"Kermit, schau mal. Ich glaube, ich habe die perfekte Karte für Peter gefunden." Der ehemalige Söldner trat hinter Cara und schaute ihr über die Schulter. Auf der Postkarte konnte er einen Ausschnitt des Strandes und des Meeres von Xanadu Beach erkennen. Im Vordergrund räkelten sich vier Strandschönheiten, die ihre beinahe entblößten Pos, sie alle trugen nur einen winzigen G-String, direkt in die Kamera hielten. Darunter stand in glitzernden Lettern: Schade, dass du nicht hier bist. Und darunter folgte noch ein kleineres geschriebenes: Ätsch! "Hm, wie schnell kannst du rennen?", raunte er ihr ins Ohr. Cara drehte sich herum und wedelte mit ihrem Preis unter seiner Nase herum. Unschuldig sah sie ihn an. "Warum?" "Nun ja, wenn Peter diese Karte bekommt und dich erwischt, dann zieht er dir das Fell über die Ohren. Er ist garantiert schneller als du." Die junge Frau zwinkerte frech. "Peter tut mir nichts. Außerdem werde ich ihm verklickern, dass du die Karte heraus gesucht hast." "Hey!", rief Kermit indigniert aus, doch Cara lachte nur fröhlich, tippte ihm auf die Nase, drehte sich herum und lief prompt zu dem Verkäufer um zu bezahlen. Noch an Ort und Stelle zog sie einen Stift aus ihrer Handtasche hervor und füllte die Karte aus. Sie beschränkte sich auf die üblichen Floskeln, was man so auf eine Postkarte schrieb und fügte tatsächlich an, dass sie Kermit nicht dazu hatte überreden können, eine andere Karte zu nehmen. Der Detective schüttelte nur den Kopf und versuchte, seiner Frau das Stück Papier zu entwenden, doch sie blockte seine halbherzigen Bemühungen meisterhaft ab. Schließlich gab er es auf. "Ob man um diese Zeit hier noch irgendwo ein Postamt findet?", überlegte sie laut. "Nachts um zehn? Du machst Witze", entgegnete Kermit. Der Verkäufer mischte sich ein. Weiße Zähne blitzten auf in dem wettergegerbten, dunkelhäutigem Gesicht. "Kleines Fräulein, wenn sie suchen Laden zu abgeben von Post, dann sie gehen nächste Straße zu Armando Geschäft. Er nehmen an und schicken fort", sagte er freundlich mit ausländischem Akzent. "Na wer sagt's denn", verkündete Cara zufrieden. Sie bedankte sich überschwänglich bei dem netten Mann und zog Kermit an der Hand aus dem kleinen Laden. Der ehemalige Söldner rollte hinter seiner dunklen Sonnenbrille die Augen. Bei seiner Frau war er wirklich vor keiner Überraschung sicher. Innerlich amüsierte er sich schon ziemlich über ihre ungestüme Art, aber er schwor sich, das ihr gegenüber niemals zuzugeben. Auf dem ganzen Weg zu dem anderen Laden beschwerte er sich und versuchte immer wieder, ihr das Schriftstück zu entwinden. Natürlich gelang es ihm nicht, dafür hatte er aber einen Grund, wieder Körperkontakt mit ihr aufzunehmen und Cara spielte natürlich auch mit. Denn, hätte er die Postkarte wirklich ernsthaft gewollt, hätte sie keine Chance gegen ihn. Mit viel Kichern seitens Cara und leicht außer Atem erreichten sie nach kurzer Zeit den von dem Verkäufer beschriebenen Laden. Wie bei dem anderen Geschäft auch, handelte es sich hier um einen winzigen Raum, der mit allem möglichen Krimskrams, was einen Touristen so interessieren könnte, voll gestopft war. Schon am Eingang prangte ihnen ein Schild entgegen, welches in verschiedenen Sprachen, und nicht immer unbedingt richtig geschrieben, verkündete, dass hier rund um die Uhr Post angenommen wurde. Vergnügt betrat die junge Frau den Laden und steuerte sofort auf die Theke zu. Sie legte die Postkarte auf das Tischchen und verkündete der bildhübschen und blutjungen Verkäuferin hinter der Theke, dass sie Post aufgeben wolle. Kermit fragte sich unwillkürlich, ob das junge Ding um diese Zeit überhaupt noch aufbleiben durfte, denn das Mädchen schätzte er