Kapitel 11 Als Cat in die Notaufnahme stürmte sah sie Peter schon auf einem der Besucherstühle sitzen und telefonieren. Er hatte einen schmalen Verband um den Kopf und lächelte sie an. "Nur eine Beule, alles im grünen Bereich. Bis dann, Partner", sagte der junge Shaolin in sein Handy, legte auf und schob das Gerät in seine Hosentasche. "Honey, wie geht's dir? Was ist passiert?", fragte Cat sofort, als sie bei ihm war, und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. "Ganz ruhig, Schatz, es ist alles in Ordnung. Sun Ni hat mich niedergeschlagen, um zu flüchten und Rache an den Mördern ihrer Cousine zu nehmen", erklärte er nachdenklich, "aber es ist nichts passiert. Eine kleine Platzwunde, eine leichte Gehirnerschütterung und Kopfschmerzen, mehr nicht." "Mehr nicht? Verdammt Peter! Wenn sie fester zugeschlagen hätte, hätte sonst was passieren können!", widersprach die junge Frau aufgebracht. Peter betrachtete sie skeptisch. Dass sie nach Haleys überraschendem Tod gestern kurz vorm durchdrehen stand, war ihm klar, aber so gereizt und zornig hatte er nicht erwartet. "Hätte Wäre Wenn. Es ist doch alles gut gegangen, Liebling. Beruhige dich", versuchte er, sie wieder auf den Boden zu holen. Cat atmete einmal tief durch, aber der Ärger verrauchte nicht. "Ich will mich aber nicht beruhigen!" "Was ist denn los mit dir?", hakte der junge Shaolin jetzt nach und versuchte, sie in den Arm zu nehmen, allerdings erfolglos. "Was los ist? Zur Hölle, Peter, Haley ist tot! Und weil das nicht schon genug ist, kommt dann Kermit um die Ecke und setzt eine gemeingefährliche Irre bei dir ab, die versucht, dir den Schädel einzuschlagen! Und dann schickt er mir auch noch Jody als Babysitter, als ob ich ein kleines Kind wäre und nicht Auto fahren könnte!", zeterte sie lauthals auf ihn ein. "Cat, bitte. Um Haley trauere ich genauso wie du! Ich kann es auch nicht fassen, dass sie nicht mehr da ist. Und was Kermit betrifft", begann er und atmete tief durch, "du kennst ihn doch. Er macht sich doch einfach nur Sorgen, er will uns beschützen." "Und deshalb lässt er dich auf die Kuh aufpassen, die dich niedergeschlagen hat?", zischte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Peter ging auf sie zu und nahm sie jetzt fest in den Arm, auch wenn sie das nicht erwiderte. "Naja, ich bin ja selber schuld. Ich habe mich von ihr verladen lassen. Und Kermit tut ja nicht falsch daran zu glauben, dass ich mich eigentlich gegen Angriffe wehren kann, vor allem wenn sie von Frauen kommen, die nur halb so groß und schwer sind wie ich", bemerkte er mit einem Schmunzeln und spürte, dass auch der Ärger seiner Frau verrauchte. Tatsächlich kicherte sie verhalten. "OK, bei der Vermutung hat er Recht", murmelte sie sich ergebend, "aber der Kuh nehm ich das übel." "Ich glaube, sie ist gar nicht so übel. Hast Du noch nie etwas getan, von dem du wusstest, dass es schlecht ist, um letztendlich deine Ziele zu erreichen oder das vermeintlich Richtige zu tun? Ich hatte den Eindruck, dass sie mich eigentlich nicht verletzen wollte", sagte er leise. "Du hast gewonnen", murmelte sie nach einer ganzen Weile und schmiegte sich in seine starken Arme. Es tat unendlich gut, einfach festgehalten zu werden und sich selbst fallen lassen zu können. "Lass uns nach Hause fahren", schlug Peter vor und