Autor: Dreamy Girl
 

Es wurde schon langsam dunkel, als sich Peter und Lo Si der Fabrik näherten. Der junge Priester rüttelte an der Türe, aber sie gab nicht nach. Er wollte gerade einen Finger auf das Schloss legen, als er eine vertraute Stimme hörte.

"Peter, pass auf dich auf, mein Sohn."

Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte seinen Körper. "Ja Paps, ich passe auf!", antwortete er erleichtert.

Er spürte nun die Nähe seines Vaters und gleich wurde es ihm leichter ums Herz. Lo Si lächelte wissend und deutete auf die Tür. Peter konzentrierte sich auf seine Energie und legte den Daumen auf das Schloss. Es klickte und die Türe sprang auf.

Selbstzufrieden grinste Peter. "Geht doch."

Lo Si schüttelte mit tadelndem Blick den Kopf.

Leise schlichen sie durch das Gebäude und horchten. Undeutliche Stimmen klangen aus den Schächten, so dass man nichts verstehen konnte. Die Gänge waren schlecht beleuchtet und man erkannte nur wenig. Sie erreichten eine offen stehende Tür und langsam verstand man auch einige Worte.

"Glaubst du wirklich, dieser Priester wird uns helfen?"

Eine düstere Stimme klang durch den Raum. "Er wird alles tun, um seinen Jungen zu retten, und nun, da wir das Mädchen haben, ist er wohl doppelt motiviert."

Peter schloss die Augen. Die Stimme gehörte eindeutig Selentine. Er hatte ihn tatsächlich gefunden. In seinen Adern fing das Blut an zu kochen. Scharf rief er sich zur Ordnung, er musste unbedingt ruhig werden. Sein verdammtes Temperament machte ihm wieder zu schaffen.

Er holte tief Luft und versuchte sich zu konzentrieren. <Ganz ruhig, Junge.>

Er drehte sich zu Lo Si um. "Das ist Selentine. Also muss mein Junge auch hier irgendwo sein. Ich muss nur noch herausfinden, wo er ist", flüsterte der junge Shaolin.

Er blickte sich suchend um. Der einzige Weg führte an dieser offenen Tür vorbei.

"Aber wie kommen wir weiter, ohne dass sie uns sehen? Hier ist nirgends eine Möglichkeit, sich unbemerkt vorbeizuschleichen", überlegte Peter angestrengt.

Lo Si lächelte auf seine bekannte Art und tippte Peter auf dessen Schulter.

"Nimm das Fläschchen, Peter."

Peter zog fragend die Augenbrauen hoch und es dauerte einen Moment bis er begriff, was Lo Si meinte.

"Oh, ah ja. Das grüne Zeug."

Er fasste in seine Jackentasche, griff nach dem Fläschchen und reichte es Lo Si. Dann blickte er ihn an und wartete was jetzt wohl passieren würde.

Lo Si ließ einige Tropfen der Substanz in seine Hände fließen und verrieb sie. Dann verteilte er die Flüssigkeit über seinen Kopf. Verwirrt sah Peter ihn an.

"Und nun?"

"Abwarten", lächelte Lo Si geheimnisvoll.

Wenige Sekunden später verschwand Lo Si vor Peters Augen.

"Lo Si, wo bist du?", flüsterte Peter irritiert.

Ein leichter Stoss in die Seite ließ ihn aufschrecken.

"Ich bin immer noch hier. Du kannst mich nur nicht sehen."

"Wow!", staunte Peter anerkennend.

Sogleich spürte er Lo Sis Hände, die ebenfalls die Flüssigkeit auf seinem Kopf verteilten. Peter verzog das Gesicht, denn das Zeug stank einfach widerlich.

"Du wirst jetzt nicht gesehen, aber du kannst alles andere sehen. Leider hält es nur kurze Zeit. Also lass uns schnell weitergehen."

Einen kurzen Moment später spürte Peter ein Kribbeln im ganzen Körper und er wusste, dass die Substanz jetzt ebenfalls bei ihm Wirkung zeigte.

"Sehen können sie uns nicht, aber bestimmt riechen", konnte sich Peter nicht verkneifen und war sicher einen tadelnden Blick von Lo Si zu ernten, auch wenn er diesen nicht sehen konnte.

"Komm jetzt, Peter. Beeil dich! Wir treffen uns dort hinten an der Wendeltreppe."

"In Ordnung, also dann los."

Schnell liefen sie bis zum vereinbarten Punkt, als Lo Si vor seinen Augen erschien und Peter auch schon wieder dieses Kribbeln spürte.