auf höchstens dreizehn oder vierzehn Jahre. Hier auf den Bahamas tickten die Uhren wohl einfach anders. Belustigt schaute er zu, wie seine Frau das Mädchen in eine lockere Unterhaltung verstrickte und mit ihr scherzte, während sie aus dem reichhaltigen Angebot eine besonders hübsche Briefmarke heraussuchte und die Karte versandfertig machte. Er selbst hielt sich ziemlich im Hintergrund auf, denn ihm war aufgefallen, dass das Kind ihn ziemlich erschreckt angeschaut hatte. Wahrscheinlich fragte sie sich, wie so viele, warum er mitten in der Nacht eine Sonnenbrille auf der Nase trug. Nachdem Cara sich gebührend von dem jungen Ding verabschiedet hatte, verließen sie den Laden. Sie schaute keck zu ihm auf. "So, nun kannst du nichts mehr machen, mein Lieber." "Mir fallen viele Dinge ein, die ich machen könnte, wertes Weib." Er beugte sich dicht zu ihr herab. "Aber die sind allesamt nicht für die Öffentlichkeit geeignet." Prompt errötete seine Prinzessin sanft. "Gott, du bist wirklich unersättlich", murmelte sie. "Wenn du so weiter machst, kann ich bald nicht mehr laufen." "Wer sagt denn, dass ich DAS im Sinn hatte?" "Ach nicht?" Schon kam wieder ihre Neugier hervor. "Was denn dann?" Wie es Cara vorhin bei ihm gemacht hatte, gab er ihr einen zarten Nasenstüber und lief einfach los. "Das binde ich dir nicht auf die Nase", meinte er geheimnisvoll über seine Schulter hinweg. Mit schnellen Schritten holte die langhaarige Blondine zu ihm auf und fasste nach seiner Hand. "Nun sag schon, das ist nicht fair", bettelte sie. Kermit schüttelte verwegen den Kopf. "Nur über meine Leiche. Ich sage nichts dazu." "Menno. Wenn du mir nicht sagst, was du vorhast, dann schläfst du heute Nacht auf der Couch.", versuchte sie ihre bessere Hälfte zu erpressen. Kermit musste lachen. "Damit schneidest du dich doch nur ins eigene Fleisch. Wer schlingt sich denn im Schlaf um meinen Körper wie so eine Liane?", spöttelte er. "Na wenn du dich so breit machst, da muss ich doch schauen, wo ich bleibe", suchte sie sofort nach einer Ausrede. "Ach ja. Deshalb ist auch eine Hälfte des Bettes immer vollkommen leer, weil ich mich so breit mache. Kapiert. Ich frage mich nur, warum das seltsamerweise immer nur deine Betthälfte betrifft?" Cara sah ein, dass sie dieses Spiel verlieren würde. Sie gab ihm einen leichten Schubs gegen die Schulter und hakte sich dann bei ihm ein. "Okay, ich gebe auf, du hast gewonnen. Bist du nun zufrieden?", versetzte sie in einem unterwürfigen Tonfall. Eine Augenbraue schob sich über den Brillenrand hinweg. "Beinahe. Ich möchte nur wissen, was du jetzt noch machen willst." Cara blickte auf ihre Armbanduhr. "Es ist beinahe Mitternacht. Die Zeit verfliegt. Ehrlich gesagt bin ich ziemlich müde und würde gerne zum Hotel zurück." "Aha, und wer ist nun unersättlich?", fragte Kermit prompt. Die junge Frau seufzte indigniert. "Zum Schlafen meine ich. Und nur zum Schlafen, denn irgendwann muss ich mich auch mal erholen." Besorgnis stieg in Kermit auf. Er fragte sich, ob er seine Angetraute wohl überforderte und musterte sie kritisch. Ansehen konnte er ihr nichts, sie sah aus wie das blühende Leben. Oder sah sie vielleicht doch ein bisschen rot aus? Unwillkürlich hob er seine Hand und fühlte ihre Stirn. Cara zuckte zurück. "Lass das, ich bin nicht krank, nur müde. Immerhin waren wir heute den ganzen Tag unterwegs und die Nächte sind auch ziemlich kurz, weil ein gewisser jemand einen unersättlichen Appetit zutage fördert." Kermit ließ den Arm sinken und zuckte die Schultern, den Seitenhieb übersah er großzügig. Er murmelte etwas Undefinierbares und umfasste ihre Taille. "Soll ich uns ein Taxi rufen?" Cara schüttelte den Kopf. "Nein, die Nacht ist so