Autor: Dreamy Girl
 

"Buaaaaaah, buaaaaaaaaaaaah, buaaaaaaaah."

Peter schreckte hoch und lauschte angestrengt. Da war es wieder, das Weinen eines Babys.

Er sprang auf und blickte sich um. Es war mittlerweile schon dunkel geworden und er griff automatisch nach einer Kerze, um sie anzuzünden.

Plötzlich wurde das Weinen leiser und bei dem Versuch die Kerze zu entzünden, wurde sie wie durch Geisterhand wieder gelöscht.

"Caine, wie versprochen bin ich wieder hier."

Peter rieb sich die Augen, um besser sehen zu können.

"Was zum Teufel willst du von mir? Was sollen diese dummen Spielchen?", schimpfte Peter, dem es wie so oft schwer fiel, sein Temperament im Zaum zu halten.

Ein Gefühl als würde ihm die Luft abgeschnürt, ließ ihn stöhnend zu Boden gehen.

"Ich sagte dir schon einmal, rede nicht in diesem Ton mit mir!"

Peter sah auf und kochte innerlich vor Wut. "Sag mir einfach, was du willst. Ich habe morgen einen wichtigen Termin und brauche meinen Schönheitsschlaf."

Als wenn eine unsichtbare Kraft ihn packen würde, spürte der junge Shaolin wie er hochgehoben wurde und mit voller Wucht gegen einen Schrank prallte.

"Verdammt", keuchte er.

*Wieso kann ich mich nicht wehren?* schoss es durch seinen Kopf. Er fühlte sich absolut schwach. Was würde sein Vater wohl jetzt tun?

"Hör mir gut zu, Shaolin", drohte die Stimme. "Du wirst für mich etwas erledigen, leider brauche ich deine Hilfe dafür."

"Ach ja, und du glaubst ich ginge darauf ein? Du spinnst ja", platzte es aus Peter heraus. "Wie kommst du auf die Idee ich würde dir helfen? Hat dir unsere damalige Begegnung nicht deutlich genug gezeigt, dass ich mit dir nicht kooperiere?"

"Wuaaah!"

Wütend kam Selentine auf Peter zu. Er umfasste mit einem groben Griff sein Gesicht und sah ihm tief in die Augen.

"Oh ja, du wirst es tun, junger Caine, und diesmal ist dein Vater nicht da, um dir zu helfen. Das musst du ganz alleine schaffen. Hahahaha", lachte er höhnisch.

Plötzlich ertönte wieder das Weinen eines Babys. Peter horchte auf. *Was hat das zu bedeuten?*

"Ja, Caine, du überlegst was das soll? Hörst du dieses Weinen? Ein jämmerliches Weinen. Dieses Baby weint nach seiner Mutter. Leider kann sie es nicht hören. Jammerschade."

Peter wollte aufspringen und etwas Wütendes entgegen, aber irgendetwas in ihm stoppte ihn und er horchte erneut wie gebannt auf das Weinen. Es klang wie ein vertrautes Geräusch. Etwas tief in seinem Innern spürte eine Verbindung zu diesem Baby.

"Ja, Peter Caine, du spürst es nicht wahr? Das können die Shaolin wirklich gut. Dieses Baby...ist dein Baby, Caine."

Peter hatte auf einmal das Gefühl zu torkeln. Seine Kehle fühlte sich vollkommen ausgetrocknet an und es kam kein Laut über seine Lippen. Er schüttelte nur den Kopf. 'Nein, das konnte nicht sein', wollte er sagen, 'nein, das ist nicht wahr!', aber seine Lippen verweigerten ihm nach wie vor den Dienst.

"Du hast schon richtig gehört, es ist dein Baby. Es weint nach seiner Mama. Leider musste ich sie von ihrem irdischen Leben befreien, um an das Kind zu kommen, denn ich brauche es, damit du tust, was ich will."

Die vor Hass und Arroganz triefende Stimme drehte Peter fast den Magen um, und er glaubte seinen Verstand zu verlieren. Das träumte er doch!

"Wieso sollte ich dir glauben?", fragte er mit zweifelnder Stimme, obwohl alles in ihm schrie: "Ja, es ist wahr."

"Das wirst du schon müssen", höhnte Selentine.

Mit gepresster Stimme wandte Peter sich ihm zu. "Was willst du von mir?"

"Na siehst du, warum nicht gleich so. Ich will, dass du für mich die Shaolin auslöschst."

Peter zuckte zusammen. Eisige Kälte kroch in seinem Körper hoch und er sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Selentine äußerte diese Worte mit einer Gleichmut, die Peter fast sprachlos machte.

"Du musst verrückt sein. Wie soll ich das schaffen?"

Selentine grinste. "Oh, ich glaube nicht, dass ich verrückt bin. Eher genial würde ich sagen."

Peter spürte, wie sich die Kälte immer weiter in seinem Körper ausbreitete.

"Ich denke nicht im Traum daran, für dich so etwas zu tun", antwortete er
aufgebracht. "Da kannst du lange drauf warten, ich..."

Sein Protest wurde mit einem plötzlichen Schlag in die Magengegend gestoppt. Die Beine knickten unter ihm weg und Peter fiel auf die Knie. Heftiger Schmerz schoss durch seinen Magen und verschlug ihm den Atem.

"Du bist ein Shaolin, man vertraut dir wie deinem Vater. Durch dich werden wir die Möglichkeit haben, alle Shaolin zu vernichten." Selentines lautes Lachen hallte durch den Raum.

"Wie sollte ich das alleine bewirken können?", presste Peter unter Schmerzen hervor.

