11. Teil
Autor: Fu-Dragon

 

Kermit und Jenna schlenderten durch Chinatown. Sie kamen an einem Straßenhändler vorbei, der Eis verkaufte.

"Willst du gern ein Eis?", erkundigte sich Kermit.

Jenna grinste von einem Ohr zum anderen. "Da lasse ich mich nicht lange bitten."

Sie drehten sich zu dem Verkäufer um, der ihnen erwartungsvoll entgegenblickte, und meinten wie aus einem Munde: "Pistazie."

Perplex starrten sie sich an und fingen dann an zu lachen. "Wir scheinen sogar beim Eis denselben Geschmack zu haben, nicht nur bei den Sonnenbrillen.", lachte Kermit.

Wenig später führten sie ihren Weg fort, fröhlich am Eis knabbernd. Kermit lief ein Schauer über den Rücken, als er aus dem Augenwinkel beobachtete mit welch Hingabe Jenna ihr Eis verspeiste. Nur mit Mühe konnte er ein Stöhnen unterdrücken, als ihre Zunge ein paar eisige Tropfen auffing. Es fehlte nicht viel, und er hätte sie hier, mitten in Chinatown und vor sämtlichen Menschen, in die Arme gerissen und sie heiß und hungrig geküsst.

"Ein Eis müsste man jetzt sein", murmelte er.

Jenna vernahm nur das Murmeln. "Hast du was gesagt?"

Kermit räusperte sich. "Nein...weißt du eigentlich schon, was du nun machen willst?", versuchte er sich von seinen Gedanken abzulenken.

Jenna Gesicht verdüsterte sich etwas. "Nein, ich habe keine Ahnung. Der Fall ist ja nun abgeschlossen."

"Willst du wieder nach England zurück?" Er hielt den Atem an, als sie mit ihrer Antwort zögerte.

"Ich weiß nicht. Ich habe mich noch nicht entschieden was ich tun will.", log sie.

Kermit erinnerte sich an ihr Gespräch im Büro, was hatte sie gesagt? 'Hättest du nur ein Wort gesagt und ich wäre geblieben.' Der Detective traf seine Entscheidung, die sein Herz schon seit langem getroffen hatte. Leise meinte er: "Ich würde mich freuen, wenn du bleiben würdest."

Jenna Kopf zuckte zu ihm herum. "Ist das dein Ernst?"

Er nickte bekräftigend. "Ja, das ist es."

Beide wussten, dass sie gerade von etwas ganz anderem sprachen als von ihrem Hier bleiben. Kermit schob seine Brille hoch, damit er ihr in die Augen blicken konnte und Jenna tat dasselbe. Ihre Blicke versanken ineinander. Verstehen spiegelte sich in ihren Augen und eine Entscheidung, getroffen aus tiefstem Herzen. Als sie nun weiter liefen, verflochten sie ihre Finger miteinander und rückten näher zusammen. Worte waren nicht nötig, beide genossen das neue Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Jenna war so in ihren Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass sie plötzlich vor Kermits Wohnung standen. Unerwartet fühlte sie sich ein wenig unbehaglich, sie wusste nicht, was sie tun sollte. Kermit nahm ihr die Entscheidung ab, indem er fragte: "Soll ich dich zu Peter bringen, oder willst du noch mit mir hochkommen auf einen Kaffee?"

Jenna innere Stimme teilte ihr mit, es würde nicht bei einem Kaffee bleiben, wenn sie jetzt ja sagen würde. Sehnsucht erfüllte sie. Sie zögerte nur einen Moment, bevor sie meinte: "Kaffee hört sich nicht schlecht an."

Ein tiefer Atemzug hob Kermits Brustkorb, bevor er sich in Bewegung setzte und Jenna halb hinter sich herzog. Die Fahrt mit dem Aufzug ging flugs vorüber, beide hingen ihren Gedanken nach, so dass nichts gesprochen wurde.

Nachdem Kermit die Wohnung aufgeschlossen hatte, führte er Jenna ins Wohnzimmer und bat sie, auf der Couch Platz zu nehmen. Er ging in die Küche, um den versprochenen Kaffe zu kochen. Jenna sah sich in der Wohnung um. In den zwei Jahren seit ihrem letzten Besuch hatte sich so gut wie nichts verändert. Sie erkannte jedes Detail wieder, das sich in ihr Gedächtnis eingeprägt hatte. Ein wenig Unbehaglich fühlte sie sich aber immer noch.

Einige Minuten später kam Kermit mit zwei dampfenden Bechern zurück und setzte sich neben sie auf die Couch, auf genügend Abstand bedacht, da er sich selbst nicht traute. Er spürte Jennas Unbehagen und wollte nichts überstürzen, oder sie gar davon jagen.

"Der Spaziergang hat richtig gut getan.", begann er das Gespräch.

"Ja, ich finde, man kann dabei so richtig schön abschalten."

