Als Peter sein Appartement einige Zeit später betrat, fand er Jenna noch immer schlafend vor. Sie hatte sich nicht einen Zentimeter von der Stelle gerührt sofern er es beurteilen konnte. Um zu sehen, ob sein Vater recht hatte, schlüpfte er kurz in die Gedankenverbindung zu Jenna und stellte beruhigt fest, dass es Erstens tatsächlich funktionierte und Zweitens sie tief und fest und ohne Alptraum schlief. Er nahm sich vor, ihr gleich am nächsten Morgen zu erzählen, was er aus Versehen angestellt hatte. Vielleicht konnte das sogar ein guter Ansatzpunkt zu ihrem gemeinsamen Lernen werden. Allerdings war ihm nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Jenna nun auch mit ihm verbunden war, ob er wollte oder nicht. Allerdings war er sich sicher, er hatte seine Barrieren nicht herunter gelassen, so dass sie seine Gefühle oder sein Leben nicht ausloten konnte. Doch auch dafür würde die Zeit kommen wie ihm unangenehm bewusst wurde. Er war sich sicher, dass er nicht lange mehr dauern würde, bevor sie in der Lage wäre ihm über die Verbindung, den Link, Nachrichten zukommen zu lassen. Einmal hatte sie es ja gestern Abend schon geschafft. ***** Der nächste Morgen kam rasch. Peter hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht, um sie nicht zu erschrecken falls sie aufwachte und einen Mann neben sich liegen sah. Leider hatte er nur dieses eine Schlafzimmer und er würde sich nach ihr richten, ob sie einverstanden war, mit ihm das Bett zu teilen. Klar, sie waren Freunde, aber er war auch ein Mann und Aufgrund des Links, den er mit ihr hatte, wusste er, dass sie auf männliche Gesellschaft nicht gerade erpicht war. Er stand gerade in der Küche und brühte Kaffe auf, als Jenna verschlafen in herein tapste. "Guten Morgen, wie fühlst du dich?", begrüßte er sie. Jenna blickte äußerst schuldbewusst drein und sah ihm nicht in die Augen. "Gut, danke. Ähem...ich möchte mich für meine unmögliche Reaktion gestern entschuldigen, Peter. Ich hoffe, ich habe dir nicht weh getan." "Nein, das hast du nicht. Du weißt doch, ich bin ein Shaolin Cop", schwächte Peter lächelnd ab. "Außerdem war es mein Fehler. Ich hätte dich nicht so erschrecken dürfen." "Na immerhin ist es deine Wohnung und ich habe höchst unprofessionell reagiert, obwohl mir bewusst war, dass du irgendwann von der Arbeit kommen würdest." Peter streckte die Hand aus und schob Jenna eine verwirrte Strähne hinters Ohr. "Nun lassen wir die Schuldzuweisungen mal. Vergessen wir einfach den Vorfall, okay?" "Einverstanden.", erwiderte Jenna erleichtert. "Gut, und nun setz dich. Ich möchte trotzdem mit dir reden, bevor ich zur Arbeit muss." Peter erklärte Jenna, was er gestern aus Versehen mit ihr angestellt hatte und auch, dass sie ab jetzt doch hier in der Wohnung bleiben würde. Seltsamerweise nahm Jenna es gänzlich anders auf, als er es erwartet hätte. Sie war nicht eine Spur unsicher, und als er das einzige Schlafzimmer ansprach stimmte sie sofort zu, es mit ihm zu teilen, oder selbst auf der Couch zu schlafen. Peter freute sich sehr das zu hören. Das bewies ihm, dass sie Vertrauen zu ihm hatte und es machte ihn sehr stolz. Er fand sogar noch die Zeit, ein wenig mit ihr zu meditieren und zu trainieren. Dann musste er sich auf den Weg zur Arbeit machen und Jenna fuhr das Computersystem hoch. Gerade als er die Türe öffnete, hörte er in seinen Gedanken. *Und melde dich diesmal bitte an, bevor du in die Wohnung kommst. Ich will nicht, dass das noch einmal passiert.* Peter musste lachen. Jenna lernte wirklich unglaublich schnell und antwortete ebenfalls ohne Worte. *Das werde ich keinesfalls vergessen. Bis später.