erhielt sofort ein zartes Nicken als Antwort. "Du hast Recht. Ich glaube, ich muss mich auch noch bei jemandem entschuldigen, den ich vorhin ziemlich angefahren habe", meinte sie kleinlaut, "sie kann schließlich nicht wissen, was los ist." Der junge Shaolin legte seinen Arm fest um ihre Schultern, spendete ihr Kraft und ging langsam mit seiner Frau zum Stealth. * Kaum dass die Caines zu Hause angekommen waren verschwand Peter kurz im Bad und Cats Handy klingelte. Sie seufzte schwer und zog es aus der Hosentasche, japste dann aber hektisch auf, als sie den Namen auf dem Display las. "Ryan! Um Gottes Willen, ich, ich, ich weiß gar nicht, was…", begann Cat sofort in das Telefon zu stottern und ihr Mitgefühl auszudrücken. "Schon gut. Danke", sagte er tonlos, "Cat, ich habe aus einem bestimmten Grund angerufen. Ich muss dich etwas fragen." "Was denn? Was hast du denn vor?", fragte sie mit zitternder Stimme. Tränen quollen in ihren Augen auf und rannen über ihre Wange. "Ich werde den Kerl umbringen, der Hal getötet hat. Aber vorher muss ich dich um etwas bitten", begann er aufs Neue und atmete durch, "würdet ihr euch um Jo kümmern, falls ich es nicht schaffen sollte?" "Ryan, ich…" "Bitte Cat, ich habe nicht so viel Zeit, ich muss es wissen!" "Warum müsst ihr verdammten Kerle immer euer Ego-Ding durchziehen?!", schimpfe sie auf einmal hilflos unter Tränen, "reicht es nicht, dass Joanna schon ihre Mutter verloren hat?!" "Cat, bitte! Sie würde es bei euch ohnehin besser haben, als bei mir allein. Und ich kann nicht versprechen, dass ich zurückkomme", versuchte er ruhig zu erklären und für die junge Frau die Kälte in seinem Inneren zu verdecken, "aber ich brauche eine Antwort. Jetzt. Kümmert ihr euch um Jo, wenn ich drauf gehe?" Cat schluchzte am anderen Ende der Verbindung. Die Härte seiner Worte war für sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wollte nach Haley nicht auch noch Ryan verlieren, aber sie wusste auch, dass sie ihn nicht aufhalten konnte. "Natürlich, natürlich werden wir uns um Jo kümmern, wenn… wenn…", weinte sie laut ins Telefon und ließ ihre Verzweiflung heraus. "Danke. Das war mir wichtig. Leb wohl", erklang Ryans Stimme noch einmal, dann war die Leitung tot. Cat schlug die Hände vors Gesicht und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Ein tiefes Gespür, wie eine unumstößliche Tatsache, sagte ihr, dass die Wahrscheinlichkeit groß war, dass sie ihn nie wieder sehen oder hören würde; und das machte ihr wahnsinnige Angst. Peter kam aus dem Bad zurück und fand Cat auf dem Boden kauernd neben dem Sofa. Er glaubte, dass sie die Situation einfach über sie hereingebrochen war und in einen tiefen Weinkrampf gestürzt hatte. Als er allerdings sah, dass sie ihr Handy fest umklammert hielt, drehte sich sein Magen bei dem Gedanken an weitere schlechte Nachrichten herum. "Süße, was ist passiert?", fragte er leise, während er sich neben sie hockte und seine Arme fest um sie schloss. Cat schluchzte nur auf. Und es dauerte ewige Minuten, bis sie sich wieder soweit fasste, dass sie ihrem Mann erzählen konnte, was Ryan zuvor am Telefon gesagt hatte. Peter schauderte. Zwar wusste er, dass sein Freund sich in ein Himmelfahrtskommando gestürzt hatte, aber dennoch traf ihn dieser Anruf an seine Frau heftig. Wenn Ryan auch nicht wiederkehren