"Das ist äußerst interessant, Lo Si", lachte Peter leise und blickte die Treppe hinauf.

Ein Gefühl von Wärme und Liebe floss plötzlich durch seinen Körper und ließ ihn leicht erzittern. Fast körperlich spürte er die Nähe seines Kindes. Er schloss überwältigt seine Augen und es bildete sich ein Kloß in seinem Hals. Mit einem Mal konnte er sehr gut verstehen, was sein Vater fühlte, wenn er sich um ihn, Peter, sorgte. Alles geriet in den Hintergrund und nur eines war wichtig: das Wohl seines Kindes.

Er öffnete wieder seine Augen und sah sich um. Alles blieb ruhig und niemand schien ihr Eindringen bemerkt zu haben.

"Ich spüre Joshuas Anwesenheit. Er muss im nächsten Stock sein. Lass uns hochgehen."

Leise und vorsichtig, bedacht jedes unnötige Geräusch zu vermeiden, begaben sie sich nach oben. Dort angekommen blickten sie auf einen langen, durch wenige Lichter beleuchteten Gang.

"Wir müssen da lang", flüsterte Peter und deutete nach links.

Lo Si nickte und folgte ihm geräuschlos.

Am Ende des Ganges trafen sie auf eine schwere, massive Eisentür. Peter legte sein Ohr an die Türe und horchte. Ein leises Wimmern erklang aus dem Raum und ließ Peters Herz vor Aufregung wie wild klopfen. Sein Atem ging schneller und hastig versuchte er die Türe zu öffnen.

"Sie ist auch verschlossen. Das haben wir gleich."

Wiederum legte er seinen Finger auf das Schloss und versuchte, sich zu konzentrieren.
Doch dieses Mal gelang es ihm nicht, die Tür zu öffnen. Überrascht rüttelte er an der Türe, nichts geschah.

"Was ist denn da los, Lo Si?", fragte er wütend und fasste sich verwirrt an die Stirn.

"Du lässt deinen Emotionen freien Lauf, Peter. So kannst du deinen Sohn nicht retten. Versuche, dich zu beruhigen."

Der junge Shaolin seufzte auf. Lo Si hatte natürlich Recht. Er verhielt sich viel zu ungestüm, aber es fiel ihm einfach unglaublich schwer, ruhig zu bleiben. Vor allen Dingen mit dem Wissen, dass sich sein kleiner Sohn auf der anderen Seite der Tür befand.

Tief Luft holend, nahm Peter all seine Energie zusammen und besann sich auf seine innere Stärke. Erneut legte er den Finger auf das Schloss und mit einem leisen 'Klick' sprang die Türe diesmal auf.

Lo Si nickte dem jungen Shaolin zufrieden zu und sie betraten vorsichtig den Raum. Die Fenster waren zum Teil brüchig und ein muffiger Geruch stieg ihnen in die Nase. Suchend blickte Peter sich um. Wo steckte das Baby?

"Buaaah", erklang es gedämpft aus einer Ecke des Raumes.

Peter hielt den Atem an und eilte auf die Stelle zu, aus der das Geräusch kam. Er entdeckte ein Bettchen in dem ein kleines Baby unruhig mit den Beinchen strampelte.

Nun doch vorsichtig werdend, näherte sich der junge Priester dem Bett. Vor Aufregung schlug ihm sein Herz bis zum Hals, und in seinem Magen schienen Hummeln einen Salto aufzuführen. Er sah hinein und blickte in das Gesicht des Babys, welches ihn mit großen braunen Augen neugierig anschaute. Zögernd und mit leicht zittrigen Fingern streckte Peter seine Hand aus und berührte ehrfürchtig die zarten Finger seines Sohnes. Sein Sohn, er konnte es kaum glauben!

Plötzlich zu wissen, dass man Vater ist und dann seinem Kind gegenüberzustehen, waren zwei so unterschiedliche Dinge. Er zwinkerte kurz, um seinen Blick zu klären, der plötzlich ein wenig verschwommen war, dann strich er sich verstohlen eine Träne von der Wange und sah Joshua liebevoll an.

Ein Gefühl als würde sein Herz überquellen vor Freude und Liebe erfüllte ihn, während er das niedliche Gesicht zärtlich streichelte.

"Hallo mein Kleiner, habe keine Angst. Ich bin es, dein Vater. Ich bringe dich jetzt hier weg, also bitte versuche nicht zu weinen, damit man uns nicht hört."