* ***** Jenna kam an diesem Tag etwas besser voran. Durch die Gedankenverbindung, die sie jetzt mit Peter teilte, konnte sie ihm Nachrichten schicken, die nur er verstand und er konnte so die eine oder andere Info, die sie benötigte, gleich beschaffen. Seine Kollegen allerdings wunderten sich, wie oft er heute zum Captain ging. Jenna war es gelungen zu einem der Computer im Revier durchzukommen, ohne wieder abgeblockt zu werden. So gut sie konnte tarnte sie den schwer erkämpften Zugang und arbeitete sich langsam, aber stetig weiter vor. Einige Stunden später, wusste sie, dass sie wieder in einer Sackgasse gelandet war. Auf keinem der Systeme, die sie systematisch durchcheckte befand sich auch nur die Spur einer Fremdeinwirkung, geschweige denn den Beweis, dass der Computer gehackt worden war. Die Sache wurde für sie immer rätselhafter. Da musste jemand mehr als geschickt vorangehen. Ihr wurde klar, dass sie, um den Angreifer zu finden, entweder selbst im Revier sein musste, was nicht möglich war, oder mit einen anderen Computerfreak zusammen arbeiten musste, damit sie von zwei Computern aus ein Kreuz spinnen konnten, um alles einzugrenzen. Jenna verspürte einen Stich, als sie dabei unwillkürlich an Kermit denken musste. Sie wusste, dass er der Einzige dort war, der über genügend Erfahrung verfügte, um mit ihr arbeiten zu können. Ein Verdacht keimte in Jenna auf. Kermit war ein Computerfreak und da er das gesamte System in und auswendig kannte, war es ihm ein Leichtes, Kontakte zu verschleiern und Informationen weiter zu geben. So schnell wie dieser Gedanke kam, verscheuchte sie ihn auch wieder. Kermit würde so was niemals tun, dazu hatte er viel zu viel Ehrgefühl. Doch wer konnte es sonst sein? Über ihre Gedankenverbindung bat sie Peter, alles an Informationen zu ihr zu schicken, was er über die Angestellten des 101. finden konnte, sowohl über die aktuellen Angestellten, als auch diejenige die in den letzten beiden Jahren den Dienst quittiert, hinausgeschmissen, oder in Rente geschickt worden waren. Jenna bekam einen Berg an elektronischen Akten, was sie sehr überraschte. Anscheinend gab es im 101. Revier einen regen Wechsel. Ihr wurde ganz flau, als sie beim flüchtigen Überfliegen der Akten feststellte, wie viele Personen in Ausübung ihrer Pflicht ihr Leben gelassen hatten. Sie erschauerte, als ihr mit aller Deutlichkeit klar wurde, welch gefährlichen Job Peter hatte. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie niemals mit einem Cop zusammen leben könnte nach all dem, was sie in den Akten las. Gott sei dank sah sie in Peter nur einen Freund, auch wenn sie wusste, wie seine Ausstrahlung auf andere Frauen wirkte. Vor allem, wenn er seinen Charme anwandte oder einen ganz bestimmten Blick aufsetzte, der selbst ihr schon aufgefallen war. Ganz plötzlich wanderten ihre Gedanken zu Kermit. Plötzlich sah sie vor ihrem inneren Augen sich selbst und ihn in inniger Umarmung. Sie errötete bei diesem Gedanken und schüttelte wütend den Kopf. Nach all dem, was sie mit ihm durchgemacht hatte, würde sie ganz sicher niemals so mit ihm enden. Ergebnislos versuchte sich Jenna wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Immer wieder spukte die Zeit mit Kermit in ihren Gedanken herum und verbannte sie zur Unproduktivität. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, beschloss sie einen kleinen Spaziergang zu machen. Mit leicht schlechtem Gewissen verließ sie das Appartement, den Ersatzschlüssel in der Hosentasche. Zwar hatte sie Peter versprochen, nicht ohne ihn aus dem Haus zu gehen, doch was konnte bei einem kleinen Spaziergang schon passieren? Und außerdem würde sie zurück sein bevor er kam, so dass er nichts davon erfahren würde. Bald hatte Jenna ihr schlechtes Gewissen vergessen. In den letzten Strahlen der untergehenden Sonne genoss sie in vollen Zügen ihren Spaziergang durch Chinatown. Es gab so vieles zu entdecken und zu sehen, dass sie nicht müde wurde, durch die vielen Gassen zu streifen und die Menschen zu beobachten. Chinatown hatte etwas pulsierendes und gleichzeitig auch altertümliches an sich, das sie vollkommen in seinen Bann zog. Die jüngeren Kids, die ihr hier begegneten, benahmen sich so wie alle anderen Kinder in ihrem Alter auch, doch die älteren Leute lebten noch mit ihren, wohl Jahrhunderte alten, Traditionen. Aus Neugierde betrat sie einen Laden der chinesische Lebensmittel verkaufte. Sie staunte nicht schlecht, als sie sich plötzlich um Jahre zurück versetzt fühlte. Alle Sachen lagerten in offenen Behältern, die vom Inhaber des Ladens noch persönlich abgewogen und verpackt wurden. Leider waren alle Aufschriften in Chinesisch gehalten, so dass sie sie nicht lesen konnte. Erkennen was was war konnte sie ebenfalls nicht. Mit einem freundlichen Nicken in Richtung der Besitzers und einer leichten Verbeugung verließ sie den Laden wieder und marschierte weiter. Mit Erstaunen stellte Jenna fest, dass es mittlerweile dunkel geworden war. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte ihr, dass sie sich lieber beeilen sollte, wenn sie noch vor Peter im Appartement sein wollte. Sie hatte keine Lust, sich eine Strafpredigt anhören zu müssen. Angestrengt sah sie sich um. Da sie durch viele Gassen und Straßen gelaufen war und nicht besonders auf den Weg geachtet hatte, wusste sie im Moment nicht einmal wo sie sich befand. In Gedanken versuchte sie noch einmal ihren Weg zurück zu verfolgen, um zumindest die Richtung, in die sie gehen musste zu finden. Sie holte tief Luft und konzentrierte sich auf ihre innere Stimme. Schließlich wandte sie sich nach rechts und lief los. Nach knapp zehn Minuten war sie ziemlich sicher in die richtige Richtung zu laufen, da sie ein Gebäude wieder erkannte, das liebevoll im altchinesischen Stil renoviert worden war. Ein weiterer Blick auf die Uhr machte ihr klar, dass sie sich beeilen musste. Sie konnte unmöglich genau die Strecke zurück gehen, aus der sie gekommen war. Das würde viel zu lange dauern. Sie beschloss den direkten Weg in die Richtung zu nehmen. Nach wenigen hundert Metern erblickte sie einen kleinen Park, der trotz der Geschäftigkeit, die noch immer rundum herrschte, ziemlich einsam zu sein schien. Jenna dachte kurz nach. Wenn sie direkt durch diesen Park laufen würde, dann könnte sie eine ziemliche Strecke abkürzen. Die junge Frau überlegte nicht lange und lief los. Je tiefer sie in den Park hinein ging, desto dunkler wurde es. Nach und nach verblassten die Lichter der Straße und auch die Geräusche der vielen Menschen verstummten. Ein Schauer lief Jenna über den Rücken. Sie hatte vorhin gar nicht registriert wie dunkel dieser Park war. Die Geräusche der kleinen Nachttiere, die aus ihrem Schlaf erwachten kamen ihr plötzlich doppelt so laut vor. Unbewusst beschleunigte sie ihre Schritte und zog die Schultern hoch. Dunkelheit mochte sie noch nie und sie schalt sich einen Idioten, dass sie diesen Weg eingeschlagen hatte. Sie wusste weder wie groß dieser Park war, noch ob sie noch immer in die richtige Richtung ging. So angespannt wie sie sich fühlte, konnte es gut sein, dass sie die Orientierung verlor. Ein Vogel flog knapp über ihren Kopf hinweg und Jenna konnte einen erschreckten Aufschrei nicht unterdrücken. Ihre Schritte beschleunigten sich zu einem leichten Joggen. Je schneller sie aus diesem Park heraus kam, desto besser. Umkehren konnte sie nicht mehr, da sie schon viel zu weit in den Park gelaufen war. Wahrscheinlich war es kürzer nach vorne zu gehen als umzukehren. Sie konnte Peters böses Gesicht förmlich vor sich sehen, wenn sie zu spät kam. Noch hatte er sich nicht gemeldet bei ihr. Sie ahnte nicht, dass ihre Anspannung die Gedankenverbindung verhinderte, denn Peter hatte in der Zwischenzeit sehr wohl nach ihr gerufen, nur keine Antwort bekommen. Selbst sein Konzentrieren auf Jenna brachte kein Ergebnis, er konnte nicht einmal erkennen, ob es ihr gut ging geschweige denn, wo sie sich befand. Da er in der Wohnung keine Anzeichen eines Kampfes erkennen konnte und die Wohnungstüre verschlossen vorfand, nahm er an, dass sie trotz seiner eindringlichen Warnung auf eigene Faust die Wohnung verlassen hatte. Ärger über Jennas Unvernunft wallte in ihm auf. Er gab ihr noch eine Stunde, dann würde er sich auf die Suche machen und wenn er sie dann fand, dann konnte sie etwas erleben, soviel stand für ihn fest. Sicherheitshalber wechselte er kurz in die Verbindung mit seinem Vater und fragte ihn, ob Jenna vielleicht bei ihm war, doch