3. Teil
Autor: Fu-Dragon

 

Der nächste Morgen kam rasch. Caine weckte Jenna wesentlich früher als von ihr gewollt, um mit der ersten Trainingsstunde ihr Können zu testen. Jenna reagierte angesäuert, sie hasste es aus dem Bett geschmissen zu werden, doch sie kam seiner Aufforderung dennoch nach.

Caine unterzog Jenna einem harten Training. Was so leicht angefangen hatte, wurde immer schwieriger. Caine war erstaunt darüber, wie sehr Jenna sich in den zwei Jahren entwickelt hatte. Wenn sie in dem Tempo weitermachte, dann würde sie in weiteren Jahren sicher irgendwann mit Peter und seinem Können gleich ziehen. Was bei ihr allerdings noch sehr viel deutlicher ausgeprägt war, das war ihr psychisches Können.

Nach den körperlichen Übungen, meditierte Caine mit Jenna. Da sie fähig war, seine Gedanken zu empfangen, selbst aber nicht antworten konnte, machte er sich daran, sie vorsichtig an diesen Punkt heran zu führen. Es bedeutete harte Arbeit von beiden Seiten, doch sie schaffte es nach mehreren vergeblichen Versuchen tatsächlich. An diesem Punkt unterbrach Caine den Unterricht, sehr zum Missfallen von Jenna, was sie auch deutlich zum Ausdruck brachte. Caine ließ sich jedoch nicht beirren, er machte ihr sehr deutlich und anschaulich klar, was passieren konnte wenn man es übertrieb. Schließlich akzeptierte sie seine Entscheidung und ging unter die Dusche, um sich den Schweiß vom Körper zu spülen.

Kurze Zeit später kam Peter, um sie abzuholen. Im Wagen versuchte sie das Erlernte einzusetzen. Peter half ihr so gut er konnte dabei und er war richtig Stolz auf Jenna, als es ihr gelang, ihm eine kurze Nachricht zukommen zu lassen, bevor die Verbindung brach.

Wie verabredet waren die Sachen, die Jenna benötigte, schon geliefert worden. Die nächste Stunde verbachten sie damit, das Equipment aufzubauen und anzuschließen. Peter blickte stirnrunzelnd auf den Kabelsalat, der vor ihm lag. Ihm war schleierhaft wie jemand da noch den Durchblick behalten konnte. Anschließend sah Peter zu, wie Jenna den Computer in Betrieb nahm und die Programme, die sie benötigte aufspielte. Dabei hatte sie sogar noch Zeit ihm alles zu erklären und Peter lernte einiges dazu.

Dann klingelte das Telefon und Peter wurde zum Revier zurück gerufen. Ihm war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, Jenna hier alleine zu lassen, doch sie hatte sein Angebot seinen Vater zu holen rigoros abgelehnt. Sie beruhigte ihn und meinte, was kann hier schon passieren? Schließlich gab Peter nach. Er schärfte ihr ein, nicht alleine irgendwohin zu gehen und machte sich auf den Weg zur Arbeit.

Jenna war so abgelenkt, dass sie nicht einmal Peters Verabschiedung mitbekam. So war es immer. Wenn sie vor einem Computer saß, dann vergaß sie alles um sich herum. Hochkonzentriert versuchte sie mit Hilfe der Informationen, die sie von Captain Simms erhalten hatte, in die Computer des Reviers einzudringen. Sie brauchte nur ein paar Minuten dazu. Doch dann kam die große Enttäuschung. Das System war abgesicherter, als sie gedacht hatte. Kaum hatte sie einen offenen Port entdeckt durch den sie schlüpfen konnte, wurde sie auch schon abgewehrt, obwohl sie absolut sicher war, nicht entdeckt geworden zu sein.

Jenna ärgerte sich sehr darüber, dass sie Captains Simms nicht nach dem Abwehrschutz gefragt hatte. Etwas, das ihr eigentlich nicht mehr passieren sollte. Doch von hier aus konnte sie auch nicht anrufen, das war viel zu gefährlich Aufgrund der Fangschaltungen. Und ob die Telefone überwacht wurden, hatte sie gestern auch nicht gefragt. So war guter Rat teuer und Jenna versuchte weiterhin ihr Glück, tiefer in das System zu dringen, ohne dass sie wusste welches Programm benutzt wurde. Leider nur mit mehr als geringem Erfolg.