Vorsichtig nahm er den Kleinen aus dem Bett. Glücklich blickte er zu Lo Si, welcher ebenfalls über das ganze Gesicht strahlte. Peter wickelte das Baby behutsam in seine Decke, als es plötzlich seine kleinen Händchen nach ihm ausstreckte und Peters Wange griff.

Erstaunt hielt der junge Mann inne und betrachtete liebevoll das kleine Wesen, das ihn so unschuldig anstrahlte. Peter war sich sicher, dass Joshua genau spürte, dass er sein Vater war. Daran zweifelte er keinen Moment. Er fühlte eine so starke Bindung zu diesem Kind, dass er meinte vor Glückseligkeit und Vaterstolz auf Wolke Sieben zu schweben.

Vorsichtig hob er den Kleinen hoch und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Mit einem tiefen Seufzer drehte er sich zu Lo Si.

"Ich habe vorhin einen anderen Ausgang gesehen. Du musst das Baby in Sicherheit bringen."

Entschlossen drückte Peter ihm das Kind in den Arm.

"Aber was ist mit dir?", wollte Lo Si wissen, nicht gerade erfreut über Peters Aktion.

"Ich muss Jennifer finden. Hauptsache ist erst mal, dass das Kind außer Gefahr ist. Alles andere schaffe ich schon alleine. Bitte geh, Lo Si. Paps ist auch auf dem Weg, also mach dir keine Sorgen."

Lo Si nickte ergeben und eilte schließlich mit dem Kind zum Ausgang. Sobald sich Peter sicher war, dass beide das Gebäude unbehelligt verlassen hatten, machte er sich auf die Suche nach Jennifer.

Nachdem er die oberen Räume erfolglos durchsucht hatte, ging er zurück zur Wendeltreppe. Leise stieg er nach unten und blickte sich forschend um. Die Dunkelheit trug nicht gerade dazu bei, dass die Suche schneller voran ging.

Plötzlich erspähte er eine Türe, vor die eine Kette gebunden war. Er lief los und übersah durch die schlechte Beleuchtung ein Brett, welches an der Wand lehnte. Dieses rutsche zur Seite und schlug mit lauten Poltern auf dem Boden auf. Noch ehe er sich über sich selbst ärgern konnte wurde er entdeckt. Plötzlich sah sich Peter von mehreren dunklen Gestalten umringt. <Verdammt, ich hätte besser aufpassen müssen, das habe ich jetzt davon.>

Mit klopfendem Herzen stellte er sich in Kampfposition. Den ersten Mann abzuwehren war für Peter keine große Kunst. Ein einfacher Griff und der Mann lag am Boden. Beim Nächsten war es schon ein wenig schwieriger, allerdings für Peter immer noch kein Grund, außer Atem zu geraten.

Zu einer wirklichen Herausforderung wurde die Angelegenheit für den jungen Shaolin erst, als sich mehrere Männer gleichzeitig auf ihn stürzten. Tritt auf Tritt, Schlag auf Schlag gelang es Peter, sich zu verteidigen und die gelegentlichen Schmerzensschreie, die er vernahm, gaben ihm das befriedigende Gefühl am nächsten Tag nicht als einziger mit diversen Prellungen, wenn nicht Schlimmeren, aufstehen zu müssen.

Er war sich allerdings schmerzhaft bewusst, dass seine Kräfte nicht ewig reichen würden, falls ihm nicht schnell etwas einfiel. Schon jetzt lief ihm der Schweiß in die Augen und mehr als einmal erwischte ihn ein Schlag oder Tritt so hart, dass er ins Straucheln geriet.

Die Entscheidung fiel, als er einen plötzlichen heftigen Schlag gegen seine Schulter verspürte, der ihm für einen Moment den Atem verschlug und ihn in die Knie zwang. Aber so leicht wollte er nicht aufgeben. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er sich aufzurappeln und erblickte dabei das schwere Brett, das man benutzt hatte, um ihn in außer Gefecht zu setzten. Sein Gegenüber, der dieses nun locker in der Hand hielt, grinste ihn nur an und warf es achtlos zur Seite.

Ein Fehler, denn Peter nutze den Augenblick, stützte sich auf seinem gesundem Arm ab und brachte den Mann mit einem blitzschnellen, gezielten Kick zu Fall.

Das nahmen allerdings dessen Gefährten zum Anlass, um sich mit lautem Geschrei gezielt auf den immer noch angeschlagenen Shaolin zu stürzen. Peters Bewegungsfreiheit wurde stark eingeschränkt, trotzdem teilte er noch aus, so gut es ihm gelang, bis ein heftiger Schlag auf seinem Kopf landete und es Nacht um ihn wurde.

 

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