Caine stand an seiner Werkbank und bereitete die Kräuter zu, die er für Jennas Tee brauchte. Peter kam, mit Kermit im Schlepptau, in den Raum geschlendert. Caine fühlte sich erleichtert, als er feststellte, dass die dunklen Wolken zwischen Peter und Kermit tatsächlich gänzlich verflogen waren. "Hallo Paps, wie geht es Jenna?", fragte Peter heißer. "Sie ist sehr durcheinander und will keinen Menschen sehen", erwiderte Caine. "Ich denke ich werde ihr trotzdem einen Besuch abstatten wenn ich darf, Paps." "Wenn, dann gehen wir beide", meinte Kermit. "Geht rauf, aber Peter sei vorsichtig. Jenna ist in einem Stadium, in dem kein Durchkommen zu ihr ist. Vielleicht glaubt sie dir, dass du nicht böse mit ihr bist. Mir glaubte sie es jedenfalls nicht." Peter erbleichte. "Das kann ich nicht glauben. Jenna ist nicht so, Dad!" "Im Moment schon, mein Sohn. Sie macht sich schwere Vorwürfe und kann sich aus dem Teufelskreis der Schuld nicht lösen." "Dann wird es Zeit, dass wir sie davon erlösen.", erwiderte Peter bestimmt und wandte sich der Treppe zu, dicht gefolgt von Kermit. Wenige Minuten später kamen die beiden sichtlich verwirrt wieder in die Küche zurück. Caine ließ den Mörser sinken, mit dem er gerade Kräuter zerkleinerte und schaute sie fragend an. "Jenna hat sich im Badezimmer verbarrikadiert, wir kamen nicht hinein", erklärte Peter. "So haben wir ihr eben durch die geschlossene Türe erklärt, dass wir ihr nichts nachtragen, doch ob das Früchte tragen wird, kann ich dir nicht sagen." Caine Blick drückte deutlich ein: 'Habe ich es dir nicht gesagt?' aus. Anstelle seinen Sohn zurecht zu weisen, entgegnete er ruhig: "Jenna wird sich im Laufe des Tages wieder beruhigen. Mir scheint, wir bedrängen sie zu sehr. Wenn sie bereit zu einem Gespräch ist, wird sie sich zeigen, wir brauchen nur Geduld." "Bist du sicher, Paps? Wie sie sich eben benommen hat, könnte das genaue Gegenteil der Fall sein." Erneut warf Caine seinem Sohn nur einen missbilligenden Blick zu, zuckte die Schultern und machte sich daran, die Kräuter weiter zu bearbeiten. Kermit mischte sich ein. Er legte Peter die Hand auf die Schulter und führte den jüngeren Detective von der Apotheke in den Wohnraum. "Wenn dein Vater meint, sie kommt heute noch raus, dann ist es auch so", meinte er. Peter strich sich seufzend durch die Haare. "Ich weiß es ja auch...irgendwie. Doch all das Warten, das macht mich irre. Ich kann nicht verstehen, dass sie sich plötzlich so anstellt, wo doch die Personen, denen sie...sagen wir mal...Gewalt angetan hat, ihr verzeihen und nichts nachtragen." Kermit rückte sich seine Sonnenbrille zurecht und grinste leicht. "Das, mein lieber Peter werden wir wohl nie verstehen. Frauen denken nun mal um ein vielfaches komplizierter als wir Männer. Vielleicht wird sie uns später erklären, warum sie so reagierte und falls nicht, dann bist du wieder um ein Geheimnis reicher." Peter musste ebenfalls grinsen. Kermit traf genau den Punkt. Mit einem weiteren, tiefen Seufzen gab der junge Mann schließlich klein bei. "Ich fürchte, du hast mal wieder recht. Wie wäre es mit einem Kartenspiel, um uns die Zeit bis zum Auftauchen der Diva zu vertreiben? Ich meine, ich hätte hier schon einmal eines gesehen." "Eine gute Idee. Dann schaff mal die Karten heran, Peter, damit ich dich ausnehmen kann. Mal schauen, wann du mir Haus und Hof überschreibst." "Nur in deinen Träumen", gab Peter wesentlich besser gelaunt zurück und machte sich auf die Suche nach den Karten. ***** Wie immer hatte Caine recht gehabt. Knapp zwei Stunden später erschien Jenna im Wohnraum und setzte sich wortlos auf das schmale Sofa, ein Geschenk von Peter für seinen Vater. Im selben Moment trat auch Caine ein. Peter konnte es mal wieder nicht erwarten. Er setzte sich zu ihr und wollte beschützend den Arm um sie legen. Jenna wich unwillkürlich zurück, nackte Angst spiegelte sich in ihrem Blick. Peter