würde, dann kämen rabenschwarze, dunkle Wochen der Trauer und des Verlusts auf sie zu; schlimmer noch, als es sich jetzt schon ohnehin anfühlte. * * * Ryan hatte tatsächlich nicht mehr viel Zeit. Wenn die alten Zeitpläne noch halbwegs stimmten, dann hielt sich Cannon noch etwa eineinhalb Stunden in seinem Arbeitszimmer auf. Und da er dort nicht gestört werden wollte, war dies der ideale Angriffspunkt, um ihn unbemerkt zu erwischen, ohne jemand anderen zu verletzen. Um die Wachleute ging es ihm dabei weniger. Wenn sie sich ihm mit ihren Waffen in den Weg stellen sollten, würden sie schon merken, was sie davon hatten. Aber Cannon war verheiratet, und auch wenn der grausame Gedanke des Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Prinzips für einen kurzen Moment durch seinen Kopf gegeistert war, hatte er doch schnell beschlossen, dass er ihr nichts tun wollte. Er wollte nur den Gouverneur tot sehen, und dann wieder verschwinden. Und wenn er nicht verschwinden konnte und sie ihn töteten, war das auch egal. Seine Gedanken schlugen wieder in jene analytische um, die ihn seine Gefühle und Emotionen vergessen ließen. Zunächst dachte er an das Gewehr unter der Rücksitzbank, die ideale Waffe für ein Attentat, und er sah auch kein Problem darin, ein freies Schussfeld aus sicherer Entfernung zu einem der Fenster im Arbeitszimmer zu bekommen. Aber er wollte das Scharfschützengewehr nicht benutzen. Auch wenn es das perfekte Werkzeug für einen Anschlag war, war es aber eine Distanzwaffe, gemacht für die Tötung eines fremden Ziels, mit dem einen nichts verband. Die Sache mit Cannon aber war etwas Persönliches, kein einfacher Auftrag jemanden aus dem Weg zu räumen. Nein, er wollte ihm die Pistole auf die Brust setzen, den Schreck in den Augen seines Opfers sehen, als er abdrückte und dann jegliches Leben aus den Pupillen entweichen. Er wollte sehen, wie der Mörder seiner Frau starb, durch seine Hand, ganz nah. Vielleicht würde das den Schmerz von seiner Seele nehmen. Ryan wandte sich zum Kofferraum und hob die Klappe an. Zunächst sah es aus wie ein ganz normaler, leerer Kofferraum, als er aber die Bodenplatte an zwei bestimmten Punkten anfasste, ließ sie sich problemlos nach oben klappen und verharrte dort. Darunter fanden sich in schwarzem Schaumstoff diverse Pistolen, Gewehre und die passende Munition dafür. Fast liebevoll dachte er noch an die Pumpgun im Rahmen der Beifahrertür, die Cannon sicherlich schmerzhaft und ganz sicher töten würde, aber sie war zu unhandlich, um sich damit unbemerkt einzuschleichen. Denn sollte man ihn bei dem Versuch doch entdecken, würde sie nur im Weg sein, schließlich war sie als Distanzwaffe ungeeignet. Er warf einen schnellen Blick über das Arsenal im Kofferraum. Die beiden Berettas befanden sich noch in ihrem Holstern, wo er sie angesteckt hatte. Die eine im Schultergurt, die andere hinten am Gürtel. Er griff nach zwei ledernen Platten, die an Schienbeinschützer beim Fußball erinnerten, hier aber einen etwas anderen Zweck erfüllten. Jedes dieser Teile hatte zehn kleine Halterungen, in die er jetzt sorgsam Zusatzmagazine für seine Pistolen einfüllte. Dann schnallte er sie sich tatsächlich an die Unterschenkel. Anschließend überprüfte er die beiden Magazine im Schulterholster und das zusätzliche Fach dort für den