die Antwort darauf war negativ. Kleine Lichter tauchten in der Ferne auf, die schnell hell wurden. Jenna seufzte erleichtert, endlich aus dem Park heraus zu sein und ging schneller. Nach wenigen Minuten hatte sie den Waldrand erreicht und blieb abrupt stehen. Sie war fest der Meinung gewesen, irgendwo in Chinatown zu landen, doch der Anblick, der sich ihr hier bot, belehrte sie etwas anderes. Das einzig positive an dieser schmalen Straße die vor ihr lag, war die Straßenlaterne, ansonsten machte die gesamte Gegend einen verwahrlosten und verschmutzten Eindruck. Jenna konnte keine Menschenseele entdecken. Ein mulmiges Gefühl schlich sich in ihren Magen. Das war ganz sicher keine Gegend, in der man Nachts als Frau alleine unterwegs sein sollte. Sie wusste nicht einmal, ob sie sich noch weiter von Peters Appartement entfernt hatte oder nicht. Ganz sicher befand sie sich nicht in der Nähe von Peters Behausung. Bei ihrem eiligen Aufbruch hatte sie zu allem Überfluss auch noch ihr Handy vergessen, so dass sie ihn nicht einmal anrufen konnte. Jenna erinnerte sich an den Link mit Peter und versuchte ihn auf diese Art und Weise zu erreichen, doch leider bekam sie keine Antwort, so sehr sie es versuchte. Schließlich machte sich Jenna mit einem tiefen Atemzug Mut und ging weiter. Noch einmal zurück durch den Park zu laufen, getraute sie sich nicht. Hier gab es wenigstens Licht und wenn sie Glück hatte, konnte sie diese heruntergekommene Gegend schnell hinter sich lassen. Jenna ging schnurstracks geradeaus und suchte sich die breiteste Straße aus, die sie hier finden konnte. Noch immer war ihr niemand begegnet. Sie hoffte auf ihr Glück, dass das auch so bleiben würde. Instinktiv schlug sie den Kragen ihres Mantels nach oben und versteckte ihre blonden Haare. Sie wollte nicht gleich auf den ersten Blick als Frau erkannt werden, sollte ihr doch jemand begegnen. Da hörte sie aus der Ferne ein paar Stimmen näher kommen. Ohne viel zu überlegen trat sie in eine dunklere Seitengasse und wartete, bis die Personen vorbei gegangen waren. Ihr Instinkt trog sie nicht. Die beiden Männer machten nicht gerade einen besonders freundlichen Eindruck auf sie. Nachdem die vermeintliche Gefahr vorbei war, lief sie noch vorsichtiger weiter. Jenna schaute ein weiteres Mal auf die Uhr und stöhnte. Peter war nun ganz sicher schon zu Hause und das Donnerwetter würde sich nicht mehr abwenden lassen. Erleichtert stellte sie fest, dass die Straße langsam besser wurde und die Gegend nicht mehr ganz so verkommen ausschaute. Vielleicht konnte sie irgendwo eine Telefonzelle ausmachen, um Peter anzurufen. Die Strafpredigt konnte er wohl auch gleich loswerden wenn er sie abholte. Nach einem weiteren knappen Kilometer erreichte Jenna ein belebteres Gebiet. Zwar machte die Gegend noch immer keinen so besonders guten Eindruck auf sie, doch sie war wesentlich besser als die, durch die sie gegangen war. Dann entdeckte Jenna auch eine Telefonzelle. Erleichtert ging sie darauf zu und öffnete die verschmierte Türe. Ein leichter Ekel überkam sie, als sie entdeckte, dass die Telefonzelle von innen auch nicht besser aussah als von außen. Vorsichtig hob sie den verdreckten Hörer von der Gabel und lauschte. Der Freiton kam und Jenna seufzte erleichtert. Mit zitternden Fingern durchsuchte sie ihre Tasche nach Kleingeld. Kurz darauf hatte sie eine Münze gefunden und steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz. Sorgsam darauf bedacht in dem diffusen Licht keine falsche Taste zu erwischen wählte sie die Nummer. Noch zwei Zahlen und gleich würde das Telefon klingeln. Da wurde ihr der Hörer aus der Hand genommen und wieder auf die Gabel gelegt. Das Klicken des Geldes, das zurück kam hörte sich unnatürlich laut in Jenna Ohren an. Mit einem mehr als mulmigen Gefühl drehte sie sich herum und sah sich vier bösartig grinsenden Jugendlichen gegenüber. Jenna war so überrascht aus der Telefonzelle gezogen zu werden, dass sie nicht einmal reagieren konnte.
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