wunderschön, ich würde schon noch gerne bis zum Hotel laufen. Weit kann es nicht mehr sein, oder?" Kermit blieb stehen, um sich zu orientieren. Mit lang antrainierter Präzision rief er sich den Stadtplan ins Gedächtnis zurück und ging die Strecke durch, die sie hinter sich gebracht hatten. "Wenn wir den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind, werden wir wohl mindestens vierzig Minuten brauchen." Er deutete nach Rechts. "Wenn du allerdings keinen Wert auf einen weiteren Schaufensterbummel legst, können wir durch die schmalen Gassen hier die Strecke abkürzen. Dann brauchen wir Schätzungsweise höchstens die Hälfte der Zeit. Entscheide du." "Abkürzen", kam es wie aus der Pistole geschossen. Der ehemalige Söldner verbeugte sich spielerisch. "Ihr Wunsch ist mir Befehl ihro Hoheit." Im einvernehmlichen Schweigen machten sie sich auf den Weg, eng aneinander geschmiegt. Zwischendurch musterte Kermit seine Frau immer wieder unauffällig. Er konnte einfach nichts gegen diesen überwältigenden Drang, sie beschützen zu müssen tun. Er wollte, dass es ihr gut ging und sie hatte ihm vorhin wirklich einen Schrecken eingejagt. Es dauerte eine ganze Weile, bis er schließlich zugeben musste, dass sie wohl wirklich nur müde und nicht krank war. Innerlich schalt er mit sich selbst, weil er wegen so einer Kleinigkeit gleich überreagierte. Unvermittelt wurde der ehemalige Söldner aus seinen Gedanken gerissen. Aus einer schmalen Seitengasse sprang plötzlich ein Mann hervor und stellte sich ihnen in den Weg. Er reagierte sofort und zog seine Frau hinter sich. Ein Messer blitzte im schalen Licht der Straßenlaterne auf. Nur am Rande bekam er Caras erschreckten Laut mit, zu seiner Erleichterung blieb sie wenigstens hinter ihm. "Was willst du?", fuhr er den Unbekannten ungehalten an. Der Angreifer kam einen kleinen Schritt auf ihn zu und nun konnte er erkennen, dass sich noch um einen Teenager handeln musste. *Schlafen die hier eigentlich nie?*, fuhr es ihm durch den Kopf. Der Junge trug ein schwarzes Shirt zu einer schwarzen Hose. Eine dunkelbraune Baseballkappe thronte auf seinem Kopf, unter der gelockte, blond gefärbte Haare hervor lugten. Die Hand mit der er das Messer hielt zitterte leicht. Entweder hatte der Typ noch nie jemanden überfallen, oder er befand sich auf Entzug. Leider konnte Kermit die Augen in dem dunkelhäutigen Gesicht nicht richtig erkennen, so dass er nicht einschätzen konnte, was der Fall war. "Euch passiert nichts, wenn ihr mir euer Geld gebt", ließ der Angreifer verlauten. Ein Hauch von süßlich riechendem Heu, abgestandenem Rauch, Alkohol und etwas undefinierbarem driftete zu Kermit hinüber. Er verdrehte die Augen, denn er kannte diesen gräserartigen Geruch nur allzu gut. Marihuana. Mist, also doch ein Junkie. Wer wusste schon, was der sich sonst noch eingeworfen hatte, nur bei Joints blieb es meist nicht. Da brauchte er gar nicht versuchen, vernünftig mit dem Typ zu reden. Der ehemalige Söldner empfand dennoch nicht einen Hauch von Angst. Er wusste, diesen Jungen konnte er ohne Probleme überwältigen, solange Cara sich aus der Schusslinie heraus hielt. "Und wenn wir das nicht tun?", erkundigte er sich mit einem warnenden Grollen in der Stimme. "Dann schlitze ich dir und deiner Schlampe den Bauch auf und verfüttere eure Gedärme an meinen Hund", drohte er Mann und kam noch einen Schritt näher. Kermit musste sich auf Lippen beißen, um ein Lächeln zu unterdrücken. Dieser Angreifer beging gerade den schlimmsten Fehler seines Lebens. Erstens hatte er eben die Angriffsdistanz unterschritten, so dass der Detective leichtes Spiel haben würde und zweitens legte man sich nicht mit einem ehemaligen Söldner an. Unauffällig