Schalldämpfer. Es war alles an seinem Platz. Der frühere Agent warf einen Blick in den Himmel, der sich leider noch nicht vollständig verdunkelt hatte, und er hatte keine Zeit, um auf die Nacht zu warten. Noch eine gute Stunde zum Eindringen, sofern Cannon sich an seine alten Gewohnheiten hielt. Und falls nicht, dann hatte Ryan auch durchaus die kalte Geduld, Stunden und Tage zu verharren, bis er wieder an seinen Schreibtisch kam. Er klappte den Kofferraum wieder zu und warf ein Tarnnetz über den Wagen, das ihn bereits aus wenigen Metern Entfernung in dem dichten Gestrüpp unsichtbar erscheinen ließ. Jetzt hatte er nur noch eines zu tun, nachdem alles andere geklärt und vorbereitet war. Ryan zog sein Handy aus der Tasche und wählte Turn an. Nach dem altbekannten Spiel seiner Identifizierung hörte er allerdings nicht die Stimme seines Freundes, sondern die von Moon. "Wo ist Turn?", fragte er sofort und ersparte sich jede Begrüßung. "Nicht hier", antwortete Moon undurchsichtig und wartete auf Shooters Reaktion. Als erstes hörte er ein leises Knurren, - es war klar, dass er lieber mit Turn gesprochen hätte-, dann folgten wieder Worte. "Auch gut. Hör zu: Wenn ich drauf gehe, wird Jo bei den Caines leben. Hast du mich verstanden?" "Ich kann's zwar nicht nachvollziehen, aber mir soll es recht sein", sagte Moon lahm. "Ich meine es ernst! Komm nicht auf die selten dämliche Idee und behalte sie bei euch, um sie von Kindesbeinen an zu trainieren! Ich schwöre, dann komm ich aus der Hölle zurück, nur um dich zu holen!", zischte Ryan kalt durchs Telefon, weil er genau wusste, dass das FBI nichts dagegen hatte, sich seinen Nachwuchs so früh wie möglich heranzuziehen. Und die Waisen von Agents waren dafür geradezu prädestiniert. "Ich hab's verstanden!", blaffte Moon, den Ryan bei seiner Überlegung ertappt hatte. "Gut. Ich warne dich!", verdeutlichte Shooter seine Anweisungen noch mal und legte dann auf. Anschließend nahm er die Akkuklappe ab, holte die Batterie aus der Halterung und drückte auf einen kleinen Knopf darunter, wodurch eine Phiole voll Säure zerbrach und die Platinen und alle Daten darauf unwiederbringlich zerstörte. Die jetzt wertlosen Bruchstücke des Handys ließ er achtlos fallen. Erst anschließend kam ihm in den Sinn, dass er sich Moons Aussage nicht wirklich sicher sein konnte. Hätte er es Turn gesagt, wäre alles in Ordnung gewesen, aber Moon vertraute er schon lange nicht mehr. Also brummte er kurz und stieg noch mal in den Wagen, um den Bordcomputer zu bedienen, der auch als normaler PC funktionierte. Er verfasste eine E-Mail an jemanden, dem er vertraute und von dem er glaubte, dass er den nötigen Biss hatte, um dafür zu sorgen, dass Joanna tatsächlich zu Peter und Cat gebracht werden würde, mit welchem Mitteln auch immer. Er hinterließ in dieser Mail jede Menge streng geheimer Daten, unter anderem die Adresse der Unterbringung der Kinder und auch Moons realen Namen und Anschrift. Außerdem einige Informationen, die man gegen die Special Force benutzen konnte und sie damit außer Kraft setzen, etwas gegen einen zu unternehmen. Dann brach er endlich auf. * * * Der Ex-Söldner war sofort aus dem Wagen gehechtet, als er Sun Ni an der Gebäudewand entlang schleichen gesehen hatte. Wahrscheinlich wusste sie nicht, dass ihr jeden Moment ein Bewaffneter