"Kommt darauf an, wohin man geht.", erwiderte Kermit.

"Spielst du gerade auf deine Vergangenheit an, oder darauf, dass ich vor zwei Jahren wieder zurück nach England gegangen bin?"

"Ich denke das Thema lassen wir lieber", versuchte er abzulenken.

"Und ich bin der Meinung, wir sollten darüber reden." Jenna blieb stur.

"Jenna, danach steht mir im Moment wahrlich nicht der Sinn."

"Findest du es in Ordnung immer auszuweichen, sobald etwas unangenehm zu werden scheint? Warum willst du denn nichts über dich erzählen?"

Kermit verdrehte innerlich die Augen. Wenn Jenna sich einmal an etwas festgebissen hatte, dann ließ sie so schnell nicht wieder locker.

"Jenna, ich verspreche dir, zu gegebenem Zeitpunkt werde ich dir mehr über meine Vergangenheit erzählen, aber nicht jetzt. Das solltest du akzeptieren."

Jenna blickte ihm offen und frei in die Augen. "Dann rede ich jetzt eben." Sie machte eine Pause, um sich selbst Mut zuzusprechen. "Kermit, ich weiß, dass du eine Vergangenheit hast, auf die du nicht unbedingt stolz bist. Aber du sollst wissen, dass ich dich weder verurteile noch vor dir zurückschrecke, egal was du tun musstest oder getan hast. Du vergisst, dass ich ein sensitiv veranlagter Mensch bin und einiges mir nicht verborgen geblieben ist. Was wichtig ist, ist die Zukunft und nichts anderes. Menschen die zu sehr in der Vergangenheit leben, übersehen oft das Wesentliche."

"Du weißt nicht was du da sagst, Jenna. Es geht um ganz etwas anderes.", warf Kermit dazwischen.

Die junge Frau nickte eifrig. "Ja, ich weiß. Du hast Angst, dass dich deine Vergangenheit wieder einholt, und dass die Menschen, die dir am Herzen liegen, für deine sogenannten Fehler bestraft werden. Ich weiß, du hast wesentlich mehr Feinde als Freunde, das bringt eine Vergangenheit als Söldner und eine Zukunft als Detective so mit sich. Doch du solltest dir auch klar machen, dass deine Freunde zu dir stehen, egal was kommt oder was passiert und dass jeder sich vollkommen klar darüber ist, was es bedeutet, mit dir befreundet zu sein.

Sie nahm einen kleinen Schluck Kaffee und fuhr fort: "Du kannst so viel geben und du tust alles, um deine Freunde sicher und beschützt zu wissen, mehr kannst du nicht tun und es genügt auch völlig. Auch du kannst nicht verhindern, dass hin und wieder etwas passiert. Du konntest nicht verhindern was mit Rogers war, oder dass Peter vor einem Jahr schwer verletzt wurde. Das nennt sich schlicht und ergreifend Schicksal und auch du kannst nichts daran ändern, auch wenn du dir noch so gern die Schuld dafür geben würdest. Vorhin hast du von Akzeptanz gesprochen, dann akzeptiere du auch bitte, dass deine Freunde immer für dich da sein werden und auch alles für dich geben würden und flüchte nicht vor deinen Freunden aus Angst es könnte ihnen wegen dir etwas passieren. Denn jeder einzelne von ihnen ist bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen!"

Kermit starrte die junge Frau sprachlos an. Jenna hatte mit ihrer langen Rede genau ins Schwarze getroffen. Anscheinend kannte sie ihn besser, als er dachte. Er hatte nicht geahnt wie feinfühlig sie sein konnte, denn genau das waren seine inneren Ängste, die ihn tagtäglich peinigten. Sie so ehrlich ausgesprochen zu hören, ging ihm sehr nahe.

"Ich war und ich bin ein sehr gefährlicher Mann", presste er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.

"Na und? Glaubst du, damit machst du mir Angst? Sicher nicht. Übrigens ist es sehr interessant zu sehen, dass du schon wieder versuchst, dein übliches Muster auszuspielen, nämlich die Menschen, die du magst mit Absicht von dir zu stoßen.", erwiderte Jenna absolut ruhig.

"Es wäre gesünder für dich, kleines Mädchen.", erwiderte er, seine Grenzen austestend und den Rest einfach überhörend.

"Das überlass mal nur mir zu entscheiden, was gesund für mich ist oder nicht. Ich bin ein erwachsener Mensch, falls dir das entgangen sein sollte."

Kermit holte tief Luft, Das Gespräch verlief in eine Richtung die ihm ganz und gar nicht gefiel. Er hatte sich den Abend etwas anders vorgestellt, als hier tiefschürfende Gespräche über seine Gefühle zu führen.

"Das bist du ohne Zweifel, nach außen hin zumindest.", meinte er brutal und taxierte sie offen von oben bis unten. Nichts, keine Kurve ihres sinnlichen Körpers entging seinen Augen.