spannte er seine Muskeln an, bereit jederzeit anzugreifen. "Kannst du mit dem Ding überhaupt umgehen?", fragte Kermit unvermittelt. "Wie, was meinst du?" Also hatte er den Typ doch richtig eingeschätzt. Dessen letzter Jointgenuss konnte noch nicht allzu lange her sein. Ansonsten würde das Jungchen nicht so schwerfällig im Denken sein. Der Detective deutete süffisant auf das Messer. "Das hier meine ich." Prompt blickte der Mützenträger auf die Waffe in seiner Hand. Der winzige Augenblick der Unachtsamkeit genügte dem ehemaligen Söldner, um seinen Angriff zu starten. Vollkommen ansatzlos trat er mit dem linken Fuß gegen den Arm seines Gegners und traf ihm hart am Handgelenk. Der Junge schrie entsetzt auf, das Messer flog in hohem Bogen aus seiner Hand. Kermit setzte sofort nach und verpasste ihm einen Schwinger gegen das Kinn, der ihn zu Boden schickte. In einer fließenden Bewegung setzte sich Kermit auf die Brust des Angreifers und arretierte mit seinen Schenkeln dessen Arme. Dann griff er in sein Holster und zog den Desert Eagle hervor. Diesen presste er dem Jungen gegen die Nase. "So, und nun sag mir noch einmal, was du mit uns machen willst", grollte er tief aus seiner Kehle. Der Teenager zitterte wie Espenlaub. Die dunkelhäutige Gesichtshaut nahm die Farbe von hellem Milchkaffee an. "Bitte", wimmerte er. "Bitte was?", hakte Kermit gefährlich leise nach und verstärkte den Druck seiner Waffe ein wenig. Einer Eingebung zufolge zog er sich mit der freien Hand die Brille von der Nase und fixierte den Gefangenen mit einem brennenden Blick. Alleine der Blick genügte, dass der Junge mit einem entsetzten Stöhnen seine Blase entleerte, denn ein strenger Uringeruch legte sich in die Luft. "Madre Dios, habe Erbarmen", bettelte der Kleine außer sich. "Kermit, sei nicht ganz so streng. Du jagst dem Armen eine Höllenangst ein", ließ sich plötzlich Cara vernehmen. Ihre Stimme bebte zwar ein wenig, aber Kermit meinte, auch einen amüsierten Unterton heraus zu hören. Der Gedanke an seine Frau, die er für den Augenblick vollkommen vergessen hatte, machte ihm klar, dass er vor ihren Augen nicht so grob mit dem Typen umgehen konnte. Sie sollte nicht unbedingt Zeuge dessen werden, wozu er in Rage alles fähig war. "Bleib ja liegen und rühr dich nicht, Blitzbirne", herrschte er ihn an und erhob sich, dabei zog er seine Brille wieder auf und hielt nur noch den Desert Eagle auf den Unglücklichen gerichtet. "Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man keine Menschen überfällt?", donnerte er. Zu Cara gewandt befahl er in ruhigem Ton: "Ruf bitte die Polizei, Prinzessin." Der Junge wimmerte noch immer. Entgegen Kermits Befehl liegen zu bleiben, rollte er sich zu einem zitternden Ball zusammen und stieß ängstlich aus: "Keine Polizei, bitte keine Polizei." Cara zögerte. Sie trat näher heran, das Handy unaufgeklappt in ihrer Hand. "Kermit, soll ich wirklich? Ich glaube, er hat seine Lektion gelernt, lass ihn doch laufen." Sie trat noch einen Schritt nach vorne. Kermit schüttelte vehement den Kopf. "Bleib weg von ihm." Er zog seine Frau ein Stück zurück, da sie für seinen Geschmack viel zu nahe an dem Übeltäter stand. "Du brauchst mit dem hier kein Mitleid zu haben. Ich kenne diese Typen, das ist ein Junkie und die haben nur einen Gedanken: wie komme ich an meinen Stoff. Glaube mir, Prinzessin, das Gefängnis ist im Moment ganz sicher der bessere Ort für ihn, denn dann hat er eine Chance, von seiner Sucht loszukommen." In dem Moment begann der Junge herzzerreißend zu schluchzen. Der hagerere Körper schlotterte unter der Wucht seines Weinens. Aus dem Augenwinkel bemerkte Kermit, dass es auch um Caras Mundwinkel herum verräterisch zuckte und sich