Kerl begegnen konnte, der sie kaltblütig niederschießen würde. Er versuchte seine Füße so leise wie möglich auf den Asphalt aufzusetzen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Zu seinem Glück war es mittlerweile stockfinster, und Außenbeleuchtung gab es in dieser düsteren Gegend nicht. Kermit rannte hinter Sun Ni her, folgte der Richtung, die sie genommen hatte und stoppte kurz vor einer Ecke ab, um nicht gegebenenfalls direkt in die Mündung eines Maschinengewehrs zu laufen. Während er dort stand und um die Biegung spähte hörte er sein Herz heftig schlagen, nahezu im selben Takt wie die Bässe des nahe gelegenen Nachtclubs. Zunächst konnte er gar nichts erkennen, als er seinen Blick weit genug um die Ecke gelenkt hatte. Also nahm er zwangläufig seine Brille ab und starrte in die Finsternis. Tatsächlich konnte er nach einem Moment Sun Nis Silhouette erkennen, die sich etwa zwanzig Meter vor ihm an der Wand entlang schob. "Hab ich dich", brummte Kermit kaum hörbar und folgte ihr mit schnellen, aber sehr leisen Schritten. Aber dennoch hörte er welche. Kaum dass er um die Ecke war, kamen eben von dort die Geräusche von Stiefeln auf der Straße. ~Der Kerl ist genau hinter mir!~ schoss es ihm durch den Kopf. Er musste sich beeilen, sonst waren sie beide hinüber. Er zog sein Tempo an. Zehn Meter. Dann noch fünf. Als es noch zwei Meter waren, setzte Kermit seine Brille wieder auf, um die Hände freizuhaben, und griff mit einem großen Schritt nach dem Körper vor ihm. Sun Ni erschreckte, sie hatte ihn nicht kommen hören. Darüber hinaus versuchte sie wie wild, sich aus dem Griff wieder zu befreien, aber die Hände des Cops hatten sich wie Schraubzwingen um ihre Oberarme gelegt. "Lassen sie mich los!", zischte sie wütend. Kermit horchte noch immer auf die Schritte, auch wenn es jetzt umso schwieriger wurde. "Klappe!", befahl er leise und drückte sie in eine kleine Nische, in der eine verschlossene Tür zum Inneren des Gebäudes eingelassen war. Hastig tastete er mit einer Hand ihren Körper ab und fand eine kleine Pistole in ihrem Hosenbund, die er ihr abnahm und sich selbst einsteckte. Er stellte sich direkt vor seinen Schützling, denn der Kerl würde bald bei ihnen sein, er hörte seine Schritte jetzt deutlicher. Wesentlich leiser hörte er die Musik des Clubs, an dem er vorbeigekommen war, aber daraus ergab sich jetzt die Idee, wie sie vielleicht unbehelligt blieben. "Sehen sie mich an", flüsterte Kermit leise und stützte sich in locker-lässiger Pose mit einem Ellenbogen an die kalte Steinwand. Aber Sun Ni schien ihn nicht zu hören, oder hören zu wollen. Sie starrte mit undurchdringlicher Miene an Kermit vorbei aus dem Bogen und schien tief in ihren hasserfüllten Gedanken versunken. Wenn sie den Wachmann so ansehen würde, das wusste Kermit, würde er sofort Verdacht schöpfen. Sie mussten ein unauffälliges Pärchen spielen, das sich in diese Gasse verzogen hatte, wenn sie eine Chance bekommen wollten. "Sehen sie mich an!", zischte er erneut, noch leiser als beim ersten Mal. Wieder reagierte sie nicht. Zwar hatte sie die Schritte jetzt auch gehört, aber dennoch blickte sie an ihm vorbei, als warte sie geradezu darauf, dass der Typ in den Türversprung schaute und sie entdeckte. Der Cop konnte sie nicht noch einmal ermahnen und auffordern, ebenso wenig