sich wie Balsam auf seine Seele. Von dieser Warte aus hatte er das leidige Thema nie betrachtet. Ihre Worte machten Sinn, weitaus mehr als all die Szenarien, die Peter im Laufe der Zeit durch seine Gedanken geschossen waren. Hoffnung, von der er glaubte, sie schon verloren zu haben, keimte in ihm auf. Sie gab ihm den Glauben an ein Happy End zurück und er spürte, wie der Druck in seinem Inneren langsam aber stetig nachließ, auch wenn er die Angst und Sorge um Paul nicht ganz vertreiben konnte. Trotz allem fühlte er sich um einiges erleichtert.

"Jody, du bist eine ganz besondere Frau. Ich danke dir", posaunte er heraus und küsste seine überraschte Geliebte innig.

Nach Atem ringend, löste sich die Blondine von Peters Lippen. "Wow, womit habe ich denn das verdient?"

"Weil du du bist und ich ich bin und dich liebe", erklärte Peter grinsend und küsste sie direkt noch einmal, dieses Mal sehr viel intensiver.

Der innige Moment wurde durch ein ansteckendes Gähnen seitens Jody unterbrochen. Verschämt kicherte die junge Polizistin. "Tut mir leid. So wollte ich den Kuss nicht beenden."

Peter strich ihr liebevoll über die Wange. "Du bist süß, wenn du so zart errötest." Schwungvoll erhob er sich, zog Jody mit sich, nahm sie auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer. "Und nun wird geschlafen, du kannst ja die Augen kaum noch aufhalten."

"Damit hast du leider recht", bekannte die Detektivin. "Dabei würde ich gerade viel lieber etwas anderes machen." Ihre Hand glitt vielsagend über seine breite Brust.

Peter hielt ihre Finger fest. Seine Brust bebte vor unterdrücktem Lachen. "Heute nicht mehr. Ich bevorzuge meine Frauen bei vollem Bewusstsein in meinem Bett."

Prompt boxte sie ihn leicht in die Rippen. "Hey, was heißt hier meine Frauen? Muss ich mir Sorgen machen?"

Nun lachte er doch. "Nein, musst du nicht." Seine Augen drückten all die Liebe aus, die er für sie empfand. "Du bist die Einzige, mit der ich mein Bett in Zukunft teilen werde. Neben dir kann keine Andere bestehen. Ich liebe nur dich."

"Dein Glück", grinste Jody. "Sonst wäre es dir schlecht ergangen."

"Würdest du dann deine Waffe einsetzen?"

"Nein, ich würde etwas viel schlimmeres machen."

"Und was?", erkundigte er sich neugierig.

Sie gluckste. "Ich würde Kermit auf dich ansetzen."

"Autsch", bekannte Peter und verzog das Gesicht. "Das würde mir nicht gut bekommen." Gleich darauf grinste er wieder und gab ihr einen kleinen Klaps auf den Po. "So, nun wird es aber wirklich Zeit für dich. Geh ins Bad und mach dich zurecht für die Nacht, ich deck schon mal das Bett auf."

"Aha, heißt das, du bleibst nun doch bei mir?"

Der junge Shaolin nickte. "Ja, das heißt es."

"Fein, in deinen Armen schlafe ich am liebsten ein", freute sich Jody und verschwand nach einem kleinen Küsschen im Badezimmer.

Einige Minuten später lagen sie eng aneinander gekuschelt im Bett. Regelmäßige Atemzüge sagten Peter, dass Jody schon tief und fest schlief. Er hingegen fühlte sich hellwach. Nun, nachdem wieder Ruhe einkehrte, konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken wieder zu Paul wanderten.

Spontan schloss Peter die Augen und atmete einige Male tief und kontrolliert ein und aus. Dank des guten Gespräches mit Jody fand er sehr schnell seine Mitte und verfiel in eine leichte Meditation. Er konzentrierte sich voll und ganz auf seinen Pflegevater und versuchte, seine Essenz in Zeit und Raum zu finden. Einen winzigen kurzen Moment meinte er, tatsächlich Kontakt mit Paul zu bekommen, doch der Augenblick verflog so schnell, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob er es sich nicht nur eingebildet hatte. Schließlich gab er auf und beendete das Unterfangen.

In den dunklen Raum starrend, versuchte er sich die Sekunde ins Gedächtnis zu rufen, als er den Kontakt vernommen hatte. Akribisch nahm er das kurze Aufeinandertreffen auseinander und kam zu dem Entschluss, dass er nichts Negatives hatte spüren können. Irgendwie beruhigte ihn das schon etwas, andererseits konnte er einfach nicht abschalten. Wieder und wieder spulte sich die kurze Szene in seinen Gedanken ab, entwickelte sich zur Endlosschleife, bis er irgendwann doch in den Schlaf driftete.


Teil 1    2    3    4   5    6    7    8    9    10    Epilog

zurück zum Serien Index      zurück zum Story Index