ihre Augen mit Sympathietränen füllten. "Ich kann das nicht", flüsterte sie. "Der ist doch noch nicht mal 16 Jahre alt." Der Detective stieß einen ungeduldigen Laut aus. Cara war wirklich zu gut für diese Welt. Er griff nach ihrem Handy und riss es ihr aus der Hand. "Dann mach ich das eben." Er klappte es auf und machte es an. Als er die erste Nummer eintippte, begann der Teenager plötzlich zu würgen und nach Luft zu schnappen. Bevor Kermit reagieren konnte, überbrückte seine Frau die kurze Entfernung und kniete sich neben den Jungen. "Cara, nicht!", schrie er noch, doch es war zu spät. Der junge Mann sah seine Chance gekommen. Im Drogenrausch wirbelte er herum, sprang auf die Beine und riss Cara zu sich herum. Da sie voll in der Schusslinie stand, konnte Kermit nicht zielen. Hilflos musste er mit ansehen, wie der Angreifer Cara zwang, in die Knie zu gehen, so dass er sich das Messer schnappen konnte, welches er ihr nun gegen die Kehle hielt. Der Blick in Caras entsetzt geweitete Augen versetzte dem ehemaligen Söldner einen heftigen Stich. Er konnte förmlich den Terror spüren, der in Wellen auf ihn überschwappte. Es fiel ihm unheimlich schwer, die Waffe zu heben für einen finalen Rettungsschuss. Schon als er ansetzte wurde ihm bewusst, dass er es nicht tun konnte. Die Gefahr seine geliebte Frau zu treffen war viel zu groß, zumal er das Beben in seinen Finger deutlich spürte. "Waffe runter und das Pronto", schallte ihm schon der Befehl entgegen. Der junge Mann hörte sich jetzt gar nicht mehr ängstlich an. Wie Kermit es schon ahnte, hatte der Typ nur eine Show auf dem Boden abgezogen…zumindest nachdem er aufgestanden war. Noch einmal überlegte Kermit, ob er einen Schuss wagen konnte. Leider verloschen in dem Moment die Straßenlaternen und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die Waffe zu Boden zu legen. Der Mondschein reichte für solch ein Unterfangen einfach nicht aus. Allerdings ließ er vorhin noch das Magazin heraus schnappen, damit der Teenager den Eagle nicht benutzen konnte. "Bitte, lass mich gehen. Ich verspreche dir auch, wir werden nicht die Polizei rufen", bettelte Cara verängstigt. "Kommt nicht in Frage. Stoß dein Schießeisen von dir weg", versetzte der Angreifer hart. Als Kermit dem Befehl nicht sofort nachkam, presste der Teenager die Klinge des Messers fester gegen Caras Kehle. Sie stieß einen entsetzten Schrei aus. Der ehemalige Söldner zögerte nicht länger und gab seiner Waffe einen kräftigen Stoß, dabei arbeitete er sich unauffällig ein wenig näher an den Gegner heran. "Prinzessin, bleib ganz ruhig. Denk an den Abschied mit Peter", stieß er aus. "Klappe halten", befahl der junge Mann scharf. "Und jetzt hole deine Brieftasche hervor, aber langsam." Während Kermit im Zeitlupentempo nach hinten zu seiner Gesäßtasche griff, beobachtete er mit angehaltenem Atem seine Frau. *Erinnere dich, Prinzessin*, beschwor er sie in Gedanken. Genau jene Situation hatten sie aus einer Bierlaune heraus bei ihrer privaten Abschiedsfeier mit Peter geübt. Aus Jux hatte der Shaolin gemeint, was Cara denn tun würde, falls ein Überfall statt fände und ihr jemand ein Messer an die Kehle hielt. Sie alle drei waren zu dem Zeitpunkt nicht mehr ganz nüchtern gewesen und so hatten sie Cara lachend gezeigt, wie sie sich verhalten sollte, natürlich von vielen Neckereien begleitet. Dass sie dieses Wissen so schnell in die Tat umsetzen musste, damit hatte allerdings keiner von ihnen gerechnet. Kermit konnte nur hoffen, dass sie sich entsinnen würde. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er die Erkenntnis in ihren Augen aufblitzen sah. Sie neigte den Kopf ein winziges Stückchen zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte. Von seiner Position aus konnte er deutlich erkennen, wie sehr sie mit sich kämpfte, die Angst zu unterdrücken, um für den alles entscheidenden Moment bereit zu sein. Langsam zog Kermit die Brieftasche aus der Hose und richtete seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Angreifer. "Hier, da hast du sie", sagte er ruhig und streckte die Börse dem Mann entgegen. Das Messer glitt an Caras Kehle entlang. "Nimm du sie und gib sie mir", orderte der Aggressor, Caras leisen Aufschrei ignorierend. Die junge Frau streckte ihre zitternden Finger Kermit entgegen. Er nutzte das, um noch einen halben Schritt näher zu kommen, bevor er ihr das Lederetui übergab. "Bleib stehen!", schrie der Teenager sofort. Kermit nickte wortlos und hob seine Hände in Aufgabe vor. "Schon gut, ich rühre mich nicht von der Stelle." Cara umklammerte den Geldbeutel so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervor traten. Ihre Augen bohrten sich in Kermits Sonnenbrille. Er kostete ihn viel Überwindung, die Konzentration nicht zu verlieren, denn Caras gejagter Blick ging ihm durch und durch. Dennoch hielt er den Augenkontakt und versuchte, ihr etwas Ruhe und Zuversicht zu übermitteln. Wie Zufällig spreizte er den Daumen und den kleinen Finger seiner rechten Hand ab. Es handelte sich dabei um das Zeichen, das sie mit Peter eingeübt hatten. Es signalisierte, dass es gleich losgehen würde. "Gut für dich", grollte der Junge. Er stieß Cara leicht mit dem Knie gegen die Schenkel. "Und nun übergibst du mir das Teil, greif mit deiner linken Hand nach hinten und steck es mir in den Hosenbund." Der Griff des Youngsters um Caras Taille lockerte sich, so dass sie sich leicht drehen konnte. Dabei rutschte auch die Messerhand ein Stück nach unten. "Jetzt!", peitschte ein einziges Wort durch die Nacht. Cara reagierte sofort. Sie stieß ihren Ellbogen gegen den Solarplexus des jungen Mannes, drückte zeitgleich mit der freien Hand von innen nach außen gegen den Messerarm und ließ sich einfach fallen. Dem Angreifer presste es die Luft aus den Lungen. Er versuchte Cara nachzusetzen, doch da war Kermit schon bei ihm. Mit all der aufgestauten Wut versetzte er dem Mann einen kräftigen Schlag gegen die Brust, was ihn von Cara zurück taumeln ließ. Dann ergriff er die Messerhand und stieß grob mit seinem Knie gegen das Handgelenk. Er wiederholte die Bewegung ein zweites Mal, bis der Typ die scharfgeschliffene Klinge fallen ließ. Doch Kermit ließ nicht los. Er erfasste die Finger und drehte sie brutal nach hinten. Befriedigt registrierte er das verdächtige Knacken als der Mittelhandknochen brach, begleitet von einem lauten Schmerzensschrei. Der Mann versuchte blindlings, sich zu wehren; wild fuchtelte seine unverletzte Hand durch die Luft. Kermit blockte den Angriff mit Leichtigkeit ab. Er holte aus und verpasste seinem Gegenüber einen mit aller Kraft ausgeführten Schwinger gegen das Kinn. Der Kopf des jungen Mannes wurde in einem unnatürlichen Winkel zur Seite geschleudert. Wie ein Baumstamm fiel er hinten über und krachte auf den Boden, wo er bewegungslos liegen blieb. Einen kurzen Moment lang fühlte sich Kermit schwer in Versuchung, noch einmal nachzusetzen, unterließ es aber aus Rücksicht auf Cara. Stattdessen drehte er den Bewusstlosen roh auf den Bauch, fummelte seinen Gürtel aus der Hose und fesselte ihm damit die Hände auf den Rücken. Nachdem er sicher sein konnte, dass der Teenager so schnell nicht wieder zu sich kommen würde, brachte er ihn noch, so gut es mit auf den Rücken gefesselten Händen ging, in die stabile Seitenlage, falls sich dieser erbrechen sollte. Dann erhob er sich und eilte zu seiner Frau. Sie saß noch immer auf dem Boden und