konnte er sie gewaltsam zwingen, ihn anzuschauen. Es würde sofort auffallen, wenn der Wachmann im falschen Moment hinsah. Kermit sah nur noch eine Möglichkeit, denn die Schritte waren gefährlich nahe gekommen. Im der Sekunde, bevor sie in das Blickfeld des Bewaffneten gerieten, beugte sich der Ex-Söldner ungefragt nach unten und drückte seine Lippen auf Sun Nis. Er konnte nur hoffen, dass sie es sich aufgrund der bestehenden Gefahr gefallen ließ und sich nicht wehrte. Das konnte den Grund ihres Aufenthalts verraten und sie somit in tödliche Bedrängnis bringen. Die Halbchinesin war so überrumpelt, dass sie zunächst nicht reagierte. Sie war so darauf fixiert, dass alles umsonst gewesen sein sollte, dass dieser Wachmann direkt in ihrer Nähe war und Kermit ihre Rachepläne durchkreuzt hatte, bis eben dieser sie küsste. Sie konnte einen leisen Pfiff durch die Zähne vernehmen, dann entfernten sich die Schritte wieder; und sie erwachte aus ihrer Starre. "Tun sie das nie wieder!", polterte sie sofort los, wenn auch mit verhaltener Lautstärke. "Hätten sie sich lieber von dem Kerl abknallen lassen?", blaffte Kermit zurück, zog wütend die Brauen zusammen und blickte sie über den Rand der Brille an; die Frau trieb ihn wirklich auf die Palme. "Was zur Hölle fällt ihnen ein!", zickte sie weiter und holte aus, um dem Polizisten eine Ohrfeige zu verpassen. Mühelos fing Kermit die Hand ein und hielt sie fest am Handgelenk, die Handfläche zeigte noch immer schwebend, aber bewegungsunfähig, auf seine Wange. Sie starrten sich in die Augen, als würden sie einen schweigenden Machtkampf austragen, dann aber geschah etwas anderes. Sun Nis Blick veränderte sich, plötzlich schnellte ihre freie Hand vor; aber nicht, um ihn zu schlagen, sondern um ihn fest in Nacken zu packen und sein Gesicht wieder zu ihrem zu ziehen. Kermit wusste zunächst nicht, wie ihn geschah, aber er konnte nicht anders, als zuzugeben, dass es ihm gefiel. Zögernd stieg er in das Spiel mit ein, und sie vereinigten sich in einem intensiven und stürmischen Kuss, der in ihm eine Erregung verursachte, von der er gedacht hatte, dass er sie nie wieder so empfinden würde. Wild verschlangen sie ihre Zungen, bis sie beide keinen Atem mehr dafür hatten und sich voneinander lösten. Erst jetzt ließ er ihre Hand los, die er unbewusst die ganze Zeit festgehalten hatte. Dankbarer als jemals zuvor war er in diesem Moment, die Brille und damit sein Schutzschild vor seinen Augen zu haben. Sun Ni zog ganz langsam ihre Hand zurück, dabei strichen ihre Fingerspitzen sanft über seinen Nacken und verursachten Kermit eine Gänsehaut. Sie schien es zu merken und nahm sie dann ganz schnell weg, auch in ihrem Gesicht stand Unsicherheit. Sie konnte selbst nicht sagen, was sie dazu bewogen hatte, ihn zu küssen. Er hatte einfach in dieser Sekunde eine unglaubliche Anziehungskraft auf sie ausgestrahlt, der sie nicht hatte widerstehen können. Die Düsternis seiner Person, das ernste Gesicht, die undurchdringliche Sonnenbrille, die ihn vorher so unsympathisch in ihren Augen hatte erscheinen lassen, weckte nun ihre Begierde. Aber der Moment war verflogen, dachte sie zumindest. Der Grund ihres Aufenthaltes rückte wieder in ihr Bewusstsein und so wandte sie sich ab und wollte aus dem dunklen Eck herausgehen. Kermit griff blitzschnell nach