"Du besitzt mehr Macht, als du glaubst. Du wirst mit mir und dem Schwert des Kwai Chang in die Vergangenheit reisen. Dort werden wir im Ursprung das ändern, was du vor einiger Zeit korrigiert hast. Und dann sind die Shaolin nur noch eine Legende."

Selentine strahlte solch eine Überheblichkeit aus, dass Peter fast übel wurde.

"Du bist verrückt! Wir können diese Reise nicht alleine machen, das kann nur ein Shambhala Meister."

"Du irrst dich. Dadurch, dass du schon einmal dort warst und die Zukunft der Shaolin verändert hast, bist auch nur du in der Lage das wieder rückgängig zu machen. Daher brauchen wir keinen Shambhala Meister, hahaha."

Peter stand stöhnend auf und presste die Hand auf seinen Magen, der sich immer noch nicht von dem Schlag erholt hatte.

"Und wenn ich mich weigere?"

Eine unheilvolle Stille erfüllte mit einem Mal den Raum. Selentine ging auf Peter zu und sah ihm tief in die Augen.

"Dann wirst erst du sterben, dann dein kleiner Bastard. Oder vielleicht wird aus ihm auch ein guter Sing Wah", spottete er und hob unschlüssig die Schultern.
"Also, denk darüber nach. Ich bin bald wieder da."

Selentine lachte laut während er verschwand.

In Peters Kopf schwirrte alles. Selentine, der abtrünniger Shaolin, der nun zu den Sing Wah gehörte. Schon einmal hatte er versucht, die Macht an sich zu reißen. Er durfte niemals wieder die Chance dazu bekommen, auf keinen Fall mit seiner Hilfe!

Entschlossen ballte Peter seine Hände zu Fäusten. Plötzlich fielen ihm Selentines Worte wieder ein und ein seltsames, kribbelndes Gefühl ließ Peter nachdenklich werden.

Gott, sollte es tatsächlich wahr sein? Er hatte ein Kind?

Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Bilder eines Babys, wie er es in den Armen hielt und es ihn strahlend anblickte, tauchten vor seinen Augen auf.

*Ich bin Vater?*

Ein Glücksgefühl erfüllte ihn für einen kurzen Moment, welches jedoch sogleich wieder verschwand, als ihm klar wurde, dass dieses Kind keine Mutter mehr hatte.

Er wusste, wie sehr er als Kind unter der Elternlosigkeit gelitten hatte und nun sollte es diesem kleinen, hilflosen Wesen genauso ergehen? Nie und nimmer! Voller Hass und Wut auf Selentine schlug er seine Faust gegen den Schrank.
Plötzlich erstarrte er, als ihm klar wurde, dass die Mutter des Kindes seinetwegen hatte sterben müssen, und er fühlte sich furchtbar schuldig.

Ein weiterer Gedanke schoss ihm durch den Kopf und er überlegte wie alt das Kind wohl sein mochte. *Oh Gott, wer war wohl die Mutter? Welche der Frauen, mit der ich zusammen gewesen bin, war von mir schwanger, ohne dass ich es gewusst habe?*, überlegte er völlig verwirrt.

Er lehnte sich gegen die Wand und glitt langsam zu Boden, seine Beine wollten ihn einfach nicht mehr länger tragen. Verzweifelt schlug er die Hände vors Gesicht. Tränen stiegen in seine Augen und er schluchzte leise.

"Das habe ich nicht gewollt. Es tut mir so leid, mein Kind", flüsterte er traurig.

******************************

Wie lange er dort gesessen hatte, wusste er nicht mehr. Immer wieder durchlebte er das Gespräch mit Selentine, aber er fand einfach keine Lösung.
Es kam ihm alles so unwirklich vor.

Schließlich stand er müde auf und griff nach ein paar Kerzen. Dann setzte er sich erneut auf den Boden, stellte sie vor sich auf und zündete sie an. Mit geschlossenen Augen forschte er tief in seinem Innern. Fühlte er diese Verbindung zu dem Kind tatsächlich oder bildete er es sich nur ein?

Während er sich auf sein Chi zu konzentrieren versuchte, hörte er plötzlich eine warme, ihm wohlbekannte, Stimme.

"Peter, mein Sohn. Sei wachsam. Tue nur das, was du glaubst tun zu müssen.
Befreie dich von allen negativen Gedanken und fülle dein Chi mit neuer Kraft."

Peters Körper bäumte sich auf, fast körperlich spürte er die Präsenz seines Vater.
Unendliche Freude durchströmte ihn.

"Paps, wo bist du nur? Ich brauche dich so dringend. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Paps, bitte."

Zu seinem Leidwesen brach der kurze Kontakt schon wieder zusammen. Hatte er nur geträumt? Nein, er hatte es eindeutig gespürt und gehört, da war er sich sicher. Sollte sein Vater seine Zweifel und Sorgen spüren? Peter wusste, dass er noch weit davon entfernt war, so fähig zu sein, wie er.

Der junge Shaolin seufzte leise. Vielleicht würde er es nie sein. Er war noch nicht stark genug. Es fehlte ihm einfach die Erfahrung. Doch egal was die Zukunft für ihn bereit halten würde, niemals würde er Selentine helfen, den teuflischen Plan durchzuführen. Er musste es irgendwie verhindern.

*Ich muss das Baby finden, dann kann er mich nicht zwingen, ihm zu helfen.*

Aber wo sollte er anfangen zu suchen?

 

Prolog Teil 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Epilog

zurück zum Autoren Index      zurück zum Story Index