starrte blicklos vor sich hin. Äußerst vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, kniete er sich neben ihr nieder und legte beide Hände um ihr Gesicht. Mit sanftem Nachdruck brachte er sie dazu, ihn anzusehen. "Es ist vorbei, es wird alles wieder gut", redete er sanft auf sie ein. Aufgrund des Schocks dauerte es quälende Sekunden, bis sie ihn erkannte. Im fahlen Licht des Mondes leuchtete ihre Haut weiß wie ein Bettlaken und sie fühlte sich seltsam klamm an. Erste Tränen zeigten sich. "Kann er uns nichts mehr tun?", wisperte sie. "Nein, er wird noch eine ganze Weile schlafen. Du bist sicher vor ihm", versetzte Kermit äußerst ruhig. Der ganze Terror zeichnete sich in ihren Augen ab, die groß wie Untertassen in dem blassen Gesicht wirkten. "Sicher?" "Ganz sicher, Prinzessin." "Warum?", schrie sie plötzlich los und entwand sich in einer ruckartigen Bewegung Kermits lockerem Griff. "Warum tut der uns so etwas an? Ich habe ihm nichts getan!" In blindem Zorn versuchte sie aufzustehen, doch Kermit drückte sie vehement auf den Asphalt zurück. "Lass mich los, ich will dem Mistkerl selbst eine verpassen!", rief sie aus. Sie drehte und wand sich wie eine Schlange unter Kermits härter werdendem Griff. Erst als ihr langsam die Kraft ausging, ließen ihre Befreiungsversuche nach. Ihre Stimmung kippte, plötzlich begann sie jämmerlich zu weinen. Kermit zog sie stumm an sich und wiegte sie wie ein kleines Kind hin und her. Ihr gesamter Körper zuckte und zitterte unter dem Ansturm ihrer Gefühle. Jeder Laut, jedes Zucken traf Kermit mitten ins Herz. Obwohl er wusste, dass sie gerade nur ihren Schock verarbeitete spürte er, wie es auf seinen Wangen ebenfalls feucht wurde. Er vergrub den Kopf in Caras Haaren und kämpfte darum, seine Beherrschung zu behalten. Er durfte jetzt dem eigenen Schreck und Schock nicht nachgeben, dazu hatte er später noch Zeit – alleine. Cara stand bei ihm an erster Stelle und sie durfte nicht merken, wie mies es ihm ging. Er war der Beschützer, sie die zu Beschützende. Er musste stark sein – er musste einfach. Es dauerte eine sehr lange Zeit, bis sich Cara langsam wieder fing. Nur zögernd lockerte Kermit seine Umarmung. Aus nächster Nähe studierte er ihr Gesicht mit den rot geweinten Augen. Erleichtert stellte er fest, dass langsam wieder Farbe in ihre Wangen einkehrte. Auch ihr Atem hörte sich nicht mehr so abgehackt an. "Kann ich dich kurz alleine lassen? Ich muss die Polizei rufen", sagte er betont ruhig. Einen Augenblick lang verkrampften sich Caras Hände auf seinem Rücken, dann lies sie sie sinken und nickte stumm. Kermit stand auf und sammelte das Handy, das Magazin und seine Waffe ein. Den Eagle steckte er zurück ins das Holster, nachdem er das Magazin wieder eingeführt und ihn gesichert hatte und kehrte mit dem Handy in der Hand zu Cara zurück. Er setzte sich dicht neben sie, legte seinen Arm um ihre Schulter und wählte mit der freien Hand den Notruf der Polizei. Schon gleich beim ersten Klingeln wurde abgenommen. Kermit erklärte kurz was sich zugetragen hatte und gab ihre Position durch. Es wurde ihm zugesagt, dass eine Streife in Kürze auftauchen würde und der Krankenwagen ebenfalls. Dann legte er auf. Die Minuten bis die Fahrzeuge auftauchten, verbrachten sie schweigend und eng beieinander. Immer wieder durchlief ein Zittern den Körper seiner jungen Frau und Kermit überlegte ernsthaft, ob er nicht noch einen zweiten Krankenwagen anfordern sollte zur Schockbehandlung seiner Geliebten. Allerdings wurde dies von Cara vehement abgelehnt und so unterließ er es letztendlich. Zeitgleich mit dem Streifenwagen tauchte auch der Krankenwagen auf. Kermit bestand darauf, dass sich die Sanitäter zuerst um