Sie bemerkte auch nicht wie Peter zurück kam und erschreckte sich total, als sich eine feste Hand auf ihre Schultern legte. Instinktiv packte Jenna Peters Handgelenk, drehte es herum und zwang ihn so zu Boden. Peter, der damit seinerseits ebenfalls nicht gerechnet hatte, reagierte ebenso automatisch. Seine andere Hand schoss vor, ergriff Jennas Arm und zog sie zu Boden.

"Jenna, ich bin's doch", keuchte er.

Jenna reagierte nicht, in blinder Panik wehrte sie sich gegen den vermeintlichen Angreifer. Peter hatte alle Hände voll zu tun, ihre Angriffe abzuwehren.

"Jenna, verdammt, hör auf mit dem Mist!"

Doch Jenna war so in ihrer Furcht gefangen, dass sie nicht reagierte. Nach einigen Minuten gelang es Peter, ihre Beine auf den Boden zu Pinnen. Er warf sich auf sie und fing ihre Handgelenke ein, die er mit einer Hand über ihrem Kopf in Schach hielt. Jenna wehrte sich noch immer verzweifelt. Peter griff mit seiner freien Hand unter ihr Kinn und zwang sie dazu, ihn anzusehen. Er erschrak über den Ausdruck in ihren Augen. Nackte Furcht stand darin zu lesen.

"Jenna, komm zu dir, ich bin's doch. Es ist alles Okay", versuchte er es noch einmal ohne großen Erfolg.

Peter fiel nur noch eine Möglichkeit ein, sie in die Wirklichkeit zurück zu bringen. Er holte aus und verabreichte ihr eine Ohrfeige, die ihm mehr weh tat als ihr. Jenna erschrak über den lauten Schlag. Er konnte sehen wie sich der Nebel um ihre Augen lichtete.

"Peter? Oh Gott."

Plötzlich fing sie an, unkontrolliert zu zittern, Tränen liefen ihr über die Wangen und sie atmete keuchend.

"Hey Jenna, alles in Ordnung. Es ist nichts passiert", sprach Peter beruhigend auf sie ein.

Doch die junge Frau konnte sich nicht beruhigen. Peter rutschte schnell von ihr herunter. Ihm gefiel gar nicht wie sie aussah. Er erhob sich rasch, griff Jenna unter die Arme und zog sie ebenfalls hoch. Sie war so wackelig auf den Beinen, dass sie nicht einmal stehen konnte, ihr Körper wurde von wilden Schluchzern geschüttelt und sie bekam kaum noch Luft. Kurzerhand nahm Peter Jenna auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Er legte sie aufs Bett, wandte sich kurz zum Nachttisch und zündete dort eine Kerze an. Dann lehnte er sich an das Kopfteil des Bettes und zog die schluchzende Jenna in seine Arme. Immer wieder strich er ihr über die Haare und versuchte, zu ihr durch zu dringen.

"Ganz ruhig, Jenna. Atme tief ein und aus und konzentriere dich auf die Kerze", sprach er in seinem besten Schullehrerton auf sie ein.

Jenna zitterte noch immer heftig. Er spürte die Vibration deutlich an seinem Körper. Unerschöpflich wiederholte er die Worte. Ganz langsam drang seine beruhigende Stimme zu Jenna durch. So wie Peter es von seinem Vater gelernt hatte, brachte er Jenna dazu, sich auf die Kerze zu konzentrieren und zu meditieren, damit sie sich beruhigte.

Seine Geduld zeigte Erfolg. Zwar zitterte sie noch immer, doch ihre Atmung wurde zusehends ruhiger und gleichmäßiger, das Schluchzen hörte auf. Sanft streichelte er ihr Haar, ließ seine Hand auf ihrer Stirn liegen und zog ihren Kopf an seine Schulter zurück. Sofort spürte er wie sie sich versteifte.

"Es ist alles gut, Jenna. Höre nur auf meine Stimme, du kannst das", versprach er ihr und wartete einen Moment, bis sie nachgab. "Okay, gut. Nun schließe deine Augen und konzentriere dich auf deine Mitte, atme tief ein und aus."

Jenna tat, was er verlangte. Da sie immer wieder blinzelte, legte Peter ihr eine Hand kurzerhand über die Augen und seine andere Hand ruhte genau auf dem heftig schlagenden Puls an ihrem Hals. Sie spürte wie seine Wärme und Kraft langsam in sie strömte und die Dämonen, die sie eben noch gefangen hatten langsam vertrieb.