ihrem Oberarm und umfasste ihn fest, sodass sie nicht weiter konnte. Auch er kämpfte noch mit der Empfindung, die er eben gehabt hatte. Erregung schwelte in seinem Körper, und der erneute Kontakt zu ihr machte es nicht besser. Sie fuhr herum und funkelte ihn finster an, aber in ihren Augen lag auch wieder die Wildheit, mit der sie ihn zuvor geküsst hatte. "Was soll das?", fragte sie ärgerlich. "Was das soll?", entgegnete Kermit fast schon verblüfft. "Wir fahren!" Damit war die Diskussion für ihn beendet. Er warf einen vorsichtigen Blick nach links und rechts und zog sie dann hinter sich her. Sun Ni folgte widerwillig und zeigte ihm das auch deutlich. Sie war so nahe dran in diesem Moment, hatte ihr Ziel fast erreicht, aber der verdammte Cop brachte sie jetzt wieder fort. Und trotzdem spürte sie noch das erotische Knistern zwischen ihr und ihm, die Hand, die sie so dominant führte, ohne eine Gegenwehr zuzulassen. An der Corvair angekommen, hielt Kermit sie so lange fest, bis sie auf dem Beifahrersitz saß und angeschnallt war. Dann erst ging er herum, stieg ein und fuhr los. Sie hatten den Fußweg schweigend zugebracht, ebenso wie jetzt die Fahrt. Jeder verbrachte die Minuten in seinen Gedanken über das, was da grade zwischen ihnen passiert war. Beide bemühten sich angestrengt, diesen Kuss als Ausrutscher zu sehen, aber beide hatten das Bedürfnis nach mehr, auch wenn sie es vor sich selbst kaum zugeben wollten. Auch von der Tiefgarage bis zur Wohnungstür ließ Kermit seinen zangenartigen Griff nicht von ihrem Oberarm. Einhändig entriegelte er die Tür, schob sie hinein und schloss auch einhändig wieder ab. Aber anstatt sie jetzt ins Wohnzimmer zu entlassen, griff er mit der zweiten Hand nach dem anderen Arm und drückte sie fest mit Rücken gegen die Wand. In seinen Augen stand Ärger über ihr Verhalten, aber auch wieder das Verlangen, das er in der dunklen Gasse nach ihr gehabt hatte. Sun Ni war zunächst überrascht, stellte aber fest, dass ihr die sanfte Härte des Cops gefiel. In ihrem Körper regte sich langsam eine leidenschaftliche Hitze, und zu gerne hätte sie in seinen Augen sehen können, ob er dasselbe empfand oder sie jetzt wegen ihrem Verhalten zurechtweisen wollte. Es passierte wie beim ersten Mal. Nach den wenigen Sekunden der Unsicherheit bewegten sie ihre Gesichter einander im selben Moment zu. Wieder trafen sich ihre Zungen in einem wilden und hemmungslosen Kuss. Kermit drückte sie noch immer fest gegen die Wand, aber das störte sie nicht etwa, sondern erregte sie vielmehr. Sie schlang ihre Arme um seinen Rücken und zog ihn an sich, bis ihre Unterleiber sich berührten. Sofort schoss eine Welle heißen Verlangens durch ihren Körper und sie presste sich regelrecht an ihn. Auch an Kermit ging die Berührung nicht spurlos vorbei. Seine Leidenschaft und sein Erregung waren geweckt und er erwiderte den Druck ihres Körpers. Er ließ ihre Oberarme los und schob seine Hände hinter ihren Rücken, um sie noch fester an sich zu ziehen. Um ihn noch näher zu spüren, schlang Sun Ni ein Bein um seine Taille und drückte sich mit aller Kraft gegen seine Lenden. Alles um sie herum war vergessen, sie waren gefangen in einem Strudel aus Leidenschaft, der nur eines zum Ziel hatte: Sex. Hemmungslosen, wilden Sex.
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