seine Frau kümmerten. Mit Argusaugen wachte er darüber, wie der Arzt ihre Vitalfunktionen überprüfte, Blutdruck maß und ihr, wenn auch gegen ihren Willen, ein leichtes Beruhigungsmittel verabreichte. Nachdem er sie versorgt wusste, gab er den beiden Polizisten einen Kurzbericht der Ereignisse und versprach, am nächsten Tag auf das Revier zu kommen für eine ausführliche Aussage. Zwar hatte seine Polizeimarke hier keine Gültigkeit, aber die Tatsache, dass er ein Kollege war, reichte für die kleine Vergünstigung aus. Nachdem das alles erledigt war, verfrachtete Kermit seine Frau in das herbei gerufene Taxi und brachte sie ins Hotel. Sie ließ einfach alles mit sich geschehen. Es erinnerte Kermit unangenehm an den Unfall, den Cara und Peter vor einigen Monaten gehabt hatten. Als er sie damals aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht hatte, hatte sie sich ebenfalls so verhalten und das gefiel ihm absolut nicht. Er schüttelte die unangenehmen Gedanken ab und führte Cara in das großzügig geschnittene Badezimmer. Dort zog er ihr das zerrissene Sommerkleid aus und entledigte sie sanft ihrer Unterwäsche. Als sie nackt vor ihm stand, den Kopf gesenkt, zog er scharf die Luft in seine Lungen ein. Heißer Zorn auf den Teenager wallte in ihm auf. Der Dreckskerl hatte so hart zugefasst, dass man genau den Handabdruck auf ihren Rippen erkennen konnte. Außerdem hatte sie Schürfwunden am rechten Schenkel und am Knie davon getragen, was wohl von ihrem Fall auf die Straße herrührte. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und brachte sie dazu, sich auf den heruntergeklappten Toilettendeckel zu setzen. Neben dem Alibert befand sich ein Erste Hilfe Kasten. Er öffnete ihn und zog ein paar Wattebäusche und eine Flasche Jod hervor. Dann machte er sich daran, vorsichtig die Schürfwunden zu reinigen. Dass Cara bei der Behandlung nicht einmal zusammenzuckte, zeigte Kermit mehr als deutlich, wie sehr der Schock noch an ihr nagte. Anschließend zog er sich ebenfalls aus, half Cara hoch und führte sie in die geräumige Duschkabine. Er musste sie schwer stützen, damit sie nicht zusammen klappte. Daher beschränkte sich Kermit nur aufs Nötigste, den Straßendreck abwaschen, und hob Cara dann aus Duschwanne. Mittlerweile schlief sie fast im Stehen ein, das Beruhigungsmittel musste wohl auch ein schwaches Sedativum beinhalten, und Kermit beeilte sich, sie trocken zu rubbeln. Dann nahm er sie auf die Arme und trug sie zum Bett. Ihr Kopf berührte kaum das Kissen, da schlief sie auch schon. Kermit blickte nachdenklich auf seine junge Frau herunter. Er machte sich die schwersten Vorwürfe, wie so etwas geschehen hatte können. Immer wieder durchlief er im Geiste das Erlebte, analysierte, wägte ab, ließ manche Szenen in Zeitlupe ablaufen und kam letztendlich zu dem Entschluss, dass alles seine Schuld gewesen war. Hätte er darauf bestanden, dass Cara den Tatort sofort verließ, wäre das alles nie passiert. Gramgebeutelt bückte er sich herunter und drückte Cara eine liebevollen Kuss aufs Haar. "Verzeih mir", flüsterte er. "Für dich wäre es besser, wenn du mich nie getroffen hättest." Obwohl es so gar nicht seine Art war, griff er zum Telefon und rief Peter an. Er führte ein langes Telefongespräch mit dem jungen Shaolin, der irgendwie die richtigen Worte fand und ihm klar machte, dass er keinerlei Schuld daran trug. Als er auflegte fühlte sich Kermit tatsächlich um einiges besser, doch einige Gewissensbisse blieben dennoch zurück. Da er Cara nicht alleine lassen wollte, legte er sich neben sie ins Bett, zog sie in die Arme und starrte in die Dunkelheit. Irgendwann driftete auch er ab in den Schlaf.
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