"Ja, so ist es gut", flüsterte er ihr ins Ohr.

Jenna ließ sich völlig treiben in dem warmen Strom und entspannte sich zusehends. Ihr gesamtes Denken war nur noch angefüllt mit tiefer Entspannung und dem Mann, der sie fest in den Armen hielt. Es dauerte mehrere Minuten, bis Peter den Kontakt zu ihr löste. Jenna sank in die Kissen wie ein nasser Sack. Ihr gesamter Körper fühlte sich vollkommen schwach an und sie konnte sich nicht bewegen, ob sie wollte oder nicht. Sekunden später versank sie in tiefen Schlaf.

Peter sah traurig auf die zusammengekauerte Gestalt hinab. Als er sie vorhin so in den Armen gehalten hatte, hatte er unabsichtlich eine gedankliche Verbindung mit ihr hergestellt. All die Gefühle, jeder Gedanken, jedes Erlebnis, das sie je gehabt hatte war auf ihn übergeflutet. Nun wusste er, warum sie dermaßen überreizt reagiert hatte und der Gedanke weshalb verursachte ihm Übelkeit. Ihm war sofort klar, dass ihm mit Jenna viel Arbeit bevor stand, die er nicht seinem Vater überlassen konnte. Er ahnte, dass viele Dinge, die sie ängstigten, ihr nicht einmal bewusst waren, weil sie sehr jung gewesen war, als sie es erlebt hatte und es lag nun an ihm, dass sie diesen Drachen besiegte und endlich frei sein konnte. Vorausgesetzt es würde ihm diesmal gelingen, sie zum Bleiben zu überreden.

Peter legte Jenna eine Decke über und machte sich auf den Weg zu seinem Vater. Er war sich sicher, dass sie einige Stunde schlafen würde. Noch bevor er den Wohnraum Caines betreten hatte, wurde er von einem: "Ich habe schon auf dich gewartet", begrüßt.

"Wie?"

"Ich hab die Verbindung ebenfalls empfangen, mein Sohn."

Peter seufzte und ließ sich auf das Sofa sinken. "Und, was sagst du dazu?"

"Es ist nichts, was ich nicht schon geahnt habe. Es stellt sich die Frage, was du Unternehmen willst."

"Du bist der gleichen Meinung wie ich?"

"Natürlich. Sie hat dich als Person heraus gesucht und nicht mich und ich weiß, dass du es kannst, mein Sohn."

"Aber ich...Paps...ich weiß nicht wie ich das machen soll. Hilf mir bitte."

"Höre auf dein Herz, Peter. Jenna steht noch am Anfang, ihr ist nicht bewusst welche Kräfte in ihr Schlummern. Ich werde ihr helfen, diese Kräfte beherrschen zu lernen und auszubauen, doch um ihren inneren Frieden, darum musst du dich kümmern."

"Ich weiß einfach nicht wie, Paps."

"Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du es wissen."

Peter verdrehte die Augen, er hasste dieses kryptische Gerede und sein Vater wusste das genau. Doch Caine war wie Peter. Wenn er nicht wollte, dann wollte er eben nicht.

Peter erhob sich vom Sofa. "Ich denke, es ist besser wenn Jenna ganz bei mir wohnt. Eigentlich kann ihr dort nichts passieren und das Equipment steht auch da, außerdem zerrinnt uns die Zeit unter den Fingern. Allerdings wäre ich froh, wenn du ab und zu mal bei mir vorbei schauen könntest, wenn ich auf dem Revier bin."

Caine neigte den Kopf zur Seite. "Ich habe ihren Koffer schon gepackt, du musst ihn nur noch mitnehmen und du brauchst keine Angst um Jennas Sicherheit zu haben. Nachdem du heute Abend mit ihr eine Verbindung hergestellt hast, wirst du immer wissen wie es ihr geht, sofern sie es zulässt. Du weißt, dass man solch eine Art der Gedankenverbindung nicht mehr rückgängig machen kann."

Peter blickte seinen Vater erstaunt an. "Ich wusste gar nicht, dass ich das kann."

"Auch du kannst noch viel mehr, mein Sohn, wenn du nur mehr auf deine innere Stimme hören und nicht ständig nur impulsiv reagieren würdest", wurde er von Caine gemaßregelt.

Peter errötete und beendete das Gespräch so schnell als möglich, den Koffer ergreifend. Wenige Sekunden später war er weg und hinterließ seinen Vater mit missbilligend erhobener Augenbraue.

 

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