Jenna wand sich innerlich unter seinem sezierendem Starren, das ihr ziemlich unangenehm und von ihm auch nicht nett gemeint war. Deutlicher konnte er ihr nicht machen, dass sie mal wieder gegen eine Mauer rannte, die seinen Namen trug. Abrupt stand sie auf.

"Ich glaube es ist doch besser wenn ich gehe, bevor wir uns streiten. Danke für den Kaffee", sagte sie leise, einen traurigen Unterton in der Stimme.

Kermit zog seine Schlüssel aus der Hosentasche. "Ich werde dich fahren."

"Danke, das ist nicht nötig, ich werde mir ein Taxi bestellen. Dann kannst du dich in aller Ruhe hier in deiner Höhle vergraben und dich freuen, dass du es mal wieder geschafft hast, einen Menschen von dir zu stoßen, der es nur gut mit dir meint."

In ihren Worten schwang all ihre Verletzung mit, die sie im Moment empfand. Im Licht der Lampe sah er die feucht schimmernden Augen.

*Herrgott, was mache ich da eigentlich?* dachte er. *Warum gehe ich so auf sie los? Sie hat mir nichts getan. Warum verletze ich sie so?*

Von einem Moment zum anderen verrauchte all seine aufgestaute Wut. Sie hatte ihn mit ihren Worten dermaßen überrumpelt, dass er nur noch rein instinktiv reagiert hatte, dies wurde ihm in aller Deutlichkeit bewusst. Und nun war er auf dem besten Weg, das Beste was er in den letzten Jahren getroffen hatte, einfach aus seiner Wohnung gehen zu lassen. Ihm war klar, dass er reagieren musste wenn er nicht wollte, dass Jenna zum zweiten Mal aus seinem Leben verschwand.

Die Szene im Büro tauchte vor seinem inneren Auge auf. Ihr Blick, wie sie ihn angesehen hatte als er sie küsste ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. So schaute nur eine Frau, die sich absolut sicher in ihrem Tun war und auch den ganzen Menschen akzeptierte und nicht nur den Teil, den sie sehen wollte.

Jennas Hand legte sich um den Türknopf. Kermit sprang von der Couch hoch. "Bitte bleib Jenna.", sagte er rau.

Langsam drehte sie sich zu ihm um, den Kopf auf den Boden gesenkt. "Warum? Damit du mich noch weiter verletzen kannst?"

Mit zwei großen Schritten stand er neben ihr. Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht und hob es an, damit er ihr in die Augen blicken konnte. Eine einzelne Träne löste sich von ihren Wimpern und rollte ihre Wange hinunter. Zärtlich wischte er sie weg, bestürzt darüber, dass er Derjenige war, der sie soweit gebracht hatte.

"Nein. Um meine dummen Worte von eben wieder gut zu machen. Es tut mir sehr leid, Jenna."

Kermit war kein Mann, der sich oft entschuldigte. Jenna war noch immer hin und hergerissen. Sie kämpfte zwischen dem Wunsch, in seinen Armen zu liegen, oder fluchtartig die Wohnung zu verlassen. Dass er sie für ein kleines Mädchen hielt, hatte sie tief getroffen.

"Was willst du eigentlich von mir?", flüsterte sie.

Kermit handelte rein instinktiv und zog Jenna fest in seine Arme, drückte ihr fast die Luft ab.

"Ich brauche dich Jenna, wie die Luft zum Atmen. Nur du gibst mir das Gefühl, richtig am Leben zu sein", flüsterte er ihr ins Ohr.

Jenna kam mit dieser hundertachtzig Grad Wendung nicht zurecht. Eben noch verhielt er sich absichtlich brutal und verletzend und nun verhielt er sich wie das genaue Gegenteil. Sie strampelte in seinen Armen, so dass er sie widerwillig frei gab. Ihre Hand lag noch immer auf dem Türknauf.

"Ich...ich...", stammelte sie, nicht die richtigen Worte findend. Kermit stand vor ihr wie ein kleiner Junge. Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen und erlaubte ihr einen tiefen, unverhüllten Blick in seine Augen. Um Verzeihung heischend schaute er sie an, all seine Gefühle spiegelten sich in seiner unergründlichen Tiefe. "Bitte.", hauchte er.

Nur dieses eine kleine Wort, und es gab bei Jenna den Ausschlag. Ihr Blick erhellte sich, ein wenig von dem Strahlen kehrte zurück. Leicht wie ein Schmetterlingshauch strichen ihre Fingerspitzen über seine Wange.

"Wenn du noch einmal so eine Nummer abziehst, Kermit, dann brauchst du keine Feinde mehr, denn dann werde ich dich höchst persönlich erwürgen", brachte sie hervor.

"Heißt das du bleibst?", fragte er, nicht sicher, was er davon halten sollte.

"Ja, ich bleibe."


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