tat es körperlich weh, ansehen zu müssen, wie sie scheinbar vor ihm flüchtete. Langsam zog er seinen Arm zurück und beobachtete, wie Kermit ihnen gegenüber Platz nahm. Caine hingegen ging noch einmal in die Küche und kehrte mit drei Tassen dampfenden Tees zurück, den er verteilte und darauf bestand, dass er ausgetrunken wurde. Erst nachdem jeder Becher geleert war begann das Gespräch. "Was ist nur in dich gefahren, Jenna?", wollte Peter wissen. "Wie oft müssen wir dir denn noch versichern, dass alles wieder in bester Ordnung bist, bevor du es endlich glaubst?" Diese schüttelte den Kopf und zog sich noch mehr zurück, so fern das überhaupt möglich war. "Ich weiß es selber nicht. Im Büro war es, als ob eine fremde Macht Besitz von mir ergriffen hatte und bis vorhin empfand ich es hier auch nicht anders. Ich kam mir direkt so vor, als würde ich mit offenem Mund neben mir stehen und alles nur beobachten, aber ein ganz anderer würde die Fäden ziehen." "Was?" Peter sah Jenna bestürzt an. "Mädchen, warum hast du denn nicht um Hilfe gebeten? Wir würden dich doch niemals im Stich lassen." "Um euch noch mehr zu verletzen, als ich es eh schon getan habe?", meinte sie hart. Peter ballte die Hände zur Faust. "Das darf doch echt nicht wahr sein!", rief er aus. Jenna sehr tief in die Augen schauend, fuhr er fort: "Sieh doch endlich ein, dass du nicht mit allem alleine zurecht kommen kannst oder musst. Es ist keine Schande, auch einmal Hilfe anzunehmen. Und außerdem: niemand ist dir böse wegen dem Geschehenen. Bitte öffne dich, höre endlich auf deine innere Stimme und lass los, verdammt noch mal!" Irgend etwas war in dem Tee, was Jenna plötzlich ruhig werden ließ, so wie die anderen beiden auch. Kermit beobachtete erstaunt, wie Jenna plötzlich die Augen schloss und seufzte. Er meinte einen leichten Schimmer zu sehen, der sie umgab und dann verschwand. Doch so schnell dieses Phänomen aufgetreten war, so schnell verschwand es auch wieder und Kermit konnte nicht sicher sein, ob er richtig gesehen hatte. Zu seiner nicht ganz geringen Überraschung, begann sie mit einer kleinen Rede. "Okay, Peter, vielleicht hast du recht und ich habe überreagiert. Ich sehe jetzt, dass ihr beide mir tatsächlich vergeben habt, obwohl ich zugeben muss, dass ich mich noch immer furchtbar schäme, so wie ich dich angegangen bin." Peter öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Jenna legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Lass mich bitte ausreden. Ich möchte mich noch einmal in aller Form bei euch beiden entschuldigen und ich verspreche, so etwas wird nie wieder vorkommen, denn ich habe den Entschluss gefasst, Caines Angebot anzunehmen und mir von ihm zeigen zu lassen, wie ich, was immer diese doofe Kraft auch sein mag, in den Griff bekomme." Sie machte eine kleine Pause und schaute jedem der Anwesenden für ein paar Sekunden fest in die Augen. "So, und jetzt wäre mir am liebsten, wenn wir diesen mehr als peinlichen Zwischenfall einfach vergessen und zur Tagesordnung übergehen könnten. Mir persönlich stände der Sinn sehr nach einem gemütlichen Abend im Kreise meiner Freunde." Peter konnte sich nicht mehr beherrschen und umarmte Jenna stürmisch. "Einverstanden", meinte er erfreut und drückte sie eng an sich. Kermit erhob sich ebenfalls und umarmte Jenna dann auch, Caine verbeugte sich nur und ging in die Küche, um Nachschub zu holen. Der Abend wurde fortgeführt, als wäre nie etwas geschehen. Man trank Tee und unterhielt sich. Nach anfänglichen etwas unangenehmen Sekunden, wandelte sich die Stimmung schnell in eine gemütliche Atmosphäre. Alsbald drehte sich das Gespräch um die gelungene Aufdeckung des Hackers. Kermit erzählte Jenna, dass der Täter ein 12-jähriger Junge gewesen war, der aus purer Langeweile und um sein Können zu testen, sich in den Computer gehackt hatte. Ihm war nicht bewusst, was er für brisantes Material gehabt hatte, als er es an einige seiner Freunde verschickte. Auf diesem Wege waren die Informationen an eine leider nicht mehr nachvollziehbare Stelle gelangt, wo man das Wissen weidlich ausgenutzt hatte. Da der Junge im gesetzlichen Sinne nicht strafmündig war, würde er wohl mit ein paar Stunden Sozialarbeit davon kommen. Jenna freute sich auf der einen Seite, dass sie den Hacker gefunden hatten, doch auf der anderen Seite war ihr auch bewusst, dass ihr Job damit erledigt war. Der Kuss von heute Nachmittag kam ihr in Erinnerung. Er hatte mehr in ihr ausgelöst als sie dachte, doch sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Kermit und Peter schienen tatsächlich miteinander geredet zu haben, denn die beiden schienen zu einem stillen Einverständnis gekommen zu sein, das sie liebend gern erfahren wollte. Gut, Kermit hatte sie geküsst und sie hatte gespürt, dass er ihr Gefühle entgegen brachte, doch sie war sich nicht sicher, wie weit die gingen. Sollte sie nun in den USA bleiben oder nicht? Das waren die Gedanken, die sie im Moment beschäftigten. Sollte sie das Risiko eingehen, und sich eventuell noch einmal an ihm ihre Finger verbrennen, oder sollte sie wie vor zwei Jahren das Weite suchen bzw. sich von Kermit fern halten? Dann fiel ihr ein, dass der Rückzug durch das Versprechen, das sie hier vor allen abgegeben hatte, nicht mehr existierte. Sie musste hier bleiben, wollte sie nicht sich selbst untreu werden und das hatte sie nicht vor. "Erde an Jenna. Hallo, bist du noch da?" "Hä?" Jenna sah verwirrt auf, "Oh, entschuldige. Ich merkte nicht, dass du mich angesprochen hast." Peter verzog das Gesicht. "Ja, das habe ich gemerkt. Ich fragte, ob wir langsam gehen sollen, er ist schon spät und ich bin hundemüde." Das war Jenna nun ganz und gar nicht. Im Gegenteil, sie fühlte sich so aufgedreht wie schon lange nicht mehr. Widerwillig gab sie daher zurück: "Wenn du meinst." Kermit, der exzellente Beobachter, schritt ein. "Geh du alleine vor, Peter. Ich bringe Jenna dann später zu dir. Ich glaube, ihr ist mehr nach einem Spaziergang zumute, oder irre ich mich?" Jenna sah Kermit erstaunt an. "Kannst du Gedanken lesen? Mir ist tatsächlich nach spazieren gehen." Dieser zeigte sein typisches Wolfsgrinsen. "Dazu muss man kein Hellseher sein, ich konnte es daran erkennen, wie du mit den Füßen auf dem Boden schabst." Jenna errötete, als die anderen gutmütig über den Scherz lachten. Sie erhob sich und sah auf Peter herunter. "Hast du etwas entgegen?" Bittend blickte sie ihn an. Spontan zog dieser Jenna in seine Arme und küsste sie auf die Stirn. "Nein habe ich nicht. Ich wünsche dir viel Spaß, meinen Segen hast du", flüsterte er ihr ins Ohr. Dankbar drückte sie ihn und raunte ebenso leise. "Danke, du ahnst nicht wie viel mir das bedeutet." Dann wandte sie sich mit einem frechen Grinsen an Kermit und meinte: "Was sitzt du immer noch herum, ich dachte wir wollten spazieren gehen?" Jenna verabschiedete sich von Caine mit einer festen Umarmung. Dieser ließ sich das gern gefallen und strich ihr über das Haar, nicht ohne ihr noch einen guten Ratschlag mit auf den Weg zu geben: "Vertrau auf dein Herz." Peter küsste sie auf die Wange und verließ dann gemeinsam mit Kermit das Haus. Peter folgte nur wenig später, nachdem er noch einige Worte mit seinem Vater gewechselt hatte, stieg in den Stealth und fuhr mit gemischten Gefühlen nach Hause. Um Jenna nicht schon wieder gegen sich aufzubringen, hatte er so getan, als ob ihm ihr Spaziergang mit Kermit nichts ausmachte, doch tief in seinem Inneren stellte er fest, dass er noch immer einer Beziehung Jenna-Kermit sehr skeptisch gegenüber stand, so sehr er Kermit auch mochte und respektierte. Außerdem sagte ihm ein sehr eigentümliches Gefühl in der Magengegend, dass er diese Nacht wohl alleine in seinem Apartment verbringen würde.
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